# Repression # Gebührenbescheide # Kostenerstattung

Weitere Informationen zu Kostenerstattungen finden sich hier.

Konstellationen

Dies sind die Fälle, in denen es Sinn ergibt, Kostenerstattungen zu beantragen

Optionen

Im folgenden Abschnitt, wird euch erklärt, was ihr tun könnt, wenn eine der oben genannten Konstellationen auf euch zutrifft 

Rote Hilfe

Wir haben uns mit dem Bundesverband der Roten Hilfe verständigt, dass es grundsätzlich möglich ist, über deren Ortsverbände Erstattungen von Kosten zu beantragen, die in Verwaltungssachen angefallen sind.

Schreibt dafür eine Mail an die Ortsgruppe eures Wohnorts und schildert euren Fall:
https://www.rote-hilfe.de/ueber-uns/adressen

Spendenkampagne

Ihr wendet euch an die Repressionskostenhilfe von RAZ legal@raz-ev.org und konzipiert zusammen einen Spendenaufruf.

Alle weiteren Infos dazu finden sich hier.

Umwelttreuhandfonds (UTF)

Ausführliche Infos zum UTF findest du hier.

Die Mittel, die der UTF bereitstellen kann sind begrenzt, weswegen ihr diese nur in Ausnahmefällen und nur nachrangig zu den ersten beiden Optionen in Anspruch nehmen solltet.

Um deine Gebührenbescheide, wie “Klebekosten” oder “Gesakosten” erstatten zu lassen, schreib bitte eine Mail an utf@posteo.de und setze legal@raz-ev.org in den CC. Dann schick eine zusammenhängende PDF-Datei (wirklich wichtig, damit die Bearbeitung funktioniert!) als Anhang der Mail mit:

Darüber hinaus können grundsätzlich auch die Verfahrenskosten vom UTF übernommen werden, aber auch hier gilt natürlich das Kriterium der Bedürftigkeit. Wenn eure Verfahrenskosten vom UTF getragen wurden und ihr einen Teil der Kosten nach frühzeitiger Rücknahme der Klage zurück bekommt, solltet ihr die zurückerstatteten Kosten dann auch wieder an den UTF weitergeben. In der Standard-Fallkonstellation würde das bedeuten, dass ihr erst die 114€ Verfahrensgebühr vom UTF erstattet bekommt, euch nach Rücknahme der Klage 76€ vom Gericht wieder erstattet werden und ihr diesen Betrag dann anschließend an den UTF spenden sollt. Wir bitten euch dabei ehrlich zu sein und gegenüber dieser sehr hilfreichen Struktur nicht den eigenen finanziellen Vorteil zu priorisieren.

Prozesskostenhilfe

Dies ist eine Möglichkeit, mit der ihr sofern ihr die im Formular aufgeführten Voraussetzungen erfüllt und euer Antrag genehmigt wird, nur die Kosten für euer Rechtsmittelverfahren, aber nicht die eigentlichen Gebühren an sich erstatten lassen könnt.

prozesskostenhilfe-antrag.pdf

# Begründungen für Rechtsmittel bei Straßenblockaden

Die Zusammenfassungen sollen euch Orientierung geben, in welchen Begründungen sich Argumente finden lassen, die ihr in eurem eigenen Verfahren nutzen könnt. Lest euch diese Begründungen durch und passt die Argumentationen mit Hilfe der Akten, die ihr beantragt habt, eurem Gedächtnisprotokoll und der Begründung des Gebührenbescheids auf euren eigenen Fall an. Für alle hier hinterlegten Begründungen ist das Bundesland, in dem sie genutzt wurden mit angegeben. Argumente, die für das jeweilige Bundesland spezifisch und somit nicht direkt auf andere Länder übertragbar sind, sind in der Zusammenfassung markiert. Prüft dennoch gerne, ob die gleiche Argumentation vielleicht auch für die in eurem Bundesland herangezogene Rechtsgrundlage gültig ist.

 

Bundesland Rechtsmittel Argumente Datei
Bayern Klage
  • geringer Stau
  • keine korrekte Versammlungsauflösung
  • Art. 16 Abs. 5 BayKG Kosten nur für gerechtfertigte Handlungen 
  • Unverhältnismäßigkeit der Ausübung unmittelbaren Zwangs
    Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch Nötigung?
    Milderes Mittel
  • Kostenfestsetzung nicht begründet
Klage Gebührenbescheid Bayern 1
Bayern Klage
  •  Ersatzvornahme statt unmittelbarer Zwang gemäß Art. 75 Abs. 3 BayPAG
  • Unverhältnismäßigkeit der Ausübung unmittelbaren Zwangs
    Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch Nötigung?
    Milderes Mittel
  • Kostenfestsetzung nicht begründet
Klage Gebührenbescheid Bayern 2
Bund (Flughafen) Widerspruch
  • Gebühren keine individuell zurechenbaren Leistungen: Polizeiliche Maßnahmen nicht zum Schutz der Klimaaktivisti
  • Bestimmtheit: Gebühren nicht den individuell veranlassten Leistungen zuordenbar
Widerspruch Gebührenbescheid Flughafen 1
Hamburg Klage
  • Keine unmittelbare Ausführung i.S.v. § 7 Abs. 1 SOG: Inanspruchsnahme als Störer war möglich
  • Berechnung der Kosten für Polizeikräfte
  • (Berechnung von) Kosten für Einsatz von Gerätegruppenkraftwagen
  • Zu- / Berechnung der zurückgelegten Strecke der Fahrzeuge mit den lösenden Polizeikräften
  • Berechnung der Kosten für Verbrauchsmaterial
  • Keine Rechtsgrundlage für Geltendmachung von Feuerwehrkosten
  • Verhältnismäßigkeit: Keine Kosten für Feuerwehreinsatz, der objektiv ex-post nicht erforderlich
Klage Gebührenbescheid Hamburg 1
Hessen  Klage
  • Bedeutung des Versammlungsrechts
    Nichtauflösung der Versammlung
  • Aussetzung bis zur Entscheidung im Strafverfahren
  • Unrichtige Berechnung der Kosten für die Anwesenheit eines Arztes
  • Kosten für Transport bei Durchführung von ED-Behandlung
  • Kosten für Unterbringung im Gewahrsam
  • Nicht begründete Kosten für Verbrauchsmaterial zum Lösen
  • Kosten für Gewahrsamsfähigkeitsuntersuchung
Klage Gebührenbescheid Hessen 1
Hessen Klage
  • Keine Gefahr und kein Wille Gefahr zu erzeugen
    Unausreichende Angaben in Bescheid: Worin, wodurch, für wen?
  • Vor Polizeisperre Protestmarsch, keine Sitzblockade
  • Ermessensfehler durch Aufhalten des Protestmarschs mittels polizeilicher Straßensperre und darauf folgendem unmittelbarem Zwang
    Polizeilicher Schutz der Versammlung auch durch weniger einschneidende Maßnahmen möglich
  • Ausgestaltung einer Versammlung bei Versammelnden, nicht polizeilichem Einsatzleiter 
  • Platzverweis erst nach Räumen
  • Nicht geeignete Ermächtigungsgrundlage 
    § 6 Abs. 1 HSOG
    §11 Abs. 1 Nr. 1 HVwKostG
  • Keine ausreichende Aufklärung über genutzte Rechtsgrundlage
    Potentielle Rechtswidrigkeit dieser
  • Vorgehen der Polizei und Erlass des Gebührenbescheids mit Darstellung von Protestierenden als Gefahr schwerer Eingriff in Versammlungsfreiheit mit Abschreckungsintention
Klage Gebührenbescheid Hessen 2
Sachsen Widerspruch
  • Verbringen von Straße strafprozessuale, nicht gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme
  • Kosten für Dienstfahrzeuge nicht berechtigt: Kein Hilfsmittel für unmittelbaren Zwang in Form von einfacher körperlicher Gewalt
  • Kosten für sich schon vor Ort befindliche Polizeikräfte nicht berechtigt
  • Kosten für den Einsatz von unmittelbarem Zwang in Form von einfacher körperlicher Gewalt durch Polizeibedienstete nicht berechtigt
Widerspruch Gebührenbescheid Sachsen 1
# Allgemeines

Was ist ein Gebührenbescheid?

Ihr habt Post bekommen, in der euch Handlungen des Staates in Rechnung gestellt werden.
Hierbei handelt es sich um einen Gebührenbescheid.
Andere Begriffe hierfür sind

Wofür werden Kosten erhoben?

Der Bescheid sollte Aufschluss darüber geben, wofür Kosten erhoben werden.
Dies sind typischerweise Dinge wie

Informationen an RAZ

Wie in Strafsachen geht dem eigentlichen Bescheid auch in Gebührensachen häufig eine Anhörung voraus. Diese könnt ihr ignorieren. In Einzelfällen kann es trotzdem sinnvoll sein auf eine Anhörung einzugehen, um Verfahrenskosten zu sparen. Sprecht das aber bitte vorher mit eurer Ansprechperson vom RAZ e.V. ab.

Sobald ihr aber den wirklichen Gebührenbescheid bekommen habt, solltet ihr ihn schnellstmöglich zusammen mit einem Foto des Umschlags, in dem der Bescheid euch erreicht hat, an die E-Mail-Adresse legal@raz-ev.org schicken - gerne direkt mit folgenden Infos

Vorgehen gegen Gebührenbescheide

Im Optimalfall habt ihr euch über diese und die weiteren Wiki-Seiten im Ordner Gebührenbescheide bereits einen Überblick verschafft und wisst, wie mit eurem Gebührenbescheid umzugehen ist. Da die Gebührenbescheide auf Landesrecht basieren, ist es dafür wichtig, dass ihr euch die Seite des Landes anseht, aus dem euer Gebührenbescheid stammt. Sofern dort angegeben ist, dass Zahlung nötig ist, oder noch keine Information dazu vorliegt, zahlt die Gebühr zunächst (außer ihr seid pfändungsbereit). Sofern ihr erfolgreich Rechtsmittel gegen den Gebührenbescheid einlegt, bekommt ihr die Gebühr zurück.

Rechtsmittel Einlegen

Mit den Dokumenten, die wir zur Verfügung stellen, solltet ihr in der Lage sein selbständig gegen euren Gebührenbescheid vorzugehen. Es ist aber festzuhalten, dass es in allen Bundesländern erstmal grundsätzlich möglich ist Handlungen der Polizei oder anderer Behörden den verursachenden Menschen in Rechnung zu stellen. Für die Erfolgsaussichten des Vorgehens gegen die Gebührenbescheide ist daher besonders relevant, ob es Unregelmäßigkeiten im Handeln der Polizei gegeben hat. Ein paar allgemeine Kriterien, ob sich das auch lohnt sind unter anderem

In einigen Bundesländern haben wir aber schon eine klare Strategie, sodass ihr euch über die Kriterien nicht mehr unbedingt Gedanken machen müsst.

Wichtig ist, dass mit dem Einlegen von Rechtsmitteln Verfahrenskosten anfallen, die von der unterlegenen Seite zu tragen sind. Es kann also passieren, dass sich für euch die Kosten letztlich erhöhen.
Informationen zur Kostenerstattung in Härtefällen findet ihr hier.

Haltet das RAZ Team bitte über legal@raz-ev.org auf dem Laufenden, ob ihr Rechtsmittel eingelegt, oder euch dagegen entschieden habt.

Es ist okay den Widerspruch / die Klage zunächst mal ohne Begründung einzureichen (außer auf der Unterseite für euer Bundesland steht dazu etwas Abweichendes).
Ihr beantragt mit unseren Vorlagen Akteneinsicht und behaltet euch die Begründung bis diese ermöglicht wurde vor.
Aber übersendet zusammen mit eurem Widerspruch / eurer Klage am Besten eine Kopie des Gebührenbescheids.

Verfahrenskosten

Beim Widerspruch und Klagen gegen Gebührenbescheide fallen weitere Verfahrenskosten an. Die Kosten für einen Widerspruch sind abhängig vom jeweiligen Bundesland.

Die Verfahrenskosten einer Klage richten sich bundesweit nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) und sind abhängig vom Streitwert des Verfahrens. In Anlage 2 ist die Abhängigkeit von Verfahrenskosten zum Streitwert in einer Tabelle dargestellt.

Tabelle aus Anlage 2 des GKG.

Im Normalfall liegen die Gebührenbescheide unter 500€, es fällt also eine Grundgebühr von 38€ an. Allerdings ist den Verwaltungsgerichten nicht immer klar, wogegen sich eine Klage richtet, da sie mit dem Gebührenbescheid von Polizei oder Feuerwehr vorher noch nichts zu tun hatten. Wenn den Gerichten der Streitwert unklar ist, wird standardmäßig ein Streitwert von 5.000€ angenommen und die Grundgebühr erhöht sich damit von 38€ auf 116€. Daher ist es sinnvoll mit Einreichen der Klage auch direkt eine Kopie vom ursprünglichen Gebührenbescheid mit zu schicken, um Missverständnisse zu vermeiden.

Die Grundgebühr muss anschließend noch mit einem Faktor multipliziert werden, der in Anlage 1 des GKG festgelegt ist. Für ein Verwaltungsrechtsverfahren liegt dieser Faktor bei 3 (Nr. 5110), die Grundgebühr von 38€ wird also mit 3 multipliziert und es entstehen Verfahrenskosten von 114€. Diese müssen erstmal überwiesen werden, damit das Gericht die Klage weiter bearbeitet. Falls die Klage aber frühzeitig, also vor Durchführung der mündlichen Verhandlung, zurückgenommen wird, reduziert sich der Faktor auf 1 (Nr. 5111) und ihr bekommt die Differenz (76€) zurückerstattet. Das Einreichen einer Klage bedeutet also mindestens ein Kostenrisiko von 38€ und erfordert das vorzeitige Auslegen der 114€ Verfahrenskosten zu Beginn. Falls der Streitwert höher liegen sollte, ändert sich das Rechenbeispiel entsprechend der oben gezeigten Tabelle. 

Weitere Post: RAZ Informiert halten

Nachdem ihr Rechtsmittel eingelegt habt, werdet ihr typischerweise weitere Post bekommen, die ihr ebenfalls an legal@raz-ev.org schicken solltet, damit wir um das Stadium eures Verfahrens wissen. Falls ihr zu einem Schreiben Fragen habt, stellt sie bitte so konkret wie möglich.

 

Längere Dauer von Verwaltungsrechtsverfahren

Im Verwaltungsrecht dauern Widerspruchsverfahren oder Klagen oft deutlich länger als Strafverfahren, lasst euch davon nicht verunsichern. Die Gerichte behandeln Klagen gegen Gebührenbescheide meist mit geringerer Priorität und es ist normal, dass ihr nach einen Widerspruch oder einer Klage erstmal monatelang nichts mehr dazu hört. 

Falls ihr anwaltlichen Beistand für die Klage haben möchtet, kann es sinnvoll sein die Person schon vorab zu mandatieren, weil die Ladungen für die Verhandlungen zu Verwaltungsrechtsklagen teilweise relativ kurzfristig kommen. Dies sollte allerdings unbedingt mit eurer Ansprechperson vom RAZ e.V. abgesprochen werden, da Rechtsbeistände der größte Faktor für Verfahrensgebühren sind und die Finanzierung erst geklärt werden muss. 

 

# Vorlagen

Vorlagen für Rechtsmittel gegen Gebührenbescheide finden sich hier.

# Gebührenbescheide - Bundesländer # Baden-Württemberg

Widerspruch zu Gebührenverfahren, zu dem Strafverfahren eingestellt wurde, war erfolgreich
=> immer um Aussetzung des Verfahrens bitten, bis über Strafverfahren entschieden wurde

# Flughäfen (Bund)

VORLAGE MIT ARGUMENTATION ZUM ANPASSEN

Ihr könnt diese Widerspruchsvorlage mit ihrer Begründung übernehmen. Ihr müsst die Vorlage aber noch auf euer Gebührenverfahren anpassen. Also etwa Datumsangaben austauschen, kontrollieren, ob Absätze enthalten sind, die für euren Fall nicht anwendbar sind und wenn möglich weitere Argumente basierend auf eurem individuellen Gebührenbescheid ergänzen.

Meldet euch bei Fragen gerne via: legal@raz-ev.org

# Bayern

Bayerische Gebührenbescheide 

# Berlin

Berliner Gebührenbescheide 

# Berlin Beschluss VG

Wir hatten vor dem Verwaltungsgericht Berlin Erfolg mit einer Klage gegen einen Berliner Gebührenbescheid. Obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist (die Staatsanwaltschaft hat Rechtsmittel eingelegt), ist das erstmal eine gute Sache. Es ergeben sich daraus aber auch ein paar Neuerungen und Dinge, die es zu beachten gilt. 

