4.5 Mehr-als-menschliche GemÖks
»Wer gehört dazu, wer nicht?« – Diese Frage stellt sich nicht nur bei Gründung einer GemÖk oder beim Organisieren von ·Commons· sondern immer dann, wenn (bewusst oder unbewusst) Zugangsbeschränkungen zu einer Gruppe etabliert werden. Sind es nur Menschen mit einem bestimmten Pass oder einer bestimmten Hautfarbe? Alle Menschen, alle Tiere oder alle Lebewesen? Und wer bestimmt, was als vollwertiger Mensch, Tier oder Lebewesen gilt?
Diese philosophischen Fragen zum Thema Zugehörigkeit sind keineswegs neu und prägen das Leben von Menschen und anderen Lebewesen schon seit Jahrtausenden. Sie haben verschiedene ethische Konzepte hervorgebracht, von rassistischen Weltbildern, über den Humanismus bis zum Posthumanismus, der eine Dezentrierung des Menschen vorsieht. Aus hierarchiekritischer Perspektive ist es nur konsequent, auch die Beziehung zwischen Mensch und anderen Lebewesen auf Machtgefälle zu prüfen und diese abzubauen. Wie kann eine GemÖk aussehen, die diese Gedanken berücksichtigt?
Eine Multispezies-GemÖk oder mehr-als-menschliche GemÖk bedeutet, Einkommen und Ressourcen nicht nur unter Menschen zu teilen, sondern auch andere Lebewesen aktiv in die Gemeinschaft einzubeziehen. Die Entscheidung, wer Zugang zu welchen Strukturen hat, wird dann nicht per se über die Spezies festgelegt. Statt also zu sagen »In unser Haus dürfen nur Menschen und Katzen!«, richten sich Zugangsbeschränkungen nach konkreten Bedürfnissen wie z.B. Hygiene. Man könnte sagen: »Ich wünsche mir, dass keine kranken Ratten in unserer Speisekammer wohnen, weil ich fürchte, sonst angesteckt zu werden«.
Wie sieht eine mehr-als-menschliche GemÖk aus?
- Hierarchiekritische Beziehungen zu nicht-menschlichen Tieren Tiere werden nicht als ·Eigentum· oder Produktionsmittel betrachtet, sondern als gleichwertige Akteur*innen im gemeinsamen Handeln für ein gutes Leben. Genau wie ein Kleinkind nicht bei einer emotionalen Austauschrunde dabei sein muss, muss es auch das nicht-menschliche Tier nicht. Dennoch kann sowohl ein Kleinkind als auch ein anderes Tier als ein Lebewesen mit Bedürfnissen und Teil der GemÖk angesehen werden, welches auch das Leben innerhalb der GemÖk-Gruppe mitgestaltet und bereichert.
- Umgang mit dem Vermögen einer GemÖk
Statt beispielsweise Landbesitz als gemeinsames Vermögen nur für menschliche Bedürfnisse innerhalb der GemÖk zu verwalten, kann auch auf nicht-menschliche Gefährt*innen (z.B. Hunde) oder generell andere Lebewesen mittels Empathie Rücksicht genommen werden. Praktische Fragen für die Gruppe sind zum Beispiel: Wie kann trotz aller Verschiedenheiten kreativ und empathisch mit anderen Lebewesen umgegangen werden? Wie können alle nach ihren Möglichkeiten am Gestalten des Miteinanders teilhaben?Beispiele für bestehende Ansätze: - Lebenshöfe: Einige Höfe sind bewusst mit dem Ziel konzipiert, Land aus der kapitalistischen Verwertung zu lösen, nicht-menschlichen Tieren Platz zum Leben zu geben und einen Begegnungsraum für menschliche und nicht-menschliche Tiere zu gestalten.
- Waldbesetzungen: Manche Waldbesetzungen gestalten die Besetzung selbst als Commons und versuchen in Koexistenz mit nicht-menschlichen Gefährt*innen zu leben und füreinander zu sorgen.
Eine mehr-als-menschliche GemÖk kann somit eine tiefere Form der kapitalismus- bzw. herrschaftskritischen Praxis sein, da diese nicht nur auf menschliche Solidarität setzt, sondern auch bestehende Herrschaftsverhältnisse zwischen der Konzeption von Mensch und Natur hinterfragt. Sie fordert heraus, wer an Ökonomien teilhat und wie Ressourcen geteilt werden. Eine solche Perspektive führt nicht nur zu einem herrschaftsfreieren Umgang mit anderen Lebewesen, sondern trägt auch dazu bei, Ausbeutungslogiken auf einer grundsätzlichen Ebene zu durchbrechen.
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