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Straßenblockade & Massenbesetzung

Auf dieser Seite findest du Infos zu dem Ablauf einer Straßenblockade, bzw. Massenbesetzung, und ihrer Auflösung, sowie zur Gewahrsamnahme und den möglichen strafrechtlichen Konsequenzen. 

Ganz unten findest du außerdem einen Erfahrungsbericht von der ersten Massenblockade der Letzten Generation am 28.10. - spring da gerne runter, wenn dich dies interessiert. Eine tatsächliche Beteiligung kann jedoch auch anders verlaufen, da diese Protestform noch nicht ausführlich erprobt ist und auch die Polizei nicht immer Regeln befolgt - nur damit du das bei der Vorbereitung auf deinen Protest im Hinterkopf behältst. 

Unterstützungsstrukturen

Ermittlungsausschuss (EA) 

Die Menschen vom EA besetzen rund um die Uhr eine Telefonnummer, die für dich immer erreichbar ist. Diese nimmst du mit in den Protest und meldest dich, wenn du z.B. von der Polizei mitgenommen wirst (weitere Infos dazu findest du unten). 

Schreib dir die Nummer am besten auf deinen Arm und nicht auf einen Zettel, den du eventuell verlieren kannst: Bei LG lautet sie 030 92109146

RAZ

  • Das RAZ bietet viele Formen der Unterstützung im Umgang mit den Konsequenzen einer Beteiligung an zivil ungehorsamen Protesten.
  • Wir sind immer erreichbar über legal@raz-ev.org.
  • Im Wiki findest du viele Informationen zu den nächsten Schritten
  • Im Broadcast werden regelmäßig Trainings und Workshops beworben: https://t.me/+AtEDKpIct51mOGEy
  • Wir bieten alle zwei Wochen donnerstags um 19 Uhr ein Legal Basis Training online an, sowie im Wechsel dazu ein Legal Q&A mit Anwält:innen. Die Termine findest du hier.
  • Wir begleiten euch bei allen kommenden Verfahren, Gerichtsprozessen, Umgang mit Strafen etc.!

So, jetzt geht es um alles, was du im Zusammenhang mit Straßenblockaden einmal grob gehört haben solltest. Für weitere Infos, schau dich am besten noch weiter im Wiki um!

Kurz & knapp - Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte 

  • Eine Straßenblockade ist eine unangemeldete, friedliche Versammlung & erstmal durch das deutsche Versammlungsgesetz geschützt.
  • Du bekommst die Möglichkeit, die Straße nach der Auflösung zu verlassen, wenn du keine strafrechtlichen Konsequenzen tragen kannst/möchtest.
  • Wenn du auch nach Auflösung & Aufforderung der Polizei noch bleibst, wirst du geräumt (durch wegtragen oder Schmerzgriffe), kannst auf die Polizeistelle mitgenommen werden und musst mit strafrechtlichen Konsequenzen (Strafanzeige wegen Nötigung nach § 240 II StGB und eventuelle Widerstand nach § 113 StGB) rechnen.
  • Polizeigewahrsam darf höchstens bis 24 Uhr des Folgetages dauern in Berlin & du solltest auf jeden Fall den EA über deine Mitnahme informieren.
  • Schreibe hinterher ein Gedächtnisprotokoll & melde dich mit allen Briefen beim Legal Team: legal@raz-ev.org.
  • Als EU-Bürger:innen musst du dir keine Sorgen machen, dass du bei Einreisen o.ä. Probleme bekommst. Falls du allerdings irgendwann eine Strafe nicht zahlen solltest, kann es sein, dass du bei einer Einreise nach Deutschland in Haft genommen wirst.

Was ist eine unangemeldete, friedliche Versammlung? 

Eine nicht-angemeldete Straßenblockade ist erstmal eine unangemeldete, friedliche Versammlung. Dadurch ist sie durch Art. 8 GG geschützt und wird durch das geltende Versammlungsgesetz gestützt. Die Polizei ist dementsprechend dazu verpflichtet, friedliche Versammlungen zu schützen, solange diese durch die Polizei nicht rechtswirksam aufgelöst wurde. 

Zuweisung eines alternativen Versammlungsortes 

Wenn die Polizei ankommt und eine unangemeldete Versammlung festgestellt hat, wird sie wahrscheinlich einen alternativen Versammlungsort zuweisen, der weniger stört, als wenn du dich mitten auf der Straße befindest. 

