Kritik, Reflexion & Planung in der Krise
Als immer deutlicher wurde, dass das Awareness-Team sich selbst als Struktur kaum mehr erhalten kann, gaben mehrere Menschen aus dem Awareness-Team den Impuls, in die Selbstreflexion zu gehen. Es brauchte mehrere Anläufe, bis ein Treffen dazu zustande kam, doch dann setzten sich Menschen zusammen und überlegten, was Awareness-Arbeit eigentlich ist und umfasst, wie sie es sich eigentlich vorstellen und was das in der Praxis erschwert. Sie wollten diese Arbeit fortsetzen, doch es kamen keine Menschen mehr zu den Reflexionstreffen – selbst Treffen, die dazu da waren, den Menschen im Awareness-Team selbst gut zu tun, klappten nicht mehr.
Neben dieser internen Reflexion gab es im September 2022 ein Dorfplenum mit recht vielen Anwesenden, bei dem eine Person, die nicht selbst mit dem Awareness-Team zu tun hatte, von außen die Rückmeldung gab, dass es mit der Awareness-Struktur Probleme gibt und dringend eine Vollversammlung zum Thema Awareness nötig sei. Diese Kritik von außen traf auf bereits in Gang gesetzte interne Kritik und gab den entscheidenden Anstoß dazu, den Veränderungsprozess wirklich anzugehen. Ein dem Awareness-Team externes Team fand sich zusammen, um die Awareness-Vollversammlung zu organisieren. Währenddessen und unter Einsatz der letzten Kräfte trotz teils bereits massivem Ausgebranntsein wollten die verbliebenen Menschen des Awareness-Teams einen Input für den Beginn der Awareness-Vollversammlung vorbereiten und taten dies auch, noch weit in die Nacht vor der Vollversammlung hinein. Dabei beschlossen sie auch die Selbstauflösung des bisherigen Awareness-Teams.
Mitte Oktober 2022, am Tag der Awareness-Vollversammlung, wurde das gesamte Dorf stillgelegt, es gab ein komplettes Time-Out. Die Vollversammlung dauerte den ganzen Tag. Morgens um 10 Uhr kamen die etwa 50 Menschen des Dorfes zusammen und saßen, hörten, dachten, sprachen, diskutierten, planten und koordinierten bis nach Sonnenuntergang. Das bisherige Awareness-Team präsentierte die von ihnen erarbeitete Analyse der Situation und gaben auch eine persönliche Ansprache, in der sie ihre psychische Belastung sichtbar machten und aufzeigten, wie es dazu gekommen war. Der restliche Tag bestand aus vom Awareness Vollversammlungs-Vorbereitungsteam gut durchgeplanten und streng zeitlich eingehaltenen Slots, in denen – teils in Kleingruppen, dann auch wieder gemeinsam – Ideen für eine neue Awareness-Struktur gesammelt, diskutiert, konkrete Vorschläge erarbeitet, auf wenige reduziert, noch konkreter ausgearbeitet, abgestimmt und schließlich die neue Struktur bereits in Umsetzung gebracht wurde. Letzteres geschah, indem noch in der Vollversammlung Verantwortliche für die einzelnen Aufgaben und Untergruppen gesucht, die Untergruppen gebildet und bereits ins Laufen gebracht wurden. Zum Ende hin wurden es weniger Menschen und weniger Pausen, doch das Vorhaben wurde durchgezogen.
Für Menschen des bisherigen Awareness-Teams war dieser Tag eine riesige Erleichterung. Manche hatten bereits mit sich selbst ausgemacht, dass sie nicht länger in Lü würden bleiben können, wenn es nicht gelingen sollte, die Awareness-Struktur grundlegend zu ändern. Doch nach Rückkehr aus einem Aktivisti-Retreat war mindestens ein Mensch sehr begeistert davon, wie die neue Awareness-Struktur sich etabliert hatte.