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1.4 GemÖk – Was ist das?

GemÖk steht für Gemeinsame Ökonomie. Was dieser Begriff genau beschreibt, ist jedoch von Person zu Person, sowie nach Ort und Zeitpunkt in der Geschichte unterschiedlich.

In diesem Handbuch bezeichnen wir mit GemÖk eine feste Gruppe, die hauptsächlich ihr Geld teilt und gemeinsam darüber entscheidet. Diese GemÖks können im Rahmen von WGs, Kommunen und Projekten stattfinden. Die Mitglieder können sich aber auch ganz unabhängig von Wirk- und Wohnort zusammenschließen.

Jede GemÖk findet ihre eigene Organisierungsform und Schwerpunkte. Hier ein paar Stimmen von GemÖk-Mitgliedern:

Die Gemeinschaft »Freie Feldlage« in Harzgerode definiert ihre gemeinsame Ökonomie im Jahr 2021 so:

»Kurz gesagt: Alle unsere Einkommen fließen in einen gemeinsamen Topf. Aus diesem bedienen wir uns alle je nach unseren Bedürfnissen. Das heißt, unsere individuellen Ausgaben sind unabhängig von unseren individuellen Einnahmen. Bei uns gibt es bisher nur eine gemeinsame Alltagsökonomie (= nur Einkünfte werden geteilt). Eine gemeinsame Vermögensökonomie (= auch die Vermögen werden vergemeinschaftet) ist für uns der folgerichtige nächste Schritt, bedarf aber intensiver Vorplanung.«

Die Kommune Niederkaufungen sagt zur GemÖk:

»[Bei der gemeinsamen Ökonomie] geht es letztlich um die Aufgabe von Privateigentum zu Gunsten von Gemeinschaftseigentum. Es geht also um die Umsetzung einer Vision nicht-kapitalistischen Wirtschaftens. […] ›Gemeinsame Ökonomie‹ bezeichnet also selbstbestimmtes wirtschaftliches Handeln zur Absicherung der materiellen Bedürfnisse der an ihr beteiligten Menschen. Es umfasst alles, was in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist.«

In der Schweizer WOZ wird das RaAupe-Kollektiv zitiert:

»Unsere Einkommen sollen nicht nur zum angenehmen Leben reichen, sondern auch politische Arbeit finanzieren, solidarisch, über die Gruppe hinaus. Mit geteiltem Geld ist mehr möglich. Wir versuchen, soziale Ungleichheit aufzulösen und ·Antikapitalismus· konkret zu leben.«

»GemÖk« in diesem Handbuch

GemÖks organisieren sich auf unterschiedliche Arten. Viele teilen nur ihr alltägliches Geld (=Einkommen), andere ·kollektivieren· ihr gesamtes Vermögen und wieder andere sind irgendwo dazwischen. Um Entscheidungen gemeinsam zu treffen und Bedürfnisse in der Gruppe gleich wertzuschätzen, sind für uns zwei Aspekte entscheidend, die später noch ausführlicher erläutert werden:

1. Tauschlogikfrei

Tauschlogikfrei bedeutet, dass das Geben vom Nehmen entkoppelt ist, also für eine Leistung keine Gegenleistung gefordert wird. Stattdessen liegt der Fokus auf den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Beteiligten. Anders gesagt: Gib rein, was du kannst und bekomme, was du brauchst.

Im Bezug auf GemÖks bedeutet das, dass alle ihr Einkommen in einen Topf werfen und sich die Menschen das herausnehmen, was sie brauchen.

2. Hierarchiekritisch

In der Gesellschaft gibt es formale Hierarchien (z.B. eine Person ist Chef und darf über andere bestimmen) und informelle, häufig eher versteckte Hierarchien (z.B. wenn eine Person durch ihren hohen Redeanteil mehr Einfluss auf die Gruppe hat als andere).

In hierarchiekritischen Gruppen gilt, dass keine Person über einer anderen stehen soll. Der Anspruch ist, dass alle gleichberechtigt sind und von der Gesellschaft vorgegebene ·Privilegien· (z.B. Höherstellung des männlichen Geschlechts) hinterfragt und aktiv abgebaut werden.

In Bezug auf GemÖks bedeutet das, dass Entscheidungen gemeinsam getroffen werden und die Bedürfnisse aller gleich viel wert sind. Bei Uneinigkeiten sucht die Gruppe in einem Aushandlungsprozess eine Lösung, die für alle (möglichst gut) passt. Dabei sollten informelle Hierarchien, die sich in der Gruppendynamik widerspiegeln, soweit wie möglich erkannt, benannt und abgebaut werden.

Andere Arten des Teilens

Der Fokus dieses Handbuchs liegt auf GemÖks, wie sie zuvor skizziert wurden. Es gibt aber auch eine Vielzahl weiterer Konzepte für das tauschlogikfreie und hierarchiefreie Teilen von Ressourcen .

Diese Ansätze begegnen uns schon heute im Alltag – Umsonstläden, Repair-Cafés oder offene Projekthäuser sind nur ein paar Beispiele. Diese Konzepte unterscheiden sich beispielsweise dadurch von GemÖks, dass sie nicht an eine exklusive Gruppe gebunden, sondern für alle offen zugänglich sind. Oder dadurch, dass sie nicht hauptsächlich Geld, sondern andere Ressourcen teilen.

Mehr Informationen zu tauschlogikfreien und hierarchiearmen Projekten und Visionen finden sich weiter hinten bei → 4. Ausblick.