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Juristische Einordnung

Auszug aus dem Factsheet Pfefferspray des Autonomen Sanitätskollektivs Göttingen

Handelt es sich bei Pfefferspray um eine Waffe?

Reizstoffe sind gemäß Punkt 5 der Anlage 1 (zu §1 Abs. 4) des Waffengesetzes (WaffG) Waffen. Das gilt aber nur für die Reizstoffe, die bestimmter Maßen gegen Menschen eingesetzt werden. Das Bundeskriminalamt hat in einem Feststellungsbescheid vom November 2008 festgestellt, dass Tierabwehrsprays nicht unter das Waffengesetz zu subsumieren seien. In dem vom BKA untersuchten Pfefferspray reichte die Aufschrift "Zum Schutz gegen Angriffe. Gegen alle Arten von Tieren" aus, um nicht als Waffe eingestuft zu werden. Das heißt

  • als "Tierabwehrspray" gekennzeichnetes Pfefferspray ist keine Waffe im Sinne des WaffG - Dennoch kann der Einsatz gegen Menschen strafbar sein!
  • von der Polizei etc. gegen Menschen eingesetztes Pfefferspray ist eine Waffe im Sinne des WaffG (Vgl. auch §2 Abs 4 UZwG).

Bei dem handelsüblichen CS-Gas handelt es sich um Reizstoffe im Sinne des WaffG, sodass dieses anderen Führungseinschränkungen unterliegt. Gleichzeitig darf als Tierabwehrspray gekennzeichnetes Pfefferspray nicht automatisch überall geführt werden. Zum Beispiel halten sog. "Waffenverbotszonen" und das Versammlungsgesetz des Bundes bzw. die -gesetze der Länder sowie Auflagen zu Versammlungen weitere Einschränkungen bereit.

Die Antwort auf die Frage ob es sich um eine Waffe handelt oder nicht, reicht nicht aus um zu klären, ob Pfefferspray legal mitgeführt oder gar gegen Menschen eingesetzt werden darf.

Ist Pfefferspray eine (verbotene) Bio-/Chemie-Waffe?

RCAs inklusive Pfefferspray fallen unter die Kriterien der Chemiewaffenkonvention (CWC). Die CWC verpflichtet die Staaten die von ihr erfassten Stoffe nicht oder nur unter Auflagen herzustellen, damitzu handeln oder sie einzusetzen. Ein Einsatz im Krieg ist völkerrechtswidrig. Aber: die CWC erlaubt für den Einsatz im Bereich law enforcement und riot control im Inland Ausnahmen. Was genau unter diese Begriffe fällt, ist nicht näher beschrieben. Die STOA hält in ihrem Report fest "Experts advise caution on this point, since whilst riot control agents are permitted under Article 1, para 5 and Article II, paras 1,2,7 and 9(d) of the CWC, thereare still limits."

Pfefferspray im polizeilichen Einsatz

Der Kreis derer, die in Deutschland Pfefferspray im sog. Hoheitlichen Auftrag führen und einsetzen dürfen ist groß. Mehr als 18 Polizeien, diverse Kriminalämter, der Zoll u.v.a.m. Entsprechend groß ist der Wust an Gesetzen und Regelungen. Eine abschließende Betrachtung ist also kaum möglich und letzlich auch nicht interessant, weshalb hier nut auf sehr einschlägige Stellen eingegangen wird.

Betrachtet werden die zum Einsatz berechtigten Gesetze, die Anforderungen an das Einsatzmittel Pfefferspray, sowie an die Personen, die es einsetzen und die Regelungen im Umgang mit Geschädigten.

Zum Einsatz berechtigende Gesetze

Das Gesetz über den Unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) definiert Unmittelbaren Zwang als "die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen". Für Polizeibeamt*innen und ihre Vollzugsgehilfen wird der Einsatz durch die Polizeigesetze der Länder - in Niedersachsen das Niedersächsiche Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG) - geregelt. "Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schußwaffen, Reizstoffe und Explosivmittel." (Vgl. außerdem §69 Abs. 3 NPOG) Die Anwendung Unmittelbaren Zwangs darf die allgemeinen Grundrechte (Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit etc) enschränken (Vgl. §3 UZwG sowie $10 NPOG) muss aber immer verhältnismäßig sein, d.h. "der zu erwartende Schaden darf nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen.