Beschluss VG Berlin

Die Rechtsgrundlage, auf die sich bislang die Berliner Gebührenbescheide stützten ist:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts besagt nun, dass diese keine geeigneten Rechtsgrundlagen für unsere Gebührenbescheide darstellen.
Kursiv findet ihr die Zusammenfassung der Begründungen des Beschlusses.

Was Bedeutet das Für Euch?

Rückzahlung der Gebühren

Die Polizei Berlin hat Rechtsmittel eingelegt gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass die Gebührenbescheide gegen uns rechtswidrig waren.
Das bedeutet, dass uns kein Geld zurückbezahlt wird bis nicht endgültig und rechtskräftig in unserem Sinne entschieden wurde.
Wir warten jetzt also auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin und hoffen, dass dort unser Win vor dem VG aufrechterhalten wird.

# Übersicht Basics
Bundesland Grds. Zahlung nötig? Antrag auf Aussetzung des Vollzugs erfolgreich? Widerspruchsverfahren? Vorabprüfung und Angebot zurückzuziehen? Erinnerung an Begründung? Begründungsvorlage Anwaltsperson
Baden-Württemberg  ja   ja  ja  zumindest nicht vor Vorabprüfung   ja
Bayern ja   nein    ja  ja ja
Berlin ja   ja      ja ja
Brandenburg ja   ja       nein
Bremen             nein
Hamburg nein - ja      ja nein
Hessen ja   nein   ja  ja ja
Mecklenburg-Vorpommern             ja
Niedersachsen     nein       ?
Nordrhein-Westfalen     nein       ja
Rheinland-Pfalz nein -  ja  ja  nein   ja
Saarland             nein
Sachsen ja ja  ja   ja  ohne Kleben ja
Sachsen-Anhalt  wohl nein   nein       ja
Schleswig-Holstein      ja       nein
Thüringen             ja
# Hamburg

Begründungsvorlage für Klebeblockaden

Verweist in eurer Widerspruchsbegründung einfach auf das beim Verwaltungsgericht Hamburg anhängige Parallelverfahren 5 K 2640/23 und beantragt das Widerspruchsverfahren bis zu einer Entscheidung im Parallelverfahren auszusetzen.

# Hessen

Üblicherweise erheben wir in Hessen Klage gegen die Gebührenbescheide, fordern zugleich Akteneinsicht an und können versuchen Prozesskostenhilfe zu beantragen.

Argumentation für die Klagebegründung

Dies sind Argumentationsansätze, die ihr auf euren eigenen Sachverhalt anpassen könnt.

Bedeutung des Versammlungsrechts, Nichtauflösen der Versammlung

Diesen Teil könnt ihr für alle Gebührenbescheide übernehmen, streicht nur ggf den Part zur Nichtauflösung der Versammlung.

Die Teilnahme an einer Demonstration stellt die Ausübung eines Grundrechts dar, für das keine Kostenerhebung für polizeiliche Amtshandlungen vorgenommen werden kann.

Vorliegend hat die Klägerin an einer Versammlung teilgenommen, die unter den Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG fällt. Dafür kommt es nicht auf deren Anmeldung an.

Die Versammlung wurde von der Polizei nicht nach dem Versammlungsrecht aufgelöst. Darauf kann schon deshalb geschlossen werden, da die Versammlungsbehörde das Ordnungsamt ist. Vielmehr hat die Polizei nur zum Zweck der Verkehrsregelung in die Versammlung eingegriffen, ohne sie formal auflösen zu können.

„Allerdings wird die Wechselwirkung zwischen Grundrecht und einschränkendem Gesetz es oft erforderlich machen, Vorschriften der Straßenverkehrsordnung für Demonstrationen im öffentlichen Straßenraum zu suspendieren“

Auch wenn die Versammlung formal korrekt von der Polizei aufgelöst worden sein sollte, entwickelt Art. 8 GG für diesen Fall eine Fernwirkung.

Die Kostenerhebung für polizeiliche Amtshandlungen im Zusammenhang mit Demonstrationen stellt einen Eingriff in Artikel 8 Grundgesetz dar. Wenn Bürger*innen nach der Teilnahme an einer Versammlung regelmäßig damit rechnen müssen, dass sie an den Kosten des Polizeieinsatzes beteiligt werden, hält sie das effektiv von der Ausübung des Grundrechts ab. Ausschlaggebend für die spätere Kostenerhebung können keine formalen Kriterien wie die Anmeldung der Versammlung sein, da auch nicht angemeldete Versammlungen unter den Schutz von Art. 8 GG fallen. Auch eine polizeiliche Auflösungsverfügung versagt den Teilnehmer*innen nicht den grundrechtlichen Schutz.

Die Kostenerhebung im angegriffenen Bescheid vom 25.07.2022 bezieht sich auf den Nachlauf einer friedlichen Versammlung, sodass nach einer Würdigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG eine Kostenerhebung ausscheidet.

AUssetzung bis zu Entscheidung im Strafverfahren

Gegen die Klägerin läuft wegen des gleichen Sachverhalts ein Strafprozess wegen Nötigung, ausgehend von der Strafanzeige wegen Nötigung, polizeiliches Aktenzeichen XXX. Sobald das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft bekannt ist, wird es mitgeteilt.

Der Ausgang des verwaltungsrechtlichen Rechtsstreits ist ganz vom Bestehen oder Nichtbestehen einer von Art. 8 GG geschützten Versammlung abhängig. Dazu muss das Strafgericht in seinem Urteil sowohl Feststellungen als auch rechtliche Würdigungen vornehmen.

Der Tatbestand von § 240 Abs. 1 StGB setzt die Rechtswidrigkeit der Handlung voraus, worüber das Strafgericht urteilen wird. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Rechtswidrigkeit der Handlung aufgrund der Grundrechtsintesität der Kosteninanspruchnahme auch im Verwaltungsverfahren die zentrale Rechtsfrage. Insbesondere muss das Urteil des Strafgerichts Feststellungen zum Vorliegen einer Versammlung nach Art. 8 GG treffen, von denen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung abhängt.

Argumente abhängig von Kostenpositionen

Schaut euch in eurem Gebührenbescheid die Kostenpositionen der polizeilichen Maßnahme an - diese sollten dort gelistet sein. 
Sucht euch für eure Begründung die Stellen heraus, die zu euren Kostenpositionen passen.

Bereitschaft/Anwesenheit Arzt beim Lösen d. Person gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 HVwKostG

Die Auferlegung der Kostenpositionen "Bereitschaft/Anwesenheit Arzt beim Lösen d. Person" gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 HVwKostG ist rechtswidrig. 

Es wird die unrichtige Berechnung der Kostenposition “Bereitschaft/Anwesenheit Arzt beim Lösen d. Person” in Höhe von XXX Euro und die daraus resultierende Aufhebung des Bescheids diesbezüglich in Höhe von XXX Euro geltend gemacht. 

Versucht zunächst herauszufinden, mit welchem Stundensatz die ärztlichen Leistungen berechnet wurden:

Aus der Rechnung über die Arztkosten des Einsatzes (aus Akte entnehmen) wird ersichtlich, dass die ärztliche Leistung für die Maßnahme mit einem Stundenlohn von XXX Euro/Stunde berechnet wurde. 

Jetzt lohnt es sich zu prüfen, ob die für die Berechnung der Kosten herangezogenen Zeitangaben stimmig sind.
Falls nicht, legt den wirklichen zeitlichen Ablauf dar.

Aus soeben aufgelisteten zeitlichen Angaben lässt sich deutlich schließen, dass die gesamte Maßnahme des „Lösens der Personen“ mit insgesamt XXX Minuten XXX Minuten kürzer andauerte, wie von der Beklagten angegeben. Die konkret bei der Klägerin durchgeführte Maßnahme beanspruchte von der gesamten Maßnahme hingegen nur XXX Minuten. 

Bei einer anteiligen Berechnung der Kosten der Klägerin für einen Einsatz von XXX Minuten bei XXX Euro pro angefangener Stunde ergibt sich ein Kostenbetrag von XXX Euro. Über diesen Betrag hinaus kann die Beklagte folglich keine Kostenerstattung verlangen.

Transport nach § 32 HSOG

Wenn euch ein Transport zur Dienststelle berechnet wird und dort eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt wurde:

Der in Rechnung gestellte Transport diente vor allem zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b StPO, die zum Zweck des Strafverfahrens angeordnet worden ist. Die StPO kennt anders als das Polizeirecht keine Kostentatbestände bzw. werden die Kosten des Strafverfahrens über die Prozesskosten pauschal abgegolten. Für den Fall, dass das Strafgericht die Klägerin freispricht, entfällt der Kostenanspruch nach Polizeirecht spiegelbildlich.

Der Schwerpunkt der Maßnahme lag auf der Strafverfolgung und nicht auf der Gefahrenabwehr, vor allem da die Gefahr für den Straßenverkehr durch die Auflösung der Blockade bereits abgewehrt war.

Auch wenn die Verbringung durch die Polizei rechtlich als Maßnahme mit Doppelcharakter aufgefasst wird, muss eine Lösung gefunden werden, damit der Staat nicht von der Klägerin überkompensiert wird. Wenn der Kostenbescheid in diesem Punkt Bestand hätte und die Klägerin vom Strafgericht verurteilt würde, hätte sie für diese Maßnahme doppelt bezahlt. Entweder ist das Verfahren auszusetzen (Siehe Antrag zu 4.) oder der Kostenbescheid ist hinsichtlich dieses Postens aufzuheben. Die zweite Lösung scheint dem Unterzeichner von vornherein praktikabler, da das Strafgericht sowieso das letzte Wort hat.

Unterbringung in Gewahrsam

Wenn ihr in Gewahrsam genommen wurdet und euch Kosten für die Unterbringung auferlegt werden:

Bei der Kosteninanspruchnahme kommt es nicht darauf an, ob der Gewahrsam ex ante angeordnet werden durfte oder ob die Klägerin ins Beschwerdeverfahren gegangen ist. Die Rechtmäßigkeit muss vom Verwaltungsgericht inzident geprüft werden. Das Verwaltungsgericht wird zum Ergebnis kommen, dass der Polizeigewahrsam, angeordnet gegen die Klägerin, ex post als rechtswidrig zu bewerten ist, sodass die Klägerin nicht an den Kosten zu beteiligen ist. Dies muss sich folglich ebenso auf die während des rechtswidrigen Gewahrsams entstanden Verpflegungskosten beziehen. Der angegriffene Bescheid ist insoweit aufzuheben.

Verbrauchsmaterial für das Lösen des Klebers

An keiner Stelle ist dem Bescheid zu entnehmen, wie sich der Betrag für das Verbrauchsmaterial zusammensetzt. Aus der Akte lässt sich dazu auch nicht entnehmen, wie der Betrag berechnet wurde. Insbesondere stellt der Betrag von XXX EUR kein Vielfaches des in der Akte vorkommenden Betrages einer Materialrechnung über XXX EUR dar.

Der Bescheid ist insoweit aufzuheben.

Gewahrsamsfähigkeitsuntersuchung

Argumentationsansatz, um die Kostenberechnung einer Gewahrsamsfähigkeitsuntersuchung in Frage zu stellen:

Die Klägerin kann nicht an den Kosten für die Gewahrsamsfähigkeitsuntersuchung in Höhe von XXX EUR beteiligt werden. Ausweislich der Rechnung dauerte ihre Untersuchung XXX Minuten. Die Teilnehmer der Demonstration wurden en bloc untersucht, sodass keine Pauschalen abgerechnet werden können. Selbst wenn die XXX Personen, die sich ausweislich des Gesamtberichts am Morgen festgeklebt hatten, einer Gewahrsamsfähigkeitsuntersuchung zu je XXX Minuten unterzogen wurden, hätte dies insgesamt nur XXX Minuten gedauert. Hätte der Kostenträger kein Verschulden gegen sich selbst zugelassen, hätte der Bereitschaftsarzt nur eine Pauschale für XXX Minuten abrechnen können. Damit könnte die Beklagte höchstens ihrem Anteil entsprechend zu XXX EUR in Anspruch genommen werden können.

Vorlage Mit Argumentation zum Anpassen

In dieser Vorlage sind die oben ausgeführten Argumentationsansätze bereits eingearbeitet. Ihr müsst die Vorlage aber noch auf euer Gebührenverfahren anpassen. Also etwa Datumsangaben austauschen und Absätze zu Kosten streichen, die bei euch gar nicht erhoben worden sind.

# Sachsen

Begründung zu Gebührenbescheiden zu Straßenblockaden ohne Kleben

Kurzversion

Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt mich in meinen Rechten.

Ich wurde nur durch Polizeibeamt*innen von der Straße getragen. Der Einsatz des Fahrzeugs hat nichts mit dem Wegtragen zu tun. Für einfache körperliche Gewalt durch Polizeibeamt*innen dürfen nach dem Kostenverzeichnis keine Kosten erhoben werden (Nr. 77 Tarifstelle 11. des Zehnten Sächsischen Kostenverzeichnisses).

Ich beantrage, mein Widerspruchsverfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Widerspruchsverfahrens mit dem Aktenzeichen PDDD-R4-0537/202 ruhend zu stellen, da die dort entscheidenden rechtlichen Fragestellungen die gleichen sind. 

Langversion

Prüft hier bitte, ob wirklich jedes Detail der Begründung auf euren Fall zutrifft und passt sie ggf. an

Der Widerspruch wird wie folgt weiter begründet: 

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Widerspruchsführer in seinen Rechten. Nach Aktenlage besteht keine Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid.

1. Vor dem Hintergrund eines Ermittlungsverfahrens (Nötigung) war die durchgeführte Maßnahme (Verbringung von der Straße) keine gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme, sondern die Durchsetzung einer strafprozessualen Maßnahme, nämlich die mittels unmittelbaren Zwanges durchgesetzte (Zuführung zur) Personalienfeststellung und Durchsuchung. Dies ergibt sich daraus, dass die Personen bereits nach Eintreffen der Polizei sogleich hinsichtlich einer Straftat der Nötigung belehrt wurden und unmittelbar nach dem Wegtragen die Personalien auf dem Gehweg festgestellt und die Sachen und Personen durchsucht wurden. Für diese strafprozessuale Maßnahmen fallen keine gesonderten Kosten an.

2. Selbst wenn dem Widerspruchsgegner folgend das Wegtragen zum Zwecke der Gefahrenabwehr erfolgt sein sollte, besteht kein Rechtsgrund für den angefochtenen Bescheid. Aus der Akte ergibt sich eindeutig, dass die Verbringung der Personen von der Straße mittels Anwendung unmittelbaren Zwanges in Form von einfacher körperlicher Gewalt erfolgte („kein Lösen, keine Ersatzvornahme, von der Straße tragen“). Der Einsatz eines Polizeifahrzeuges erfolgte dabei nicht, der unmittelbare Zwang in Form von einfacher körperlicher Gewalt wurde nur durch Polizeibeamte ausgeübt. Das SächsPVDG definiert in § 40 Absatz 1 als unmittelbaren Zwang die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, Hilfsmittel körperlicher Gewalt oder Waffengebrauch. Die unterschiedlichen Formen werden sodann in den folgenden Absätzen definiert, wobei als Hilfsmittel körperlicher Gewalt explizit Dienstfahrzeuge gezählt werden (Absatz 3). Der Einsatz der Dienstfahrzeuge als aufzuerlegende Kosten käme also höchstens in Betracht, wenn diese Hilfsmittel der körperlichen Gewalt gewesen wären. Ein Hilfsmittel der körperlichen Gewalt umfasst dabei jeden Gegenstand und jedes Mittel, das über die reine Körperkraft hinaus zu deren Verstärkung oder an deren Stelle von der Polizei bei der Einwirkung auf Personen eingesetzt wird (Schwier/Lohse, Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz, Kommentar für Praxis und Ausbildung, 6. Auflage, § 40, Rn. 5). Die Polizeifahrzeuge dienten vorliegend nur zur Beförderung der Beamten zum Einsatzort und können daher nicht als Hilfsmittel der ausgeübten körperlichen Gewalt angesehen werden. Auch das Kostenverzeichnis unterscheidet, dem SächsPVDG folgend, den unmittelbaren Zwang (Tarifstelle 11) in den Einsatz von Polizeifahrzeugen (Tarifstelle 11.1) und den Einsatz von Polizeibediensteten (Tarifstelle 11.2). Aber auch der Einsatz von Polizeibediensteten kann vorliegend nicht in Rechnung gestellt werden. Zunächst ergibt sich nach Aktenlage eindeutig, dass die eingesetzten Polizeikräfte bereits vor Ort waren und nicht extra für die Durchsetzung eines vorangegangenen Verwaltungsaktes hinzukamen. So trafen die Kräfte bereits um 13:36 Uhr ein. Ersatzfähig sind aber nur solche Kosten, die in unmittelbar kausalem Zusammenhang mit der Maßnahme stehen. Der Ersatz von allgemeinen Personalkosten oder sonstigen Fix- bzw. sogenannten Sowiesokosten ist nicht vorgesehen. Insbesondere können für den Einsatz von unmittelbarem Zwang in Form von einfacher körperlicher Gewalt durch Polizeibedienstete keine Kosten erhoben werden. Denn in Nr. 77 Tarifstelle 11. des Zehnten Sächsischen Kostenverzeichnisses in der Fassung zum 02.03.2023 heißt es insoweit eindeutig: „Anmerkung: Für unmittelbaren Zwang, der lediglich einfache körperliche Gewalt beinhaltet und keinen bedeutsamen polizeilichen Mehraufwand verursacht, werden keine Kosten erhoben.“ Das einfache Wegtragen von Personen fällt unter den Begriff der einfachen körperliche Gewalt (vgl. Schwier/Lohse, Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz, Kommentar für Praxis und Ausbildung, 6. Auflage, § 40, Rn. 4). Ein bedeutsamer polizeilicher Mehraufwand lag nicht vor. Selbst ein (nicht ersichtliches) „Schwermachen“ (wobei es bereits faktisch unmöglich ist, dass ein Körper mit einem bestimmten Körpergewicht dieses Gewicht im angehobenen Zustand vergrößert), würde keinen „bedeutsamen Mehraufwand“ darstellen. Von einem bedeutsamen Mehraufwand des unmittelbaren Zwanges wird man nur sprechen können, wenn bei psychischen oder körperlichen Verletzungen des zur Ausübung unmittelbaren Zwangs in gewaltgeprägten Situationen eingesetzten Personals der eigentlichen Amtshandlung nachfolgende Tätigkeiten bei der psychologischen oder medizinischen Behandlung notwendig werden oder notwendige vorbereitende Einsatzplanungen und -besprechungen vor komplexen, gefährlichen Einsätzen, womöglich mit Kräften aus verschiedenen Bundesländern, erfolgen mussten. Dergleichen ist jedoch bei der vorliegenden, routiniert-friedlichen Anwendung unmittelbaren Zwangs in Gestalt des Wegtragens durch die hierzu spontan eingesetzten Polizeibeamten nicht entfernt erkennbar.

Ich beantrage, mein Widerspruchsverfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Widerspruchsverfahrens mit dem Aktenzeichen PDDD-R4-0537/202 ruhend zu stellen, da die dort entscheidenden rechtlichen Fragestellungen die gleichen sind. 

# Gesa # Bundesländer

Zu allgemeinen Informationen zur GeSa und was eine Vorführung vor Gewahrsamrichter*innen bedeutet schau mal hier: https://wiki.aktivismus.org/books/repression/page/gewahrsamnahme-gesa

Die Angaben sind immer die maximal mögliche Zeit. Das bedeutet nicht, dass ihr in jedem Fall so lang in Gewahrsam sein werdet.

Baden-Württemberg

nach Gerichtsbeschluss

Bayern

nach Gerichtsbeschluss

Berlin

Brandenburg

nach Gerichtsbeschluss

Bremen

nach Gerichtsbeschluss

Hamburg

nach Gerichtsbeschluss

Hessen

nach Gerichtsbeschluss

Mecklenburg-Vorpommern

nach Gerichtsbeschluss

Niedersachsen

nach Gerichtsbeschluss

Nordrhein-Westfalen

nach Gerichtsbeschluss

Rheinland-Pfalz

nach Gerichtsbeschluss

Saarland

nach Gerichtsbeschluss

Sachsen

nach Gerichtsbeschluss

Sachsen-Anhalt

nach Gerichtsbeschluss

Schleswig-Holstein

nach Gerichtsbeschluss

Thüringen

nach Gerichtsbeschluss

# Gewahrsamnahme (Gesa)

Gewahrsamnahme durch die Polizei

Zu einer Gewahrsamnahme kommt es nach vieler aktivistischer Aktionen, um zu eure Identität festzustellen oder euch von weiteren Aktionen abzuhalten.

Es kann auch sein, dass die Polizei euch einen Platzverweis für ein bestimmtes Gebiet für eine bestimmte Zeit erteilt. Um rechtskräftig zu sein, muss der Platzverweis hinreichend genau sein - also zeitlich und örtlich begrenzt. Dieser muss euch nicht schriftlich ausgehändigt werden.
Generell gilt: Einen Platzverweis zu missachten ist keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit (nur in einzelnen Bundesländern gibt es entsprechende OWi-Tatbestände), die Polizei kann euch aber in Gewahrsam nehmen, um den Platzverweis durchzusetzen.

Voraussetzung hierfür ist außerdem die Unerlässlichkeit als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes. Wenn also die Einhaltung des Platzverweises durch eine mildere Maßnahme durchsetzbar wäre, müsste zuerst diese Maßnahme ergriffen werden. Außerdem ist eine solche Durchsetzung des Platzverweises erst rechtlich gerechtfertigt, wenn dadurch eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit verhindert wird.

Gründe für Polizeigewahrsam

Oft wird Polizeigewahrsam allerdings auch als MIttel der Abschreckung/Einschüchterung genutzt und unverhältnismäßg lang und mit sehr schlechten Gewahrsambedingungen angewendet.

Was genau ist eine Gefangenensammelstelle (Gesa)? 

Die Gesa ist im Prinzip jeder Ort, an dem du gegen deinen Willen von der Polizei festgehalten wirst, um den Zweck der Gewahrsamnahme zu erfüllen. Dies kann zum Beispiel eine Gesazelle auf einer Polizeistelle sein, ein Fusßballstadion, aber auch das bloße Festhalten an einem bestimmten Ort, wie ein Polizeikessel unter freiem Himmel. 

Hier findet ihr gesammelte Tipps & Tricks für den Gesa-Aufenthalt.

Kommunikation mit der Polizei

Allgemein

Generell, musst du gar nicht mit der Polizei kommunizieren. Über die (dir oder anderen) vorgeworfenen Straftaten solltest du nie eine Aussage machen (siehe unten “Was du nicht musst”). Es gibt jedoch einige Aussagen, die Einfluss auf die Länge des Gewahrsam haben können und deswegen sinnvoll sein können:

Wenn du schnell wieder aus der GeSa entlassen werden willst:

Alle diese Aussagen sind vor allem bei längeren Aktionsphasen sinnvoll, wo die Polizei davon ausgeht, dass du dich wieder an Aktionen beteiligen könntest. 

Wenn du Dokumente hast, die beweisen können, dass du heute an keinen weiteren Aktionen mehr teilnehmen wirst (Zum Beispiel ein Zugticket), dann nimm das gerne mit. Natürlich nur wenn du deine Identität angeben willst.

Wenn du aus strategischen Gründen länger in der GeSa bleiben willst:

Für beides gibt es keine Garantie, dass es funktioniert, erhöht aber die Wahrscheinlichkeit. Wie lang ihr in der GeSa bleibt ist immer sehr unterschiedlich. Ihr seid auch nicht dazu verpflichtet der Polizei die Wahrheit zu sagen. Bedenkt aber, dass auch an anderen Personen eurer Bewegung unter Umständen weniger geglaubt wird, wenn ihr nicht die Wahrheit sagt.

Kommunikation im Polizeikessel

Häufig verbringt ihr nach Auflösung einer Aktion viel Zeit im Polizeikessel (die Polizei umstellt euch, damit ihr nicht weggehen könnt).

Hier werdet ihr häufig (nicht immer) von der Polizei gefragt was ihr heute und morgen noch so vor habt. Damit meinen sie, ob ihr nochmal protestieren wollt. Um euch an weiteren Aktion zu hindern nehmen sie euch öfters mit in die Gesa (Gefangenensammelstelle; Polizeigewahrsam). Je nach Aussage, die ihr bei der Frage macht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ihr in die Gesa kommt. Je nach Bundesland variiert die maximale Länge der Ingewahrsamnahme. In Berlin geht das maximal bis um 24Uhr des Folgetages. Je nach präferiertem Ergebnis könnt ihr unterschiedliche Antworten geben:

Wenn du aus strategischen Gründen länger in der GeSa bleiben willst:
Wenn du schnell wieder aus der GeSa entlassen werden willst:

Leider gibt es keine Garantie dafür ob es klappt. Manchmal nehmen sie einfach alle Personen mit, manchmal niemanden und manchmal unterscheiden sie nach Aussage. Die Aussagen erhöhen nur die Wahrscheinlichkeit für das gewünschte Ergebnis. Wenn du noch eine Aktion machen willst kann es sinnvoll sein „keine Aussage“ zu machen, aber es gibt da auch keine Garantie freigelassen zu werden. Es kann auch von Vorteil sein die Aussagen von sich aus bei der Polizei zu machen, wenn sie nicht fragen. Wir empfehlen, euch an eure Aussagen zu halten, damit die Aussagen anderer Aktivist*innen auch als wahrheitsgemäß angesehen werden. Ihr seid grundsätzlich nicht verpflichtet die Wahrheit zu sagen, wenn ihr aber zum Beispiel angebt, nicht nochmal in Aktion gehen zu wollen und dann noch einmal festgenommen werdet, schadet das natürlich eurer Glaubwürdigkeit und auch in Gerichtsprozessen kann Unehrlichkeit euch potenziell negativ ausgelegt werden.

Länge?

Für die spezifische Länge einer Gewahrsamnahme kommt es ein bisschen auf das Bundesland an, in dem du in Aktion gehst. Im Allgemeinen lässt sich die Grundsatzlänge als bis zu 24 Uhr des Folgetages festhalten - dies geht ohne einen richterlichen Beschluss. Allerdings muss dieser nach §128 I StPO möglichst schnell eingeholt werden. 

Ein Gewahrsam kann richterlich auch verlängert werden. Da kommen in den einzelnen Bundesländern wieder sehr unterschiedliche Gesetze zum Einsatz. Für eine Übersicht darüber schau mal hier: https://wiki.raz-ev.org/de/Rechtshilfe/Repression/Gesa/Bundesl%C3%A4nder

Typischer Ablauf auf der Gesa 

Erkennungsdienstliche (ED-) Behandlung

Deine Rechte in der Gesa!

Du hast bestimmte Rechte im Polizeigewahrsam, die dir Sicherheit geben können und die du auf jeden Fall einfordern solltest!

Ein erfolgreicher Anruf (=EA)!

Körperliche Unversehrtheit 

Was du nicht machen musst

Du musst im Beisein der Polizei keine Aussagen machen. Mit Aussagen können immer andere Aktivisti belastet werden oder die Strukturen eurer Bewegung offengelegt werden. Also achte darauf wirklich nur Smalltalk zu machen und auf keinen Fall etwas zu internen Absprachen, deiner genauen Rolle etc. zu sagen. Selbst wenn du z.B. nur Support warst und das sagst, belastet das die anderen und gibt der Polizei die Möglichkeit im Ermittlungsverfahren besser zu begründen, warum du trotzdem bestraft werden solltest, während du sonst vor Gericht einfach sagen könntest: “aber ich saß doch gar nicht auf der Straße”, falls die Polizei aufgrund mangelnder Infos dir das vorwirft.
Manchmal ist es aus strategischen Gründen sinnvoll offenzulegen, dass du sobald du entlassen wirst, wieder in Aktion gehen wirst. Dadurch lässt sich in der Regel ein längerer Gewahrsam erreichen und das kann durchaus gewollt sein.

Auch unterschreiben musst du nichts. Und wir würden auch raten, nichts zu unterschreiben. Einfach aus dem Grund, dass es in einer so aufregenden Situation manchmal schwierig sein kann alles ordentlich durchzulesen oder zu verstehen. 

Zudem musst du nicht kooperieren. Wenn die Polizei zum Beispiel will, dass du mit zur ED-Behandlung kommst, kannst dich weigern. Dies führt in der Regel dazu, dass Maßnahmen unter Zwang (zum Beispiel Tragen oder Schmerzgriffe) durchgesetzt werden. Achte aber darauf gewaltfrei zu bleiben, damit dir keine Widerstand/tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen werden kann.

Immer widersprechen :)

Wenn du in irgendwelchen Maßnahmen der Polizei bist, solltest du möglichst immer Widerspruch einlegen (zum Beispiel, indem du einfach sagst: 
"Ich möchte dieser Maßnahme widersprechen", 
"Ich widerspreche dieser ED-Behandlung / der Fingerabdrucknahme…"). 
Meistens wird diesem Widerspruch zwar nicht stattgegeben, aber du schaffst Arbeit, verzögerst den Prozess, und erwirkst am Ende sogar eine bessere rechtliche Position. 

Wieder draußen

Du bist wieder draußen und wirst hoffentlich vom Gesa-Support deiner Bewegung in die Arme geschlossen. Jetzt solltest du dich noch einmal beim EA (sofernes einen gibt) melden und angeben, dass du nicht mehr in der Gesa bist und wie es dir geht. Außerdem ist jetzt das Schreiben eines Gedächtnisprotokoll nicht zu vergessen. Mehr dazu hier.

Vorführung vor eine/n Gewahrsamrichter/in

Die maximale Zeit, wie lang ihr in Gewahrsam sein könnt, variiert von Bundesland zu Bundesland. Um diese Zeit zu verlängern kann die Polizei bei einem Gericht verlängerten Gewahrsam beantragen. Im Regelfall geschieht dies, weil die Polizei davon ausgeht, dass du weitere relevante Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen wirst. Wie lang der Gewahrsam verlängert werden kann variiert von Bundesland zu Bundesland. Für eine Übersicht schau mal hier. Vor dem/der Richter/in, kanns du den selben Leitfaden zur Kommunikation benutzen, wie mit der Polizei (s. oben). 

In Manchen Bundesländern brauchst du für jede Vorführung vor eine/n Gewahrsamrichter/in eine anwaltliche Vertretung. Entweder wird dir eine Pflichtverteidigung beigeordnet oder du hast eine eigene Verteidigung, die schnell genug vor Ort sein kann. Im Regelfall, darfst du vor der Vorführung einen Anruf tätigen, um (zum Beispiel über den EA) eine Anwaltsperson zu kontaktieren. Sollte dir dieser Anruf verweigert werden, kannst du zum Beispiel jegliche Kooperation verweigern und immer wieder darauf bestehen. Falls dir eine Verteidigung beigeordnet wird, stelle aufjedenfall im vorherigen Gespräch sicher, das die Person weiß, was dein Ziel in der Vorführung ist.

Langer Gewahrsam im Gefängnis

Wenn vom Gericht längerer Gewahrsam angeordnet wird, kann es sein, dass du für diese Zeit in eine Justizvollzugsanstalt überführt wirst. Dort erwarten dich oft wesentlich angenehmere Haftbedingungen.

Vorführung vor eine/n Haftrichter/in

Im Unterschied zu Gewahrsamsrichter/innen entscheiden Haftrichter/innen nicht über verlängerten Gewahrsam, sondern über Untersuchungshaft (U-Haft).

U-Haft kommt bei Aktivist/innen extrem selten vor, ist aber theoretisch möglich. U-Haft wird verhängt, wenn eine Person dringend einer schweren Straftat dringend tatverdächtigt, ein Haftgrund vorliegt und die U-Haft als verhältnismäßig gesehen wird. Über die Verhängung von U-Haft. entscheidet immer ein Gericht. Haftgründe sind:

U-Haft kann direkt nach deiner In-Gewahrsamsnahme bei einer Aktion beantragt werden oder auch später. In jedem Fall hast das Recht auf anwaltliche Vertretung und kannst mit den Anwält/innen das weitere Vorgehen besprechen.

