Was du stattdessen tun kannst!
Was kannst du tun, anstatt einer autoritären Gruppe beizutreten?
1. Denke über deine Überzeugungen und Werte nach
Was schätzt du? Was findest du schön? Deine Werte und Überzeugungen leiten dein Handeln. Sie prägen deine Ziele und die Art und Weise, wie du sie zu erreichen versuchst. Eine Vorstellung davon zu haben, ist ein wichtiger erster Schritt. Du musst nicht alles wissen, und du musst dich auch nicht für ein ideologisches Label entscheiden, aber du solltest eine grundlegende Vorstellung von dir haben, bevor du anfängst. Dies hilft dir, dich zu orientieren, andere zu finden und dich davor zu schützen, einer Gruppe beizutreten, in der du noch nicht so weit bist, sodass du ausgenutzt werden könntest.
In Aktivitäten und Gruppen, die mit deinen Werten übereinstimmen, kannst du am meisten bewirken, authentische Beziehungen zu anderen aufbauen, Erfüllung finden und als Person wachsen. Gruppen und Aktivitäten, die nicht mit deinen Werten übereinstimmen, sind nicht so lohnenswert und können Auswirkungen auf eine Welt haben, die eigentlich gegen deine Werte und die von dir gewünschten Veränderungen gerichtet sind.
Die Welt ist in Bewegung und du bist es auch! Deine Werte müssen nicht von Dauer sein! Du musst nicht jeden einzelnen deiner Werte kennen, bevor du etwas tun kannst. Du kannst sehen, wie sie sich in der Praxis bewähren, neue Überzeugungen und Werte von anderen entdecken, sehen, ob sie Sinn machen und wie sie zu den Überzeugungen und Werten passen, die du bereits hast. Du wirst feststellen, dass einige Dinge kommen und gehen, während andere Werte für dich wichtig und langlebig sind.
Wir können von unseren Älteren lernen, die sich den marxistischen Werten verpflichtet fühlten und sich an militanten Formationen wie der League of Revolutionary Black Workers, der Black Panther Party und der Black Liberation Army beteiligten. Radikale People of Colour wie Lorenzo Kom'boa Ervin, JoNina Abron-Ervin, Ashanti Alston, Kimathi Mohammed, Modibo Kadalie, Donald L. Cox und Kuwasi Balagoon verbrachten Jahre damit, sich in den Kampf zu stürzen, bevor sie Werte entwickelten, die im Widerspruch zu der von autoritären Kräften auferlegte Theorie des Wandels von oben nach unten standen - einige von ihnen wurden später im Leben schließlich Anarchisten.
2. Niemals aufhören zu lernen
Die Gesellschaft, in der wir leben, bestimmt auch unser Handeln. Wenn wir gegen Ungerechtigkeiten wie Obdachlosigkeit oder Transfeindlichkeit vorgehen wollen, müssen wir verstehen, wie unsere Gesellschaft sie hervorbringt. Das ist radikaler Wandel: die Probleme an der Wurzel packen!
An dieser Stelle wenden sich die Menschen oft politischen Ideologien und Denkschulen zu: Marxismus, Sozialismus, Feminismus, Anarchismus und so weiter. Diese können nützliche, neue Möglichkeiten bieten, unsere Welt zu analysieren und darüber nachzudenken. Aber hüte dich vor einfachen, pauschalisierenden Antworten. Die Welt ist ein komplexer und chaotischer Ort. Keine einzelne politische Theorie kann alles erfassen und die ewige, richtige Sichtweise der gesamten menschlichen Gesellschaft darstellen. Politische Theorien haben eine Wirkungsgeschichte, die wir gemeinsam studieren und aus der wir lernen können, damit wir nicht die gleichen Fehler und Dinge, die wir strukturell übersehen, wiederholen.
Mit anderen lernt es sich am besten! Du kannst dich gegenseitig mit deinen unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen bereichern. Unsere direkten Erfahrungen sind mindestens genauso nützlich wie abstrakte politische Theorien.
