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Abwendung von Erzwingungshaft

Wer das rechtskräftig gewordene Bußgeld nicht bezahlt bekommt meist eine Androhung einer Erzwingungshaft und manchmal auch eine Ladung zum Antritt der Erzwingungshaft. Die Erzwingungshaft ist keine Bestrafung, sondern soll Euch dazu zwingen, das Bußgeld zu bezahlen.

Wenn ihr ein Pfändungsschutzkonto habt und zusätzlich nachweisen könnt, dass ihr das Bußgeld auch in kleinen Raten nicht zahlen könnt, ist die Vollstreckung einer Erzwingungshaft gem. § 96 Abs, 2 OWiG rechtswidrig. Die Rechtsprechung ist hier aber sehr restriktiv, mit der Begründung, es könne nicht zugelassen werden, dass Menschen, die unterhalb der Pfändungsgrenze leben, sanktionslos die Zahlung der Bußgelder verweigern.

 

Daher ist zu berücksichtigen:

  • Ein Pfändungsschutzkonto sollte auf jeden Fall vorhanden sein.
  • Wenn ihr eine Vermögensauskunft abgegeben habt, ist das hilfreich, reicht aber bei Bußgeldern nicht aus, um eine Erzwingungshaft zu vermeiden.
  • Wenn Euch also Erzwingungshaft angedroht wird, prüft Eure Finanzen genau!


Es reicht nicht, wenn ihr knapp unter der Pfändungsgrenze seid. Ihr müsst darüber hinaus nachweisen, dass ihr bei Zahlung einer monatlichen Rate nicht mehr in der Lage seid, Euren monatlichen Verpflichtungen (Miete, Strom, etc.) nachzukommen und Euch ausreichend ernähren zu können. Ihr solltet also angeben:

  • Monatliche Einkünfte (z.B. Bürgergeld: 500 €, Mietzuschuss: 500 €)
  • Mietausgaben: (z.B. 500 €)
  • Nebenkosten: (z.B. Strom etc., 100 €)
  • Lebensmittel-Bedarf (für Euch allein oder auch für Kinder)
  • Schulden-Rückzahlungen und weitere Bußgeldforderungen
  • Sonstige notwendige Ausgaben

 

Kommt ihr dabei auf nahezu Null, dann könnt ihr der Erzwingungshaft widersprechen. Dabei solltet ihr genau diese Rechnung in dem Schreiben anführen. Evtl. fordert die Vollstreckungsbehörde oder das Gericht Euch auf, Belege nachzureichen.

Wenn ihr mehrere rechtskräftige Bußgelder habt, müsst ihr darauf Acht geben, bei welchem Bußgeld ihr zuerst eine Ratenzahlung vereinbart habt. Bei allen weiteren solltet ihr erst mal mitteilen, dass mehrere Bußgelder zur Vollstreckung anstehen und in einem der Verfahren eine Ratenzahlung vereinbart wurde, so dass Ratenzahlungen in weiteren Verfahren aufgrund Deiner wirtschaftlichen Lage erst nach dem vollständigen Abbezahlen des zuerst vollstreckten Bußgeldes (Datum der letzten zu zahlenden Rate angeben) möglich ist.

Manche Gerichte verlangen auch eine Darlegung, warum ihr nicht in der Lage seid, für Eure Versorgung selber zu sorgen, also z.B. zu arbeiten. Wenn ihr also arbeitsunfähig geschrieben seid, macht es Sinn, dieses Attest beizulegen. Wenn es andere Gründe dafür, solltet ihr dazu etwas schreiben.

 

Je nach Stand des Verfahrens sind unterschiedliche Schreiben sinnvoll:

1. Die Bußgeldbehörde kündigt an, die Erzwingungshaft zu beantragen

Schon auf dieses Schreiben könnt ihr antworten und darauf hinweisen, dass eine Erzwingungshaft in Eurem Fall nicht verhängt werden darf, weil ihr nicht zahlen könnt. Vielleicht beantragt die Vollstreckungsbehörde dann gar keine Erzwingungshaft. Dazu findest du hier eine Vorlage.

 

2. Stellungnahme an das Gericht

Wenn Du trotz Zahlungsaufforderung und Vollstreckungsaufforderung nicht zahlst, kann die Vollstreckungsbehörde bei Gericht einen Antrag auf Verhängung einer Erzwingungshaft beantragen. Das Gericht soll der betroffenen Person die Möglichkeit geben zu dem Antrag Stellung zu nehmen.

Wenn Du ein solches Schreiben des Gerichts bekommst, solltest Du darauf innerhalb der gesetzten Frist mit der ausgefüllten Vorlage antworten.

 

3. Rechtsbeschwerde

Wenn Du einen Beschluss des Gerichts bekommen hast, in dem festgesetzt wird, wie viele Tage Erzwingungshaft Du absitzen sollst, kannst Du Rechtsbeschwerde dagegen einreichen (§ 575 Abs. 2 ZPO). Die Frist dafür beträgt einen Monat ab Zustellung des Beschlusses. Sie sollte aber so schnell wie möglich eingereicht werden, um einer Ladung zum Haftantritt zuvor zu kommen. Die Rechtsbeschwerde muss begründet werden und es soll eine Abschrift des angefochtenen Beschlusses beigefügt werden. Eine Vorlage dazu findest du hier.

Die Begründung muss enthalten:

  1. Den Antrag: „Ich beantrage den Beschluss (Az. + Datum) aufzuheben.“
  2. eine Begründung, weshalb das Verfahren grundsätzliche Bedeutung hat oder der Fortbildung des Rechts oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dient
  3. die Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt
  4. die Tatsachen, die dafür sprechen, dass die Erzwingungshaft im vorliegenden Fall nicht gesetzeskonform ist.


Juristisch ungeübte Menschen sollten daher die Rechtsbeschwerde durch eineN Rechtsanwält*in einlegen lassen.


Fazit

Letztlich lohnt es sich also bei bevorstehender Pfändung sich einen genauen Überblick über die eigenen Finanzen zu verschaffen. Wenn ihr wirklich ganz wenig habt, kann es lohnenswert sein, sich die Mühe zu machen, Rechtsmittel einzulegen. Die Gerichte gehen zwar äußerst restriktiv vor und manchmal auch über die Grenze des Zulässigen hinaus. Trotzdem lohnt es sich– bei aller Bereitschaft ins Gefängnis zu gehen – gegen gesetzwidrige Erzwingungshaft zu wehren. Das wäre auch eine gute Tat im Hinblick auf gesellschaftliche Gerechtigkeit, denn gerade die Ärmsten der Gesellschaft können sich am Wenigsten wehren und sind aber am meisten von Pfändungen und Erzwingungshaft betroffen.