U-Haft wird gegen Aktivist/innen meist zur Einschüchterung eingesetzt und um Druck auszuüben, um eine Identitätsangabe zu erreichen. Normalerweise musst du dir darüber aber keine Gedanken machen :)

# Tipps & Tricks für die Gesa

What to wear am Aktionstag

Angenehmer Schlafen

Medikamente & Co 

Zeitvertreib in der Gesa 

Rechte erstreiten 

# Gefängnissupport # Vernetzung

Vorbereitung:

Begleitung:

Nachbereitung:

# Öffentlichkeits-AG

Vorbereitung:

Begleitung:

Nachbereitung:

# Emo-Support

Grundgedanke:

Jeder gefangenen Person wird eine Emo-Support-Person für die gesamte Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung der Haftzeit zugeteilt (hier auch gerne ehrlich sagen mit wem ihr euch wohl fühlt)

Vorbereitung:

Begleitung:

Nachbereitung:

Bei Fragen an den Emo-Support oder Bedarf nach Emo-Support zögert nicht euch an empsy-support@raz-ev.org zu wenden.

# Gefängnissupport - Konzept und Strategie

Diese Seite gibt euch Überblick zu der Tätigkeit, dem Aufgabenbereich, und den Angeboten der Gefängnis-AG. Im weiteren sind verschiedene Aspekte des Gefängnissupports jeweils in die Zeitabschnitte “Vorbereitung”, “Begleitung” und “Nachbereitung” unterteilt, um zu verstehen welche unterschiedlichen Aufgaben zu unterschiedlichen Zeiten anfallen.

Die Aspekte, die näher beleuchtet werden sind:

  1. Aufbau der Gefängnis-AG & den individuellen Betreuungen;
  2. die Begleitung der Menschen;
  3. beteiligte AGs und ihre Rollen;
  4. Kommunikation und Informationsflüsse;

Für die konkrete Betreuung erarbeitet die Gefängnis AG gerade Checklisten für die betroffenen Personen und die Betreuungspersonen, damit besonders in der Vorbereitung nichts Wichtiges vergessen wird.

Kontakt Gefängnis AG: legal@raz-ev.org (bitte an Gefängnis AG adressieren)

Hinweis: Wir wollen keinen Menschen in der Repression alleine lassen. Es braucht die aktive Beteiligung des Umfelds (etwa seiner Bewegung und darüber hinaus), um das zu gewährleisten. Denke immer daran, dass du schlussendlich trotzdem alleine in Haft bist und dass du für dich selbst die Verantwortung trägst. Bereite dich also gut vor und finde Stärke und Ressourcen in dir selbst, um Gefängnis gut zu überstehen.

Zusammenfassung von strategischen Überlegungen zu Gefängnisaufenthalten

 

Gefängnissupport – Struktur

In diesem Beispiel gibt es gerade 3 Menschen der Bewegung “Letzte Generation”, die ins Gefängnis gehen und deshalb 3 Betreuungsgruppen. Jede betroffene Person baut ihre eigene Betreuungsgruppe auf.

 

Beteiligte Gruppen/Rollen

Auf der Grafik finden sich ganz unterschiedliche Gruppen - diese sind hier direkt ausführlich erläutert mit Blick auf ihre Rolle im Prozess.

Gefängnis AG:

In der Gefängnis AG besprechen sich der Emo Support, die (Gefängnis-)Vernetzung, der Bereich Trainings und Bildung und die Legal Strategie.

Austauschraum zu Betreuungen:

Betreuungsgruppen:

Betreuungsperson:

 

Individuelle Betreuung(en)

Vorbereitung:

Begleitung:

Nachbereitung:

 

Kommunikation und Informationsfluss

Vorbereitung:

Begleitung:

Nachbereitung:

 

Weitere Seiten:

Die Rolle des Emo-Supports in diesem Prozess kannst du hier nachlesen.

Die Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit in diesem Prozess kannst du hier nachlesen. 

Die Aufgaben der Vernetzung in diesem Prozess kannst du hier nachlesen. 

# Strafen-und-Kosten # Einstellungen

Im Verlauf eines Verfahrens kann es an unterschiedlichen Punkten zu Einstellungen oder Angeboten von Einstellung vonseiten des Gerichts oder auch der Staatsanwaltschaft kommen. Außerdem ist es möglich, selbst als Verteidigung oder als angeklagte Person eine Einstellung begründet vorzuschlagen. Auf dieser Seite findest du hierfür Informationen zu den unterschiedlichen Möglichkeiten, der Bedeutung der einzelnen Paragraphen, sowie auch zuallererst eine strategische Einschätzung zu der Relevanz von Einstellungen. 

Wenn du konkrete Fragen zu deiner persönlichen Situation hast, melde dich am besten per Mail bei legal@raz-ev.org. Wenn du bereits eine Ansprechperson von RAZ aus hast, die z.B. die Vorbereitungen zu deinem Gerichtstermin betreut, kannst du dich mit Fragen hierzu auch direkt bei ihr melden. 

Strategische Gedanken von RAZ

Natürlich liegt die Entscheidung, ob Einstellungen für dich sinnvoll sind etc. letztlich komplett bei dir und RAZ unterstützt dich im Umgang damit. Trotzdem möchten wir einmal strategische Abwägungen teilen, die für oder auch gegen Einstellungen in Verfahren von Klimaaktivist*innen sprechen. 

Wir empfehlen Einstellungen nicht generell, da uns klare Entscheidungen von Gerichten deutlich weiter bringen in unserer Konfrontation der Justiz mit der Herausforderung der Klimakrise und dem Umgang mit friedlichen Protesten in diesem Kontext. Aber im Einzelfall können sie sinnvoll sein. 

Zur Erinnerung: Wir sind davon überzeugt, dass ziviler Widerstand das effektivste und aktuell geeignetste Mittel ist, gesellschaftlichen Wandel in der Klimakrise anzustoßen. Deshalb ist unsere Aufgabe auch, dass wir Protesträume verteidigen während wir das Justizsystem mit der Frage nach Gerechtigkeit, Legitimität von friedlichen Protesten, sowie der Herausforderung der Klimakrise konfrontieren. Dies geht am effektivsten in Gerichtssälen und indem wir Druck auf die Menschen ausüben, die dort Entscheidungen treffen müssen - also die Richter:innen. Dadurch kann ein Drama zwischen Politik und Justiz entstehen und durch unsere Unnachgiebigkeit verstärkt werden. Gleichzeitig müssen wir als Aktivist:innen handlungsfähig bleiben. 

Einstellungen während Gerichtsprozessen

Zuallererst: Wenn dir im Laufe eines Gerichtsprozesses das Angebot einer Einstellung von Richter:in oder Staatsanwaltschaft gemacht wird, kannst du dir ruhig ordentlich Zeit nehmen, um darüber nachzudenken. Hier ist eine Pause wichtig, um über das Angebot zu beraten. Eventuell möchtest du hier auch kurz eine Person von RAZ anrufen. Außerdem musst du nicht das Angebot einfach dankbar annehmen und kannst Forderungen/Ansprüche stellen, indem du z.B. über Höhe der Geldauflage oder die Anzahl der Sozialstunden etc. diskutierst.

Auch wenn du anwaltlich vertreten bist, nimm dir hier ausführlich Zeit, um zu verstehen, welche Konsequenzen die einzelnen Angebote haben.

Einem Einstellungsangebot zuzustimmen kann sich wie Aufgeben und Akzeptieren anfühlen - so als hättest du etwas tatsächlich falsch gemacht und würdest nun noch “gut davonkommen”.

Es gibt viele Vor- und Nachteile von solchen Einstellungen. Als mögliche Nachteile zu Bedenken möchten wir hier folgende Punkte in den Raum stellen:

Einstellungen vor dem Gerichtsprozess

 

Unterschiedliche Einstellungsmöglichkeiten

Einstellung nach § 153 StPO wegen Geringfügigkeit

Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/153.html 

Folgen:

Strategiehinweis: §153 StPO ist ein Freispruch light. Oft werden Richter*innen und Staatsanwält*innen dem nur zustimmen, wenn sie euch auch freisprechen würden. Es kann auch sein, dass Richter*innen Angst haben freizusprechen und dafür in der Öffentlichkeit oder von Kolleg*innen “verurteilt” zu werden. In solchen Fällen ist die Einstellung ein Ausweg. 
Achte hier besonders auf die Kosten! Wenn dir die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wird es auch noch teurer für dich, als ein Freispruch (da muss immer die Staatskasse bezahlen). Beantrage also zumindest, dass die Staatskasse die Kosten trägt, wenn du nicht das Risiko eingehen willst, dann vielleicht doch verurteilt zu werden, wenn du der Einstellung widersprichst.

Einstellung nach § 153a StPO gegen Auflagen und Weisungen

Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/153a.html 

Folgen:

Strategiehinweis: Da du einer Auflage zustimmst, kann sich eine Einstellung nach §153a für dich anfühlen, als hättest du zugestimmt Schuld zu tragen und hoffst noch möglichst gut davonzukommen. Manchmal ist es auch gar nicht “billiger” als eine Geldstrafe. Überlege dir also gut, wie du dich damit fühlen würdest, zumindest formell eine Schuld einzugestehen. Grundsätzlich raten wir von dieser Art der Einstellung eher ab. Wenn es für dich und z.B. deinen Beruf aber besonders wichtig ist, keine Eintragung ins Führungszeugnis zu bekommen, kann das hier der springende Punkt in der Abwägung sein.

Teileinstellung nach § 154 bei mehreren Taten derselben Person

Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/154.html 

Folgen:

Strategiehinweis: Mit dieser Einstellung sparen sich Gericht und Staatsanwaltschaft Arbeit. Es kann aber auch dir Arbeit sparen, deshalb kann es Sinn ergeben, diese Einstellung im Vorhinein anzuregen. Hier ist allerdings deine Zustimmung nicht nötig, sodass du Gerichte nicht davon abhalten kannst so einzustellen, wenn du eher Arbeit verursachen willst. Von daher ist deine Möglichkeit der Einflussnahme hier begrenzt.

Du kannst auch selbst eine Einstellung nach § 154 StPO anregen. Hier findest du eine beispielhafte Vorlage, wie das aussehen könnte.

Anregung einer Einstellung des Bußgeldverfahrens nach § 154 StPO mit Blick auf laufende Strafverfahren.

Einstellung nach § 154a StPO

Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/154a.html 

Folgen:

Strategiehinweis: Das entscheiden Richter*innen normalerweise einfach während der Verhandlung, wenn irgendetwas schwierig nachzuweisen ist, oder es schon längst Zeit für das Mittagessen ist… Wenn es etwas anderes gibt, für das sie euch verurteilen können, sind sie oft damit zufrieden und lassen den Rest dann einfach bleiben.

Einstellung nach § 170 II StPO

Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/170.html 

Strategiehinweis: Nice, weil es uns Arbeit und Repressionen spart. Wir haben hier außerdem keinen Einfluss drauf…

# Tagessätze

Übersicht zu rechtskräftigen Verurteilungen

Hier findest du einen ausführlichen Artikel zum Umgang mit rechtskräftigen Verurteilungen aus Strafverfahren. 

 

Kann das Einkommen der Ehepartner*in sich auf die Höhe der eigenen Tagessätze auswirken?

Das Einkommen der Ehepartner*in kann berücksichtigt werden, "wenn dem Täter hierdurch tatsächlich Vorteile zufließen. die als tatsächliche Vorteile zufließen, die als dauerhaftes "Einkommen" anzusehen sind (Celle NZW 11, 560)" aus StGB Kommentar von Fischer §10 Rn 7a.

In meiner Erfahrung ist das Sprichwort "über Geld spricht man nicht" im Gericht sehr angebracht, wenn man nicht äußerst wenig Geld hat. Man muss keine Angaben zum Einkommen oder Beruf der Partner*in machen. Ich denke es ist höchst selten klug, freiwillig irgendwelche Zahlen oder so zu nennen, auch wenn die Richter*in noch so nett nachfragt. Dann gibt es eine gute Chance, dass man auf Sozialhilfe Niveau geschätzt wird (10-20€ TS je nach Richter*in).

 

Ist es möglich Tagessätze in Raten abzubezahlen?

Ja, das kann beantragt werden

# Umwelt-Treuhandfonds

Wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt (z.B. weil du Widerspruch gegen einen Bescheid oder einen Strafbefehl eingelegt hast) fallen Gerichtskosten an. Außerdem ist es in einigen Fällen sinnvoll, wenn du dich anwaltlich vertreten lässt (RAZ kann Kontakte vermitteln). Die Prozesskosten, die hierbei entstehen (Gerichtskosten und Anwält*innenkosten) können bei Klimaprotesten in manchen Fällen vom Umwelt-Treuhandfonds (UTF) getragen werden.

Für weitere Möglichkeiten, wie du Repressionskosten finanzieren kannst, schau mal unter: https://wiki.raz-ev.org/e/de/oeffentlich/Legal-Wiki/Repression/Strafen-Kosten/kosten

Antragskriterien des UTF

Antragskriterien sind auf der Website des UTF genauer beschrieben.
Es gibt kein Auszahlungsformular. Ihr schickt einfach eine Mail hin.

Welche Kosten können erstattet werden?

Über den UTF können keine Strafen gezahlt werden. Zu ‚Strafen‘ zählen hier ausnahmsweise ganz unjuristisch auch Dinge wie Gebührenbescheide von Polizeieinsätzen, Lösekosten etc. 

Folgende Dinge können vom UTF übernommen werden: 

Kosten von Anwältis?

Wenn Aktivist:innen von Anwält:innen vertreten werden (hier entstehen ja auch die meisten erstattungsfähigen Kosten), läuft der Antrag beim UTF im Normalfall über die Anwält:innen. Der Antrag kann gestellt werden, bevor das Verfahren abgeschlossen ist. Hier kann der UTF eine Kostenübernahmeerklärung abgeben.

Dazu ist wichtig:

Rechnungen von Anwaltskanzleien können direkt an den UTF geschickt werden, sollten aber an die Mandant*innen adressiert sein. Es ist auch möglich, dass die Aktivist:innen selbst den Antrag stellen. 

Vorteile wenn die Anwält:innen das übernehmen:

Kosten von Selbstverteidigung?

In diesem Fall fallen keine Anwält:innenkosten an. Allerdings können natürlich Gerichtskosten auferlegt werden bei Einstellung des Verfahrens (nicht auf Staatskosten) oder Verurteilung. Hier stellen die betroffenen Aktivist:innen selbst den Antrag beim UTF, nachdem das Gericht entschieden hat, dass sie die Gerichtskosten tragen müssen. Pro Hauptverhandlung sind es am Amtsgericht mindestens 75 €, dazu kommen noch Fahrtkosten von Zeug:innen.

 

# Bildung einer Gesamtstrafe

Im Folgenden erklären wir, was eine Gesamtstrafe ist und wie du diese während eines Gerichtsprozesses, aber auch im Nachhinein – also nach mehrfacher rechtskräftiger Verurteilung – bilden kannst! Ganz unten findest du drei Szenarien, die auf dich zutreffen könnten bezüglich Bildung einer Gesamtstrafe mit praktischen Schritten, die du dementsprechend ergreifen kannst. Falls du Fragen hast, wende dich wie immer gerne an legal@raz-ev.org!

Am Ende dieser Seite findest du eine Übersicht, was genau wichtig ist, für dich praktisch mitzunehmen (;

Worum geht es bei der Gesamtstrafe?

Das “Tool” der Gesamtstrafe ist in erster Linie dann wichtig, wenn Aktivist:innen an mehreren Aktionen beteiligt gewesen sind und für mehr als eine Aktion nun ein Strafverfahren droht, also ein Strafverfahren, in dem mehrere Proteste verhandelt werden.

Hat eine Person mehrere Straftaten begangen, so besteht also gemäß §§ 53, 54 StGB die Möglichkeit, aus den Einzelstrafen eine Gesamtstrafe zu bilden. Der Vorteil bei gemeinsamer Aburteilung liegt für den/die Täter:in darin, dass eine Gesamtstrafe zu bilden ist (§ 54 StGB) und diese die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen darf - das wirkt sich bis auf einige seltene Sonderkonstellationen eigentlich immer positiv aus.

Während § 53 StGB die Voraussetzungen der Gesamtstrafenbildung beinhaltet, ist die Vorgehensweise zur Festlegung der Gesamtstrafe in § 54 StGB geregelt.

Voraussetzungen nach § 53 StGB

Werden mehrere selbstständige Straftaten einer Person in einem einzigen Verfahren abgeurteilt, so ist bei Vorliegen einer Tatmehrheit eine Gesamtstrafe zu bilden. 

Was bedeutet nun aber Tatmehrheit? Tatmehrheit liegt vor, wenn mehrere, voneinander unabhängige Handlungen dasselbe oder unterschiedliche Strafgesetze verletzen. 

Beispiel: Aktivist:in macht montags eine Straßenblockade und dienstags nochmal eine Straßenblockade - zwei komplett voneinander unterschiedliche Handlungen, die beide jeweils in sich abgeschlossen sind. Da sie das gleiche Strafgesetz verletzen, liegt eine gleichartige Tatmehrheit vor. Wenn mensch nun aber montags eine Straßenblockade macht und dienstags Farbe auf ein Ministerium wirft, so liegt eine ungleichartige Tatmehrheit vor. In beiden Fällen liegt aber die für § 53 StGB nötige Tatmehrheit vor - es kommt also nur darauf an, dass zwei Taten begangen wurden.

Wie wird die Gesamtstrafe gebildet (§ 54 StGB)?

Nun gibt es einige Grundsätze, nach denen sich die Gesamtstrafe bildet. Das Wort Gesamtstrafe ist vielleicht irreführend, weil es nicht darum geht, die Strafen, die durch die Taten für sich genommen drohen, stumpf zu addieren. 

Es wird nur die höchste Einzelstrafe erhöht. Im Beispiel oben (Aktivist:in macht eine Blockade und einen Protest mit Tomatensuppe) droht bei der Blockade eine höhere Strafe wegen Nötigung als bei der Tomatenprotest wegen Sachbeschädigung. Das Gericht nimmt nun die höhere Strafe der Nötigung und erhöht diese wegen der Sachbeschädigung geringfügig. 

Nachträgliche Bildung von einer Gesamtstrafe 

a) Im folgenden Prozess 

Aber was tun, wenn keine Gesamtstrafe in deinem Verfahren gebildet wird? In § 55 StGB schauen!

Dort ist die nachträgliche Gesamtstrafenbildung geregelt. Die Norm schafft einen Ausgleich dafür, dass mehrere Taten nicht zusammen abgeurteilt wurden, obwohl sie theoretisch gemeinsam hätten abgeurteilt werden können. Nochmal zu Erinnerung: Der „Vorteil“ bei gemeinsamer Aburteilung liegt für die Angeklagten darin, dass eine Gesamtstrafe zu bilden ist (§ 54 StGB) und diese die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen darf. 

Voraussetzung für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist gemäß § 54 Abs. 1 StGB eine frühere Verurteilung.

Beispiel: A bestiehlt den B und schlägt einen Monat später den C. Wegen des Schlags wird A wegen Körperverletzung zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Danach findet der Prozess wegen des Diebstahls statt. A wird wegen dieser Tat zu 6 Monaten auf Bewährung verurteilt. Wären beide Taten gemeinsam verhandelt worden, so wäre eine Gesamtstrafe zu bilden gewesen. Diese hätte also geringer sein müssen als die beiden einzelnen Strafen! A steht also nur schlechter, weil die Verfahren nicht verbunden wurden.

§ 55 StGB soll dieses Ergebnis verhindern. Seine Voraussetzungen sind, dass die frühere Verurteilung (die aus März 2009) weder vollstreckt noch verjährt oder erlassen ist und der Angeklagte jetzt wegen einer Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat (Diebstahl geschah im Januar und damit vor der Verurteilung der Körperverletzung im April). Beide Voraussetzungen liegen im Beispielsfall vor.

b) Nach der zweiten Verurteilung 

Es kommt vor, dass bei Ergehen eines Urteils das Gericht keine Kenntnis von der Existenz einer anderen, rechtskräftig verhängten Strafe hatte, sodass die Gesamtstrafenbildung unterbleibt, obwohl die Voraussetzungen des § 55 StGB vorgelegen hätten.

Für diesen Fall sieht § 460 StPO vor, dass die verhängten Strafen nachträglich auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen sind. Zuständig für diese Entscheidung ist üblicherweise dasjenige Gericht, das die höchste Einzelstrafe verhängt hat. Wären für diesen Fall mehrere Gerichte zuständig, so fällt die Zuständigkeit dem Gericht zu, dessen Urteil zuletzt ergangen ist (§ 462a Abs. 3 StPO). 

Die Anwendung des § 55 StGB ist für die Tatrichter:innen zwingend! Die Bildung der Gesamtstrafe darf nicht dem Beschlussverfahren nach § 460 StPO überlassen werden, sondern ist von den neuen Tatrichter:innen nachzuholen. Es ist deshalb wichtig, dass die Verteidigung in Eurem Verfahren darauf hinweist, wenn das Gericht die Möglichkeit des § 55 StGB nicht sieht - oder sehen will.

Was sollte ich mitnehmen?

Ist die Gesamtstrafe für mich relevant?

Die Gesamtstrafe ist für dich wichtig, wenn du wegen mehrerer Straftaten angeklagt wirst, die du unabhängig voneinander begangen hast, also z.B. verschiedene Blockaden an verschiedenen Tagen. Dabei ist egal, ob die Straftaten denselben oder unterschiedliche Straftatbestände erfüllen!

Die Gesamtstrafe bringt dir in aller Regel ausschließlich einen Vorteil: Du erhältst eine geringere Strafe, als die einzelnen Strafen summiert ergeben würden!

Szenario 1: Du wirst wegen aller Taten zusammen angeklagt

Wenn du wegen aller Straftaten zusammen angeklagt wirst, wird das Gericht selbständig eine Gesamtstrafe bilden. Für dich hat das den Vorteil, dass so die Strafe geringer ist, als wenn jede Tat unabhängig abgeurteilt wird. Bei einer Gesamtstrafe wird nur die Strafe für die “schwerste” Tat verhängt und abhängig von den anderen Taten erhöht.

Szenario 2: Dir werden verschiedene Verfahren gemacht

Zunächst: Das sollte nicht passieren! Wenn die Taten zusammen abgeurteilt werden können, sollen sie das auch. Es kann aber zum Beispiel sein, dass die Staatsanwaltschaft erst später von einer Tat erfährt und diese auch anklagen will.

Hier kommt die Gesamtstrafe ins Spiel, wenn du 

  1. Bereits für eine Tat rechtskräftig verurteilt wurdest, die du
  2. Nach der jetzt angeklagten begangen hast und
  3. deren Strafe noch nicht vollstreckt wurde (oder verjährt ist oder dir erlassen wurde)

(Nur) dann muss das Gericht deine bereits erhaltene Strafe erhöhen und darf nicht eine zusätzliche verhängen. Sag dem Gericht auf jeden Fall Bescheid, wenn die Gesamtstrafe relevant werden könnte!

Szenario 3: Das Gericht bildet keine Gesamtstrafe, obwohl es das eigentlich gemusst hätte

Wenn dir verschiedene Verfahren gemacht wurden, muss das Gericht unter den genannten Voraussetzungen eine Gesamtstrafe bilden. Wenn das nicht gemacht wird, kannst und solltest du das nachträglich beantragen. Das Gericht wird dann im Nachhinein die Gesamtstrafe bilden. In der Regel wird dafür das Gericht zuständig sein, dass die höhere Strafe verhängt hat.

Wenn die nachträgliche Gesamtstrafenbildung daran scheitert, dass einzelne Urteile bereits vollstreckt sind (d.h. die Geldstrafe, auf die Verfahrenskosten kommt es nicht an, bereits in Gänze bezahlt ist), ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein sog. Härteausgleich durchzuführen. Hiernach darf der Täter nicht deshalb schlechter stehen, weil ein Urteil bereits vollstreckt ist. Folglich ist er so zu stellen, als wenn §§ 53, 54 StGB unmittelbar angewendet worden wären. Wie der Tatrichter zu diesem Ergebnis kommt (Berücksichtigung des Nachteils oder sog. Fiktive Gesamtstrafenbildung) ist diesen überlassen. Letztendlich wird das gleiche Ergebnis erreicht, unabhängig davon ob eine Einzelstrafe bereits vollstreckt wurde oder nicht.

 

# Finanzielle Unterstützung bei Repressionskosten

Hier findest du eine kleine Übersicht, die dir Möglichkeiten aufzeigt, wie wir dich finanziell unterstützen können aus rechtlicher Sicht. Konkret findest du Infos zu den Unterstützungsstrukturen und eine Liste mit ersten Schritten, um mit Repressionskosten umzugehen.

Einmal kurz vorweg: Wir gehen in den Widerstand, um uns für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und gegen diese unfassbare Ungerechtigkeit aufzulehnen. Dabei fordern wir die Mächtigen und ihr System heraus.
Wir entscheiden uns aus moralischen und strategischen Gründen für friedlichen zivilen Widerstand und tragen die Konsequenzen, die uns auferlegt werden. 
Dabei lassen wir keine Person einzeln zurück, sondern achten darauf, stabile Unterstützungsstrukturen zu haben, die die Kosten so gut wie möglich solidarisch tragen können. Die Konsequenzen deines Handelns können nicht für dich getragen werden. Wir können nur versuchen, sie gemeinsam zu tragen.
Die Konsequenzen unseres Nicht-Handelns wären untragbar.

Repressionskostenhilfe von RAZ

Wie kann ich selbst versuchen Kosten zu stemmen? 

Stell dir als erstes folgende Fragen: 

Spendenkampagne aufsetzen

Das Erstellen einer persönlichen Spendenkampagne kann vor allem beim Umgang mit Strafbefehlen und der Bewahrung vor einem Gefängnisaufenthalt Sinn ergeben, aber auch in Akutfällen bei zivilrechtlichen Forderungen o.Ä. 

Nutz gerne dieses How-To-Spendenkampagne.

Anschließend kannst du deine Spendenkampagne über deine persönlichen Social Media Kanäle oder auch an Verwandte und Freund:innen teilen. Wenn die Aktion im Zusammenhang mit einer Organisation wie z.B. der Letzten Generation stand, frag deren Legal Team an, ob sie den Aufruf teilen können und markier den Account. Wenn es sich um einen besonders hohen Betrag handelt, melde dich bitte bei der Repressionskostenhilfe. Dann können wir schauen, ob es noch weitere Möglichkeiten gibt, um der Kampagne Öffentlichkeit zu bringen. 

Als letzten kleinen Gedanken hierzu: Wir haben schon oft erlebt und wissen dies auch aus unserer Theorie der Veränderung, dass solidarische Unterstützung steigt je mehr Repression wir ausgeliefert sind. Und damit auch unser Zugang zu Spenden. Dennoch kann es sein, dass wir aus unterschiedlichsten Gründen mal nicht an unsere Geldmittel kommen. Dieses Szenario ist allerdings unwahrscheinlich. 

Ratenzahlung beantragen 

Bei einem rechtskräftigen Strafbefehl oder einer Verurteilung hast du immer die Möglichkeit Ratenzahlung zu beantragen. Dies ist normalerweise auch in der Rechtsmittelerklärung nachzulesen. 

Hier ist eine Vorlage zur Beantragung von Ratenzahlungen.

Umwandlung in Sozialstunden beantragen 

Wenn du nicht über die finanziellen Mittel verfügst und dies auch durch Belege dem Gericht nachweisen kannst, lohnt sich auf jeden Fall ein Antrag auf Umwandlung in Sozialstunden. Hiermit beantragst du, Sozialstunden abzuleisten anstatt die Geldstrafe zu bezahlen.

Am besten kannst du dich bereits vorher dazu informieren, in welchem gemeinnützigen Verein du diese ableisten möchtest. Wenn du dafür Tipps benötigst, kannst du dich gerne bei der Repressionskostenhilfe melden. Besprich dich dazu auch in einem Erfahrungsaustausch innerhalb deiner Widerstandsgruppe (: 

Schick den Antrag auf Umwandlung in Sozialstunden am besten per Einschreiben oder Online-Fax an das zuständige Amtsgericht. 

Strafgelder in Ersatzfreiheitsstrafen umwandeln

Eine weitere Option ist es, Strafgelder in eine Ersatzfreiheitsstrafe umzuwandeln. 

Wenn ihr hierüber nachdenkt, meldet euch bitte bei RAZ und wir vernetzen euch mit unserem Gefängnissupport für ein erstes Gespräch und eventuelle Trainings hierfür. 

Gebührenbescheide

Alle Möglichkeiten der Kostenerstattung bei Gebührenbescheiden finden sich unter: 
/de/oeffentlich/Legal-Wiki/Gebührenbescheide/Kostenerstattung

Umwelttreuhand-Fonds

Prozesskosten, wie für Gerichtsverfahren und Anwält:innen, können wir über den Umwelttreuhandfonds tragen. Dort könnt ihr auch selbst Anträge stellen, bzw. eure Anwält:innen direkt.
 Hier findest du eine ausführliche Einführung in die Finanzierung über den Umwelt-Treuhandfonds. 🤗 
Dieser kann Kostenübernahmeerklärungen zum Beispiel auch schon ausstellen, bevor ihr bestimmte Gerichtskosten selbst übernehmen müsst. Dadurch müsstet ihr nicht in Vorleistung gehen und könnt sicher sein, dass die Kosten übernommen werden.

Rote Hilfe

Wir haben uns mit dem Bundesverband der Roten Hilfe verständigt, dass es grundsätzlich möglich ist, über deren Ortsverbände Erstattungen von Kosten zu beantragen, die in Verwaltungssachen angefallen sind.

Schreibt dafür eine Mail an die Ortsgruppe eures Wohnorts und schildert euren Fall:
https://www.rote-hilfe.de/ueber-uns/adressen

Prozesskostenhilfe

Dies ist eine Möglichkeit, mit der ihr sofern ihr die im Formular aufgeführten Voraussetzungen erfüllt und euer Antrag genehmigt wird, nur die Kosten für euer Rechtsmittelverfahren erstatten lassen könnt.

prozesskostenhilfe-antrag.pdf

Antrag auf Entschädigung

Antrag auf Entschädigung für im Zuge eines Prozesses entstandene Kosten, die ihr nicht selbst tragen müsst.

Kosten aus Protesten von LG: Wer kleben will, muss auch haften

Menschen beteiligen sich selbstverantwortlich an Aktionen der LG und begehen damit (dem Großteil der aktuellen Rechtsprechung folgend) Straftaten. Für deine Handlung kannst nur du zur Verantwortung gezogen werden. LG versucht Repressionskosten solidarisch zu tragen, aber kann keine Versprechen aussprechen, dass Strafen bezahlt werden. Allgemein gilt: LG versucht Geldstrafen oder Bußgelder solidarisch über Spendenkampagnen zu tragen, zentral und/oder persönlich oder du bezahlst gar nichts und fährst die Strategie ‘dem Staat nichts zu zahlen’ und aktiv Ersatzfreiheitsstrafe und Insolvenz herauszufordern. Hier sollten enger Austausch und gute Vorbereitung stattfinden. 

Wir erinnern uns: LG stellt sich der weiteren Befeuerung der Klimakatastrophe in den Weg. Es ist notwendig, dass Menschen das jetzt tun – in dem vielleicht letzten Moment, in dem es noch möglich ist, das Schlimmste zu verhindern. Wir dürfen uns von den Versuchen des Staates, unseren Widerstand zu unterdrücken, nicht abbringen lassen, denn es geht um so viel mehr! Es ist unsere Entscheidung, was wir mit unserer einzigartig privilegierten Lebenssituation in diesem entscheidenden Moment der Menschheitsgeschichte anfangen. Die unangenehme Realität ist: Wenn wir jetzt weiterhin darauf achten, als Einzelperson keinen Nachteil zu haben, werden wir als Gemeinschaft alles verlieren.

Die Gesellschaft nimmt unseren Protest wahr. Und gerade dadurch, dass wir an unangenehmen Stellen stören, werden wir diesen Protest auch im Angesicht von Repression und Strafgeldern weitertragen. Es gehört zu unseren strategischen Überlegungen, über den Moment der Wahrheit hinauszugehen und weiterzumachen. Das heißt auch, dass wir bewusst Haftstrafen herausfordern und die Gefängnisse dieses Landes füllen werden mit Menschen, die für ihren friedlichen Widerstand übertriebenermaßen hinter Gittern landen - wenn die Regierung sich gegen erste, sinnvolle Schritte entscheidet. 

Priorität bei der solidarischen Übernahme von Kosten haben dementsprechend Menschen, die bereits im Gefängnis sitzen und dies nicht weiter stemmen können und auf unsere Hilfe angewiesen sind, um wieder rauszukommen. Oder Menschen, die kurz davor stehen und dies aus unterschiedlichen Gründen nicht tun können. Außerdem ist es Priorität, dass Menschen ohne soziales Auffangnetz finanzielle und emotionale Unterstützung erhalten. 

