Verdachtsunabhängige Kontrollen
Rechtlicher Rahmen
Die Gefahrenabwehr ist unter anderem Aufgabe der Polizei und der Bundespolizei.
Davon ausgehend sind verdachtsunabhängige grundsätzlich möglich, um Gefahren abzuwehren. Den Behörden steht hinsichtlich der Kontrollen ein Ermessensspielraum zu. Das Ermessen muss aber so ausgeübt werden, dass dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG Rechnung getragen wird und eine eine Diskriminierung ausgeschlossen ist. Es dürfen also nicht einfach so Menschen nach vermeintlicher Herkunft oder Aussehen kontrolliert werden. Eine solche Kontrolle allein auf Grundlage vermeintlicher Herkunft oder Aussehen verstößt auch gegen das europäische Diskriminierungsverbot. Dies wurde vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit einem Urteil aus dem Jahr 2010 bestätigt (Melki-Urteil).
Außerdem muss die Kontrolle – wie jede staatliche Maßnahme – verhältnismäßig sein. Generell gilt, dass die Kontrolle intensiver durchgeführt werden kann, je eindeutiger der Verdacht einer Straftat vorliegt. Wenn es keinen konkreten Verdacht gibt, sollte man die Polizei auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinweisen.
Kontrollen sind außerdem an Orten und Versammlungen möglich, bei denen erfahrungsgemäß mit Straftaten gerechnet werden kann. In Bezug auf eine Aktionsphase muss dafür erst ein Gefahrenbereich festgelegt werden, in dem dann besonders kontrolliert werden darf. Die Bundespolizei darf außerdem kontrollieren, wenn Gründe für die Annahme vorliegen, dass Straftaten am Bahnhof ausgeübt werden (§23 BpolG).
Landesregelungen
Die Berliner Polizei darf nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 ASOG die ID nur an Orten feststellen, wo Straftaten geplant oder verübt werden. Dies trifft nicht auf den Bahnhof zu, sondern höchstens auf gemeinsame Unterkünfte, Gemeinschaftsorte etc.
Für Bayern ist die Identitätsfeststellung in Art. 13 PAG geregelt. Es darf unter anderem zur Abwehr einer (drohenden) Gefahr, in Gebieten, in denen anzunehmen ist, dass dort Straftaten verabredet, vorbereitet oder verübt werden und an Orten, wo sich vermutlich Straftäter verbergen, die Identität festgestellt werden.
Verhaltenstipps für eine Kontrolle
- kooperativ sein, weil die Maßnahme in der Situation oft ohnehin nicht verhindert werden kann (wird im Zweifel mit Gewalt von der Polizei durchgesetzt)
- Sofern die Polizei die Situation eskaliert oder sie offensichtlich rechtswidrig handelt, freundlich aber bestimmt und ggf. wiederholt hinweisen, dass die Polizei gerade rechtswidrig handelt und kein Grund dafür besteht, Schärfe in die Situation zu bringen
- den Grund und die gesetzliche Grundlage für die Kontrolle erfragen (muss euch mitgeteilt werden)
- nur die Fragen zur ID (Infos vom Perso) beantworten und zu weiteren Fragen nichts sagen, weil ihr es nicht müsst und es die Polizei nichts angeht
- Auch wenn einzelne Beamt*innen „nett“ auftreten keine weiteren Informationen rausgeben
- Durchsuchung der eigenen Taschen etc. widersprechen, da die ID bereits angegeben wurde und dafür keine Grundlage mehr besteht
- auf Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) hinweisen und die Polizei dazu auffordern, sich daran zu halten
- bei Bedarf Namen und Dienstnummern der Polizist*innen erfragen und / oder sich Dienstausweis zeigen lassen und eine Dienstaufsichtsbeschwerde in den Raum stellen (kann Vorgehen der Polizei evt. abschwächen)
- Öffentlichkeit herstellen und z.B. Passanti auf die unverhältnismäßige und verdachtsunabhängige Durchsuchung hinweisen
- Vorsicht beim Filmen solcher Einsätze: Im Raum steht schnell eine Strafbarkeit wegen Verletzlichkeit der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB, was die Polizei dazu veranlassen kann, das Aufnahmegerät zu beschlagnahmen.
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