3. Ehrliche Beziehungen aufbauen
Zwischenmenschliche Beziehungen und Gemeinschaften sind die Grundlage jeder Gruppe. Sie sind das Fundament, auf dem die Gruppe aufbaut, und das, was belastbare Gruppen ausmacht. Manchmal wird diese Tatsache durch die Fokussierung auf die formalen Strukturen und internen Prozesse einer Gruppe verdeckt, was dazu führt, dass zwischenmenschliche Beziehungen vernachlässigt werden oder die Machtdynamik zwischen den Mitgliedern ignoriert wird.
Mach dir keinen Stress in eine Gruppe einzusteigen und sofort "aktiv" zu werden. Der Aufbau von Beziehungen zu anderen, die mit deinen Werten übereinstimmen, wird zum Handeln führen. Auf diese Weise wird auch das Vertrauen zwischen den Menschen aufgebaut, das für fast jede Aktion, die auf einen sozialen Wandel abzielt, notwendig ist.
Die informellen Netzwerke gut gepflegter Beziehungen können sehr belastbar sein und eine wertvolle Grundlage für radikales Handeln, Veränderung und fürs Leben bilden. Oft werden die Gemeinschaften und komplexen Beziehungsgeflechte, aus denen formelle radikale Gruppen im Laufe der Geschichte hervorgegangen sind und auf die sie sich verlassen haben, unsichtbar gemacht, aber sie haben diese Gruppen erst möglich gemacht. Geschichte ist mehr als mächtige Organisationen und charismatische Anführer.
4. Bestehende Gruppen oder Projekte finden
Das kann schwierig sein, wenn du ganz neu in der Szene bist, und es gibt keinen einzigen Weg, dies zu tun. Die Autor*innen dieses Zines sind alle auf ganz unterschiedliche Weise in die Szene eingestiegen. Eine Möglichkeit damit anzufangen, besteht darin, sich in sozialen Räumen umzusehen. Lokale Radikal-, Indie- und Do-it-yourself-Räume haben manchmal Flyer und Zines, die dich über bevorstehende Veranstaltungen informieren, bei denen du Leute treffen kannst. Frag herum und geh auf andere Menschen zu. Lerne, Dinge, die nicht „links“ sind, als radikal zu betrachten. Es gibt kraftvolle soziale Räume, die für den Staat nicht lesbar sind – wie Banden, Bezugsgruppen und kleine chaotische Netzwerke- und die immer das Rückgrat des sozialen Lebens sein werden. Also baue genau an diesen Rändern der Gesellschaft Beziehungen auf und vernetze dich mit anderen, die das gleiche machen!
Behalte immer deine Werte im Auge! Du wirst wahrscheinlich nicht die perfekte Gruppe finden, aber du kannst gute Möglichkeiten finden. Es kann hilfreich sein, in Gruppen nach gleichgesinnten Menschen zu suchen, aber es kann gefährlich sein, Gruppen beizutreten, um nach deinen eigenen Werten oder Überzeugungen zu suchen.
Vertraue deinem Bauchgefühl! Eine Gruppe kann alles Mögliche in ihrem Selbstverständnis, ihren Social Media Plattformen, ihrem Konsens usw. behaupten, aber was wirklich zählt, ist, wie sie sich in der Realität verhält und arbeitet. Ein Verweis auf die Liste der "Red Flags" von vorhin kann hilfreich sein, und hier kommen auch die Beziehungen ins Spiel. Du kannst Menschen, die nicht in der Gruppe sind, nach ihren Erfahrungen mit der Gruppe fragen, um Warnzeichen zu erkennen.