Auflösung der Versammlung 

Die Auflösung der Versammlung muss verständlich an alle Versammlungsteilnehmer:innen kommuniziert werden. Erst nach dieser Auflösung müssen sich alle Teilnehmer:innen von diesem Ort entfernen. Wenn die Polizei eine Versammlung formal korrekt auflöst (was nicht immer der Fall ist), dann muss sie mindestens drei Ansagen machen. Erst nach diesen Aufforderungen stellt eine weitere Teilnahme möglicherweise eine Ordnungswidrigkeit dar. 

Erfahrungsgemäß lässt sich aber nicht versprechen, dass die Polizei keine Ermittlungsverfahren einleitet, auch wenn du vor der dritten Ansage gehst. 

Erste Ansage 

Hier sollte noch die Möglichkeit bestehen, den Versammlungsort der aufgelösten Versammlung zu verlassen, ohne eine Festnahme oder strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten. 

Zweite Ansage 

Siehe erste Ansage.

Dritte Ansage 

Wenn du nach der dritten Ansage weiterhin nicht den Versammlungsort verlässt, musst du mit einer Räumung rechnen, sowie eine eventuelle ED-Behandlung, Gewahrsamnahme, und die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen Nötigung nach § 240 Abs. II StGB und eventuell § 113 StGB (wenn du geklebt hast) - siehe unten. 

Räumung 

Wenn ihr nicht freiwillig aufsteht, wenn die Polizei dies von euch verlangt, wird sie euch wahrscheinlich entweder wegtragen oder mithilfe von Schmerzgriffen (sogenannten Transporttechniken) von der Straße bringen. 

Mögliche Gewahrsamnahme

Infos wann es zu Gewahrsamnahmen kommt, wie ihr euch dann verhaltet, was eure Recht sind etc. findet ihr hier: Gewahrsamnahme (Gesa)

Festkleben/Betonieren

Wenn du dich festklebst oder betonierst oder sonstige Methoden nutzt um dich “dauerhaft mit der Straße zu verbinden”, musst du zusätzlich zu dem Vorwurf der Nötigung auch mit einem Vorwurf des Widerstandes nach § 113 StGB rechnen. 

Außerdem kann es zu Gebühren für deine Ablösung kommen. Die Gebührenbescheide lagen in Berlin bisher bei 241€ pro Ablösung. Allerdings haben wir in einem Eilverfahren gegen diese Art der Bescheide gewonnen, da eine falsche Rechtsgrundlage für deren Begründung genutzt wurde. Es steht allerdings noch ein Hauptverfahren aus - deswegen kann es immer auch zu weiteren, bzw anderen Gebühren kommen. 

Für Informationen zum Umgang mit Gebührenbescheiden, schau am besten ins Legal Wiki!

Umgang mit der Polizei

In letzter Zeit gibt es unterschiedliche Umgangsweisen der Polizei mit derartigen Protesten. Einige Einheiten tragen dich ganz entspannt als Päckchen weg, wenn du ihnen die Möglichkeit gibst, und andere Einheiten nutzen direkt Schmerzgriffe. Diese Schmerzgriffe können richtig weh tun. Falls du auch nach deiner Entlassung noch Schmerzen spüren solltest, lass dir dies unbedingt von einer:m Ärzt:in bescheinigen und melde dich beim Legal Team damit! Wir sammeln diese Vorfälle. 

Versuch dir in so einem Fall am besten auch die Einsatzeinheit oder -Nummer zu merken. 

Mögliche Straftatvorwürfe 

Wenn du dich in Deutschland an einer Straßenblockade beteiligt, wird momentan eigentlich immer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es kann natürlich sein, dass die Polizei hiervon absieht, wenn es zu viele Menschen sind oder sie überfordert sind. Das ist ein Phänomen, dass wir z.B. bei Protestmärschen sehen. Diese sind auch nicht angemeldet, aber normalerweise werden keine Personalien aufgenommen. Trotzdem solltest du dich auch bei größeren Protesten darauf einstellen, dass eine Personalienfeststellung (plus Gewahrsamnahme und Ermittlungsverfahren) möglich ist. Dann muss die Polizei ihre Ermittlungen an die deutsche Staatsanwaltschaft weitergeben. 

Wenn dies passiert, erhältst du irgendwann einen “Anhörungsbogen” (den du ignorieren kannst, wenn er von der Polizei kommt), später dann einen “Strafbefehl” oder eine “Anklageschrift”. Diese Briefe schickst du am besten direkt als Scan per Mail an legal@raz-ev.org. Wir erklären dir dann die Optionen und unterstützen dich im weiteren Prozess. 

