Relevanz von Analysen & Schwächung von Begrifflichkeiten
In persönlichen Streits Begriffe wie "Grenzüberschreitungen", "Übergriffe", "Missbrauch" zu verwenden, Wörter wie "Trauma" oder "Trigger" inflationär (= mega oft) zu verwenden, lässt die kennzeichnende Qualität von gewaltvollen Situationen verschwimmen und schwächt Betroffene. Das heisst konkret, dass das Konzept von "Definitionsmacht", das wir als grundlegend für Awareness-Strukturen erachten, vorschnell verwendet und für die persönliche Agenda eingesetzt werden kann. Dazu Jackie Wang:
"Conversation often ends when people politicize their feelings of discomfort by using safe space language." (deutsch: Gespräche enden oft dort, wo Menschen ihre unangenehmen Gefühle politisieren, indem sie die "safer space"-Sprache verwenden) (Wang, S. 16, Quelle siehe unten).
Mit der "safer space"-Sprache sind Schlagwörter gemeint, die uns verstummen lassen, weil wir Angst haben, etwas gegen diese zu sagen - da wir ja grundsätzlich hinter diesen «safer space»-Konzepten stehen. Wenn diese Schlagwörter für persönliche Zwecke verwendet werden, um das Gegenüber zum Schweigen zu bringen, führt dies zu einer Schwächung dieser Konzepte. Dies ist insofern kritisch oder schwierig, als das keine wirkliche Auseinandersetzung mehr möglich ist.
Bsp: "Der Typ hat mich unterbrochen, das ist sexistisch" --> Hier ist eine genaue Analyse wichtig: was genau ist sexistisch daran?
Persönliche Erlebnisse sind wichtig, um die gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnisse - die sehr subtil sein können - fassbarer zu machen. Wir sollten aber nicht auf dieser persönlichen Ebene verharren, sondern in die Tiefe gehen und schauen, weshalb es diese Verhältnisse gibt. Denn so können wir sehen, wie Ausschluss und Diskriminierung - und auch Mikroaggressionen - nicht nur auf der
psychischen Ebene wirken, sondern sich auch in „Materiellem“ einschreiben: es kommt zu konkreten Benachteiligungen in der Schule, auf der Wohnungssuche und am Arbeitsplatz. Und am deutlichsten sehen wir diese Einschreibungen in Regeln und Gesetzen.
Wichtig und lösungsorientert vorgehen, heisst in Momenten von Konflikten, nicht in Stille zu verharren, sondern auf die Aussage einzugehen: Ja, es stimmt, dass vor allem cis-Männer ein dominantes Verhalten an den Tag legen, zum Beispiel nicht bis
zum Schluss zuhören, sondern ins Wort fallen / Das ist strukturell bedingt (patriarchale Verhältnisse, etc.) / Sich entschuldigen, die Person ausreden lassen und dann auf das Thema der Sitzung zurückkommen, also von der persönlichen Empfindung zur strukturellen Ebene kommen.
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