# Straßenblockade: Kurzübersicht möglicher Straftatvorwürfe

Straftatsvorwurf Nötigung §240 StGB

Straftatsvorwurf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt*innen §113 StGB 

Aufruf zu Straftaten?

Mehrere Strafverfahren?

Urteilsübersicht

# Einstellungen weiterführend (Paragrafenreiterei 4)

A. Die guten Einstellungen

Es gibt gute Einstellungen und schlechte. 

§ 170 Abs. 2 StPO: mangelnder Tatverdacht

Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO gehört zu den Guten.

In § 170 StPO geht es laut Überschrift um die Entscheidung über die Anklageerhebung. Absatz 1 bestimmt daher, wann eine Anklage erhoben werden soll bzw. kann, nämlich, wenn „die Ermittlungen genügend Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage“ bieten. Die StA prüft also, ob eine Verurteilung wahrscheinlich ist.

„Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein.“, so Absatz 2, 1. Satz. Die Einstellung nach § 170 II StPO bedeutet also, dass die Ermittlungsergebnisse nicht zu einer Verurteilung ausreichen. Oder anders gesagt: Die StA geht davon aus, dass ein Gericht in diesem Fall freisprechen würde. Deshalb eine gute Einstellung.

Im Prinzip ist es möglich, die Ermittlungen jederzeit wieder aufzunehmen, insbesondere wenn neue Tatsachen bekannt werden oder neue Beweismittel vorliegen. Das wird nach meiner Erfahrung aber bei Bagatellsachen nicht gemacht, weil es viel zu aufwändig wäre, die regelmäßig danach durch zu sehen, ob es was Neues gibt. In Blockade-Verfahren ist eine solche Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens noch nicht vorgekommen. Was soll in diesen Verfahren ein Jahr später noch als neue Tatsache oder neues Beweismittel auftauchen.

Die Einstellung nach § 170 II StPO wird dem Betroffenen nicht in jedem Fall mitgeteilt, sondern nur (Abs. 2 Satz 2) wenn der Beschuldigte „vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war“, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist. Die Mitteilung über die Einstellung erfolgt meist mit einem Formschreiben, in dem nur steht, „Das Verfahren gegen Sie wurde gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt“. Das ist oft ärgerlich, weil an keiner Stelle des Schreibens ersichtlich ist, um welche Tat es sich handelt und Nachfragen oft keine Klärung bringen.

2. §§ 206 a f.: Verfahrenshindernis

Der Vollständigkeit halber soll hier auch die Einstellung wegen Verfahrenshindernis, §§ 206 a f. erwähnt werden. Liegt ein Verfahrenshindernis vor muss eingestellt werden. Wird das Verfahrenshindernis außerhalb der Hauptverhandlung festgestellt, so ist per Beschluss einzustellen. Während der Hauptverhandlung erfolgt die Einstellung gem. § 260 Abs. 3 StPO durch Urteil. Wird ein Verfahrenshindernis festgestellt, erübrigt sich die (weitere) Beweisaufnahme und sie wird in der Regel übersprungen.

Verfahrenshindernisse sind:

Der 3. Spiegelstrich ist immer wieder relevant bei Hausfriedensbruchs-Verfahren. Es lohnt sich hier also, den Strafantrag genau zu beleuchten, denn der Strafantrag fehlt auch, wenn er von einer nicht zuständigen Person unterschrieben wurde.

B. Die schlechten oder problematischen Einstellungen

Bei der Verfolgung von Straftaten gilt der Legalitätsgrundsatz. Die StA muss zwingend tätig werden, wenn sie von einer Straftat erfährt. Die Einstellung von Verfahren ist eine Durchbrechung dieses Grundsatzes und insofern als Ausnahme zu verstehen. Gleichzeitig ist es eine pragmatische Lösung, um den Aufwand einer Strafverfolgung auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. So können Verfahren beendet werden, bevor der Aufwand für ein korrektes Urteil gegenüber der Bedeutung der Tat nicht mehr gerechtfertigt werden kann. Oft führt das aber auch dazu, dass Gerichte und StA eine Einstellung vorschlagen, um einen Freispruch zu verhindern.

1. Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 StPO)

Gem. Abs. 1 kann die StA vor Erhebung der Anklage das Verfahren wegen Geringfügigkeit einstellen. Sie muss dazu die Zustimmung des Gerichts einholen, ferner die Zustimmung einer Beteiligten Behörde oder von Privatpersonen, wenn diese Strafantrag gestellt haben.

Die Einstellung ist nur zulässig, wenn kein anderes Verfahrenshindernis besteht und wenn eine Verurteilung möglich wäre. Es darf sich bei der Tat nur um ein Vergehen handeln; Verbrechen können also nicht wegen Geringfügigkeit eingestellt werden.

Einer Stellungnahme oder Zustimmung d. Angekl. bedarf es nicht.

Abs. 2 gilt, wenn die Anklage bereits erhoben, also bei Gericht eingegangen ist. Ab dann ist das Gericht für die Einstellung zuständig und kann „in jeder Lage des Verfahrens“ eine Einstellung vornehmen, wenn sowohl die StA als auch die Angeklagten zustimmen. Ohne die Zustimmung der Angeklagten kann die Einstellung nur dann erfolgen, wenn gem. § 205 StPO die Hauptverhandlung für längere Zeit nicht stattfinden kann, z.B. wegen längerer Abwesenheit oder aufgrund einer längeren Krankheit d. Angekl. Ferner, wenn die Verhandlung in Abwesenheit d. Angekl. durchgeführt wird.

Ein Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO erfolgt ohne Auflage.

Wenn das Gericht in der Hauptverhandlung eine Einstellung vorschlägt, kann das entgegen des Gesetzes auch der Versuch sein, einen Freispruch zu umgehen. Dann solltet ihr prüfen, wie nah ihr tatsächlich an einem Freispruch dran seid und ob es nicht sinnvoller wäre, den Prozess fortzuführen und mit einem Freispruch enden zu lassen. Das kann allerdings auch dazu führen, dass das Gericht dann doch verurteilt. Wenn ihr in einem solchen Fall der Einstellung zustimmt, würde ich empfehlen, vor der Zustimmung darum zu kämpfen, dass die Kostenentscheidung vollständig zu Euren Gunsten erfolgt, also auch die notwendigen Auslagen der Angeklagten und der Verteidigung beinhaltet. Ansonsten bleibt ihr auf Euren Fahrtkosten sitzen.

2. Einstellung unter Auflagen und Weisungen (§ 153 a StPO)

Dies ist die bekannteste Einstellungsvariante. Auch hier gibt es wieder die Variante Abs. 1, nach der die StA einstellen kann, wenn das Gericht und d. Angekl. zustimmen. Die Zustimmung muss auch die Auflagen und Weisungen enthalten. Es geht also nicht, dass die StA nach der Abfrage Auflagen oder Weisungen erteilt. Die Variante des Abs. 2 kommt erst in Frage, wenn die Anklage bereits erhoben ist. In diesem Fall stellt das Gericht das Verfahren ein, nach Zustimmung von StA und Angeklagten.

Als Auflagen oder Weisungen kommen nach Abs. 1 Satz 2 in Frage:

  1. Wiedergutmachung des Schadens
  2. Geldbetrag an eine gemeinnützige Organisation (das berühmte Bußgeld, mit dem wir am Meisten zu tun haben)
  3. gemeinnützige Leistungen (also Arbeit)
  4. Unterhaltspflichten nachkommen (für uns nicht relevant)
  5. Täter-Opfer-Ausgleich (wäre bei uns meist ziemlich aufwändig oder scheitert daran, dass die Opfer gar polizeilich erfasst wurden, wäre aber u.U. eine großartige Überzeugungsarbeit)
  6. Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs (z.B. Anti-Aggressions-Kurs, betrifft uns nicht)
  7. Aufbauseminar oder Fahrtauglichkeitsseminar (betrifft vor Allem „Verkehrs-Sünder“)

Wie wir oben schon festgestellt haben, ist die Einstellung des Verfahren eine Durchbrechung des Legalitätsprinzips. Diese Durchbrechung darf eigentlich auch nicht den Grundsatz „in dubio pro reo“ (Im Zweifel für den Angeklagten) verletzen, denn dieser Grundsatz hat Verfassungsrang. Dennoch werden Einstellung häufig in Fällen vorgenommen, in denen eigentlich freigesprochen werden müsste. Allerdings muss in diesen Fällen auch befürchtet werden, dass das Gericht bei Fortsetzung der Verhandlung verurteilt, selbst dann, wenn die Beweislage äußerst fragwürdig ist. Insofern ist die Zustimmung zur Einstellung oft für alle Beteiligten ein pragmatischer Weg, das Verfahren schnell zu beenden. Dennoch muss strategisch bedacht werden, ob derartige Einstellungen der Verfolgung unseres politischen Zieles nutzt oder diesem gar schaden kann. Daher wäre es sinnvoll, einer Einstellung nicht vorschnell zuzustimmen, sondern sich das genau zu überlegen.

Vor der Zustimmung sollte außerdem über die Höhe und den Empfänger des Bußgeldes gerungen werden. Wenn das Gericht eine Einstellung gegen Zahlung eines bestimmten Geldbetrages vorschlägt, sollte dies als Verhandlungsangebot verstanden werden. Versucht also das Bußgeld runter zu handeln und den Empfänger der Zuwendung selber zu bestimmen. Das bewahrt davor, im Nachhinein die Einstellung des Verfahren als „klein beigeben“ und als Niederlage wahrzunehmen. Das gilt auf jeden Fall dann, wenn das Gericht ein Bußgeld in Höhe der Geldstrafe vorschlägt. Damit bringt das Gericht vor allem zum Ausdruck, dass es ihm nicht um Milde geht. Das Gericht erspart sich damit die Begründung eines schriftlichen Urteils.

Deshalb mein wichtigster Tipp: Vor der Zustimmung zur Einstellung eine Verhandlungspause beantragen und nochmal genau nachzudenken.

Sollte das Gericht eine Pause ablehnen, könnt ihr getrost androhen, ohne vorherige Pause einer Einstellung nicht zustimmen zu können.

Nach Abs. 3 ruht die Verjährung während der Erfüllung der Auflagen, beginnend mit der Einstellungsverfügung. Das Ruhen endet mit dem Ablauf der gesetzten (und ggfls. verlängerten) Frist. Wird die Auflage vollständig und fristgerecht erfüllt, entsteht ein endgültiges Verfahrenshindernis.

3. § 153 b

Das Verfahren kann eingestellt werden, wenn das Absehen von einer Strafe insbes. Gem. § 46a, 46b und 60 StGB möglich ist. § 46a StGB besagt, dass von einer Strafe abgesehen werden kann, wenn die Täter*innen den Schaden beseitigt oder wiedergutgemacht haben. § 46b StGB ermöglicht das Absehen von einer Strafe für den Fall, dass d. Angekl. wesentlich zur Aufklärung einer schweren Straftat beigetragen hat. Wenn die Folgen der Tat für den Täter so schwer sind, dass eine Verfolgung und Bestrafung offensichtlich verfehlt wären, kann nach § 60 StGB ebenfalls von der Strafe abgesehen werden. In all diesen Fällen wird prozessual das Verfahren gem. § 153 b StPO eingestellt.

4. § 153 c bis f

Der § 153 c betrifft Auslandsstraftaten, könnte also theoretisch interessant sein, bei Menschen, die an Aktionen außerhalb Deutschlands teilnehmen. Praktisch wird dies aber eher nicht relevant werden, weil deutsche Staatsanwaltschaften bisher bei politischen Aktionen keine Verfahren gegen in Deutschland lebende Menschen eingeleitet hat, jedenfalls nicht, wenn es sich um „kleinere“ Vergehen handelte. Eine Verurteilung in Deutschland wäre ohnehin nur dann möglich, wenn die Tat im Ausland nicht oder zu geringfügig bestraft worden ist.

Eingestellt werden kann ein Verfahren auch dann, wenn die Verfolgung von Staatsschutzdelikten nicht im überwiegenden staatlichen Interesse liegt (§ 153 d). Das ist für uns uninteressant. Das gleiche gem. § 153 e bei tätiger Reue in Staatsschutzdelikten. Auch § 153 f kommt für uns nicht in Betracht. Hier geht es um die Verfolgung bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch.

5. Absehen von der Verfolgung bei mehreren Taten (§ 154 StPO)

Die Einstellung kann nach § 154 StPO erfolgen, wenn

1. die Strafe, zu der die Verfolgung führen kann, neben der Strafe, die wegen einer anderen Tat rechtskräftig verurteilt wurde oder zu erwarten ist, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt.

2. ein Urteil nicht in angemessener Frist erfolgen kann oder wenn die schon ausgesprochene Strafe zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

Wann eine Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fällt, ist – klar – eine Einzelfall-Entscheidung. Der Kommentar Satzger/Schluckebier/Widmaier zitiert hierzu (Randnummer 4 zu § 154) nur 5 andere Kommentare, aber keine Gerichtsentscheidung. Nach Satzger et.al. Gegenüber einer Geldstrafe wird eine unbedingte Freiheitsstrafe i.d.R. ins Gewicht fallen. Letztlich wird aber auch das von der Höhe der jeweiligen Geld- oder Freiheitsstrafen abhängen.

Die StA stellt das Verfahren in eigener Zuständigkeit ein, solange noch keine Anklage erhoben wurde, Abs. 1. Eine Zustimmung des Gericht oder der Angeklagten ist nicht erforderlich.

Sobald Klage erhoben ist, entscheidet das Gericht auf Antrag der StA. Die Einstellung kann in jeder Lage des Verfahrens erfolgen, Abs. 2. Eine Zustimmung der Angeklagten ist auch hier nicht erforderlich.

Fällt die rechtskräftig erkannte Strafe nachträglich weg, kann das eingestellte Verfahren wieder aufgenommen werden, solange die Verjährung nicht eingetreten ist, Abs. 3. Wurde im Hinblick auf eine zu erwartende Strafe in einem anderen Verfahren eingestellt, kann das eingestellte Verfahren binnen 3 Monaten nach Rechtskraft wieder aufgenommen werden, Abs. 4. Dies geht nur, wenn noch keine Verjährung eingetreten ist. Für die Wiederaufnahme des eingestellten Verfahren bedarf es eines förmlichen, also auch schriftlichen Beschlusses.

Manchmal bekommen die Angeklagten Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine solche kann abgegeben werden, wird aber erfahrungsgemäß keine Auswirkungen auf die Entscheidung haben. Wer die Einstellung verhindern will, wird im Fall eines Strafbefehlsverfahrens den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück ziehen müssen. Dann wird allerdings der Strafbefehl rechtskräftig.

6. Beschränkung der Verfolgung (§ 154a)

„Fallen einzelne oder abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind“ nicht beträchtlich ins Gewicht, „so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden.“

Fall 1: Teile einer Tat

Eine Gruppe besetzt ein Bahnhofsgebäude, das abgerissen werden soll. Dabei suchen sie einen Raum auf, dessen Fenster von außen gut sichtbar ist. Beim Öffnen der Tür fällt ein Teil der Türklinke herunter, den anderen hält der Betreffende in der Hand.

Die fahrlässige Sachbeschädigung fällt gegenüber dem Hausfriedensbruch nicht beträchtlich ins Gewicht.

Fall 2: Einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen

Im für uns völlig unrealistischen Fall von Aktivisti, die sich 50 mal auf die Straße kleben, können einzelne der Blockaden gem. § 154a StPO eingestellt werden. Dabei kann im Einzelfall strittig sein, was nicht mehr beträchtlich ins Gewicht fällt.

Beim § 154a gibt es Fälle, bei denen die Einstellung durchaus Sinn macht. Mir sind aber auch Fälle bekannt, in denen der § 154a dazu missbraucht wurde, den Schreibtisch des Richters von nervigen Akten zu erlösen.

Auch hier gilt:

Manchmal bekommen die Angeklagten Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine solche kann abgegeben werden, wird aber erfahrungsgemäß keine Auswirkungen auf die Entscheidung haben. Wer die Einstellung verhindern will, wird im Fall eines Strafbefehlsverfahrens den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück ziehen müssen. Dann wird allerdings der Strafbefehl rechtskräftig.

7. §§ 154 b bis f

Die weiteren Paragraphen sind für uns eher irrelevant.

§ 154b könnte von Interesse sein, wenn es um Aktivist*innen aus dem Ausland ohne gesicherten Aufenthaltsstatus geben. Ihre Verfahren können bei einer Auslieferung oder Landesverweisung eingestellt werden.

