Kurzübersicht: Vorbereitung, Ablauf
Um dich mit der Thematik vertraut zu machen, findest du auf dieser Seite ein bisschen allgemeinen Input zur Führung von Gerichtsprozessen. Weitere Infos findest du dann auf anderen Seiten zu möglichen Zielen von Gerichtsprozessen, sowie eine Übersicht zur großen Geldfrage und wie Unterstützung hier möglich ist. Mit allen weiteren, spezifischen Dingen wird dir das Legal Team, deine Anwält:innen, oder Laienverteidiger:innen weiterhelfen :)
Diese Seite soll trotzdem einmal kurz ein paar Stichworte ansprechen und auffächern, damit du dich ein bisschen orientieren kannst in der Welt der Gerichte.
Vorbereitungen für den ersten Prozess
Sobald du eine Ladung zu deinem Gerichtsprozess erhalten hast, solltest du dich möglichst direkt bei RAZ melden. Eine Person wird sich dann bei dir melden und dich bei deinen Vorbereitungen begleiten.
Es kann auch sehr bestärkend sein, wenn du dir einen Gerichtsprozess einer anderen Person vor Ort anschaust. Zu den öffentlichen Verhandlungen hast du als Zuschauer:in immer freien Zutritt. Du findest eine fortwährend aktualisierte Liste der nächsten Gerichtsprozesse hier.
Du kannst so einen direkten Eindruck von den Räumen, dem Ablauf, der Stimmung usw. gewinnen, ohne selbst unter dem Druck zu stehen, angeklagt zu sein. Wenn du also Zeit dazu hast, neugierig darauf bist und es schon Prozesse in deiner Stadt gibt, ist das sehr zu empfehlen!
Falls du es vorher nicht ins Gericht schaffst, kannst du dir hier einen simulierten Prozess einer Jura-Vorlesung anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=-JSz_I74dRk
Tipp: Besuch zur Vorbereitung ein Prozesstraining. Diese werden immer im RAZ Broadcast angekündigt und können sonst auch per Mail nachgefragt werden.
Da wir den Prozess genauso aktiv gestalten möchten, wie das Gericht und die Staatsanwaltschaft, gilt es, möglichst viele der zu Verfügung stehenden Mittel zu nutzen.
Hier findest du eine kleine Liste von all den Mitteln, die uns zu Verfügung stehen:
- Persönliche Erklärungen zur Motivation und Hintergrund der Proteste: In der sogenannten Einlassung und den Letzten Worten kannst du dir Raum nehmen, um deine eigene Geschichte und das Geschehen aus deiner Sicht darzulegen.
- Beweisanträge: Der mittlere Teil eines Gerichtsprozesses besteht aus der Beweisaufnahme. Hier werden oft Zeug:innen befragt und Bilder angeschaut. Wir können allerdings auch eigene Anträge einreichen und verlesen, die sich dementsprechend politischer gestalten können. Hierdurch muss das Gericht wiederholt aktiv Entscheidungen zu Problematiken der Klimakrise oder von politischen Gegebenheiten treffen. Vorlagen hierfür lassen sich im Verteidigungswiki finden.
Ablauf eines Gerichtsprozesses
Hier nun eine stichpunktartige Übersicht zum Ablauf einer Hauptverhandlung. Ausführlich wirst du diese Punkte auch mit deiner Ansprechperson von RAZ besprechen.
- Einlasskontrollen
- Aufruf zur Sache und Formalia: Prozessbeginn, aufgerufen wird laut auf dem Flur und teilweise auch vor dem Gerichtsgebäude, jetzt können alle in den Gerichtssaal eintreten.
- Reinkommen des Gerichtes: Wenn Richter:innen den Saal betreten, sollen alle anderen Anwesenden normalerweise aufstehen.
- Feststellung von Anwesenheit: Sind alle Zeug:innen da? Verteidigung? Angeklagte Person(en)?
- Feststellung der Personalien: Hier werden alle Angaben zur Person der angeklagten Person(en) abgefragt. Es müssen keine Angaben, bzw. nur grobe Angaben gemacht werden. An dieser Stelle wird tlw auch schon nach den wirtschaftlichen Verhältnissen gefragt.