Straftatvorwurf Nötigung §240 StGB (wird eigentlich immer angeklagt)

  • Ihr hindert Menschen daran, einen Ort zu verlassen
  • Ohne Vorstrafen stehen hier zumeist Geldstrafen im Raum
    • bei bis zu 90 Tagessätzen kein Eintrag ins Führungszeugnis
    • >90 Tagessätze Eintrag ins Führungszeugnis (schon eine echt hohe Strafe -> wahrscheinlicher bei mehreren Blockaden)
  • Mit Vorstrafen wird eine Haftstrafe wahrscheinlicher und es gibt auf jeden Fall einen Eintrag ins Führungszeugnis, wenn die Vorstrafe nicht länger als 5 Jahre her ist.

Straftatvorwurf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt:innen, §113 StGB

  • Bei Lock-On/Glue-On wahrscheinlich
  • wird z.T. vorgeworfen, wenn Menschen sich ankleben oder sich wegschleifen lassen. Hier ist es aber fraglich ob das wirklich eine aktive Handlung des Widerstands darstellen kann, da der Tatbestand sehr weit gefasst ist.
  • Alle Handlungen, die als Widerstand gewertet werden könnten, sollten dementsprechend vermieden werden.
  • Mittlerweile wird bei Verfahren der Letzten Generation vor dem Amtsgericht Tiergarten meistens auch der §113 verurteilt, wobei das im Regelfall nur sehr geringen Einfluss auf die Höhe der Gesamtstrafe hat. Es besteht aber weiterhin Unsicherheit, ob das strafbar ist!
  • An anderen Gerichten wird normalerweise kein Widerstand fürs Kleben angeklagt.
  • Die Entscheidung eines höheren Gerichts steht noch aus.

Generell sind weitere Straftatsvorwürfe möglich, wie

  • Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr §315b StGB
    • wenn ihr so in den Verkehr eingreift, dass direkt gefährliche Situationen entstehen (eher unwahrscheinlich) -> beinahe Unfall
    • Siehe Aktionskonsens -> Straße nur bei stehendem Verkehr betreten

Zivilrechtliche Klagen (§823 BGB)

  • wenn Autofahrer:innen Schadensersatz geltend machen wollen -> sie wissen für gewöhnlich nicht an wen sie die Forderung richten können. Geht manchmal an eure Bewegung, aber das ist nicht der richtige Anspruchsgegner.
  • da dürfte aber der Nachweis, den die Autofahrer*innen erbringen müssen (konkreter Verdienstausfall,…) schwer zu führen sein.

Erfahrungsbericht von der 1. Massenblockade der LG am 28.10.23

Am 28.10.23 wurde die Massenblockade erst einmal als eine Versammlung anerkannt durch die Polizei und war dementsprechend auch durch diese zu schützen. 

Nach circa einer Stunde wurde die Versammlung dann auf nur eine der Fahrbahnspuren beschränkt und das Kleben wurde insgesamt verboten. Hierzu gab es drei Aufforderungen. 

An diesem Punkt klebten sich Menschen in kleinen Blockadereihen auf der verbotenen Fahrbahn nach & nach fest. Diese wurden dann nach drei Aufforderung Stück für Stück gelöst und geräumt. 

Hier hat die Polizei begonnen, die Menschen unterschiedlich zu behandeln. 

  • Menschen, die sich festgeklebt hatten, wurden per Päckchen oder Schmerzgriffen geräumt und anschließend wurden ihre Personalien aufgenommen, sie wurden belehrt dazu, dass sie eventuell 2 Straftaten begangen hätten (Widerstand und Nötigung), und anschließend wurden sie mit einem Platzverweis gehen gelassen.
  • Menschen, die sich nicht festgeklebt hatten, aber auf der verbotenen Straßenseite saßen, wurden nach unserem Wissen einfach zur Seite getragen - ohne Personalienaufnahme o.Ä.
  • Menschen, die sich teilweise auf der verbotenen Fahrbahn bewegt haben, aber sich nicht fest hingesetzt oder festgeklebt hatten, hatten immer die Möglichkeit, auf die erlaubte Fahrbahn zu wechseln, sobald die Polizei näher kam.
  • Nach und nach hat die Polizei dann die Menschen gelöst (ob festgeklebt oder festbetoniert) und die Personalien von ihnen aufgenommen.
  • Der Rest der Versammlung hat sich nach und nach von selbst aufgelöst. Gegen Abend hat die Polizei endgültig die komplette Versammlung aufgelöst. Dies war der Moment, als alle nicht-festgeklebten Menschen gegangen sind.
  • Teilweise wurden Menschen, die vorher noch nicht in Berlin erkennungsdienstlich erfasst waren, mit auf die Gesa genommen und ED-behandelt. Eine Person musste sich komplett nackt ausziehen hierfür. Es wurde niemand über Nacht dabehalten - alle wurden nach der ED-Behandlung gehen gelassen.