4.2 Offene und geschlossene Formen tauschlogikfreier Praxis
Neben GemÖks existieren zahlreiche verwandte Ansätze mit hierarchiekritischem und tauschlogikfreiem Anspruch, bei denen solidarisch Geld und andere Ressourcen miteinander geteilt werden. Doch nicht alle Projekte funktionieren gleich. Zwei Merkmale, nach denen sich diese Ansätze analysieren lassen, sind die Zugänglichkeit zur Gruppe und die Art der geteilten Ressource.
- Der Zugang variiert zwischen geschlossenen Gruppen (mit Aufnahmeprozessen) und offenen Strukturen (für alle).
- Ressourcen reichen von Geld über Lebensmittel bis zu Räumen und Werkzeugen oder sogar Produktionsmitteln, wie Gemeinschaftsgärten oder Werkstätten.
Diese Unterschiede prägen, wer teilhaben kann und in welche Lebensbereiche der Ansatz hineinwirkt. Die folgende Übersicht zeigt beispielhaft vier Arten tauschlogikfreier Gruppen – entlang der Achsen »offen« vs. »geschlossen« und »Geld teilen« vs. »andere Ressourcen teilen«:
Matrix: Formen tauschlogikfreier Praxis
| Geld teilen | Andere Ressourcen teilen | |
|---|---|---|
| Geschlossene Gruppen | GemÖks Kleingruppen, in denen Geld ·kollektiv· verwaltet und tauschlogikfrei geteilt wird. Der Zugang ist begrenzt – z. B. durch Aufnahmeprozesse oder persönliche Nähe. | Netzwerk »Freier Fluss« (Wendland) Menschen in mehreren Dörfern teilen regelmäßig selbstgebackenes Brot und andere Dinge – ohne Tausch, aber innerhalb eines geschlossenen Netzwerks. Zugang erfolgt meist über persönliche Beziehungen. |
| Offene Gruppen | Black Communities (USA) Innerhalb einzelner Communities wird Geld solidarisch geteilt – etwa bei Krankheit, für Kinderbetreuung oder als Nothilfe. Keine formelle Mitgliedschaft, aber geteilte politische oder soziale Erfahrung. | KüfA (Küche für Alle) Ob regelmäßig für die Nachbarschaft oder zu einer bestimmten Veranstaltung: Eine Gruppe kocht und alle Menschen können ohne Gegenleistung essen. Es gibt keine Preise, meistens aber eine Spendendose. Wer möchte, kann Teil des Kollektivs werden, muss es aber nicht. |
Zwischen Offenheit und Abgrenzung
Geschlossene Gruppen bieten oft starke Bindung und gegenseitige Verlässlichkeit. Doch sie laufen Gefahr, ausschließend zu wirken – etwa wenn der Zugang auf eine bestimmte Personenzahl begrenzt oder nur Menschen mit bestimmten Codes oder Vorerfahrungen möglich ist.
Offene Gruppen ermöglichen breiteren Zugang, fördern Spontanität und niedrigschwellige Teilhabe. Auch hier können aber informelle Machtstrukturen entstehen – z. B. wenn ein innerer Kern viele Entscheidungen trifft, während andere außen vor bleiben.
Sowohl bei offenen als auch geschlossenen Gruppen ist die Frage des Zugangs auch daran gebunden, wer davon erfährt. Über welche Informationskanäle wird eingeladen, welche Sprache genutzt und welche Barrieren reproduziert? All das kann zu Zugangsbeschränkungen führen.
Mischformen sind Alltag
In der Praxis gibt es viele Gruppen, die weder ganz offen noch ganz geschlossen sind – oder unterschiedliche Zugänge je nach Ressource haben.
Beispiel:
Ein Umsonstladen kann öffentlich zugänglich sein: Alle dürfen Dinge mitnehmen. Das Spendenkonto verwaltet aber nur eine kleine Gruppe, die sich regelmäßig um den Laden kümmert. Wer bei diesen Entscheidungsprozessen mitmischen will, muss gegebenenfalls erst von der bisherigen Gruppe aufgenommen werden.
Fazit
Diese verwandten Formen des Teilens zeigen: Es gibt bereits Ansätze, die den Wirkungsbereich von GemÖks erweitern und ergänzen – weil sie durch eine offene Struktur mehr Menschen erreichen und durch das Teilen verschiedener Ressourcen Einfluss auf weitere Lebensbereiche nehmen. Gerade aus dem Zusammenspiel konkreter Projekte mit unterschiedlichen Schwerpunkten entstehen komplexe Strukturen mit transformatorischen Potential.
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