Privatpersonen einschließlich Angehörige privater Siherheitsdienste etc. können sich nach dem Einsatz von Pfefferspray sofern sie nicht als Vollzugsgehilfen der Polizei und damit im hoheitlichen Auftrag gehandelt haben lediglich auf den sog. Notwehrparagraphen (§32Abs. 2 StGB) berufen.

Anforderungen an das Einsatzmittel

Zugelassene Reizstoffe sind solche, die der Technischen Richtlinie (TR) Reizstoffsprühgeräte (RSG) mit Oleoresin Capsicum (OC) oder Pelargonsäure-vanillyamid (PAVA) entsprechen. Diese regelt in erster Linie, welche Prüfbescheinigungen von Herstellern beigebracht werden müssen, welche Abmaße und Fassungsvolumina die RSG haben sollen und wie sie gekennzeichnet und später entsorgt werden sollen. An den Reizstoff selbst wird die Anforderung nach "Lebensmittelqualität" und ein mindestens 95%iger Reinheitsgrad gestellt. Es wird auf entsprechende Vorschriften (Rückstands-Höchstmengenverordnungen, Gefahrstoffverordnung u.a.m.) verwiesen. Was nicht gefordert wird ist ein Nachweis über die Unbedenklichkeit des Wirkstoffes selbst.

Das Polizeitechnische Institut stützt sich [laut der Antwort auf die Kleine Anfrage der MdL P.-B. Zimmermann] dabei auf Gutachten der Confarma AG, Schweiz, zur "lokalen Verträglichkeit von Nonivamiden", zur "Prüfung der Inhalationstoxizität an Nonivamid/Nonylsäurevanillyamid" und zur "primären dermalen Verträglichkeit an der intakten und skarifizierten Haut von Nonivamid/Nonylsäurevanillyamid" sowie auf umfangreicht Literatur zur toxikologischen und sicherheitspharmakologischen Untersuchungen von Nonivamid und Capsaicin.

(Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport. Kleine Anfrage: Einsatz von Pfefferspray durch Sicherheitskräfte in Niedersachsen. Drucksache des Niedersächsischen Landtages. Feb. 2011. url: https://www.buerger-beobachten-polizei.de/images/content/files/KA_Zimmermann_Pfefferspray_Feb_11.pdf.)

Ein Teil dieser "umfangreichen Literatur" - die gar nicht so umfangreich ist, gemessen an der Verbreitung von OC - wird im entsprechenden Artikel diskutiert. Alle Autor*innen stellen fest, dass es weiterer Forschung bedarf und abschließende Aussagen nicht möglich seien. Die o.g. Gutachten wurden unter anderem von Deutschland gegenüber der STOA der EU verteidigt. In dem Bericht der STOA 2011 heißt es, Frankreich, die Schweiz, Österreich und Deutschland hielten den Einsatz von PAVA für legal und sicher während im Vereinigten Königreich der Einsatz für nicht hinreichend sicher eingeschätzt wird. Gleichzeitig gäbe es entsprechende Forschung dazu.

Anforderungen an die zum Einsatz berechtigten Personen

Gibt es kaum. In der Antwort auf die Kleine Anfrage der MdL P.-B. Zimmermann heißt es "Jedem zum Führen eines Reizstoffsprühgeraätes befugten Angehörigen der Polizei des Landes Niedersachsen sind die 'Informationen zum Gebrauch von Reizstoffsprühgeräten mit synthetischem bzw. natürlichem Capsaicin' und damit die Wirkungsweise, zu beachtende Reaktionen und eventuell erforderliche Folgemaßnahmen bekann."

Regelungen zum Umgang mit Geschädigten

Die Hersteller, der Gesetzgeber und die EU empfehlen mit Pfefferspray in Kontakt gekommene Personen medizinisch zu überwachen. "Wird unmittelbarer Zwang angewendet, ist Verletzten, soweit es nötig ist und die Lage es zulässt, Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen."