Repression
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- Einstellungen
- Tagessätze
- Umwelt-Treuhandfonds
- Bildung einer Gesamtstrafe
- Finanzielle Unterstützung bei Repressionskosten
- Straßenblockade: Kurzübersicht möglicher Straftatvorwürfe
- Einstellungen weiterführend (Paragrafenreiterei 4)
- Bußgeldbescheide/ Ordnungswidrigkeiten
- Hausdurchsuchungen
- Verdachtsunabhängige Kontrollen
- Meldeauflage
- Pfändung
- Was sind Repressionen?
- Beschlagnahme von Handys
Gebührenbescheide
Kostenerstattung
Weitere Informationen zu Kostenerstattungen finden sich hier.
Konstellationen
Dies sind die Fälle, in denen es Sinn ergibt, Kostenerstattungen zu beantragen
- Ihr habt einen Gebührenbescheid aus einem Bundesland bekommen, in dem eure Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung haben. Ihr müsst also erst einmal zahlen, könnt das aber nicht.
- Euer Gebührenbescheid wurde rechtskräftig, obwohl ihr alle euch empfohlenen Rechtsmittel ausgeschöpft habt und könnt das nicht bezahlen.
- Ihr habt einen oder mehrere Gebührenbescheide bekommen, gegen welche ihr nun Widerspruch einlegen oder klagen möchtet. Ihr könnt aber die daraus entstehenden Verfahrenskosten nicht bezahlen.
Optionen
Im folgenden Abschnitt, wird euch erklärt, was ihr tun könnt, wenn eine der oben genannten Konstellationen auf euch zutrifft
Rote Hilfe
Wir haben uns mit dem Bundesverband der Roten Hilfe verständigt, dass es grundsätzlich möglich ist, über deren Ortsverbände Erstattungen von Kosten zu beantragen, die in Verwaltungssachen angefallen sind.
Schreibt dafür eine Mail an die Ortsgruppe eures Wohnorts und schildert euren Fall:
https://www.rote-hilfe.de/ueber-uns/adressen
Spendenkampagne
Ihr wendet euch an die Repressionskostenhilfe von RAZ legal@raz-ev.org und konzipiert zusammen einen Spendenaufruf.
Alle weiteren Infos dazu finden sich hier.
Umwelttreuhandfonds (UTF)
Ausführliche Infos zum UTF findest du hier.
Die Mittel, die der UTF bereitstellen kann sind begrenzt, weswegen ihr diese nur in Ausnahmefällen und nur nachrangig zu den ersten beiden Optionen in Anspruch nehmen solltet.
Um deine Gebührenbescheide, wie “Klebekosten” oder “Gesakosten” erstatten zu lassen, schreib bitte eine Mail an utf@posteo.de und setze legal@raz-ev.org in den CC. Dann schick eine zusammenhängende PDF-Datei (wirklich wichtig, damit die Bearbeitung funktioniert!) als Anhang der Mail mit:
- Betreff: „Antrag Klebekosten“
- Einem Dokument mit euren Kontodaten und eurem Namen/ dem Namen der Kontoinhaber*in
- Einem Scan des Kostenbescheids
- Einem Überweisungsbeleg (Screenshot oder PDF aus dem Online-Banking)
Darüber hinaus können grundsätzlich auch die Verfahrenskosten vom UTF übernommen werden, aber auch hier gilt natürlich das Kriterium der Bedürftigkeit. Wenn eure Verfahrenskosten vom UTF getragen wurden und ihr einen Teil der Kosten nach frühzeitiger Rücknahme der Klage zurück bekommt, solltet ihr die zurückerstatteten Kosten dann auch wieder an den UTF weitergeben. In der Standard-Fallkonstellation würde das bedeuten, dass ihr erst die 114€ Verfahrensgebühr vom UTF erstattet bekommt, euch nach Rücknahme der Klage 76€ vom Gericht wieder erstattet werden und ihr diesen Betrag dann anschließend an den UTF spenden sollt. Wir bitten euch dabei ehrlich zu sein und gegenüber dieser sehr hilfreichen Struktur nicht den eigenen finanziellen Vorteil zu priorisieren.
Prozesskostenhilfe
Dies ist eine Möglichkeit, mit der ihr sofern ihr die im Formular aufgeführten Voraussetzungen erfüllt und euer Antrag genehmigt wird, nur die Kosten für euer Rechtsmittelverfahren, aber nicht die eigentlichen Gebühren an sich erstatten lassen könnt.
Begründungen für Rechtsmittel bei Straßenblockaden
Die Zusammenfassungen sollen euch Orientierung geben, in welchen Begründungen sich Argumente finden lassen, die ihr in eurem eigenen Verfahren nutzen könnt. Lest euch diese Begründungen durch und passt die Argumentationen mit Hilfe der Akten, die ihr beantragt habt, eurem Gedächtnisprotokoll und der Begründung des Gebührenbescheids auf euren eigenen Fall an. Für alle hier hinterlegten Begründungen ist das Bundesland, in dem sie genutzt wurden mit angegeben. Argumente, die für das jeweilige Bundesland spezifisch und somit nicht direkt auf andere Länder übertragbar sind, sind in der Zusammenfassung markiert. Prüft dennoch gerne, ob die gleiche Argumentation vielleicht auch für die in eurem Bundesland herangezogene Rechtsgrundlage gültig ist.
Bundesland | Rechtsmittel | Argumente | Datei |
Bayern | Klage |
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Klage Gebührenbescheid Bayern 1 |
Bayern | Klage |
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Klage Gebührenbescheid Bayern 2 |
Bund (Flughafen) | Widerspruch |
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Widerspruch Gebührenbescheid Flughafen 1 |
Hamburg | Klage |
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Klage Gebührenbescheid Hamburg 1 |
Hessen | Klage |
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Klage Gebührenbescheid Hessen 1 |
Hessen | Klage |
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Klage Gebührenbescheid Hessen 2 |
Sachsen | Widerspruch |
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Widerspruch Gebührenbescheid Sachsen 1 |
Allgemeines
Was ist ein Gebührenbescheid?
Ihr habt Post bekommen, in der euch Handlungen des Staates in Rechnung gestellt werden.
Hierbei handelt es sich um einen Gebührenbescheid.
Andere Begriffe hierfür sind
- Bescheid für Dienstleistung
- Heranziehungsbescheid
- Kostenbescheid
- Kostenerhebung
- Kostenfestsetzungsbescheid
- Kostenrechnung
- Leistungsbescheid
Wofür werden Kosten erhoben?
Der Bescheid sollte Aufschluss darüber geben, wofür Kosten erhoben werden.
Dies sind typischerweise Dinge wie
- Anwendung unmittelbaren Zwangs
- Dienstleistung der Feuerwehr
- Ersatzvornahme
- Gewahrsam
- Lösen
- Polizeieinsatz
- Polizeiliche Amtshandlungen
- Präventivhaft
- Unterbringung
Informationen an RAZ
Wie in Strafsachen geht dem eigentlichen Bescheid auch in Gebührensachen häufig eine Anhörung voraus. Diese könnt ihr ignorieren. In Einzelfällen kann es trotzdem sinnvoll sein auf eine Anhörung einzugehen, um Verfahrenskosten zu sparen. Sprecht das aber bitte vorher mit eurer Ansprechperson vom RAZ e.V. ab.
Sobald ihr aber den wirklichen Gebührenbescheid bekommen habt, solltet ihr ihn schnellstmöglich zusammen mit einem Foto des Umschlags, in dem der Bescheid euch erreicht hat, an die E-Mail-Adresse legal@raz-ev.org schicken - gerne direkt mit folgenden Infos:
- Aktionsort
- Aktionstag
- Aktionsart
- Datum des Gebührenbescheides
- Geforderte Betrag
- Mailadresse für Rückfragen
- Geplantes Vorgehen / Konkrete Fragen zum weiteren Vorgehen
Vorgehen gegen Gebührenbescheide
Im Optimalfall habt ihr euch über diese und die weiteren Wiki-Seiten im Ordner Gebührenbescheide bereits einen Überblick verschafft und wisst, wie mit eurem Gebührenbescheid umzugehen ist. Da die Gebührenbescheide auf Landesrecht basieren, ist es dafür wichtig, dass ihr euch die Seite des Landes anseht, aus dem euer Gebührenbescheid stammt. Sofern dort angegeben ist, dass Zahlung nötig ist, oder noch keine Information dazu vorliegt, zahlt die Gebühr zunächst (außer ihr seid pfändungsbereit). Sofern ihr erfolgreich Rechtsmittel gegen den Gebührenbescheid einlegt, bekommt ihr die Gebühr zurück.
Rechtsmittel Einlegen
Mit den Dokumenten, die wir zur Verfügung stellen, solltet ihr in der Lage sein selbständig gegen euren Gebührenbescheid vorzugehen. Es ist aber festzuhalten, dass es in allen Bundesländern erstmal grundsätzlich möglich ist Handlungen der Polizei oder anderer Behörden den verursachenden Menschen in Rechnung zu stellen. Für die Erfolgsaussichten des Vorgehens gegen die Gebührenbescheide ist daher besonders relevant, ob es Unregelmäßigkeiten im Handeln der Polizei gegeben hat. Ein paar allgemeine Kriterien, ob sich das auch lohnt sind unter anderem
- Eigene Kapazitäten (Zeit, Nerven etc)
- Erfolgsaussichten, dafür relevant
- Passende Rechtsgrundlage angewendet?
- Sachverhalt korrekt dargestellt?
- Versammlung korrekt aufgelöst?
- Ankündigung der konkreten Maßnahme mit Hinweis auf Kosten?
- Höhe des Gebührenbescheids
- weitere (Verfahrens-)Kosten
In einigen Bundesländern haben wir aber schon eine klare Strategie, sodass ihr euch über die Kriterien nicht mehr unbedingt Gedanken machen müsst.
Wichtig ist, dass mit dem Einlegen von Rechtsmitteln Verfahrenskosten anfallen, die von der unterlegenen Seite zu tragen sind. Es kann also passieren, dass sich für euch die Kosten letztlich erhöhen.
Informationen zur Kostenerstattung in Härtefällen findet ihr hier.
Haltet das RAZ Team bitte über legal@raz-ev.org auf dem Laufenden, ob ihr Rechtsmittel eingelegt, oder euch dagegen entschieden habt.
Es ist okay den Widerspruch / die Klage zunächst mal ohne Begründung einzureichen (außer auf der Unterseite für euer Bundesland steht dazu etwas Abweichendes).
Ihr beantragt mit unseren Vorlagen Akteneinsicht und behaltet euch die Begründung bis diese ermöglicht wurde vor.
Aber übersendet zusammen mit eurem Widerspruch / eurer Klage am Besten eine Kopie des Gebührenbescheids.
Verfahrenskosten
Beim Widerspruch und Klagen gegen Gebührenbescheide fallen weitere Verfahrenskosten an. Die Kosten für einen Widerspruch sind abhängig vom jeweiligen Bundesland.
Die Verfahrenskosten einer Klage richten sich bundesweit nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) und sind abhängig vom Streitwert des Verfahrens. In Anlage 2 ist die Abhängigkeit von Verfahrenskosten zum Streitwert in einer Tabelle dargestellt.

Im Normalfall liegen die Gebührenbescheide unter 500€, es fällt also eine Grundgebühr von 38€ an. Allerdings ist den Verwaltungsgerichten nicht immer klar, wogegen sich eine Klage richtet, da sie mit dem Gebührenbescheid von Polizei oder Feuerwehr vorher noch nichts zu tun hatten. Wenn den Gerichten der Streitwert unklar ist, wird standardmäßig ein Streitwert von 5.000€ angenommen und die Grundgebühr erhöht sich damit von 38€ auf 116€. Daher ist es sinnvoll mit Einreichen der Klage auch direkt eine Kopie vom ursprünglichen Gebührenbescheid mit zu schicken, um Missverständnisse zu vermeiden.
Die Grundgebühr muss anschließend noch mit einem Faktor multipliziert werden, der in Anlage 1 des GKG festgelegt ist. Für ein Verwaltungsrechtsverfahren liegt dieser Faktor bei 3 (Nr. 5110), die Grundgebühr von 38€ wird also mit 3 multipliziert und es entstehen Verfahrenskosten von 114€. Diese müssen erstmal überwiesen werden, damit das Gericht die Klage weiter bearbeitet. Falls die Klage aber frühzeitig, also vor Durchführung der mündlichen Verhandlung, zurückgenommen wird, reduziert sich der Faktor auf 1 (Nr. 5111) und ihr bekommt die Differenz (76€) zurückerstattet. Das Einreichen einer Klage bedeutet also mindestens ein Kostenrisiko von 38€ und erfordert das vorzeitige Auslegen der 114€ Verfahrenskosten zu Beginn. Falls der Streitwert höher liegen sollte, ändert sich das Rechenbeispiel entsprechend der oben gezeigten Tabelle.
Weitere Post: RAZ Informiert halten
Nachdem ihr Rechtsmittel eingelegt habt, werdet ihr typischerweise weitere Post bekommen, die ihr ebenfalls an legal@raz-ev.org schicken solltet, damit wir um das Stadium eures Verfahrens wissen. Falls ihr zu einem Schreiben Fragen habt, stellt sie bitte so konkret wie möglich.
- Sofern ihr euer Rechtsmittel unbegründet eingelegt habt, werdet ihr aufgefordert eine Begründung zu ergänzen und bekommt dafür eine Frist gesetzt. Hier ist ganz wichtig, dass ihr euch unverzüglich meldet.
- Bis ihr nach eurer Begründung einen tatsächlichen Widerspruchsbescheid, also eine Entscheidung über euren Widerspruch, bekommt (den ihr uns natürlich ebenfalls zuschicken solltet), kann es sein, dass ihr weitere Post bekommt:
- Ein Schreiben, dass euer Widerspruch zur Entscheidung an die Widerspruchsbehörde übergeben wird. Oft wird im gleichen Schreiben der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung abgelehnt. Das bedeutet einfach nur, dass ihr tatsächlich zunächst zahlen müsst. Über euren Widerspruch ist damit noch nicht entschieden.
- Ein Schreiben, dass euer Rechtsmittel nicht zur Entscheidung angenommen wurde, da es nicht zugeordnet werden konnte oder ähnliches. Falls ihr selbst erkennt, dass ihr etwas falsch gemacht habt, korrigiert dies am Besten selbständig durch Anruf bei der Behörde / Nachreichen fehlender Dokumente etc. Manchmal liegt es aber auch gar nicht in euch, sondern bei der Behörde ist etwas durcheinander gekommen. Bei Unklarheiten fragt gerne per Mail nach.
Längere Dauer von Verwaltungsrechtsverfahren
Im Verwaltungsrecht dauern Widerspruchsverfahren oder Klagen oft deutlich länger als Strafverfahren, lasst euch davon nicht verunsichern. Die Gerichte behandeln Klagen gegen Gebührenbescheide meist mit geringerer Priorität und es ist normal, dass ihr nach einen Widerspruch oder einer Klage erstmal monatelang nichts mehr dazu hört.
Falls ihr anwaltlichen Beistand für die Klage haben möchtet, kann es sinnvoll sein die Person schon vorab zu mandatieren, weil die Ladungen für die Verhandlungen zu Verwaltungsrechtsklagen teilweise relativ kurzfristig kommen. Dies sollte allerdings unbedingt mit eurer Ansprechperson vom RAZ e.V. abgesprochen werden, da Rechtsbeistände der größte Faktor für Verfahrensgebühren sind und die Finanzierung erst geklärt werden muss.
Vorlagen
Vorlagen für Rechtsmittel gegen Gebührenbescheide finden sich hier.
Gebührenbescheide - Bundesländer
Baden-Württemberg
Widerspruch zu Gebührenverfahren, zu dem Strafverfahren eingestellt wurde, war erfolgreich
=> immer um Aussetzung des Verfahrens bitten, bis über Strafverfahren entschieden wurde
Flughäfen (Bund)
VORLAGE MIT ARGUMENTATION ZUM ANPASSEN
Ihr könnt diese Widerspruchsvorlage mit ihrer Begründung übernehmen. Ihr müsst die Vorlage aber noch auf euer Gebührenverfahren anpassen. Also etwa Datumsangaben austauschen, kontrollieren, ob Absätze enthalten sind, die für euren Fall nicht anwendbar sind und wenn möglich weitere Argumente basierend auf eurem individuellen Gebührenbescheid ergänzen.
Meldet euch bei Fragen gerne via: legal@raz-ev.org
Bayern
Bayerische Gebührenbescheide
- In Bayern muss direkt eine Klage eingereicht werden und nicht einfach ein Widerspruch, wie dies in anderen Bundesländern der Fall ist. Ob eine Klage gegen einen Gebührenbescheid aufschiebende Wirkung hat, ist umstritten. Häufig steht in den Bescheiden drin, dass eine Klage keine aufschiebende Wirkung hätte, aber das Verwaltungsgericht Würzburg hat in einem Beschluss festgestellt, dass ihrer Meinung nach die aufschiebende Wirkung besteht. Wenn du das Risiko von Mahngebühren vermeiden möchtest, solltest du vorsichtshalber erstmal bezahlen. Bei erfolgreicher Klage bekommst das Geld zurückerstattet. Ansonsten kannst du dich schriftlich bei der Polizei melden mit Hinweis auf deine Klage und sie auffordern die Vollstreckung des Gebührenbescheids wegen der aufschiebenden Wirkung auszusetzen. Falls die Polizei darauf nicht eingeht, riskierst du Mahngebühren von voraussichtlich erstmal 5€.
- Trotzdem musst du erstmal die Verfahrenskosten vorstrecken. Diese richten sich nach dem Streitwert der Klage (siehe Allgemeines) und liegen meistens bei 114€. Wenn du den Betrag nicht vorstreckst, wird das Gericht deine Klage voraussichtlich auch nicht bearbeiten.
- Als erstes musst du jetzt innerhalb eines Monates die Klage beim Verwaltungsgericht einreichen, am besten mit unserer Vorlage für Bayern. Bitte vergiss die Unterschrift nicht. Falls du die Klage faxen solltest, schick am besten das Original noch per Post hinterher. Außerdem solltest du eine Kopie des beklagten Gebührenbescheids anhängen, damit das Gericht den Streitwert ordentlich festlegen kann und nicht zu hoch ansetzt.
- Es besteht die Möglichkeit einen Antrag auf Ruhendstellung zu stellen. Wenn dem zugestimmt wird, bleibt deine Klage erstmal bis zur Entscheidung über die im Antrag genannten Klagen offen und es kommt vorher nicht zur mündlichen Verhandlung. Dies bietet die Möglichkeit die Entscheidung über die “Musterklagen” erstmal abzuwarten und dann die eigene Klage je nach Ausgang ggf. wieder zurückzuziehen.
- Inzwischen gibt es erste Entscheidungen über Klagen gegen Gebührenbescheide wegen Wegtragen von der Straße (Unmittelbarer Zwang) in Bayern. Nach aktueller Einschätzung (Stand Oktober 2024) werden die Erfolgsaussichten der Klagen als eher gering eingeschätzt, sofern nicht eindeutige formelle Fehler bei der Auflösung der Versammlung aufgetreten sind. Wenn es dir darum geht die Kosten zu vermeiden, ist eine Klage also nur bei formellen Fehlern der Versammlungsauflösung sinnvoll. Politische Klagen können darüber hinaus aber natürlich auch interessant sein.
- Eine Zusammenfassung zum Umgang mit Gebührenbescheiden in Bayern findet ihr außerdem in einem extra dafür aufgenommenem Video.
- Wendet euch bei Fragen an legal@raz-ev.org. Die Menschen aus der AG Verwaltungsrecht werden sich dann mit euch in Verbindung setzen.
Berlin
Berliner Gebührenbescheide
- Momentan ist es so, dass die Berliner Polizei leider unsere bisherige Vereinbarung (dass wir die Bescheide trotz fehlender aufschiebender Wirkung des Widerspruchs ausnahmsweise erstmal nicht zahlen müssen) beendet hat. Das heißt, dass die Einziehung nicht mehr ausgesetzt ist und wir deswegen davon ausgehen müssen, dass die 241 Euro wieder erst einmal gezahlt werden müssen, um Mahngebühren zu vermeiden. Die Vorlage des Widerspruchs für Berlin enthält zwar einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Bis über diesen entschieden wird, können aber bereits Mahngebühren angefallen sein.
- Es ist auch nach dem Beschluss des VG Berlin keinesfalls sicher, dass sie von ihrer Linie abweicht. Sprich es ist gut möglich, dass die Anträge auf Aussetzung abgelehnt werden und weiterhin vorläufig gezahlt werden muss. Zumindest hat es aber schon funktioniert eine laufende Pfändung und laufende Mahnverfahren mit Verweis auf den (noch nicht rechtskräftigen) Beschluss des VG Berlin auszusetzen.
- Allerdings haben wir vor dem VG in erster Instanz gewonnen - die Gebührenbescheide wurden für rechtswidrig erklärt. Sollte der Beschluss vor der Rechtsmittelinstanz aufrecht erhalten werden, bekommen wir unsere Gebühren zurück, wenn wir bis dahin alles richtig machen :)
- Widerspruch einlegen innerhalb der Frist mithilfe unserer Vorlage.
- 241€ überweisen. Wenn du hierfür finanzielle Unterstützung benötigst, gehe die hier aufgeführten Möglichkeiten durch. Brauchst du weitere Hilfe, wende dich bitte direkt an uns. Wenn du nicht gepfändet werden kannst und auch bereits eine Vermögensauskunft gemacht hast, betrifft dich dies nicht.
- Irgendwann bekommst du einen Widerspruchsbescheid. Das steht da auch genau so oben drauf. Das schickst du auch an legal@raz-ev.org & dann reichen wir gemeinsam die Klage ein - siehe nächster Punkt.
- Klage einreichen mithilfe unserer Vorlage. Die Klage muss unterschrieben werden und per Post (nicht per Mail oder per Fax!) an das Gericht geschickt werden. Sie sollte spätestens einen Monat nachdem der Widerspruchsbescheid angekommen ist, bei dem Verwaltungsgericht eingehen (am eindeutigsten ist es, wenn das Schreiben innerhalb eines Monats ab dem Datum, das auf dem Widerspruchsbescheid steht, bei Gericht eingeht).
- In dem freien Bereich auf der Vorlage solltest du darauf eingehen, wenn etwas in der Schilderung des Sachverhaltes falsch ist - du z.B. an dem Tag gar nicht auf der Straße warst o.ä..
- In der Klageschrift sollte auch kurz ausgeführt werden, dass und warum keine witterungsbedingte oder sonstige Gefahr für die klagende Person bestand. Die Klageschrift beantragt, das Verfahren bis zu einer Entscheidung in den Parallelsachen ruhen zu lassen. Wir werden sehen, ob die Gegenseite dem zustimmt.
- Wenn die Klage bei dem Gericht eingegangen ist, gibt es von dort eine Rechnung über einen Gerichtskostenvorschuss i.H.v. 114 Euro oder in der Größenordnung.
- Sag uns bitte Bescheid, wenn du Widerspruch und Klage eingereicht hast oder falls du dich dagegen entscheiden solltest.
Berlin Beschluss VG
Wir hatten vor dem Verwaltungsgericht Berlin Erfolg mit einer Klage gegen einen Berliner Gebührenbescheid. Obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist (die Staatsanwaltschaft hat Rechtsmittel eingelegt), ist das erstmal eine gute Sache. Es ergeben sich daraus aber auch ein paar Neuerungen und Dinge, die es zu beachten gilt.
Beschluss VG Berlin
Die Rechtsgrundlage, auf die sich bislang die Berliner Gebührenbescheide stützten ist:
- a) § 6 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge GebG
- b) § 1 der Gebührenordnung für die Nutzung polizeilicher Einrichtungen PolBenGebO und Tarifstelle 8 des Gebührenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 1 der PolBenGebO)
- c) § 15 Abs. 2 iVm § 14 und § 36 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz - ASOG Berlin)
- (Ihr findet diese auf der letzten Seite eures Gebührenbescheids)
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts besagt nun, dass diese keine geeigneten Rechtsgrundlagen für unsere Gebührenbescheide darstellen.
Kursiv findet ihr die Zusammenfassung der Begründungen des Beschlusses.
- a) + b) §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2, 6 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 2 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebBtrG) iVm Tarifstelle 8 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für die Benutzung polizeilicher Einrichtungen (PolBenGebO)
Keine Ersatzvornahme iSd § 9 Abs. 1 lit. a), § 10 Verwaltungvollstreckungsgesetz (VwVG) iVm § 8 I des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung (VwVfG Bln) - c) § 15 ASOG
Lösen keine unmittelbare Ausführung iSd § 15 ASOG - Auffangtatbestand § 8 Abs. 1 Satz 2 GebBtrG
Nicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 GebBtrH unter Berücksichtigung der in § 8 Abs. 2 bis 6 GebBtrG aufgestellten Grundsätze bestimmt.
Insbesondere nicht unter Berücksichtigung der Kosten des Verwaltungsaufwandes (vgl § 80 Abs. 2 GebBtrG).
Austausch der Ermächtigungsgrundlage wäre wegen Ermessensausfall auch rechtswidrig.
Was Bedeutet das Für Euch?
- Ihr habt bereits einen ablehnenden Widerspruchsbescheid bekommen und daraufhin Klage eingereicht:
Sobald sich das Verwaltungsgericht Berlin bei euch meldet, bezieht euch auf den Beschluss VG 1 L 363/23 und erbittet Erledigung, da die herangezogene Rechtsgrundlage nicht geeignet ist.
Dies könnt ihr natürlich auch proaktiv in einem in einem Schreiben an das Verwaltungsgericht Berlin tun.
Wichtig ist in jedem Fall:
Zieht nicht die Klage zurück, denn dann müsst ihr die Kosten tragen.
(hierzu kann es auch sein, dass ihr einen Brief vom VG Berlin bekommt, in dem sie euch bitten zur Erledigung Stellung zu nehmen. Auch hier solltet ihr auf keinen Fall schreiben, dass ihr die Klage zurückzieht, weil ihr dann die Kosten der Klage tragen müsst. Schreibt hier auch: "Ich erkläre die Klage für erledigt." - Ihr habt Widerspruch eingereicht und noch keinen ablehnenden Widerspruchsbescheid erhalten:
Wartet auf den ablehnenden Widerspruchsbescheid und erhebt Klage. Bezieht euch in der Begründung auf VG 1 L 363/23, welcher darlegt, dass die herangezogene Rechtsgrundlage nicht geeignet ist. - Ihr bekommt einen neuen Gebührenbescheid, der auf den oben genannten alten Rechtsgrundlagen fußt:
a) § 6 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge GebG
b) § 1 der Gebührenordnung für die Nutzung polizeilicher Einrichtungen PolBenGebO und Tarifstelle 8 des Gebührenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 1 der PolBenGebO)
c) § 15 Abs. 2 iVm § 14 und § 36 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz - ASOG Berlin)
Ausführliche Informationen zu diesem Fall findet ihr auch auf der Unterseite für Gebührenbescheide aus Berlin.
Legt mit Hilfe der Vorlage für Berlin Widerspruch ein und bezieht euch in der Begründung auf VG 1 L 363/23, welcher darlegt, dass die herangezogene Rechtsgrundlage nicht geeignet ist. Es liegt in eurem eigenen Ermessen, ob ihr zahlen wollt. Wenn ihr keine Mahngebühren riskieren wollt, zahlt besser zunächst.
Die Vorlage des Widerspruchs für Berlin enthält zwar einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Bis über diesen entschieden wird, können aber bereits Mahngebühren angefallen sein. Die Polizei Berlin hat die Vereinbarung, dass die Gebühren bis zu einer Gerichtsentscheidung nicht gezahlt werden müssen, vor einigen Monaten aufgekündigt. Es ist auch nach dem Beschluss des VG keinesfalls sicher, dass sie von ihrer Linie abweicht. Sprich es ist gut möglich, dass die Anträge auf Aussetzung abgelehnt werden.
Zumindest hat es aber schon funktioniert eine laufende Pfändung und laufende Mahnverfahren mit Verweis auf den (noch nicht rechtskräftigen) Beschluss des VG Berlin auszusetzen. - Ihr bekommt einen neuen Gebührenbescheid, der auf einer anderen als den oben genannten Rechtsgrundlagen fußt:
Hier solltet ihr zunächst zahlen (außer ihr seid pfändungsbereit).
Macht uns in eurer Mail an legal@raz-ev.org bitte auf die abweichende Rechtsgrundlage aufmerksam.
Wir rechnen damit, dass die Polizei in Zukunft
- entweder den Auffangtatbestand § 8 Abs. 1 Satz 2 GebBtrG zusammen mit der notwendigen Verhältnismäßigkeitsprüfung anwenden wird
- oder einen eigens für unsere Fälle neu geschaffenen Gebührentatbestand.
Es ist daher wichtig für uns als Legal Team schnellstmöglich mitzubekommen, wenn sich die Praxis der Polizei Berlin hinsichtlich der Gebührenbescheide ändert. - Zahlt bitte in allen oben genannten Stadien auch die Verfahrenskosten von 114,00 €, wenn ihr dazu aufgefordert werdet (außer ihr seid pfändungsbereit).
- Es gibt leider auch Fälle, in denen euch der Beschluss nicht mehr zugute kommt:
Ihr habt verpasst binnen eines Monats Widerspruch gegen den Gebührenbescheid einzulegen.
Ihr habt nach einem ablehnenden Widerspruchsbescheid verpasst, innerhalb eines Monats Klage zu erheben.
Dann bekommt ihr euere bezahlten Gebühren leider nicht zurück.
Rückzahlung der Gebühren
Die Polizei Berlin hat Rechtsmittel eingelegt gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass die Gebührenbescheide gegen uns rechtswidrig waren.
Das bedeutet, dass uns kein Geld zurückbezahlt wird bis nicht endgültig und rechtskräftig in unserem Sinne entschieden wurde.
Wir warten jetzt also auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin und hoffen, dass dort unser Win vor dem VG aufrechterhalten wird.
Übersicht Basics
Bundesland | Grds. Zahlung nötig? | Antrag auf Aussetzung des Vollzugs erfolgreich? | Widerspruchsverfahren? | Vorabprüfung und Angebot zurückzuziehen? | Erinnerung an Begründung? | Begründungsvorlage | Anwaltsperson |
Baden-Württemberg | ja | ja | ja | zumindest nicht vor Vorabprüfung | ja | ||
Bayern | ja | nein | ja | ja | ja | ||
Berlin | ja | ja | ja | ja | |||
Brandenburg | ja | ja | nein | ||||
Bremen | nein | ||||||
Hamburg | nein | - | ja | ja | nein | ||
Hessen | ja | nein | ja | ja | ja | ||
Mecklenburg-Vorpommern | ja | ||||||
Niedersachsen | nein | ? | |||||
Nordrhein-Westfalen | nein | ja | |||||
Rheinland-Pfalz | nein | - | ja | ja | nein | ja | |
Saarland | nein | ||||||
Sachsen | ja | ja | ja | ja | ohne Kleben | ja | |
Sachsen-Anhalt | wohl nein | nein | ja | ||||
Schleswig-Holstein | ja | nein | |||||
Thüringen | ja |
Hamburg
Begründungsvorlage für Klebeblockaden
Verweist in eurer Widerspruchsbegründung einfach auf das beim Verwaltungsgericht Hamburg anhängige Parallelverfahren 5 K 2640/23 und beantragt das Widerspruchsverfahren bis zu einer Entscheidung im Parallelverfahren auszusetzen.
Hessen
Üblicherweise erheben wir in Hessen Klage gegen die Gebührenbescheide, fordern zugleich Akteneinsicht an und können versuchen Prozesskostenhilfe zu beantragen.
Argumentation für die Klagebegründung
Dies sind Argumentationsansätze, die ihr auf euren eigenen Sachverhalt anpassen könnt.
Bedeutung des Versammlungsrechts, Nichtauflösen der Versammlung
Diesen Teil könnt ihr für alle Gebührenbescheide übernehmen, streicht nur ggf den Part zur Nichtauflösung der Versammlung.
Die Teilnahme an einer Demonstration stellt die Ausübung eines Grundrechts dar, für das keine Kostenerhebung für polizeiliche Amtshandlungen vorgenommen werden kann.
Vorliegend hat die Klägerin an einer Versammlung teilgenommen, die unter den Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG fällt. Dafür kommt es nicht auf deren Anmeldung an.
Die Versammlung wurde von der Polizei nicht nach dem Versammlungsrecht aufgelöst. Darauf kann schon deshalb geschlossen werden, da die Versammlungsbehörde das Ordnungsamt ist. Vielmehr hat die Polizei nur zum Zweck der Verkehrsregelung in die Versammlung eingegriffen, ohne sie formal auflösen zu können.
„Allerdings wird die Wechselwirkung zwischen Grundrecht und einschränkendem Gesetz es oft erforderlich machen, Vorschriften der Straßenverkehrsordnung für Demonstrationen im öffentlichen Straßenraum zu suspendieren“
Auch wenn die Versammlung formal korrekt von der Polizei aufgelöst worden sein sollte, entwickelt Art. 8 GG für diesen Fall eine Fernwirkung.
Die Kostenerhebung für polizeiliche Amtshandlungen im Zusammenhang mit Demonstrationen stellt einen Eingriff in Artikel 8 Grundgesetz dar. Wenn Bürger*innen nach der Teilnahme an einer Versammlung regelmäßig damit rechnen müssen, dass sie an den Kosten des Polizeieinsatzes beteiligt werden, hält sie das effektiv von der Ausübung des Grundrechts ab. Ausschlaggebend für die spätere Kostenerhebung können keine formalen Kriterien wie die Anmeldung der Versammlung sein, da auch nicht angemeldete Versammlungen unter den Schutz von Art. 8 GG fallen. Auch eine polizeiliche Auflösungsverfügung versagt den Teilnehmer*innen nicht den grundrechtlichen Schutz.
Die Kostenerhebung im angegriffenen Bescheid vom 25.07.2022 bezieht sich auf den Nachlauf einer friedlichen Versammlung, sodass nach einer Würdigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG eine Kostenerhebung ausscheidet.
AUssetzung bis zu Entscheidung im Strafverfahren
Gegen die Klägerin läuft wegen des gleichen Sachverhalts ein Strafprozess wegen Nötigung, ausgehend von der Strafanzeige wegen Nötigung, polizeiliches Aktenzeichen XXX. Sobald das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft bekannt ist, wird es mitgeteilt.
Der Ausgang des verwaltungsrechtlichen Rechtsstreits ist ganz vom Bestehen oder Nichtbestehen einer von Art. 8 GG geschützten Versammlung abhängig. Dazu muss das Strafgericht in seinem Urteil sowohl Feststellungen als auch rechtliche Würdigungen vornehmen.
Der Tatbestand von § 240 Abs. 1 StGB setzt die Rechtswidrigkeit der Handlung voraus, worüber das Strafgericht urteilen wird. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Rechtswidrigkeit der Handlung aufgrund der Grundrechtsintesität der Kosteninanspruchnahme auch im Verwaltungsverfahren die zentrale Rechtsfrage. Insbesondere muss das Urteil des Strafgerichts Feststellungen zum Vorliegen einer Versammlung nach Art. 8 GG treffen, von denen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung abhängt.
Argumente abhängig von Kostenpositionen
Schaut euch in eurem Gebührenbescheid die Kostenpositionen der polizeilichen Maßnahme an - diese sollten dort gelistet sein.
Sucht euch für eure Begründung die Stellen heraus, die zu euren Kostenpositionen passen.
Bereitschaft/Anwesenheit Arzt beim Lösen d. Person gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 HVwKostG
Die Auferlegung der Kostenpositionen "Bereitschaft/Anwesenheit Arzt beim Lösen d. Person" gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 HVwKostG ist rechtswidrig.
Es wird die unrichtige Berechnung der Kostenposition “Bereitschaft/Anwesenheit Arzt beim Lösen d. Person” in Höhe von XXX Euro und die daraus resultierende Aufhebung des Bescheids diesbezüglich in Höhe von XXX Euro geltend gemacht.
Versucht zunächst herauszufinden, mit welchem Stundensatz die ärztlichen Leistungen berechnet wurden:
Aus der Rechnung über die Arztkosten des Einsatzes (aus Akte entnehmen) wird ersichtlich, dass die ärztliche Leistung für die Maßnahme mit einem Stundenlohn von XXX Euro/Stunde berechnet wurde.
Jetzt lohnt es sich zu prüfen, ob die für die Berechnung der Kosten herangezogenen Zeitangaben stimmig sind.
Falls nicht, legt den wirklichen zeitlichen Ablauf dar.
Aus soeben aufgelisteten zeitlichen Angaben lässt sich deutlich schließen, dass die gesamte Maßnahme des „Lösens der Personen“ mit insgesamt XXX Minuten XXX Minuten kürzer andauerte, wie von der Beklagten angegeben. Die konkret bei der Klägerin durchgeführte Maßnahme beanspruchte von der gesamten Maßnahme hingegen nur XXX Minuten.
Bei einer anteiligen Berechnung der Kosten der Klägerin für einen Einsatz von XXX Minuten bei XXX Euro pro angefangener Stunde ergibt sich ein Kostenbetrag von XXX Euro. Über diesen Betrag hinaus kann die Beklagte folglich keine Kostenerstattung verlangen.
Transport nach § 32 HSOG
Wenn euch ein Transport zur Dienststelle berechnet wird und dort eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt wurde:
Der in Rechnung gestellte Transport diente vor allem zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b StPO, die zum Zweck des Strafverfahrens angeordnet worden ist. Die StPO kennt anders als das Polizeirecht keine Kostentatbestände bzw. werden die Kosten des Strafverfahrens über die Prozesskosten pauschal abgegolten. Für den Fall, dass das Strafgericht die Klägerin freispricht, entfällt der Kostenanspruch nach Polizeirecht spiegelbildlich.
Der Schwerpunkt der Maßnahme lag auf der Strafverfolgung und nicht auf der Gefahrenabwehr, vor allem da die Gefahr für den Straßenverkehr durch die Auflösung der Blockade bereits abgewehrt war.
Auch wenn die Verbringung durch die Polizei rechtlich als Maßnahme mit Doppelcharakter aufgefasst wird, muss eine Lösung gefunden werden, damit der Staat nicht von der Klägerin überkompensiert wird. Wenn der Kostenbescheid in diesem Punkt Bestand hätte und die Klägerin vom Strafgericht verurteilt würde, hätte sie für diese Maßnahme doppelt bezahlt. Entweder ist das Verfahren auszusetzen (Siehe Antrag zu 4.) oder der Kostenbescheid ist hinsichtlich dieses Postens aufzuheben. Die zweite Lösung scheint dem Unterzeichner von vornherein praktikabler, da das Strafgericht sowieso das letzte Wort hat.
Unterbringung in Gewahrsam
Wenn ihr in Gewahrsam genommen wurdet und euch Kosten für die Unterbringung auferlegt werden:
Bei der Kosteninanspruchnahme kommt es nicht darauf an, ob der Gewahrsam ex ante angeordnet werden durfte oder ob die Klägerin ins Beschwerdeverfahren gegangen ist. Die Rechtmäßigkeit muss vom Verwaltungsgericht inzident geprüft werden. Das Verwaltungsgericht wird zum Ergebnis kommen, dass der Polizeigewahrsam, angeordnet gegen die Klägerin, ex post als rechtswidrig zu bewerten ist, sodass die Klägerin nicht an den Kosten zu beteiligen ist. Dies muss sich folglich ebenso auf die während des rechtswidrigen Gewahrsams entstanden Verpflegungskosten beziehen. Der angegriffene Bescheid ist insoweit aufzuheben.
Verbrauchsmaterial für das Lösen des Klebers
An keiner Stelle ist dem Bescheid zu entnehmen, wie sich der Betrag für das Verbrauchsmaterial zusammensetzt. Aus der Akte lässt sich dazu auch nicht entnehmen, wie der Betrag berechnet wurde. Insbesondere stellt der Betrag von XXX EUR kein Vielfaches des in der Akte vorkommenden Betrages einer Materialrechnung über XXX EUR dar.
Der Bescheid ist insoweit aufzuheben.
Gewahrsamsfähigkeitsuntersuchung
Argumentationsansatz, um die Kostenberechnung einer Gewahrsamsfähigkeitsuntersuchung in Frage zu stellen:
Die Klägerin kann nicht an den Kosten für die Gewahrsamsfähigkeitsuntersuchung in Höhe von XXX EUR beteiligt werden. Ausweislich der Rechnung dauerte ihre Untersuchung XXX Minuten. Die Teilnehmer der Demonstration wurden en bloc untersucht, sodass keine Pauschalen abgerechnet werden können. Selbst wenn die XXX Personen, die sich ausweislich des Gesamtberichts am Morgen festgeklebt hatten, einer Gewahrsamsfähigkeitsuntersuchung zu je XXX Minuten unterzogen wurden, hätte dies insgesamt nur XXX Minuten gedauert. Hätte der Kostenträger kein Verschulden gegen sich selbst zugelassen, hätte der Bereitschaftsarzt nur eine Pauschale für XXX Minuten abrechnen können. Damit könnte die Beklagte höchstens ihrem Anteil entsprechend zu XXX EUR in Anspruch genommen werden können.
Vorlage Mit Argumentation zum Anpassen
In dieser Vorlage sind die oben ausgeführten Argumentationsansätze bereits eingearbeitet. Ihr müsst die Vorlage aber noch auf euer Gebührenverfahren anpassen. Also etwa Datumsangaben austauschen und Absätze zu Kosten streichen, die bei euch gar nicht erhoben worden sind.
Sachsen
Begründung zu Gebührenbescheiden zu Straßenblockaden ohne Kleben
Kurzversion
Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt mich in meinen Rechten.
Ich wurde nur durch Polizeibeamt*innen von der Straße getragen. Der Einsatz des Fahrzeugs hat nichts mit dem Wegtragen zu tun. Für einfache körperliche Gewalt durch Polizeibeamt*innen dürfen nach dem Kostenverzeichnis keine Kosten erhoben werden (Nr. 77 Tarifstelle 11. des Zehnten Sächsischen Kostenverzeichnisses).
Ich beantrage, mein Widerspruchsverfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Widerspruchsverfahrens mit dem Aktenzeichen PDDD-R4-0537/202 ruhend zu stellen, da die dort entscheidenden rechtlichen Fragestellungen die gleichen sind.
Langversion
Prüft hier bitte, ob wirklich jedes Detail der Begründung auf euren Fall zutrifft und passt sie ggf. an
Der Widerspruch wird wie folgt weiter begründet:
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Widerspruchsführer in seinen Rechten. Nach Aktenlage besteht keine Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid.
1. Vor dem Hintergrund eines Ermittlungsverfahrens (Nötigung) war die durchgeführte Maßnahme (Verbringung von der Straße) keine gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme, sondern die Durchsetzung einer strafprozessualen Maßnahme, nämlich die mittels unmittelbaren Zwanges durchgesetzte (Zuführung zur) Personalienfeststellung und Durchsuchung. Dies ergibt sich daraus, dass die Personen bereits nach Eintreffen der Polizei sogleich hinsichtlich einer Straftat der Nötigung belehrt wurden und unmittelbar nach dem Wegtragen die Personalien auf dem Gehweg festgestellt und die Sachen und Personen durchsucht wurden. Für diese strafprozessuale Maßnahmen fallen keine gesonderten Kosten an.
2. Selbst wenn dem Widerspruchsgegner folgend das Wegtragen zum Zwecke der Gefahrenabwehr erfolgt sein sollte, besteht kein Rechtsgrund für den angefochtenen Bescheid. Aus der Akte ergibt sich eindeutig, dass die Verbringung der Personen von der Straße mittels Anwendung unmittelbaren Zwanges in Form von einfacher körperlicher Gewalt erfolgte („kein Lösen, keine Ersatzvornahme, von der Straße tragen“). Der Einsatz eines Polizeifahrzeuges erfolgte dabei nicht, der unmittelbare Zwang in Form von einfacher körperlicher Gewalt wurde nur durch Polizeibeamte ausgeübt. Das SächsPVDG definiert in § 40 Absatz 1 als unmittelbaren Zwang die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, Hilfsmittel körperlicher Gewalt oder Waffengebrauch. Die unterschiedlichen Formen werden sodann in den folgenden Absätzen definiert, wobei als Hilfsmittel körperlicher Gewalt explizit Dienstfahrzeuge gezählt werden (Absatz 3). Der Einsatz der Dienstfahrzeuge als aufzuerlegende Kosten käme also höchstens in Betracht, wenn diese Hilfsmittel der körperlichen Gewalt gewesen wären. Ein Hilfsmittel der körperlichen Gewalt umfasst dabei jeden Gegenstand und jedes Mittel, das über die reine Körperkraft hinaus zu deren Verstärkung oder an deren Stelle von der Polizei bei der Einwirkung auf Personen eingesetzt wird (Schwier/Lohse, Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz, Kommentar für Praxis und Ausbildung, 6. Auflage, § 40, Rn. 5). Die Polizeifahrzeuge dienten vorliegend nur zur Beförderung der Beamten zum Einsatzort und können daher nicht als Hilfsmittel der ausgeübten körperlichen Gewalt angesehen werden. Auch das Kostenverzeichnis unterscheidet, dem SächsPVDG folgend, den unmittelbaren Zwang (Tarifstelle 11) in den Einsatz von Polizeifahrzeugen (Tarifstelle 11.1) und den Einsatz von Polizeibediensteten (Tarifstelle 11.2). Aber auch der Einsatz von Polizeibediensteten kann vorliegend nicht in Rechnung gestellt werden. Zunächst ergibt sich nach Aktenlage eindeutig, dass die eingesetzten Polizeikräfte bereits vor Ort waren und nicht extra für die Durchsetzung eines vorangegangenen Verwaltungsaktes hinzukamen. So trafen die Kräfte bereits um 13:36 Uhr ein. Ersatzfähig sind aber nur solche Kosten, die in unmittelbar kausalem Zusammenhang mit der Maßnahme stehen. Der Ersatz von allgemeinen Personalkosten oder sonstigen Fix- bzw. sogenannten Sowiesokosten ist nicht vorgesehen. Insbesondere können für den Einsatz von unmittelbarem Zwang in Form von einfacher körperlicher Gewalt durch Polizeibedienstete keine Kosten erhoben werden. Denn in Nr. 77 Tarifstelle 11. des Zehnten Sächsischen Kostenverzeichnisses in der Fassung zum 02.03.2023 heißt es insoweit eindeutig: „Anmerkung: Für unmittelbaren Zwang, der lediglich einfache körperliche Gewalt beinhaltet und keinen bedeutsamen polizeilichen Mehraufwand verursacht, werden keine Kosten erhoben.“ Das einfache Wegtragen von Personen fällt unter den Begriff der einfachen körperliche Gewalt (vgl. Schwier/Lohse, Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz, Kommentar für Praxis und Ausbildung, 6. Auflage, § 40, Rn. 4). Ein bedeutsamer polizeilicher Mehraufwand lag nicht vor. Selbst ein (nicht ersichtliches) „Schwermachen“ (wobei es bereits faktisch unmöglich ist, dass ein Körper mit einem bestimmten Körpergewicht dieses Gewicht im angehobenen Zustand vergrößert), würde keinen „bedeutsamen Mehraufwand“ darstellen. Von einem bedeutsamen Mehraufwand des unmittelbaren Zwanges wird man nur sprechen können, wenn bei psychischen oder körperlichen Verletzungen des zur Ausübung unmittelbaren Zwangs in gewaltgeprägten Situationen eingesetzten Personals der eigentlichen Amtshandlung nachfolgende Tätigkeiten bei der psychologischen oder medizinischen Behandlung notwendig werden oder notwendige vorbereitende Einsatzplanungen und -besprechungen vor komplexen, gefährlichen Einsätzen, womöglich mit Kräften aus verschiedenen Bundesländern, erfolgen mussten. Dergleichen ist jedoch bei der vorliegenden, routiniert-friedlichen Anwendung unmittelbaren Zwangs in Gestalt des Wegtragens durch die hierzu spontan eingesetzten Polizeibeamten nicht entfernt erkennbar.
Ich beantrage, mein Widerspruchsverfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Widerspruchsverfahrens mit dem Aktenzeichen PDDD-R4-0537/202 ruhend zu stellen, da die dort entscheidenden rechtlichen Fragestellungen die gleichen sind.
Gesa
Bundesländer
Zu allgemeinen Informationen zur GeSa und was eine Vorführung vor Gewahrsamrichter*innen bedeutet schau mal hier: https://wiki.aktivismus.org/books/repression/page/gewahrsamnahme-gesa
Die Angaben sind immer die maximal mögliche Zeit. Das bedeutet nicht, dass ihr in jedem Fall so lang in Gewahrsam sein werdet.
Baden-Württemberg
- Bis 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- 14 Tage
Bayern
- bis 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- 1 Monat mit Möglichkeit auf Verlängerung um noch einen Monat
- Rechtsbeistand verpflichtend
Berlin
- Bis 24 Uhr des Folgetages
- Gewahrsam zur Identitätsfeststellung: 12 Stunden
- Gerichtsbeschluss nur aufgrund anderer Gesetze möglich
Brandenburg
- bis 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- 4 Tage
Bremen
- bis 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- 4 Tage
- bei Beantragung über 24 Stunden Gewahrsam wird eine Rechtsbeistand beigeordnet
Hamburg
- bis 24 Uhr des Folgetages
- zur Identitätsfeststellung höchstens 12 Stunden
nach Gerichtsbeschluss
- 10 Tage
Hessen
- 24 Stunden nach Ergreifung
- zur Identitätsfeststellung höchstens 12 Stunden
nach Gerichtsbeschluss
- 6 Tage
- (10 Tage wären bei Terrorismusverdacht möglich)
Mecklenburg-Vorpommern
- 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- 10 Tage (wenn Gefahr der Begehung einer Straftat besteht)
Niedersachsen
- 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- 10 Tage bei einer bevorstehenden Straftat
- 14 Tage bei einer bevorstehenden terroristischen Straftat
- sonst: 6 Tage
Nordrhein-Westfalen
- 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- 14 Tage, wenn eine Straftat bevorsteht, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft wird ("Verbrechen"). Kann noch einmal um 14 Tage verlängert werden
- sonst 7 oder 10 Tage je nach fall
Rheinland-Pfalz
- 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- 7 Tage
Saarland
- 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- 8 Tage
Sachsen
- 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- 14 Tage (bei bevorstehender Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit erheblicher Bedeutung)
- sonst 2 Tage
Sachsen-Anhalt
- 24 Uhr des Folgetages
- Zur Feststellung der Identität höchstens 12 Stunden
nach Gerichtsbeschluss
- 4 Tage
Schleswig-Holstein
- 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- nicht festgelegt
Thüringen
- 24 Uhr des Folgetages
nach Gerichtsbeschluss
- 10 Tage
Gewahrsamnahme (Gesa)
Gewahrsamnahme durch die Polizei
Zu einer Gewahrsamnahme kommt es nach vieler aktivistischer Aktionen, um zu eure Identität festzustellen oder euch von weiteren Aktionen abzuhalten.
Es kann auch sein, dass die Polizei euch einen Platzverweis für ein bestimmtes Gebiet für eine bestimmte Zeit erteilt. Um rechtskräftig zu sein, muss der Platzverweis hinreichend genau sein - also zeitlich und örtlich begrenzt. Dieser muss euch nicht schriftlich ausgehändigt werden.
Generell gilt: Einen Platzverweis zu missachten ist keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit (nur in einzelnen Bundesländern gibt es entsprechende OWi-Tatbestände), die Polizei kann euch aber in Gewahrsam nehmen, um den Platzverweis durchzusetzen.
Voraussetzung hierfür ist außerdem die Unerlässlichkeit als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes. Wenn also die Einhaltung des Platzverweises durch eine mildere Maßnahme durchsetzbar wäre, müsste zuerst diese Maßnahme ergriffen werden. Außerdem ist eine solche Durchsetzung des Platzverweises erst rechtlich gerechtfertigt, wenn dadurch eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit verhindert wird.
Gründe für Polizeigewahrsam
- Durchsetzung einer Maßnahme (z.B. Platzverweis)
- Gefahrenabwehr, Verhinderung von Straftaten, Ordnungswidrigkeit (z.B. Autobahnblockaden bei der IAA)
- Feststellung der Identität
- Gefahr für das eigene Leben (z.B. starke Alkoholisierung)
Oft wird Polizeigewahrsam allerdings auch als MIttel der Abschreckung/Einschüchterung genutzt und unverhältnismäßg lang und mit sehr schlechten Gewahrsambedingungen angewendet.
Was genau ist eine Gefangenensammelstelle (Gesa)?
Die Gesa ist im Prinzip jeder Ort, an dem du gegen deinen Willen von der Polizei festgehalten wirst, um den Zweck der Gewahrsamnahme zu erfüllen. Dies kann zum Beispiel eine Gesazelle auf einer Polizeistelle sein, ein Fusßballstadion, aber auch das bloße Festhalten an einem bestimmten Ort, wie ein Polizeikessel unter freiem Himmel.
Hier findet ihr gesammelte Tipps & Tricks für den Gesa-Aufenthalt.
Kommunikation mit der Polizei
Allgemein
Generell, musst du gar nicht mit der Polizei kommunizieren. Über die (dir oder anderen) vorgeworfenen Straftaten solltest du nie eine Aussage machen (siehe unten “Was du nicht musst”). Es gibt jedoch einige Aussagen, die Einfluss auf die Länge des Gewahrsam haben können und deswegen sinnvoll sein können:
Wenn du schnell wieder aus der GeSa entlassen werden willst:
- “Ich werde mich heute an keiner weiteren Aktion beteiligen.”
- “Ich werde mich in den nächsten Tagen an keiner weiteren Aktion mehr beteiligen.”
- “Wenn ich entlassen werde fahre ich direkt wieder nach Hause nach…”
- “Ich habe heute noch einen wichtigen Termin XY und werde deshalb keine weitere Aktionen heute mehr machen.”
- “Ich habe um XY Uhr einen Zug nach Hause gebucht den ich nehmen werde, sobald Sie mich entlassen.”
Alle diese Aussagen sind vor allem bei längeren Aktionsphasen sinnvoll, wo die Polizei davon ausgeht, dass du dich wieder an Aktionen beteiligen könntest.
Wenn du Dokumente hast, die beweisen können, dass du heute an keinen weiteren Aktionen mehr teilnehmen wirst (Zum Beispiel ein Zugticket), dann nimm das gerne mit. Natürlich nur wenn du deine Identität angeben willst.
Wenn du aus strategischen Gründen länger in der GeSa bleiben willst:
- "Sobald ich frei bin, werde ich direkt an der nächsten Aktion teilnehmen."
- “Ich werde morgen wieder an einer Aktion teilnehmen.”
Für beides gibt es keine Garantie, dass es funktioniert, erhöht aber die Wahrscheinlichkeit. Wie lang ihr in der GeSa bleibt ist immer sehr unterschiedlich. Ihr seid auch nicht dazu verpflichtet der Polizei die Wahrheit zu sagen. Bedenkt aber, dass auch an anderen Personen eurer Bewegung unter Umständen weniger geglaubt wird, wenn ihr nicht die Wahrheit sagt.
Kommunikation im Polizeikessel
Häufig verbringt ihr nach Auflösung einer Aktion viel Zeit im Polizeikessel (die Polizei umstellt euch, damit ihr nicht weggehen könnt).
Hier werdet ihr häufig (nicht immer) von der Polizei gefragt was ihr heute und morgen noch so vor habt. Damit meinen sie, ob ihr nochmal protestieren wollt. Um euch an weiteren Aktion zu hindern nehmen sie euch öfters mit in die Gesa (Gefangenensammelstelle; Polizeigewahrsam). Je nach Aussage, die ihr bei der Frage macht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ihr in die Gesa kommt. Je nach Bundesland variiert die maximale Länge der Ingewahrsamnahme. In Berlin geht das maximal bis um 24Uhr des Folgetages. Je nach präferiertem Ergebnis könnt ihr unterschiedliche Antworten geben:
Wenn du aus strategischen Gründen länger in der GeSa bleiben willst:
- "Sobald ich frei bin, werde ich direkt an der nächsten Aktion teilnehmen."
- “Ich werde morgen wieder an einer Aktion teilnehmen.”
Wenn du schnell wieder aus der GeSa entlassen werden willst:
- “Ich werde mich heute an keiner weiteren Aktion beteiligen.”
- “Ich werde mich in den nächsten Tagen an keiner weiteren Aktion mehr beteiligen.”
- “Wenn ich entlassen werde fahre ich direkt wieder nach Hause nach…”
- “Ich habe heute noch einen wichtigen Termin XY und werde deshalb keine weitere Aktionen heute mehr machen.”
- “Ich habe um XY Uhr einen Zug nach Hause gebucht den ich nehmen werde, sobald Sie mich entlassen."
Leider gibt es keine Garantie dafür ob es klappt. Manchmal nehmen sie einfach alle Personen mit, manchmal niemanden und manchmal unterscheiden sie nach Aussage. Die Aussagen erhöhen nur die Wahrscheinlichkeit für das gewünschte Ergebnis. Wenn du noch eine Aktion machen willst kann es sinnvoll sein „keine Aussage“ zu machen, aber es gibt da auch keine Garantie freigelassen zu werden. Es kann auch von Vorteil sein die Aussagen von sich aus bei der Polizei zu machen, wenn sie nicht fragen. Wir empfehlen, euch an eure Aussagen zu halten, damit die Aussagen anderer Aktivist*innen auch als wahrheitsgemäß angesehen werden. Ihr seid grundsätzlich nicht verpflichtet die Wahrheit zu sagen, wenn ihr aber zum Beispiel angebt, nicht nochmal in Aktion gehen zu wollen und dann noch einmal festgenommen werdet, schadet das natürlich eurer Glaubwürdigkeit und auch in Gerichtsprozessen kann Unehrlichkeit euch potenziell negativ ausgelegt werden.
Länge?
Für die spezifische Länge einer Gewahrsamnahme kommt es ein bisschen auf das Bundesland an, in dem du in Aktion gehst. Im Allgemeinen lässt sich die Grundsatzlänge als bis zu 24 Uhr des Folgetages festhalten - dies geht ohne einen richterlichen Beschluss. Allerdings muss dieser nach §128 I StPO möglichst schnell eingeholt werden.
Ein Gewahrsam kann richterlich auch verlängert werden. Da kommen in den einzelnen Bundesländern wieder sehr unterschiedliche Gesetze zum Einsatz. Für eine Übersicht darüber schau mal hier: https://wiki.raz-ev.org/de/Rechtshilfe/Repression/Gesa/Bundesl%C3%A4nder
Typischer Ablauf auf der Gesa
- Durchsuchen von Kleidung und Taschen
- In Zelle warten
- Mehrere Stunden möglich ohne Beschäftigungsmöglichkeiten (auch als Schikane verwendet)
- In die Zelle darf nur die unmittelbare Kleidung mitgenommen werden
- Gürtel, Schnürsenkel und manchmal auch Brillen müssen abgegeben werden
- Erkennungsdienstliche Behandlung - möglicherweise (aber nicht immer) bestehend aus folgenden Dingen: Nackt ausziehen (sehr selten bisher in der Kurz-Gesa, aber mensch sollte mental hierauf eingestellt sein), Größe messen und wiegen, Fotos aus verschiedenen Winkeln (Grimassen schneiden und Augen zumachen meist akzeptiert, wenn nicht in die Kamera geschaut wird, wird meist Zwang angewendet), Finger- und Handabdrücke, DNA-Entnahme (möglich, aber unwahrscheinlich & richterlicher Beschluss notwendig)
- Eventuell Vorführung vor eine/n Gewahrsamsrichter/in oder Haftrichter/in
Erkennungsdienstliche (ED-) Behandlung
- Die ED-Behandlung wird angewendet, um deine Identität festzustellen, oder um Informationen über dich zu sammeln, die in Zukunft bei der Feststellung deiner Identität hilfreich sein können.
- ED-Behandlungen können aus folgenden Elementen bestehen: Nackt ausziehen (sehr selten bisher in der Kurz-Gesa, aber mensch sollte mental hierauf eingestellt sein), Größe messen und wiegen, Fotos aus verschiedenen Winkeln, Finger- und Handabdrücke (sehr selten auf Fuß- oder Ohrabdrücke), DNA-Entnahme (möglich, aber unwahrscheinlich & richterlicher Beschluss notwendig).
- Du bist nicht dazu verpflichtet bei einer ED-Behandlung aktiv zu kooperieren (z.B. Finger auf Scangerät legen), wenn du nicht kooperierst, kann aber Zwang angewendet werden, um die ED-Behandlung zu ermöglichen. Achte aber darauf gewaltfrei zu bleiben, damit dir keine Widerstand/tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen werden kann.
- Manche Aktivist*innen versuchen ihre Identität bei Aktionen nicht preiszugeben und treffen Maßnahmen um bei einer ED-Behandlung nicht identifiziert zu werden. Strategische, rechtliche und praktische Überlegungen zu Identitätsverweigerung von Ende Gelände findest du hier. Beachte aber, dass das Verweigern der Angabe deiner Identität eine Ordnungswidrigkeit darstellt.
Deine Rechte in der Gesa!
Du hast bestimmte Rechte im Polizeigewahrsam, die dir Sicherheit geben können und die du auf jeden Fall einfordern solltest!
Ein erfolgreicher Anruf (=EA)!
- Es kann durchaus sein, dass dir dein Wunsch nach einem Anruf manchmal nicht gewährt wird. Bleib hier hartnäckig und kündige gerne am Anfang an, dass du gerne eine Vertrauensperson anrufen würdest sobald klar ist, wieso du hier bist und wie lange du da bist.
- Mit diesem Anruf solltest du am besten den Ermittlungsausschuss (EA) deiner Bewegung anrufen, damit dieser Bescheid weiß und dich im Blick haben kann. Der EA leitet euch durch das Gespräch. Wichtig ist vor allem, dass du nicht direkt sagst, was du (nicht) gemacht habt, sondern nur, was dir tatsächlich vorgeworfen wird.
- Punkte: Name/Pseudonym, Wie geht es dir?, In welcher Gesa bist du?, Was wird dir vorgeworfen? Wer ist noch mit dir da?
Körperliche Unversehrtheit
- Hierzu zählt zum Beispiel auch der Toilettengang, Wasser, Essen (nach ein paar Stunden), sowie eine Deckte, bzw. Kälteschutz.
Was du nicht machen musst
Du musst im Beisein der Polizei keine Aussagen machen. Mit Aussagen können immer andere Aktivisti belastet werden oder die Strukturen eurer Bewegung offengelegt werden. Also achte darauf wirklich nur Smalltalk zu machen und auf keinen Fall etwas zu internen Absprachen, deiner genauen Rolle etc. zu sagen. Selbst wenn du z.B. nur Support warst und das sagst, belastet das die anderen und gibt der Polizei die Möglichkeit im Ermittlungsverfahren besser zu begründen, warum du trotzdem bestraft werden solltest, während du sonst vor Gericht einfach sagen könntest: “aber ich saß doch gar nicht auf der Straße”, falls die Polizei aufgrund mangelnder Infos dir das vorwirft.
