Awareness in Lützi 2021 (die Anfänge)
Awareness zu Beginn von Lützerath
Zu Beginn, als es in Lü nur die Mahnwache und eine Zeltwiese gab und zwischen 20 und 50 Menschen den Ort belebten, geschah Awareness meist spontan. Menschen fühlten sich tendenziell verantwortlich für das, was sie mitbekamen und kümmerten sich, wann und wo es nötig war. Nach ein paar Wochen/Monaten wurden Awarenessschichten auf dem tägliche Reproboard hinzugefügt und wurden so jeden morgen zwischen allen Menschen verteilt, zum Teil blieb die Schicht aber auch unbesetzt.
Kuloko und Beginn des Awareness-Teams im Sommer 2021
Im Vorfeld der Kuloko (Festival Kultur ohne Kohle, Sommer 2021) fanden sich dann Menschen zusammen, die für das Festival ein Awareness-Konzept erarbeiteten. Für das Festival bildete sich ein Awareness-Team mit aufgeteilten Schichten und es wurden Hütten gebaut: Eine BIPOC Hütte, ein Neurodivergenz Safer Space und ein Flinta* Bauwagen. Vieles der Awareness-Arbeit des Festivals wurde nach Ende des Festivals beibehalten: Das Awareness-Team blieb bestehen und auch die Hütten gab es weiterhin.
Wann genau sich das BIPoC Awareness-Team gründete und wie dessen Verhältnis zum überwiegend bis ganz weißen Awareness-Team war, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. Ich versuche es weiter. Was Lü betrifft, kann ich daher an dieser Stelle bisher nur schreiben, dass das BIPoC Awareness-Team aus der Perspektive weißer Awareness-Menschen ein kleines Team sehr engagierter und sehr kontinuierlich arbeitender Menschen war, die teils zugleich auch im anderen Awareness-Team mitarbeiteten.
Ab der Kuloko gab es also mindestens ein Awareness-Team. Im Gefühl einiger Menschen hat das allerdings auch eine Hürde gesetzt: Als gäbe es eine Art geheimes Awareness-Wissen, was Menschen brauchen, um im Awareness-Team aktiv werden zu können. Es gab Onboarding-Versuche, aber auch immer wieder Hierarchie-Kritik. Menschen hatten den Wunsch, einzusteigen und Menschen, die bereits im Awareness-Team waren wussten nicht, wie sie neben all ihren anderen Aufgaben die Zeit aufbringen sollten, ihr Wissen gut weiterzugeben, gerade auch, da vieles davon Erfahrungswissen war. Menschen, die wenig Einsicht in die tägliche Arbeit des Awareness-Teams hatten, kritisierten die Struktur, auch wegen der Macht, die das Awareness-Team über die Ausschlussverfahren ausübe. Das Awareness-Team fand es nicht leicht, sich zu der Kritik zu positionieren. Es versuchte ständig, für Transparenz und Hierarchieabbau zu sorgen, war damit jedoch nicht immer erfolgreich.
Längerfristige Fallarbeit gab es schon, bevor sich Menschen intensiver mit Transformative Justice Ansätzen auseinandersetzten. Das Problem dabei war jedoch immer der eher häufige Wechsel der Menschen in der Besetzung und es kann schwerer sein, an einem bedrohten Ort in diese längerfristige Arbeit einzusteigen. Aus dieser Situation kam es immer wieder zu Rausschmissen, da Menschen keine Kapazitäten hatten, Fälle längerfristig zu begleiten und es selbst mit Kapazitäten auch immer wieder Menschen gab, deren Begleitung das Wissen der Awareness-Menschen überstieg und die Sicherheit von Betroffenen gefährdet hätte. Es gab aber auch Fälle, die sogar über mehrere Jahre und auch über die Besetzung hinaus bearbeitet wurden. Fallarbeit verschiedener Art wurde ein Kernaufgabenbereich des Awareness-Teams.
Immer mehr Aufgaben landeten beim Awareness-Team, neben der Fallarbeit auch Diskriminierungssensibilisierung durch Bildungsarbeit und Prävention. All das bedeutete, sich mit sehr vielen Themen beschäftigen zu müssen – ein hoher Anspruch, dem Menschen so nie völlig gerecht werden konnten. Bedingt durch die Themen, mit denen sich Menschen beschäftigten, standen manche Themen stärker im Fokus als andere. Feministische Themen und Rassismus waren stärker Thema, während Klassismus, Ableismus und Neurodivergenz immer wieder hinten runter fielen. Gerade bei Fällen, in denen unterschiedliche Betroffenheiten involviert waren, wurde dies zum Problem und führte teils auch dazu, dass es zu polarisierten Täter-Opfer Zuschreibungen kam, wo ein Blick für die Komplexität des Falls gefragt gewesen wäre. Verstärkt wurde diese Tendenz, je mehr Menschen sich zu dem Fall positionierten, ohne vom Geschehen direkt mitbekommen zu haben oder ausreichend informiert zu sein. Menschen fragten sich, wie Prozesse fair gestaltet werden können, wenn manche Menschen sich besser ausdrücken können als andere, manche einen akademischen Hintergrund haben, andere nicht und auch die Szene-Codes nicht kennen. Auch wurden neurodivergente Personen, die z.B. Autismus oder ADHS haben und sich mitunter weniger gut selbst regulieren können, teils einfach wegmoderiert. Menschen hatten zudem teils den Eindruck, dass Beschwerden generell im Dorf beliebter Menschen teils ernster genommen werden als Beschwerden von Menschen, die häufiger aneckten.
Manchmal hinterließen Menschen, die Lü verließen, Briefe, in denen sie Missstände anprangerten, beispielsweise in Bezug auf Ableismus bezüglich Neurodivergenz. Die Dorfgemeinschaft beschäftigte sich mit dem Brief dann auf einer eigenen Vollversammlung, in der dieser gemeinsam gelesen wurde und besprochen wurde, wie es dazu hatte kommen können. Menschen richteten als Struktur für Feedback an das Awareness-Team einen Briefkasten ein und die Nachrichten und Briefe daraus wurden im Awareness-Plenum oder mit Einverständnis im Dorfplenum besprochen. So setzte sich das Awareness-Team z.B. auf Kritik hin intern mit Antisemitismus auseinander.
Das Awareness-Team bemühte sich weiter und blieb in unterschiedlicher Ausprägung mit unterschiedlichen Menschen viele Monate bestehen. Die Hütten, die für die Kuloko gebaut worden waren, wurden allerdings primär dann verstärkt verwendet, wenn Betroffene selbst die Initiative ergriffen. Besonders die BIPOC Hütte wurde zeitweise rege genutzt, auch für Community Arbeit. Der Flinta* Bauwagen diente häufig eher als Rückzugsort. Unklarheiten und Intransparenz bezüglich der Nutzung der Orte führte dazu, dass sie teilweise wenig oder kaum verwendet wurden und zum Teil verfielen oder nicht mehr einladend und bedürfnisgerecht gestaltet waren. So hat der Neurodivergenz-Safer Space geschimmelt, anderswo gab es laute Umgebungsgeräusche.
Bildungsarbeit geschah häufig durch besonders engagierte Einzelpersonen, die Treffen einberiefen, Ressourcen teilten oder sich um die antirassistischen Leseecken kümmerten.