- Verlesung der Anklage: Die Staatsanwaltschaft wird von Richter:in gebeten, die Anklage zu verlesen.
- Einlassung: Nun wird die angeklagte Person gefragt, ob sie sich äußern möchte. Das Gericht erwartet in diesem Moment, dass man sich für die begangene Straftat entschuldigt oder sogar ganz klar für schuldig erklärt. Die angeklagte Person muss keine Aussagen machen und auch keine Fragen beantworten.
Achtung: Sobald du hier sagst, dass du die Tat begangen hast, kann das Gericht den Prozess einfach für beendet erklären!
Also lieber sagen, dass du “erst einmal” über die Tatumstände sprechen möchtest. Dann geht das Gericht tendenziell weiter davon aus, dass du vielleicht noch etwas zu der tatsächlichen Tat sagen magst - während du diesen Zeitpunkt nutzen kannst, um über die Klimakatastrophe zu reden, die politische Untätigkeit, oder darüber, dass du den Vorgang der Nötigung eben nicht als “verwerflich” ansiehst.
- Vernehmung der angeklagten Person: Nach der Einlassung, wird die beschuldigte Person befragt. Zuerst stellt das Gericht Fragen, dann die Staatsanwaltschaft, und anschließend die mögliche Verteidigung. Auch hier kann die Aussage verweigert werden.
- Beweisaufnahme: Befragung von Zeug:innen, Beweisanträge, Anschauen von Bildern oder Videos.
- Schließung der Beweisaufnahme
- Plädoyer der Staatsanwaltschaft.
- Plädoyer der Verteidigung (oder von der angeklagten Person selbst).
- Letztes Wort: Die angeklagte Person darf nun ein sogenanntes letztes Wort an das Gericht richten. Hierbei darf diese im Prinzip nicht unterbrochen werden. Dies sind die letzten Worte, die das Gericht vor seiner Urteilsfindung hört.
- Das Urteil.
- Frage der Rechtsmittel: Allgemeine Rechtsmittel müssen innerhalb von einer Woche nach dem mündlichen Urteil eingelegt werden. Entscheidung zwischen Berufung und Revision können später getroffen werden.
Berufung
Berufung: Berufung ist eins der möglichen Rechtsmittel, die wir sowie auch die Staatsanwaltschaft nach einem getroffenen Urteil des Amtsgerichts einlegen können. Dies führt dazu, dass der Prozess am Landgericht noch einmal aufgerollt wird und alle Beweise neu erhoben werden. Wenn (nur oder auch) die Staatsanwaltschaft in Berufung geht, kann dies dazu führen, dass die Strafe höher wird. Wenn allerdings nur angeklagte Person(en) Berufung einlegen, kann dies nicht zur Erhöhung der Strafe führen. Für das Einlegen von Rechtsmitteln gibt es eine einwöchige Frist ab Urteilsverkündung. Berufung und Revision müssen schriftlich eingereicht werden.
Revision
Revision: Das Rechtsmittel der Revision bezieht sich auf Rechtsfehler, die im Laufe der Prozessführung passiert sind. Dementsprechend findet hier keine neue Beweisaufnahme statt. Die Verantwortung hierfür liegt beim ‚nächst-höherem‘ Gericht, welches sich anschaut, was die Vorinstanz (z.B. das Amtsgericht) falsch gemacht hat. Das Revisionsgericht selbst kann keine eigenständige Strafe aussprechen, sondern die Sache aufgrund von Rechtsfehlern an das Ausgangsgericht zurückverweisen oder aber die Revision verwerfen und damit das ursprüngliche Urteil bestätigen.
Neben der Revision, die uns an die nächsthöhere Instanz bringt, gibt es auch noch die Sprungrevision gegen Urteile des Amtsgerichtes. Damit wird eine Zwischeninstanz übersprungen und unsere Berufungsinstanz fällt somit weg.
Für das Einlegen von Rechtsmitteln gibt es eine einwöchige Frist ab Urteilsverkündung. Berufung und Revision müssen schriftlich eingereicht werden.
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