Manchmal ist es aus strategischen Gründen sinnvoll offenzulegen, dass du sobald du entlassen wirst, wieder in Aktion gehen wirst. Dadurch lässt sich in der Regel ein längerer Gewahrsam erreichen und das kann durchaus gewollt sein.
Auch unterschreiben musst du nichts. Und wir würden auch raten, nichts zu unterschreiben. Einfach aus dem Grund, dass es in einer so aufregenden Situation manchmal schwierig sein kann alles ordentlich durchzulesen oder zu verstehen.
Zudem musst du nicht kooperieren. Wenn die Polizei zum Beispiel will, dass du mit zur ED-Behandlung kommst, kannst dich weigern. Dies führt in der Regel dazu, dass Maßnahmen unter Zwang (zum Beispiel Tragen oder Schmerzgriffe) durchgesetzt werden. Achte aber darauf gewaltfrei zu bleiben, damit dir keine Widerstand/tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen werden kann.
Immer widersprechen :)
Wenn du in irgendwelchen Maßnahmen der Polizei bist, solltest du möglichst immer Widerspruch einlegen (zum Beispiel, indem du einfach sagst:
"Ich möchte dieser Maßnahme widersprechen",
"Ich widerspreche dieser ED-Behandlung / der Fingerabdrucknahme…").
Meistens wird diesem Widerspruch zwar nicht stattgegeben, aber du schaffst Arbeit, verzögerst den Prozess, und erwirkst am Ende sogar eine bessere rechtliche Position.
Wieder draußen
Du bist wieder draußen und wirst hoffentlich vom Gesa-Support deiner Bewegung in die Arme geschlossen. Jetzt solltest du dich noch einmal beim EA (sofernes einen gibt) melden und angeben, dass du nicht mehr in der Gesa bist und wie es dir geht. Außerdem ist jetzt das Schreiben eines Gedächtnisprotokoll nicht zu vergessen. Mehr dazu hier.
Vorführung vor eine/n Gewahrsamrichter/in
Die maximale Zeit, wie lang ihr in Gewahrsam sein könnt, variiert von Bundesland zu Bundesland. Um diese Zeit zu verlängern kann die Polizei bei einem Gericht verlängerten Gewahrsam beantragen. Im Regelfall geschieht dies, weil die Polizei davon ausgeht, dass du weitere relevante Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen wirst. Wie lang der Gewahrsam verlängert werden kann variiert von Bundesland zu Bundesland. Für eine Übersicht schau mal hier. Vor dem/der Richter/in, kanns du den selben Leitfaden zur Kommunikation benutzen, wie mit der Polizei (s. oben).
In Manchen Bundesländern brauchst du für jede Vorführung vor eine/n Gewahrsamrichter/in eine anwaltliche Vertretung. Entweder wird dir eine Pflichtverteidigung beigeordnet oder du hast eine eigene Verteidigung, die schnell genug vor Ort sein kann. Im Regelfall, darfst du vor der Vorführung einen Anruf tätigen, um (zum Beispiel über den EA) eine Anwaltsperson zu kontaktieren. Sollte dir dieser Anruf verweigert werden, kannst du zum Beispiel jegliche Kooperation verweigern und immer wieder darauf bestehen. Falls dir eine Verteidigung beigeordnet wird, stelle aufjedenfall im vorherigen Gespräch sicher, das die Person weiß, was dein Ziel in der Vorführung ist.
Langer Gewahrsam im Gefängnis
Wenn vom Gericht längerer Gewahrsam angeordnet wird, kann es sein, dass du für diese Zeit in eine Justizvollzugsanstalt überführt wirst. Dort erwarten dich oft wesentlich angenehmere Haftbedingungen.
Vorführung vor eine/n Haftrichter/in
Im Unterschied zu Gewahrsamsrichter/innen entscheiden Haftrichter/innen nicht über verlängerten Gewahrsam, sondern über Untersuchungshaft (U-Haft).
U-Haft kommt bei Aktivist/innen extrem selten vor, ist aber theoretisch möglich. U-Haft wird verhängt, wenn eine Person dringend einer schweren Straftat dringend tatverdächtigt, ein Haftgrund vorliegt und die U-Haft als verhältnismäßig gesehen wird. Über die Verhängung von U-Haft. entscheidet immer ein Gericht. Haftgründe sind:
- Flucht
- Fluchtgefahr
- Verdunkelungsgefahr (es besteht die Gefahr, dass der Beschuldigte auf Beteiligte oder Beweismittel einwirkt und somit die Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft gefährdet).
- Wiederholungsgefahr (bei schweren Straftaten)
- Identitätsverweigerung (wenn die Person sonst nicht angeklagt werden kann, da die Identität nicht bekannt ist)
U-Haft kann direkt nach deiner In-Gewahrsamsnahme bei einer Aktion beantragt werden oder auch später. In jedem Fall hast das Recht auf anwaltliche Vertretung und kannst mit den Anwält/innen das weitere Vorgehen besprechen.
U-Haft wird gegen Aktivist/innen meist zur Einschüchterung eingesetzt und um Druck auszuüben, um eine Identitätsangabe zu erreichen. Normalerweise musst du dir darüber aber keine Gedanken machen :)
Tipps & Tricks für die Gesa
What to wear am Aktionstag
- Schuhe ohne Schnürsenkel anziehen, damit das Ein- & Ausfädeln erspart bleibt. Manchmal kann mensch dann sogar die Schuhe mit in die Zelle nehmen.
- Hose ohne Gürtel :)
- Extra Corona-Maske dabeihaben als Haargummiersatz.
- Pullis ohne Schnüre tragen.
Angenehmer Schlafen
- Dunkle FFP2-Maske dabeihaben, um diese als Schlafmaske zu nutzen.
- Streifen aus der Gesa-Decke abreißen, um diese als Schlafmaske zu nutzen.
- Zwei Pullis anhaben, um einen als Kissen nutzen zu können.
- Die erste Gesa-Decke unter der Pritsche verstecken und dann nochmal nach einer Decke fragen.
- Knäckebrotverpackungen mit Papierschnipseln ausstopfen und damit Knie/Hüfte polstern beim Liegen.
- Wärmepflaster von DM.
Medikamente & Co
- Ärztliche Bescheinigungen für Medikamente dabeihaben, sowie für Brille, Hörgeräte, Zahnschiene etc.
Zeitvertreib in der Gesa
- Origami aus Knäckebrotverpackungen falten.
- Buch dabeihaben und bei der Durchsuchung wiederholt nachfragen. Oder auch Buchseiten & Magazine unter Einlegesohlen in den Schuhe dabeihaben.
- Singen, so laut es geht!
- Essen in kleine Stücke zerkleinern & bewusst langsam essen.
- Aktion verarbeiten und reflektieren.
- Tanzeeeeen!
- Vorher Widerstandslieder lernen :) Die Akustik ist super in den Zellen!
- Wenn der Geldbeutel mit reingenommen werden darf, kann mensch mit den Münzen super kleine Nachrichten in die Zellentür oder ins Holz ritzen.
- Sticker mit reinschmuggeln & an schönen Orten hinterlassen.
Rechte erstreiten
- frühzeitig, schon direkt nach der Ankunft, nach Toilettengang fragen.
- auf der Toilette ordentlich Wasser aus dem Hahn trinken.
- Mensch kann nach Fenster öffnen oder schließen fragen.
Gefängnissupport
Vernetzung
Vorbereitung:
- Vernetzen mit Gefangenen der betroffenen JVA (Mirko + Gefängnis AG)
- Vernetzen mit Seelsorger*in/Gefängnis-Psycholog*in (auch als Kommunikationskanal) (Emo-Support/Gefängnis AG)
- Vernetzung mit zivilgesellschaftlichen Akteuren (z.B. Amnesty International)
- Unterstützende Kampagnen/Öffentlichkeitsarbeit
Begleitung:
- Vernetzungskontakte aufrechterhalten und nutzen
- Kontakt halten
- Gemeinsame Kampagnen organisieren
- Für Informationsfluss nutzen
- Für Sicherheit im Gefängnis sorgen
Nachbereitung:
- Kontakt aufrechterhalten
- In weitere Betreuungen integrieren
Öffentlichkeits-AG
Vorbereitung:
- Bereitschaft der Betroffenen zur Öffentlichkeitsarbeit abfragen
- Ggf. Trainingsangebote zu verschiedenen Formaten (nicht zwingend notwendig)
- Pressetraining
- Skillshare: so beantrage ich Presseinterviews im Gefängnis (Hürden und Dauer etc.)
- Teil des Gefängnis-Trainings
- Adresse einrichten, an die offene Briefe geschickt werden können
- Wenn deine Bewegung mit Social Media arbeitet, können sie darüber veröffentlicht werden
- Presse:
- Presse zu Interviews vor Haftantritt einladen, die dann eine erste Bindung an deine Geschichte haben und somit größeren Anreiz dran zu bleiben
- Besonderer Fokus Lokalpresse -> hier im Zweifel mehr Interesse, da persönlicher Bezug (auch bei Leser*innen)
- Journalist*innen haben Gefängnisse noch gar nicht auf dem Schirm
- Von Anfang an gedämpfte Aufmerksamkeit: Presse wartet nicht richtig darauf und stürzt sich dann drauf
- Hier gibt es vermutlich auch einen Abnutzungseffekt
- Außenkommunikations AG deiner Bewegung muss möglicherweise Prioritäten setzen (ggf. Auf Haftstrafen, bekannte Gesichter, weil mehr Identifikationspotential)
- Kann sich unfair anfühlen…
- Ergibt strategisch Sinn hier zu fokussieren
- Außenkommunikations AG erstellt einen Leitfaden zur Pressearbeit
- So können Betreuungskreise Pressearbeit in die Hand nehmen
- Kann sich unfair anfühlen…
- Social Media:
- Betroffene Person nimmt Statement auf für Social Media
- Ggf. auch auf eigenem Kanal: so fühlt es sich an, sich auf Haft vorzubereiten - davor habe ich Angst / das bestärkt mich / weshalb muss ich in Haft und weshalb habe ich das getan? …
Begleitung:
- Relativ früh beantragen, dass Presse besuchen darf
- Ggf. zusätzlichen Druck von Außen aufbauen
- Presse organisieren, die bereit ist für Besuch
- Offene Briefe schreiben und veröffentlichen
- Menschen, die in Haft sind in Interviews / Talkshows, etc. erwähnen / sichtbar machen
- Bedenken: viel Aufmerksamkeit von außen baut Druck auf die JVA auf. Das kann auch negative Konsequenzen auf andere Gefangene haben, die nichts mit deiner Bewegung zu tun haben. Hier wollen wir versuchen, vorher ins Gespräch zu gehen und Gefangene nicht überrumpeln.
Nachbereitung:
- Ggf. auch hier nochmal Interviews organisieren
- Je nach Kapazitäten / Möglichkeiten der betroffenen Person
- Presse zu Abholung (wenn z.B. Aktion geplant oder Versammlung)
- Statements für Social Media
Emo-Support
Grundgedanke:
Jeder gefangenen Person wird eine Emo-Support-Person für die gesamte Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung der Haftzeit zugeteilt (hier auch gerne ehrlich sagen mit wem ihr euch wohl fühlt)
Vorbereitung:
- Vorbereitungsangebote entwerfen und anbieten (hier gibt es schon einiges)
- Individuelle Angebote und Gespräche
- Vernetzung mit Gefängnisseelsorge, etc.
Begleitung:
- Briefkontakt zwischen betroffener Person in Haft und Emo-Support Person
- Telefonkontakt/Besuche
- Wenn möglich
Nachbereitung:
- Professionelle psychologische Begleitung (stark empfohlen)
- Retreats/Orte zur Erholung
- Angebote zur Nachbereitung
- Gruppenangebote zum Austausch
- Besonders auch individuelle Begleitung
Bei Fragen an den Emo-Support oder Bedarf nach Emo-Support zögert nicht euch an empsy-support@raz-ev.org zu wenden.
Gefängnissupport - Konzept und Strategie
Diese Seite gibt euch Überblick zu der Tätigkeit, dem Aufgabenbereich, und den Angeboten der Gefängnis-AG. Im weiteren sind verschiedene Aspekte des Gefängnissupports jeweils in die Zeitabschnitte “Vorbereitung”, “Begleitung” und “Nachbereitung” unterteilt, um zu verstehen welche unterschiedlichen Aufgaben zu unterschiedlichen Zeiten anfallen.
Die Aspekte, die näher beleuchtet werden sind:
- Aufbau der Gefängnis-AG & den individuellen Betreuungen;
- die Begleitung der Menschen;
- beteiligte AGs und ihre Rollen;
- Kommunikation und Informationsflüsse;
Für die konkrete Betreuung erarbeitet die Gefängnis AG gerade Checklisten für die betroffenen Personen und die Betreuungspersonen, damit besonders in der Vorbereitung nichts Wichtiges vergessen wird.
Kontakt Gefängnis AG: legal@raz-ev.org (bitte an Gefängnis AG adressieren)
Hinweis: Wir wollen keinen Menschen in der Repression alleine lassen. Es braucht die aktive Beteiligung des Umfelds (etwa seiner Bewegung und darüber hinaus), um das zu gewährleisten. Denke immer daran, dass du schlussendlich trotzdem alleine in Haft bist und dass du für dich selbst die Verantwortung trägst. Bereite dich also gut vor und finde Stärke und Ressourcen in dir selbst, um Gefängnis gut zu überstehen.
Zusammenfassung von strategischen Überlegungen zu Gefängnisaufenthalten
Gefängnissupport – Struktur
In diesem Beispiel gibt es gerade 3 Menschen der Bewegung “Letzte Generation”, die ins Gefängnis gehen und deshalb 3 Betreuungsgruppen. Jede betroffene Person baut ihre eigene Betreuungsgruppe auf.
Beteiligte Gruppen/Rollen
Auf der Grafik finden sich ganz unterschiedliche Gruppen - diese sind hier direkt ausführlich erläutert mit Blick auf ihre Rolle im Prozess.
Gefängnis AG:
- Erstellt, reflektiert und überarbeitet Konzepte;
- Organisiert und schafft neue Angebote, etc.;
- Behält Überblick über alle Menschen, die ins Gefängnis müssen;
- Berät Betreuungspersonen (direkt und über den Austauschraum zu Betreuungen);
- Aufklärungsangebote machen, Kommunikation in die jeweilige Bewegung (hier Letzte Generation, über das Legal Team angebunden).
In der Gefängnis AG besprechen sich der Emo Support, die (Gefängnis-)Vernetzung, der Bereich Trainings und Bildung und die Legal Strategie.
Austauschraum zu Betreuungen:
- Vernetzung aller Betreuungspersonen;
- Tauschen sich über aktuelle Fragen und Herausforderungen in der Betreuung aus;
- Menschen von der Gefängnis AG sind dabei und beantworten Fragen und nehmen Punkte in die AG mit;
- Fachleute können hinzugezogen werden;
- Emo-support kann hinzugezogen werden;
- Fachlicher Austausch;
- Austauschraum = Zoom Raum (wöchentlich), Signal Gruppe.
Betreuungsgruppen:
- Gruppen zur Betreuung der individuellen betroffenen Personen (betroffene Person = Knasti/Häftling/Gefangene*r);
- Emo-Support Person (die der*dem Betroffenen zugeteilt ist);
- Personen aus dem persönlichen Umfeld des*r Betroffenen (vielleicht auch Widerstandsgruppe/Bezugsgruppe/etc.);
- Anwält*in des*r Betroffenen;
- Betroffene Person schlägt Menschen vor, spricht mit Menschen und fragt, ob sie sich Betreuung vorstellen können -> Betroffene bauen Betreuungsgruppe selbst auf!
- (in Ausnahmefällen unterstützt Gefängnis AG hierbei);
- Es kann passieren, dass Betreuungspersonen ausfallen/Betreuungspersonen brauchen unterschiedlich viel Unterstützung;
- Einzelne aus der Gefängnis AG fühlen sich zuständig im Notfall einzuspringen und Ersatz zu besorgen
- Supervision durch die Gefängnis AG im Austauschraum und individuell;
- Betreuungsgruppe kümmert sich nicht nur um den*die Gefangene*n, sondern auch Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit, Briefkampagnen, Infotische, etc.;
- Direkt mit Ansprechpersonen aus der Letzten Generation im Kontakt (z.B. Außenkommunikation).
Betreuungsperson:
- Bevorzugt von Betroffenen selbst ausgewählt;
- Zugang zum RAZ Tool -> Überblick über JVAs, Kontakte, besondere Bedürfnisse, To-Dos, etc.;
- Koordiniert die Betreuungsgruppe;
- Trägt die unmittelbare Verantwortung für die Betreuung der betroffenen Person.
Individuelle Betreuung(en)
Vorbereitung:
- Jede*r Betroffene (Knasti) wählt eine Betreuungsperson aus.
- z.B. persönlicher Kontakt/Angehörige/Bekannte/Freund*in, die*der diese Aufgabe gerne übernehmen will -> wird von der Gefängnis AG trainiert und in Absprachen und Informationsflüsse eingebunden.
- Die Betreuungsperson kann aus der Gefängnis AG kommen.
- Nur im Notfall! (Wenn es z.B. sehr schnell gehen muss)
- Die Gefängnis AG besteht immer als Auffang-Struktur für ausfallende Betreuungspersonen. Es ist also wichtig, dass hier Kapazitäten frei bleiben.
- Daten sammeln:
- Gefängnis AG sammelt Daten zur JVA:
- Informationen zusammensuchen, um konkrete Vorbereitung zu erleichtern (z.B. was muss ich zu Beginn organisieren, um telefonieren zu dürfen, etc.);
- Mit Betroffener*m absprechen wo sie*er gemeldet ist und gemeinsam die jeweilige JVA anschauen -> überlegen, ob Ummeldung gut wäre (Möglichkeit so eine andere JVA zu wählen);
- Betreuungsperson trägt persönliche Daten, Notfallkontakte, besondere Bedürfnisse etc. der betroffenen Person ein (im Legal Tool);
- So können bei Ausfall der Betreuungsperson notfalls andere Personen übernehmen.
- Gefängnis AG sammelt Daten zur JVA:
- Konkrete Vorbereitung:
- Betreuungsperson, Gefängnis AG (vllt. + Anwält*in) und betroffene Person machen gemeinsam eine Liste, was alles zur Vorbereitung nötig ist (ggf. allgemeine Checkliste erweitern um persönliche Bedürfnisse/Umstände);
- Kommunikationswege möglichst schnell zu Beginn der Zeit in der JVA organisieren -> Plan machen
- Option offener Vollzug und Freigang klären (frühzeitig klären);
- Ummelden zu anderer Haftanstalt organisieren -> in lokale Widerstandsgruppen fragen, nach Kontakten fragen;
- Ggf. Vollmachten vergeben für Bankkonto, etc./Schlüssel zu Wohnung weitergeben, …
- Weitere Punkte zur Checkliste werden noch erarbeitet -> Checklisten werden bereitgestellt sobald verfügbar
- Betreuungsgruppe:
- Betreuungsperson (zusammen mit betroffener Person) gründet eine Gruppe zur Betreuung der betroffenen Person während der Haftzeit
- Betreuungsperson
- Ggf. Anwält*in
- Angehörige, Freund*innen, solidarische Unterstützer*innen (ggf. Bezugsgruppe/WiG)
- Emo support
- Ggf. in Einzelfällen Ansprechperson von Presse/Außenkommunikation
- Ggf. Gefängnis AG, wenn Informationsfluss sonst zu schlecht ist
- Betreuungsperson (zusammen mit betroffener Person) gründet eine Gruppe zur Betreuung der betroffenen Person während der Haftzeit
- Angehörige und Unterstützer*innengruppe auch vorbereiten
- Ggf. zu Trainings einladen
- Austauschräume organisieren und Erwartungen aneinander klären
- Prozess: Wie gehen wir in Notfällen vor? Welche Notfälle kann es geben?
- Absprechen und Vorbereiten
- Orga: Haftantritt
- Gruppe, die mit zur JVA kommt? (Mahnwache/Kundgebung? Andere kreative Ideen, wie z.B. Nicht freiwillig gehen, sondern aus Blockade mitnehmen lassen (zusätzliche Belastung)?);etc.
- Aufgabe der Betreuungsgruppe
- Gruppe, die mit zur JVA kommt? (Mahnwache/Kundgebung? Andere kreative Ideen, wie z.B. Nicht freiwillig gehen, sondern aus Blockade mitnehmen lassen (zusätzliche Belastung)?);etc.
- Presse: Bei Lokalpresse anrufen und erzählen, dass man in den Knast geht, etc. - Presse AG stellt Ansprechperson/Mentor*in bereit.
- Social Media: Statement aufnehmen, gute Fotos machen
- Bei Geldstrafen:
- Absprache zu Rauskaufen: Wann, wie, wie wird das kommuniziert, etc.
- Schon einmal Ideen zur Abholung sammeln: Wie möchte die betroffene Person ggf. abgeholt werden?
Begleitung:
- Betreuungsperson hält per Telefon und Brief direkt Kontakt zur betroffenen Person (im Notfall über Anwält*in)
- To-Dos, die aus dem Kontakt entstehen werden in die Betreuungsgruppe weitergegeben und dort verteilt, liegen aber zuerst immer in der Verantwortung der Betreuungsperson
- Guthaben aufladen für Telefon; Päckchen packen und schicken; Buch/sonstige Gegenstände besorgen und versuchen reinzubringen; Etc.
- Wissen hierzu (zur Beschaffung etc.) im Wiki notieren (Erfahrungssammlung).
- Guthaben aufladen für Telefon; Päckchen packen und schicken; Buch/sonstige Gegenstände besorgen und versuchen reinzubringen; Etc.
- Vermittlung von Seelsorge/Emo-Support, etc. soweit möglich (wenn von Außen), aber anstaltsinterne Seelsorger*innen/Psycholog*innen kann sich die betroffene Person von innen bestellen (Antrag).
- Emotionaler Support auch für Betreuungspersonen während der Begleitung.
- Vermittlung in Notfällen (an Gefängnis AG/Mirko)
- Art des Notfalls?
- Gefängnis AG sucht gemeinsam Lösung
- Bei Gewalt/Gewaltandrohung/Schutz ggf. direkt an Mirko wenden (Prozess vorher absprechen)
- Art des Notfalls?
- To-Dos, die aus dem Kontakt entstehen werden in die Betreuungsgruppe weitergegeben und dort verteilt, liegen aber zuerst immer in der Verantwortung der Betreuungsperson
- Bei Geldstrafen:
- Wenn Person entscheidet, die Haft beenden zu wollen -> Geld besorgen, um aus dem Gefängnis herauszukaufen
- Ggf. Crowdfunding-Kampagne
- Absprachen im Vorfeld zu einer Person, die vorstrecken kann (damit es schnell geht)
- Dann Erstattung über Crowdfunding
- Das Legal Team hat einen kleinen Notfall-Fund, wenn kein Mensch zum Vorstrecken gefunden werden konnte und es schnell gehen muss
- Wenn Person entscheidet, die Haft beenden zu wollen -> Geld besorgen, um aus dem Gefängnis herauszukaufen
- Vorbereitung Haftende
- Abholung organisieren
- Bedürfnisse hierzu absprechen
- Kleiner Rahmen (nur Freund*innen/Familie) oder größere Kundgebung etc.
- Frühzeitig organisieren!
- Auch: Wie stellst du dir die Tage danach vor?
- Öffentlichkeitsarbeit
- Angehörige mitbetreuen, wenn leistbar und sinnvoll
- Manche Angehörige von Betroffene können in der Betreuung der Betroffenen Person unterstützen, manche Angehörige brauchen wiederum eher selbst eine Betreuung -> nicht vergessen
Nachbereitung:
- Betreuungsverhältnis bleibt auch in den Monaten danach bestehen: Regelmäßig einchecken & Nachbereitungsangebote vermitteln.
- Ggf. soziale Betreuung (Schuldnerberatung, Bürgergeldantrag zusammen stellen, etc.): Angebote vermitteln
Kommunikation und Informationsfluss
Vorbereitung:
- Anwält*in
- Kontakt zu Betreuungsperson herstellen (Vertrauensverhältnis schaffen)
- In Betreuungsgruppe einbeziehen
- Vorbesprechen welche Kommunikation über Anwält*in laufen kann/sollte und welche nicht
- Seelsorger*in, etc.
- Mögliche alternative Kommunikationswege über Vernetzung aufbauen
- Betreuungsperson
- Nummer freischalten als Kontakt (Nummer mit ins Gefängnis nehmen)
- Notfallkontakt Mirko
- Entweder über Betreuungsperson oder direkt Nummer mitnehmen
- Adressen für Briefe mitnehmen
- Die gleiche Adressliste (Kopie) nochmal von der Betreuungsperson in den Knast reinschicken lassen
- Anfangskommunikation vorbereiten
- Besonders das direkte Ankommen im Knast wird ohne Kommunikationsweg passieren
- Kommunikation wird dann erst aufgebaut
- Ggf. können Briefe zum Beispiel schon vor Haftantritt versandt werden, die dann kurz nach/direkt bei Haftantritt ankommen
- Gefangene nimmt Postkarte mit (schon mit Briefmarke und Adresse) und sendet sie so bald wie möglich ab
- Wenn nach 3 Tagen bei der Person draußen (adressiert) nichts angekommen ist wird Anwalt eingeschaltet
- Dann ist der Kommunikationsweg wieder aufgebaut
- In der Regel verändert die Anstalt ihren Umgang mit Post nicht während der Haft, wenn der Kontakt einmal läuft -> wichtig, dass das zu Beginn hergestellt wird
Begleitung:
- Betreuungsperson überblickt und koordiniert Informationsfluss
- Kommunikation effektiv halten
- nicht doppelt sondern weitergeben
- Austausch über Betreuungsgruppe
- Kommunikation effektiv halten
- Briefe -> alle
- Gefangene können nur nach draußen telefonieren
- Es ist nicht möglich Gefangene von draußen proaktiv anzurufen
- Begleitung Angehöriger etc.
