3.3 Schulden und Vermögen
Um den Start in die GemÖk möglichst niedrigschwellig zu gestalten, beschränken sich die meisten zunächst darauf, alltägliche Einnahmen und Ausgaben zu teilen. Bereits angehäuftes Vermögen bleibt zunächst im privaten Besitz und auch Schulden werden zunächst nicht kollektiviert. Diese Art der GemÖk wird auch als »gemeinsame Einkommensökonomie« oder »gemeinsame Alltagsökonomie« bezeichnet – in Abgrenzung zur »gemeinsamen Vermögensökonomie«.
3.3.1 Vermögen und Macht
Wichtig beim gemeinsamen Umgang mit Vermögen sind die potenziellen Ungleichheiten und Unsicherheiten, die auftreten können, wenn einige Mitglieder Zugriff auf Erspartes und andere kein Vermögen oder sogar Schulden haben.
Es beeinflusst das individuelle Sicherheitsgefühl in der GemÖk erheblich, ob ich im Notfall mehrere Monate (oder sogar Jahre) ohne Einkommen überbrücken könnte. Außerdem ist es ein Privileg, unabhängig von der GemÖk Ausgaben tätigen zu können, indem ich auf mein privates Vermögen zurückgreife.
Um solche Unterschiede abzumildern, entscheiden sich manche GemÖks dafür, private Ersparnisse »einzufrieren«, das heißt sie gar nicht oder nur mit gemeinsamer Absprache zu verwenden, solange die GemÖk besteht. Bei Schulden ist Einfrieren in der Regel keine Option, doch da gibt es andere Möglichkeiten, die Ungerechtigkeiten zu adressieren:
3.3.2 Schulden
Viele sagen: »Bevor ich in eine GemÖk gehen kann, muss ich meine Schulden abbezahlen«. Das stimmt auf keinen Fall! Auch bei Schulden kann man solidarisch füreinander einstehen und sie zu einer gemeinsamen Herausforderung machen. Zum Beispiel dadurch, dass mit dem Vermögen des einen GemÖk-Mitglieds die Schulden des anderen getilgt werden. Oder dadurch, dass eine monatliche Schuldenrückzahlung als feste gemeinsame Ausgabe eingeplant wird.
Für viele mag es undenkbar sein, dass Andere die eigenen Schulden mittragen. Das liegt vermutlich daran, dass verschuldet zu sein sehr stigmatisiert ist und das Thema dadurch oft mit vielen negativen Gefühlen wie Schuld und Scham einhergeht. Gerade um das aufzubrechen lohnt es sich sehr, den Schritt trotzdem zu gehen und mit der Gruppe über die emotionale und gesellschaftliche Ebene dieses Themas zu reden. Mit der emotionalen und finanziellen Last von Schulden nicht mehr alleine dazustehen, kann eine riesige Befreiung sein!
Übrigens: Ein ganz anderer Ansatz zum Umgang mit Schulden ist der »organisierte Bankrott«. Dazu gibt es ein paar Infos unter 3.8 GemÖk und Pfändung und detaillierter unter weitere Infos und Texte
3.3.3 Grenzfälle zwischen privat und kollektiv
In einigen Fragen ist es gar nicht so leicht, zwischen Vermögensökonomie und Einkommensökonomie zu unterscheiden. Was ist z. B., wenn Teile des alltäglichen Gelds angespart werden? Dann hat die Alltagsökonomie eben doch ein gemeinsames Vermögen. Und wenn von diesem Vermögen nun eine große (private) Anschaffung wie ein Auto getätigt wird, geht diese dann ins Eigentum der Nutzer*in über, oder wird es zum gemeinsamen Eigentum der GemÖk?
Wenn ich eine kleine Geldsumme erbe, ist das dann eine alltägliche Einnahme oder schon Vermögen? Und wie verhält es sich, wenn ich eine große Summe oder eine Briefmarkensammlung erbe?
Auf diese Fragen braucht es Antworten, die zur speziellen Situation der Gruppe und den Bedürfnissen ihrer Mitglieder passen. Sich grundsätzlich über Vermögen auszutauschen ist sicher hilfreich, aber manche Dinge können auch erst besprochen werden, wenn die konkrete Situation da ist. Da kann jede Gruppe ihre eigene Balance finden.
Tipp: Gerade beim Vermögen empfiehlt es sich, Absprachen aufzuschreiben, um Missverständnisse zu vermeiden und Sicherheiten zu geben.
Praktische Lösungen: Trennung von privatem Vermögen
Wenn ihr angespartes Geld auf einem Konto habt, das nicht in die GemÖk einfließen soll, muss das irgendwie vom Alltagsgeld der GemÖk getrennt werden. Dazu gibt es ein paar Möglichkeiten:
- Die neue Null
Ihr haltet den Kontostand von vorher fest und betrachtet diesen als 0. - Das Geld parken
Ihr könnt das private Geld auf ein anderes Konto schieben, Verwandten überweisen oder abheben und sicher lagern. - Anlegen/Tagesgeldkonto
Bei vielen Banken gibt es die Möglichkeit, neben dem Girokonto noch weitere Sparkonten oder Tagesgeldkonten anzulegen. Oft sogar ohne zusätzliche Gebühren. So kann privates Vermögen unabhängig vom Alltagsgeld gelagert werden.3.3.4 Die Vermögensökonomie
Manche Gruppen entscheiden sich irgendwann dazu, ihr gesamtes Vermögen (inklusive Schulden) zu kollektivieren. Das geht entweder ganz formell und rechtlich abgesichert, beispielsweise als Spende oder Schenkung an einen GemÖk-Verein. Es kann aber auch die informelle Entscheidung sein, über Vermögen, welches offiziell noch Einzelpersonen gehört, gemeinsam zu verfügen.
Auch dabei gibt es Abstufungen: Geht es nur um finanzielles Vermögen, oder auch um wertvolle Dinge wie Instrumente oder Häuser? Es wird klar: Die Übergänge sind fließend, und es ist an euch, Absprachen zu finden, die sich stimmig anfühlen.
Tipp: Ihr könnt euch auch auf eine stufenweise Übertragung des Vermögens einigen, um das auch für neu einsteigende GemÖk-Mitglieder niedrigschwelliger zu gestalten. Beispiel: 20% des finanziellen Vermögens fließt pro Jahr an einem festgelegten Tag in die GemÖk, bis 100% erreicht sind.