§ 154 c betrifft Menschen, die Straftaten begangen haben, weil sie zu der Straftat genötigt oder erpresst wurden.

§ 154 d ist für uns irrelevant. Das betrifft bei Anzeigendelikte den Fall, dass vor der strafrechtlichen Entscheidung zivil- oder verwaltungsrechtliche Vorfragen geklärt werden müssen. Hier kann die StA dem Anzeigenerstatter eine Frist für die Klärung setzen und nach Fristablauf das Verfahren einstellen.

§ 154 e ist für uns auch eher weniger relevant. Danach können Verfahren wegen falscher Verdächtigung oder Beleidigung eingestellt werden, wenn und solange wegen der angezeigten oder behaupteten Handlung ein Straf- oder Disziplinarverfahren anhängig ist.

§ 154 f ist eine rein vorläufige Einstellung. Sie kann erfolgen, wenn die Durchführung einer Hauptverhandlung aufgrund einer längeren Abwesenheit oder eines anderen, in der Person d. Angekl. liegenden Hindernisses nicht möglich ist. Denkbar ist hier eine längere schwere Krankheit. Die Vorschrift bestimmt auch, dass die StA zuvor den Sachverhalt soweit wie möglich aufgeklärt und die Beweise gesichert haben muss. Nach Wegfall des Hindernisses kann das Verfahren also wieder aufgenommen werden. Für uns ist, glaube ich, diese Vorschrift eher nicht von Interesse.

# Bußgeldbescheide/ Ordnungswidrigkeiten

Bußgeldbescheid vs. Gebührenbescheid

Bußgeldbescheid

Ordnungswidrigkeiten

Ordnungswidrigkeiten sind geringe Verstöße gegen das Gesetz, wie z.B. Falsch Parken. im Regelfall gibt es keinen Prozess, sondern es wird ein Bußgeldbescheid ausgestellt, der von Bürgis im Regelfall einfach bezahlt wird. Ordnungswidrigkeiten werden weder im Führungszeugnis, noch im erweiterten Führungszeugnis vermerkt.

Einspruch einlegen

Bei einem Bußgeldbescheid empfehlen wir, innerhalb der kurzen Frist von zwei Wochen nach Zustellung (Zustellungsdatum steht auf dem gelben Briefumschlag) Einspruch einzulegen! Pass voll gerne diese Vorlage auf deinen Fall an. Das ergibt Sinn, weil der Einspruch jederzeit wieder zurückgezogen werden kann und so alle Möglichkeiten offen bleiben. Wenn du keinen Einspruch einlegst innerhalb dieser zwei Wochen, wird das Bußgeld rechtskräftig. Du „akzeptierst“ die Strafe sozusagen und kannst dich danach auch nicht nochmal umentscheiden. Es ist also wichtig, dass das schnell passiert! Relevant für die Frist ist nämlich der Zugang deines Briefes bei Gericht und nicht wann du ihn losschickst.

Schick auf jeden Fall einen Scan an legal@raz-ev.org

Ablauf bei Bußgeldbescheiden

Anhörungsbogen

Bevor du einen Gebührenbescheid erhälst, kommt im Regelfall ein Anhörungsbogen.

Mit einem Anhörungsbogen will dir die Polizei die Möglichkeit geben, dich (schriftlich oder mündlich) zu dem Vorwurf zu äußern/neue Dinge herausfinden, bevor sie das Verfahren zur Entscheidung über die Eröffnung an die Staatsanwaltschaft abgibt.

Wir empfehlen einen Anhörungsbogen von der Polizei komplett zu ignorieren. Die Polizei ist dazu da, um gegen uns zu ermitteln, jegliche Aussage kann zu unserem Nachteil genutzt werden. Alles, was gut für dich ist, können wir auch immer noch in einem eventuellen Gerichtsprozess, bzw. in dessen Vorfeld einbringen :) Wenn du dir aber unsicher bist, schick ein PDF sehr gerne ans RAZ über legal@raz-ev.org.

Wenn du zu einer mündlichen Anhörung geladen wurdest und die Polizei nicht nerven willst, spricht aber auch nichts dagegen, der Polizei kurz mitzuteilen, dass du nicht erscheinen wirst. Du kannst das einfach formlos per Mail machen und sagen, dass du dich ohne Akteneinsicht nicht zu den Vorwürfen äußern wirst.

Sollte der Anhörungsbogen grobe Fehler enthalten, kannst du das auch mitteilen. Das kann zum Beispiel sinnvoll sein, wenn du einen Anhörungsbogen für etwas erhälst, was du nicht getan hast und ein Verfahren verhindern willst. Es gibt keine Garantie, dass das klappt, aber wenn du die Polizei auf ihren Fehler hinweist, kann es sein, dass das nochmal überprüft wird, bevor ein Verfahren eröffnet wird. Du kannst den Fehler aber auch erst im Verfahren vorbringen. Wenn du etwas angibst, sei dir bewusst, dass du damit möglicherweise andere Menschen belastet und spricht das im Zweifelfall besser mit uns ab. Wenn du zum Beispiel beschuldigt wirst, Graffiti gesprüht zu haben, du aber nur daneben standest und gefilmt hast und das so angibst, wird die Polizei wahrscheinlich nochmal ermitteln, wer denn dann gesprüht hat.

Oft steht in Anhörungsbögen, mensch müsste gewisse Angaben machen und das sei sonst eine Ordnungswidrigkeit. Der Fakt, dass die Polizei den Anhörungsbogen zustellen konnte zeigt allerdings schon, dass sie die wichtigen Daten haben. Uns ist kein Fall bekannt, in dem das Ignorieren eines Anhörungsbogen ein Problem dargestellt hat.

Solche Bögen können auch mit folgenden Betreffzeilen betitelt sein: „Belehrung / schriftliche Äußerung im Strafverfahren“, „Vorladung“, oder „Anhörung“.

Bußgeldbescheid

Wenn du den Bußgeldbescheid erhalten hast und Einspruch einlegen willst (wann das Sinn machst s. unten) dann achte darauf, die zwei Wochen Frist einzuhalten. Diese gilt ab der Zustellung des Bescheides bei dir, bis zum Eingang des Einspruch bei Gericht.

Pass voll gerne diese Vorlage auf deinen Fall an. Du musst den Einspruch nicht begründen.

Bitte um Begründung

Im Regelfall erhälst du nach einem Einspruch die Bitte den Bußgeldbescheid zu begründen. Diese kann von der Polizei, von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht kommen. Wenn der Bescheid nicht grob fehlerhaft ist, solltest du das Schreiben ignorieren. Oftmals steht in den Schreiben, dass Kosten entstehen, wenn der Bescheid nicht begründet wird. Dies liegt einfach daran, dass bei Nichtbegründung automatisch ein Gerichtsprozess angestoßen wird, der Gerichtskosten verursacht. Solltest du einen offensichtlichen Grund haben, warum du Einspruch einlegst ("Ich war an der Aktion gar nicht beteiligt") und diesen mitteilst könnte die jeweilige Stelle einfach entscheiden, das Verfahren einzustellen/den Bescheid zurücknehmen und die Gerichtskosten würden nicht anfallen. Da der Einspruch aber im Regelfall eine aufwändigere Prüfung der Gesetzeslage benötigt macht es in den meisten Fällen keinen Sinn, diesen zu begründen, da diese Prüfung nur ein Gericht vornehmen kann.

Einstellung

Während des gesamten Prozesses kann es zur Einstellung des Prozesses kommen. Die Strafe ist dann aufgehoben

Gerichtsprozess

Wenn das Verfahren nicht eingestellt wird, wird das zuständige Gericht irgendwann einen Prozesstermin terminieren. Wenn du auf eine Einstellung gehofft hattest, kannst du den Einspruch bis kurz vor dem Verfahren noch zurücknehmen und so die Gerichtskosten verhindern.

Für die Vorbereitung auf den Prozess beantrage am Besten direkt Akteneinsicht und wende dich für Unterstützung an legal@raz-ev.org

Strategisches

Wir empfehlen Grundsätzlich bei Bußgeldbescheiden ersteinmal Einspruch einzulegen. Gerade wenn viele Menschen auf einmal Einspruch einlegen, können wir eine Überforderung der Justiz erreichen, die dazu führt, dass Verfahren eingestellt werden. Wenn du schon viele andere Strafverfahren laufen hast, steigert dass die Wahrscheinlichkeit einer Einstellung zusätzlich. Wenn du nur wegen einer möglichen Einstellung Einspruch eingelegt hast, kannst du diesen bis kurz vor einem Verfahren zurücknehmen und die so die Kosten und den Stress eines Verfahren sparen.

Auch wenn es nicht zu einer Einstellung kommt, kann es sich lohnen den Einspruch aufrechtzuerhalten. Der Widerstand kann so in die Gerichte weitergetragen werden und auch hier gibt es gewisse Chancen auf eine Einstellung oder einen Freispruch.

Bei Fragen melde dich gerne unter legal@raz-ev.org

Kosten

Wenn du keinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegst musst du 5 % der Strafe noch zusätzlich als Bearbeitungsgebühr zahlen. Mindestens jedoch 25 Euro.

Wenn du Einspruch einlegst und es zum Verfahren kommt, kommen nochmal 5 % mindestens jedoch 25 Euro dazu.

Bei einem Bußgeld über 250 Euro musst du also bei einem Gerichtsverfahren mit 50 Euro zusätzlichen Kosten rechnen ohne Gerichtsverfahren mit 25 Euro zusätzlichen Kosten.

Für Tipps, wie du Gerichtskosten und Strafen tragen kannst, schau mal hier

 

 

 