Vielleicht findest du dich in einer Gruppe wieder, die zwar selbst nicht ausdrücklich autoritär (#) ist, aber einige autoritäre (#) Mitglieder oder Tendenzen hat. Vielleicht siehst du das nicht sofort, oder es ist ein Wandel, der sich mit der Zeit bemerkbar macht. Du könntest versuchen, dich dagegen zu wehren, aber vielleicht ist es zu sehr in der Gruppenstruktur verankert, um es zu ändern. Es ist in Ordnung, zu gehen! Es mag sich enttäuschend oder traurig anfühlen, aber eine Verpflichtung zu revolutionärer Aktion und Veränderung ist nicht dasselbe wie eine Verpflichtung gegenüber einer Gruppe. Beziehungen außerhalb der Gruppe, in der du aktiv bist, können dir helfen, dich nicht gebunden zu fühlen.
5. Starte dein eigenes Projekt
Vielleicht möchtest du gar nicht in einer bestehenden Gruppe mitarbeiten. Vielleicht siehst du einen konkreten Bedarf, der in deiner Gegend nicht gedeckt wird - zum Beispiel, wenn die Essensausgabe in deiner örtlichen katholischen Gemeinde stattfindet und man zuerst eine Bibelgeschichte hören muss. Oder du wünschst dir, dass die bestehende Arbeit besser zu deiner Einstellung passt. Vielleicht arbeitet die einzige Gruppe, die sich für Migration einsetzt, häufig mit der Polizei zusammen, oder die wichtigste Anti-Gentrifizierungsgruppe in deiner Nachbarschaft wurde von einer autoritären Gruppe (#) übernommen. Du kannst jederzeit etwas Neues ausprobieren!
Sowas kann einschüchternd sein und eine Vielzahl von Fähigkeiten und Kenntnissen erfordern, aber es kann auch so einfach sein ein Projekt mit ein paar Freunden zu starten und dabei alles Schritt für Schritt zu lernen. Es ist sehr sinnvoll mit den Leuten, die zusammen ein Projekt starten, gemeinsame Werte, eine erste Grundlage und eine Richtung für das Projekt zu erarbeiten.
Über viele der logistischen Aufgaben, die mit dem Start und der Durchführung von Projekten verbunden sind, wurde bereits geschrieben. Es lohnt sich, Recherchen über bestehende Gruppen anzustellen, die ähnliche Dinge tun, um herauszufinden, welche Praktiken, Organisationsstrukturen und Methoden gut zu den Werten und Zielen passen, die man gemeinsam für das eigene Projekt festgelegt hat.
Sei geduldig mit dir! Die Chancen stehen gut, dass du dich in ein Netzwerk radikaler Projekte begibst, in dem bereits viele verschiedene Fähigkeiten, Erfahrungen und Kenntnisse vorhanden sind. Verschiedene Vorhaben erfordern ganz unterschiedliche Fähigkeiten, und oft gibt es Menschen, die die gleiche oder eine ähnliche Arbeit machen, von denen du nur nichts weißt. Du kannst eine Menge von anderen Menschen lernen, ohne dass du alle deine Werte opfern musst; nimm das, was zu dir passt und funktioniert.
6. Schütze dich und deine Projekte mit gesunden Grenzen
Du hast antiautoritäre Werte und hast ein Projekt gestartet. Was machst du nun?
Radikale Gruppen, die sich nach dem Motto „Jede*r kann mitmachen und ist willkommen“ organisieren, könnten sehen, dass Menschen aus Kaderstrukturen (#) zu euren Treffen und Aktionen kommen. Wir haben erlebt, dass autoritäre kommunistische Cliquen und Lesegruppen beschlossen haben, sich kollektiv in ein bestimmtes Projekt zu engagieren. Sie können diskret einen Machtblock innerhalb einer Gruppe aufbauen, und wir kennen viele Beispiele dafür, dass solche Mitglieder*innen dann die Kontrolle über Projekte übernehmen.
Das Schaffen von gemeinsamen Eckpunkten und das Ausdiskutieren über die Werte der Gruppe/des Projekts ist ein wesentlicher Weg, um die Gruppe nicht nur vor autoritärer, sondern auch vor liberaler Vereinnahmung zu schützen. Das kollektive Verfassen eines explizit antiautoritären Grundsatzes bietet die Gelegenheit zu diskutieren, warum dieser Wert für eine Gruppe wichtig ist und wie er mit euren anderen Werten und Zielen zusammenhängt. Dies wäre ein guter Zeitpunkt, um dieses Zine mit deiner Gruppe zu teilen und darüber zu sprechen, wie der Ansatz der Gruppe gegenüber autoritären Personen, die versuchen, der Gruppe beizutreten, aussehen könnte.
Vergewissert euch, dass neue Mitglieder mit euren Grundsätzen einverstanden sind. Wenn eure Gruppe schon eine Weile besteht, solltet ihr in Erwägung ziehen, ältere Mitglieder*innen gemeinsam mit neueren Mitgliedern*innen über diese Punkte nachdenken zu lassen. Wenn ihr weitergeben könnt, warum sich eure Gruppe dem Antiautoritarismus verschrieben hat, kann das für die neuen Menschen auf ihrem Weg ihrer Radikalisierung und der Entdeckung ihrer Werte sehr hilfreich sein.
„Nein“ zu sagen ist eine wichtige Fähigkeit für jede*n Organisator*in, sowohl um das eigene Ausbrennen zu vermeiden als auch um die Beständigkeit der Gruppe zu sichern, indem man verhindert, dass sich die Aufgaben oder Pläne in die Länge ziehen oder zu viel Energie beanspruchen. Es kann schwierig sein, Nein zu sagen, wenn jemand versucht, sich an deinen Vorhaben zu beteiligen. Aber wenn du bereit bist, für die Werte deiner Gruppe einzutreten, wird das dazu beitragen, dass die Gruppe auf dem Weg zu einer befreiten Gesellschafft bleibt.
Nimm dich in Acht vor autoritären Menschen, die sich gerne der Sprache des antiautoritären Denkens bedienen, um ihre Position in einer Gruppe durchzusetzen. Wir haben gesehen, wie sie argumentieren, dass die Ablehnung ihres Ansatzes oder ihrer Beteiligung autoritär sei und nicht auf einem Konsens beruhe. Dem kann man entgegenhalten, dass der Schutz der Gruppe und ihrer Werte in der kollektiven Verantwortung liegt.
7. Sollte ich also jemals mit autoritären Kommunist*innen zusammenarbeiten?
Das hängt ganz von der Situation ab. Die Autor*innen dieses Magazins werden sich nicht eng mit ihnen organisieren, denn wir haben schon zu viele Bemühungen scheitern sehen, sobald autoritäre Kommunist*innen die Mitgliedschaft überfluten. Und letzten Endes arbeiten wir auf unterschiedliche Ziele mit sehr unterschiedlichen Taktiken hin. Aber wir wollen keine Purist*innen sein, und wir wollen uns auch nicht in der Isolation verlieren.
Viele Bewegungen und Massenaktionen bestehen aus „Linken“ mit allen möglichen politischen Zugehörigkeiten. Es ist sehr gut möglich, sich an Koalitionen und breit angelegten Organisationen mit antiautoritären und autoritären Kommunisten gleichermaßen zu beteiligen, ohne unsere antiautoritären Werte aus den Augen zu verlieren. Tatsächlich können wir in diesen Räumen einen wirklich positiven Einfluss ausüben, indem wir antiautoritäre Vorgehensweisen in diesen Räumen anregen. Menschen, die sich nicht als Antiautoritäre identifizieren, zu helfen, den praktischen Wert der Unterstützung einer Vielfalt von Taktiken zu erkennen, nicht in die Falle zu tappen, charismatischen Führern zu folgen, Entscheidungen kollektiv zu treffen und tiefe vertrauensvolle Beziehungen und gegenseitige Fürsorge aufzubauen. Dies können wirklich schöne Ergebnisse unserer Beteiligung sein.
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