# Hausdurchsuchungen Hier geht es um den juristischen & praktischen Aspekt von Hausdurchsuchungen. Für den technischen Teil verweisen wir an dieser Stelle auf das [IT-Wiki](https://wiki.letztegeneration.org/de/oeffentlich/AGs/IT-Hilfe/Hausdurchsuchung) der Letzten Generation. Hier findest du die **Aufnahme von einem Skillshare** zu Hausdurchsuchungen mit einem Anwalt: [https://youtu.be/ZDY4e8rTfr8](https://youtu.be/ZDY4e8rTfr8) ## Wichtige Kontakte Ermittlungsausschuss (EA): - Der EA ist rund um die Uhr erreichbar und kann dich an RAZ und Anwält\*innen weiterleiten, die dich nach der Hausdurchsuchung unterstützen können. RAZ: [info@raz-ev.org](info@raz-ev.org) - RAZ kann dir helfen einzuschätzen was die nächsten Schritte sind und die Hilfe von Anwält\*innen besorgen, die dich nach der Hausdurchsuchung unterstützen können und dir emotionalen Support bieten. Außerdem kann sie dir auch schon im Vorfeld Fragen zu Hausdurchsuchungen beantworten und Statements für Presse/Media an die richtigen Stellen weiterleiten. ## Vorbereitung - Bring ein Namensschild an deinem Zimmer an, damit klar ist, wer in welchem Zimmer wohnt. - Sprich in deiner Wohngemeinschaft oder deiner Familie darüber, welche Ängste ihr im Zusammenhang mit Hausdurchsuchungen habt und wie ihr diesen am besten begegnen könnt. - Informiert dich über oben genannte Supportstrukturen und überlege, wie du mit deinen Daten und Geräten gut umgehen kannst. ## Während der Hausdurchsuchung 1. Bewahre Ruhe. 2. Rufe sofort eine gut erreichbare Person an, der du das unter Punkt 3 Aufgelistete sagst. Sie soll Anwält\*in, EA und Beobachterinnen benachrichtigen und ggf. zu dir schicken. 3. Die Polizei steht vor der Tür: Frage sie, gegen wen sich die Hausdurchsuchung richtet. Frage sie, was der Grund des Durchsuchungsbeschlusses ist. Verlange einen Durchsuchungsbeschluss und lies ihn. Lass dir eine Kopie geben. Beim Grund „Gefahr in Verzug“ gibt es keinen Beschluss. Erfrage Name und Dienstnummer der oder des Einsatzleiter\*in. (und notiere diese) 4. Lege Widerspruch gegen die Durchsuchung ein und lass diesen protokollieren (unterschreiben). 5. Verlange, dass nur unter den Augen der oder des Beschuldigten und / oder ihrer Vertreter\*innen durchsucht wird (ein Raum nach dem anderen, nicht alle gleichzeitig). 6. Du musst keine Aussagen machen. Auch Zeuginnen müssen vor Ort ohne Anwältin keine Aussagen machen. 7. Pass auf! Durchsucht werden dürfen nur die im Durchsuchungsbeschluss genannten Räume. Verhindere die Durchsuchungen anderer Räume, leg Widerspruch ein. Verlange die Versiegelung der beschlagnahmten Papiere und Notizen. Nur die Staatsanwält\*in darf vor Ort lesen, aber keine normale Beamt\*in. Du hast keine Mitwirkungspflicht bei der Durchsuchung. 8. Die Polizei muss dir ein Durchsuchungsprotokoll aushändigen, in dem die beschlagnahmten Dinge genauestens aufgelistet sein müssen. Kontrolliere das Protokoll in Ruhe. Die Beamt\*innen und die von ihnen mitgebrachten Zeug\*innen müssen unterschreiben. Du musst nicht unterschreiben. Wenn nichts beschlagnahmt wurde, muss auch das schriftlich bestätigt werden. ## Nach der Hausdurchsuchung - Gedächtnisprotokoll schreiben. > [Vorlage Gedächtnisprotokoll zum Ausdrucken](https://wiki.raz-ev.org/oeffentlich/Legal-Wiki/hausdurchsuchung.docx) - Informiere RAZ und (falls du schon eine\*n hast) deine\*n Anwält\*in. - Überlege, welcher Schaden entstanden ist. Frage nach Hilfe, wenn du neue Geräte, etc. benötigst. - Wenn es für dich oder deine Bewegung nützlich sein könnte, nimm ein Statement für Social Media auf, in dem du erklärst, wie es sich angefühlt hat durchsucht zu werden und wie ungerecht du diese Maßnahme findest - Melde dich beim RAZ für emotionalen Support ([empsy-support@raz-ev.org](https://wiki.aktivismus.org/books/allgemeine-rechtshilfe/page/nach-dem-protest/empsy-support@raz-ev.org)) und vernetze dich mit anderen Betroffenen! Hausdurchsuchungen können sehr belastend sein und Angst machen. Tausch dich aus und nimm dir Zeit, die Erfahrung zu verarbeiten und zu reflektieren. # Verdachtsunabhängige Kontrollen ## Rechtlicher Rahmen Die Gefahrenabwehr ist unter anderem Aufgabe der Polizei und der Bundespolizei. Davon ausgehend sind verdachtsunabhängige grundsätzlich möglich, um Gefahren abzuwehren. Den Behörden steht hinsichtlich der Kontrollen ein Ermessensspielraum zu. Das Ermessen muss aber so ausgeübt werden, dass dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG Rechnung getragen wird und eine eine Diskriminierung ausgeschlossen ist. Es dürfen also nicht einfach so Menschen nach vermeintlicher Herkunft oder Aussehen kontrolliert werden. Eine solche Kontrolle allein auf Grundlage vermeintlicher Herkunft oder Aussehen verstößt auch gegen das europäische Diskriminierungsverbot. Dies wurde vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit einem Urteil aus dem Jahr 2010 bestätigt (Melki-Urteil). Außerdem muss die Kontrolle – wie jede staatliche Maßnahme – verhältnismäßig sein. Generell gilt, dass die Kontrolle intensiver durchgeführt werden kann, je eindeutiger der Verdacht einer Straftat vorliegt. Wenn es keinen konkreten Verdacht gibt, sollte man die Polizei auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinweisen. Kontrollen sind außerdem an Orten und Versammlungen möglich, bei denen erfahrungsgemäß mit Straftaten gerechnet werden kann. In Bezug auf eine Aktionsphase muss dafür erst ein Gefahrenbereich festgelegt werden, in dem dann besonders kontrolliert werden darf. Die Bundespolizei darf außerdem kontrollieren, wenn Gründe für die Annahme vorliegen, dass Straftaten am Bahnhof ausgeübt werden (§23 BpolG). ## Landesregelungen Die Berliner Polizei darf nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 ASOG die ID nur an Orten feststellen, wo Straftaten geplant oder verübt werden. Dies trifft nicht auf den Bahnhof zu, sondern höchstens auf gemeinsame Unterkünfte, Gemeinschaftsorte etc. Für Bayern ist die Identitätsfeststellung in Art. 13 PAG geregelt. Es darf unter anderem zur Abwehr einer (drohenden) Gefahr, in Gebieten, in denen anzunehmen ist, dass dort Straftaten verabredet, vorbereitet oder verübt werden und an Orten, wo sich vermutlich Straftäter verbergen, die Identität festgestellt werden. ## Verhaltenstipps für eine Kontrolle - kooperativ sein, weil die Maßnahme in der Situation oft ohnehin nicht verhindert werden kann (wird im Zweifel mit Gewalt von der Polizei durchgesetzt) - Sofern die Polizei die Situation eskaliert oder sie offensichtlich rechtswidrig handelt, freundlich aber bestimmt und ggf. wiederholt hinweisen, dass die Polizei gerade rechtswidrig handelt und kein Grund dafür besteht, Schärfe in die Situation zu bringen - den Grund und die gesetzliche Grundlage für die Kontrolle erfragen (muss euch mitgeteilt werden) - nur die Fragen zur ID (Infos vom Perso) beantworten und zu weiteren Fragen nichts sagen, weil ihr es nicht müsst und es die Polizei nichts angeht - Auch wenn einzelne Beamt\*innen „nett“ auftreten keine weiteren Informationen rausgeben - Durchsuchung der eigenen Taschen etc. widersprechen, da die ID bereits angegeben wurde und dafür keine Grundlage mehr besteht - auf Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) hinweisen und die Polizei dazu auffordern, sich daran zu halten - bei Bedarf Namen und Dienstnummern der Polizist\*innen erfragen und / oder sich Dienstausweis zeigen lassen und eine Dienstaufsichtsbeschwerde in den Raum stellen (kann Vorgehen der Polizei evt. abschwächen) - Öffentlichkeit herstellen und z.B. Passanti auf die unverhältnismäßige und verdachtsunabhängige Durchsuchung hinweisen - Vorsicht beim Filmen solcher Einsätze: Im Raum steht schnell eine Strafbarkeit wegen Verletzlichkeit der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB, was die Polizei dazu veranlassen kann, das Aufnahmegerät zu beschlagnahmen. # Meldeauflage # Was ist eine Meldeauflage? Manchmal zwingt dich die Polizei, täglich für eine Unterschrift in die Polizeistation deiner Heimatstadt zu kommen. Das soll in der Regel verhindern, dass du in einer anderen Stadt an Protesten teilnimmst. Kommst du nicht zum Unterschreiben, dann bekommst du eine Rechnung. # Was kannst du tun, wenn du eine Meldeauflage bekommst Meist sind Meldeauflagen illegal. Melde dich bei RAZ unter legal@raz-ev.org. Eine Verfahrenseinstellung nach Beschwerde gegen eine Meldeauflage findest du [hier](https://wiki.raz-ev.org/verteidigungswiki/vg_m%C3%BCnchen_bs_22.12.22_m_22_s_22.6321_meldeauflage_80v.pdf). # Pfändung Auf dieser Seite findest du erste Infos zum Thema Pfändung, wie das Ganze abläuft, und worauf es zu achten gilt. Weitere wichtige Infos erfährst du in diesem [Reader](https://vonunsbekommtihrnix.blackblogs.org/) und beim Besuch eines Pfändungsworkshops vom Legal Team. Schau dir am besten die **Aufnahmen von einem Pfändungsworkshop** an: [https://youtu.be/XddGaWzv0m8](https://youtu.be/XddGaWzv0m8) Die Notizen auf dieser Wikiseite beziehen sich darauf und sind nicht komplett vollständig (: ## Ablauf einer Pfändung
![](https://wiki.raz-ev.org/oeffentlich/Legal-Wiki/ablauf_pf%C3%A4ndung.jpg)
- Mahnung(en): Die Landesoberkasse (LOK) entscheidet, ob es hier nur eine oder mehrere Mahnung gibt. - Gerichtsvollzieher:in (GV) kommt unangekündigt bei dir Zuhause vorbei. Wenn du da bist, darf GV sich in der Wohnung umsehen, diese aber nicht durchsuchen. Wenn du nicht da bist, wird ein Zettel in deinen Briefkasten geworfen. Daraufhin solltest du möglichst direkt anrufen und einen Termin ausmachen, der in der Regel innerhalb von zwei Wochen stattfindet. - Die Akte wird vom GV an die LOK zurückgeschickt mit einem Vermerk zur (Nicht-)Pfändung von Gegenständen o.ä. ## Wann genau darf gepfändet werden? ### Strafrechtliche Forderungen - LOK und/oder die Staatsanwaltschaft (StA) hat die Möglichkeit eine Vermögensauskunft zu erfragen. Diese muss allerdings nicht beantwortet werden. Auch der Arbeitgeber muss nicht genannt werden - bei Beantwortung gibt es die Gefahr der Gehaltspfändung, da dann ermittelt werden kann, wieviel genau du wo verdienst. - Die Staatsanwaltschaft darf eigentlich keine Konten filzen - dies passiert aber zum Teil trotzdem. Dies wird aber selten genutzt, wenn einfache Geldstrafen im Raum stehen und Erfolgsaussichten eines solchen Filzens unklar sind. - Die Vollstreckung ist beendet, wenn statt der Geldforderung, eine Haft verbüßt wird. ### Zivilrechtliche Forderungen des Staates - Hier ist die LOK die zuständige Behörde. - Zu zivilrechtlichen Forderungen des Staates gehören z.B. Ordnungsgelder und Gebührenbescheide. - Wenn du diese Forderungen nicht zahlst, drohen dir entweder Ordnungshaft oder das Gericht verlangt eine Vermögensauskunft. - Dies kann bei hohen Forderungen teuer werden. - Der Ablauf einer solchen Vermögensauskunft hängt davon ab, wie modern die Justiz im jeweiligen Bundesland, aber grob ist dieser wie folgt: - Unterschriften in Anwesenheit des GV - Eid unter Zeug:innen (eine Falschangabe führt zu einem strafbaren Mein-eid) - Hier ist es wichtig, sich vorher einen guten Überblick zu schaffen, um keine Falschangaben zu machen. - Wenn du keine Vermögensauskunft gibst, ist eine Erzwingungshaft bis zu sechs Monaten zur Abgabe der Vermögensauskunft möglich. Danach besteht deine Schuld allerdings weiter, aber der Staat hat keine Vollstreckungsmöglichkeit mehr. Diese Schuld wird wenn dann nach langer Zeit weiterverfolgt. ### Zivilrechtliche Forderungen von Privaten - Grober Ablauf: Antrag auf Vermögensauskunft, Vollstreckung durch GV - wenn dies verweigert wird, ist Erzwingungshaft möglich. Der Gläubiger zahlt in diesem Fall dann die Gerichts- und Haftkosten. - Dem privatem Gläubiger ist es erlaubt, Gegenstände zu verkaufen, deren Wert über der Forderung liegt und die Differenz herauszugeben. Dies ist z.B. dem staatlichem Gläubiger nicht erlaubt. ## Formen der Pfändung ### Sachpfändung - Hier gibt es eine Pflicht zur Lagerung von einem Monat. In dieser Frist bleibt die Zahlungsmöglichkeit bestehen. - Eine öffentliche Versteigerung erzielt in der Regel ein Drittel des Neupreises. Da durch eine solche Versteigerung folgende Kosten gedeckt werden müssen: Gerichtskosten, Gebühren (Mahnungen, sowie das Gehalt des GV), die Lagerung, sowie das Gehalt des Auktionärs. Wenn diese Kosten nicht gedeckt werden können durch den Werte des zu möglicherweise pfändbaren Gegenstandes, wird dieser in der Regel nicht gepfändet. ### Vermögenspfändung - siehe nicht pfändbaren Dingen für Einschätzung der Grenzen. - Hier kann alles über den Grenzen gepfändet werden. ### Grundstückspfändung - Um eine Pfändung von Grundstücken rentabel für den Staat zu gestalten, muss eine wirklich hohe Schuld bestehen: Zwischen Schuld und Grundstückswert sollte es einen verhältnismäßigen Vergleich geben. - Es muss Zeit eingeräumt werden, damit die Person eine andere Wohnung finden kann. - Genossenschaftsanteile sind nicht pfändbar. ### Kontopfändung - Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos ist wichtig, damit nicht plötzlich alles (auch die letzten 5.000 €) gepfändet werden. - Es ist zu empfehlen auch mit einem Pfändungsschutzkonto alle 2-3 Monate einmal komplett auf Null zu kommen. ## Nicht pfändbar: - Alles, was zum normalen Leben notwendig ist. (z. B. Laptop, Fernseher, Handy) - Alles, was für Beruf & Ausbildung notwendig ist. (z. B. Fahrrad, PC, etc.) - Ein besonderes Erbstück. - Vermögen bis 5.000 €. Vermögen von Firmen sind auch nicht pfändbar - auch wenn es sich um Personengesellschaften oder Unternehmensgesellschaften handelt von der nur eine Person selbst lebt. - Einkommen bis circa 1339,99 € brutto für ledige Menschen, die keine Unterhaltsverpflichtung haben. Dies ändert sich jedes Jahr. Dies kannst du dir relativ schnell im Internet raussuchen. - Tabelle vom 1. Juli 2022: [/oeffentlich/Legal-Wiki/pfaendungsfreigrenzen\_arbeitseinkommen\_juli2022.pdf](/oeffentlich/Legal-Wiki/pfaendungsfreigrenzen_arbeitseinkommen_juli2022.pdf) - Im Internet gibt es auch Tipps dazu, wie diese gelesen werden kann, z.B.: [https://www.finanztip.de/pfaendungstabelle/](https://www.finanztip.de/pfaendungstabelle/) - Schenkungen. - Eine Schenkungskette, die verhindert, dass Gegenstände bei der Schuldnerin gepfändet werden können, muss aus mindestens 3 Gliedern bestehen: Schenker - Zwischenstation - Endstation. # Was sind Repressionen? # Was ist Repression überhaupt? Damit die aktuellen Machtstrukturen weiterexistieren können, brauchen diese Handlungsmonopole - Mittel, über die andere nicht verfügen. Um Privilegien weiter zu schützen und aufrechtzuerhalten, müssen Handlungen, die dieses System kritisieren oder gar gefährden könnten, verfolgt und sanktioniert werden. Das Ziel von Repression ist letztlich der angepasste Mensch. Repression kann in vielen Formen kommen - ob als Geldstrafe, Bußgeld, Freiheitsentzug oder Verboten. ## Wie wirkt Repression? - Repression ist vielfältig und wird von uns natürlich nicht nur in Form von Strafbefehlen und Gerichtsprozessen gespürt. - **Direkte Repression**: Manifestiert in Form von Polizei, Gerichten, Ämtern, Gefängnissen, [Meldeauflagen](https://wiki.aktivismus.org/books/repression/page/meldeauflage), Geldbußverfahren, (Eintragungen ins) polizeiliche Führungszeugnis oder anderen Zeugnissen etc. - **Symbolische, diskursive, normierende Repression**: Manifestiert in Methoden Ängste zu schüren, Normen zu setzen, Drohungen zu erhalten, Unsicherheiten zu verstärken etc. - Aktivisti können diese Repressionen auf sich wirken lassen und dadurch nach und nach in eine lähmende Schockstarre versinken. Aber es ist verblüffend einfach, Institutionen der Repression aus dem Konzept zu bringen und kreativ ins Wanken zu bringen! Hierfür möchten wir drohende **Repression als integralen Bestandteil der politischen Auseinandersetzung** begreifen. Straftaten können bewusst auch mit dem Ziel begangen werden, eine weitere Politisierung vor Gericht zu ermöglichen. - Aktivisti können also die kriminellen Machenschaften der Regierung und des Justizsystems aufdecken und demaskieren, indem sie **kreativ frech** agieren. Um dabei erfolgreich zu sein, ist eines besonders wichtig: Viel Übung, erste Praxiserfahrungen und Reflektion über diese. Außerdem: Wer weiß, was passieren kann und welche Möglichkeiten des Schutzes bestehen, kann erfolgreicher agieren. ## Smart Repression = Intelligente Repression “Set of coercive tactics that governments use to **suppress dissent without activating backfire**. To avoid backfire, governments have developed techniques of **repression that delegitimize movements in the eye of the public, thereby diminishing the movement´s capacity to mobilize and create defections**.” (Chenoweth, Erica. *Civil Resistance: What everybody needs to know*. Oxford University Press, 2021) Das sind Repressionen, die sich nur schwer für uns nutzen lassen, die uns subtil bremsen können, ohne dass wir sie öffentlich wirksam als übertrieben sichtbar machen können. ## Ziviler Ungehorsam und Jugendarbeit Für Menschen, die in der Jugendarbeit/Jugendhilfe beim Staat oder bei freien Trägern tätig sind ist ein erweitertes Führungszeugnis nötig. Das betrifft zum Beispiel Lehrer:innen. Für sie gilt: > Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) § 72a Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen (1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe dürfen für die Wahrnehmung der Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe keine Person beschäftigen oder vermitteln, die rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i, 184j, 184k, 184l, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden ist. Zu diesem Zweck sollen sie sich bei der Einstellung oder Vermittlung und in regelmäßigen Abständen von den betroffenen Personen ein Führungszeugnis nach § 30 Absatz 5 und § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen. Die Strafbestände, die euch beispielsweise als Folge von Straßenblockaden höchstwahrscheinlich angelastet werden, fallen da nicht drunter. Das bedeutet, dass Eintragungen im Führungszeugnis unkritisch sind und ihr trotzdem z.B. als Lehrer:innen arbeiten könnt. # Beschlagnahme von Handys ## **Grundsätzliches** Das Wichtigste ist: Um die Beschlagnahme von Handys von vornherein zu verhindern, ist die wichtigste Maßnahme, bei geplanten Aktionen keine privaten Handys dabei zu haben. Dieser Rat gilt unabhängig davon, ob du die Aktion als strafbar einschätzt, da es immer passieren kann, dass die Polizei die Situation anders sieht. Ein beschlagnahmtes Handy zurückzubekommen ist anstrengend und dauert oft lange. Die Polizei beschlagnahmt Handys in der Regel auf der Grundlage von § 94 StPO und braucht dafür gemäß § 98 StPO keine gerichtliche Anordnung. Die Pflicht, den beshlagnahmten Gegenstand herauszugeben, ergibt ich aus § 95 StPO. ## **Wie kann ich reagieren, wenn die Polizei mein Handy beschlagnahmen will?** Gegen die Beschlagnahme selbst lässt sich erfahrungsgemäß nicht viel ausrichten. Im Zweifel kann die Polizei diese durch unmittelbaren Zwang durchsetzen. Solltest du dein Handy also nicht freiwillig herausgeben wollen, wird die Polizei es dir im Zweifelsfall unter Anwendung von körperlicher Gewalt wegnehmen. Den Entsperrcode oder die PIN musst du nicht sagen (und solltest das auch auf keinen Fall tun). Wenn keine belastenden Daten und Nachrichtenverkehr auf dem Handy sind, kannst du anbieten, dass sie mit dir gemeinsam reingucken, statt das Handy mitzunehmen. ## **Wie reagiere ich am besten auf die Beschlagnahme?** Du solltest der Beschlagnahme sofort widersprechen. In diesem Fall muss die Polizei die Beschlagnahme innerhalb von drei Tagen gerichtlich bestätigen lassen. Da das aber oft nicht passiert, sollte auch direkt beim Gericht ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. Zuständig ist das Amtsgericht des Bezirks, in dem die Beschlagnahme passiert ist. Die Entscheidung dauert leider oft lange. Sollte das Amtsgericht die Beschlagnahme als rechtmäßig bestätigen, kann hiergegen sofortige Beschwerde beim Landgericht erhoben werden. Die Ermittler\*innen müssten sich theoretisch sofort um die Auswertung der Daten kümmern und das Handy so schnell wie möglich zurückgeben. In der Praxis sieht das leider meistens anders aus. Allein den Code zu knacken dauert schon mehrere Monate. Dabei werden die Handys die ganze Zeit am Strom gelassen, worunter der Akku leidet. Dazu kommt, dass die Fälle meistens nicht priorisiert behandelt werden. Es empfiehlt sich daher, immer wieder nachzufragen. Sollte dein Handy bei einer Aktion beschlagnahmt worden sein, kannst du dich für Unterstützung auch beim RAZ e.V. unter der Mailadresse melden. Am besten wäre es aber, wenn wir alle Handys bei Aktionen zu Hause lassen, um euch und dem Team des RAZ e.V. unnötige Arbeit zu ersparen.