- Telefonate mit der Anstalt -> Betreuungsperson
- Auch mit Seelsorger*in und Anwält*in kommunizieren
Nachbereitung:
- Kommunikation auswerten und Erfahrungen sammeln/aufschreiben
- JVA spezifisch und allgemein
- Ggf. irgendwelche Vollmachten widerrufen
- Betreuung sollte Kommunikation klären/planen für die Zeit nach der Haft
- Gute Kontakte nach Entlassung versuchen aufrechtzuerhalten
- guten Kontakten danken
Weitere Seiten:
Die Rolle des Emo-Supports in diesem Prozess kannst du hier nachlesen.
Die Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit in diesem Prozess kannst du hier nachlesen.
Die Aufgaben der Vernetzung in diesem Prozess kannst du hier nachlesen.
Strafen-und-Kosten
Einstellungen
Im Verlauf eines Verfahrens kann es an unterschiedlichen Punkten zu Einstellungen oder Angeboten von Einstellung vonseiten des Gerichts oder auch der Staatsanwaltschaft kommen. Außerdem ist es möglich, selbst als Verteidigung oder als angeklagte Person eine Einstellung begründet vorzuschlagen. Auf dieser Seite findest du hierfür Informationen zu den unterschiedlichen Möglichkeiten, der Bedeutung der einzelnen Paragraphen, sowie auch zuallererst eine strategische Einschätzung zu der Relevanz von Einstellungen.
Wenn du konkrete Fragen zu deiner persönlichen Situation hast, melde dich am besten per Mail bei legal@raz-ev.org. Wenn du bereits eine Ansprechperson von RAZ aus hast, die z.B. die Vorbereitungen zu deinem Gerichtstermin betreut, kannst du dich mit Fragen hierzu auch direkt bei ihr melden.
Strategische Gedanken von RAZ
Natürlich liegt die Entscheidung, ob Einstellungen für dich sinnvoll sind etc. letztlich komplett bei dir und RAZ unterstützt dich im Umgang damit. Trotzdem möchten wir einmal strategische Abwägungen teilen, die für oder auch gegen Einstellungen in Verfahren von Klimaaktivist*innen sprechen.
Wir empfehlen Einstellungen nicht generell, da uns klare Entscheidungen von Gerichten deutlich weiter bringen in unserer Konfrontation der Justiz mit der Herausforderung der Klimakrise und dem Umgang mit friedlichen Protesten in diesem Kontext. Aber im Einzelfall können sie sinnvoll sein.
Zur Erinnerung: Wir sind davon überzeugt, dass ziviler Widerstand das effektivste und aktuell geeignetste Mittel ist, gesellschaftlichen Wandel in der Klimakrise anzustoßen. Deshalb ist unsere Aufgabe auch, dass wir Protesträume verteidigen während wir das Justizsystem mit der Frage nach Gerechtigkeit, Legitimität von friedlichen Protesten, sowie der Herausforderung der Klimakrise konfrontieren. Dies geht am effektivsten in Gerichtssälen und indem wir Druck auf die Menschen ausüben, die dort Entscheidungen treffen müssen - also die Richter:innen. Dadurch kann ein Drama zwischen Politik und Justiz entstehen und durch unsere Unnachgiebigkeit verstärkt werden. Gleichzeitig müssen wir als Aktivist:innen handlungsfähig bleiben.
Einstellungen während Gerichtsprozessen
Zuallererst: Wenn dir im Laufe eines Gerichtsprozesses das Angebot einer Einstellung von Richter:in oder Staatsanwaltschaft gemacht wird, kannst du dir ruhig ordentlich Zeit nehmen, um darüber nachzudenken. Hier ist eine Pause wichtig, um über das Angebot zu beraten. Eventuell möchtest du hier auch kurz eine Person von RAZ anrufen. Außerdem musst du nicht das Angebot einfach dankbar annehmen und kannst Forderungen/Ansprüche stellen, indem du z.B. über Höhe der Geldauflage oder die Anzahl der Sozialstunden etc. diskutierst.
Auch wenn du anwaltlich vertreten bist, nimm dir hier ausführlich Zeit, um zu verstehen, welche Konsequenzen die einzelnen Angebote haben.
Einem Einstellungsangebot zuzustimmen kann sich wie Aufgeben und Akzeptieren anfühlen - so als hättest du etwas tatsächlich falsch gemacht und würdest nun noch “gut davonkommen”.
- Trotzdem kann es sinnvoll sein, ein solches Angebot anzunehmen.
- ACHTUNG: Oft werden in solchen Fällen die Kosten bei der angeklagten Person verortet! Dies muss aber nicht so sein, Kosten von Einstellungen sollten in unserem Fall bei der Staatskasse sein! Deine Schuld, bzw. dein strafbares Vergehen wurde hier ja gar nicht bis zum Ende geprüft.
- Beantrage also, dass die Kosten und Auslagen von der Staatskasse getragen werden sollen.
Es gibt viele Vor- und Nachteile von solchen Einstellungen. Als mögliche Nachteile zu Bedenken möchten wir hier folgende Punkte in den Raum stellen:
- Richter:innen können sich aus der Entscheidung rausziehen und müssen nicht ausführlich abwägen.
- Teilweise drücken sich Richter:innen durch Einstellungen ohne Auflagen vor Urteilen, unter anderem auch vor Freisprüchen. In Bensheim haben das Gericht und die Staatsanwaltschaft zum Beispiel erst versucht, den Angeklagten eine Einstellung ohne Auflagen anzubieten und nachdem die Angeklagten dieses Angebot abgelehnt haben, hat das Gericht freigesprochen.
- Du kannst hinterher nicht Rechtsmittel oder ähnliches einlegen, da du bereits zugestimmt hast. Außerdem gibt es auch keine Begründung zu den Abwägungen in schriftlicher Form.
- Wenn von dir bereits mehrere Verfahren eingestellt wurden, kann dies vom Gericht als Argument genutzt werden ein aktuelles Verfahren nicht mehr einzustellen. Einstellungen tauchen zwar nicht im polizeilichen Führungszeugnis auf, liegen den Gerichten aber vor. So kann sich eine Einstellung auch auf zukünftige Verfahren auswirken. Ein Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Einstellung des Verfahrens ist gemäß § 305 StPO nicht möglich.
Einstellungen vor dem Gerichtsprozess
- Das Erwirken einer Einstellung vor der tatsächlichen Verhandlung vor dem Gericht kann sinnvoll sein (dies ist zum Beispiel auf Anregung nach § 154 StPO möglich - dazu mehr später), da dies effektiv Kapazitäten und Repressionen einspart und dir gleichzeitig das Gefühl des Gewinnens mitgeben kann. Du sparst dir einen nervenaufreibenden Termin, sowie Geld und andere Ressourcen, die normalerweise in die Vor- und Nachbereitung eines solchen Termins fließen.
- Eine Möglichkeit hier kann sein, selbstständig Einstellungsangebote an die Gerichte bei laufenden Verfahren rauszuschicken und darin z.B. auf bereits rechtskräftige Verurteilungen oder laufenden Berufungsverhandlungen hinzuweisen (siehe § 154 StPO, weiter erklärt unten).
Unterschiedliche Einstellungsmöglichkeiten
Einstellung nach § 153 StPO wegen Geringfügigkeit
Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/153.html
- Unter diesem Paragraphen werden Tatbestände gefasst, die als Vergehen definiert werden. Das bedeutet, dass die Taten im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe geahndet werden (siehe § 12 StGB für den Unterschied zu Verbrechen). Straßenblockaden, sowie die typischen Vorwürfe bei Verfahren der Letzten Generation fallen in diesen Bereich (Nötigung, Widerstand, Sachbeschädigung & Co).
- Eine Einstellung nach § 153 StPO ist auch möglich, wenn im Verfahren durch Fallenlassen von Anklagepunkten nur noch ein Vergehen vorgeworfen wird (obwohl vorher vielleicht ein Verbrechen im Raum stand).
- Schuld muss als gering anzusehen sein, also im Vergleich unter dem Durchschnitt liegen.
- Es kann auch nach § 153 StPO eingestellt werden, wenn von der Staatsanwaltschaft kein öffentliches Interesse an der Verfolgung angenommen wird (meist der Fall, wenn die angeklagte Person nicht vorbestraft ist).
Folgen:
- kein Schuldnachweis, keine Eintragung ins Bundeszentralregister
- Tat kann nicht mehr als Vergehen verfolgt werden.
Strategiehinweis: §153 StPO ist ein Freispruch light. Oft werden Richter*innen und Staatsanwält*innen dem nur zustimmen, wenn sie euch auch freisprechen würden. Es kann auch sein, dass Richter*innen Angst haben freizusprechen und dafür in der Öffentlichkeit oder von Kolleg*innen “verurteilt” zu werden. In solchen Fällen ist die Einstellung ein Ausweg.
Achte hier besonders auf die Kosten! Wenn dir die Kosten des Verfahrens auferlegt werden, wird es auch noch teurer für dich, als ein Freispruch (da muss immer die Staatskasse bezahlen). Beantrage also zumindest, dass die Staatskasse die Kosten trägt, wenn du nicht das Risiko eingehen willst, dann vielleicht doch verurteilt zu werden, wenn du der Einstellung widersprichst.
Einstellung nach § 153a StPO gegen Auflagen und Weisungen
Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/153a.html
- Anwendung bei Vergehen (s.o.).
- Auch möglich, wenn im Verfahren durch Fallenlassen von Anklagepunkten nur noch ein Vergehen vorgeworfen wird.
- Schuld darf der Einstellung nicht entgegenstehen (auch bei mittelschweren Vergehen möglich).
- Es kann auch nach § 153a StPO eingestellt werden, wenn von der Staatsanwaltschaft kein öffentliches Interesse an der Verfolgung angenommen wird (meist der Fall, wenn die angeklagte Person nicht vorbestraft ist).
- Ein häufiger genutzter Weg, um eine „richtige Bestrafung“ zu verhindern, wenn aufgrund der Beweislage eine Verurteilung wahrscheinlich ist.
Folgen:
- verschiedene Auflagen möglich wie Täter-Opfer-Ausgleich, Geldzahlung, Schadensbehebung, Sozialtraining oder gemeinnützige Arbeiten.
- Kein Schuldnachweis = keine Eintragung ins Bundeszentralregister
- Tat kann nicht mehr als Vergehen verfolgt werden.
Strategiehinweis: Da du einer Auflage zustimmst, kann sich eine Einstellung nach §153a für dich anfühlen, als hättest du zugestimmt Schuld zu tragen und hoffst noch möglichst gut davonzukommen. Manchmal ist es auch gar nicht “billiger” als eine Geldstrafe. Überlege dir also gut, wie du dich damit fühlen würdest, zumindest formell eine Schuld einzugestehen. Grundsätzlich raten wir von dieser Art der Einstellung eher ab. Wenn es für dich und z.B. deinen Beruf aber besonders wichtig ist, keine Eintragung ins Führungszeugnis zu bekommen, kann das hier der springende Punkt in der Abwägung sein.
Teileinstellung nach § 154 bei mehreren Taten derselben Person
Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/154.html
- Findet zum Beispiel Anwendung, wenn gegen die beschuldigte Person bereits ein rechtskräftiges Urteil wegen einer anderen Tat vorliegt oder ein solches zu erwarten ist. Neben diesem fällt die zu erwartende Strafe in der vorliegenden Sache nicht ins Gewicht und muss dementsprechend nicht zusätzlich bestraft werden.
- Eine weitere Möglichkeit ist, dass ein Urteil zeitnah nicht zu erwarten ist und ein rechtskräftiges oder zu erwartendes Urteil wegen einer anderen Tat reicht zur Einwirkung auf die beschuldigte Person bereits aus.
- Diese Einstellungsmöglichkeit wird oft vonseiten der Staatsanwaltschaft angeregt und dann bereitwillig von Richter:innen angenommen - auch um Arbeit zu sparen. Dann braucht es keine Zustimmung von dir oder deiner Verteidigung.
Folgen:
- Teileinstellung
- keine Schuldfeststellung
- kein Eintrag ins Bundeszentralregister
- Wiederaufnahme möglich, solange Tat nicht verjährt ist
- Zum Beispiel sinnvoll, wenn bereits eine erste Bestrafung vorliegt und die Justiz überfordert ist, und nicht mehrere Taten derselben Person verfolgen kann/will.
Strategiehinweis: Mit dieser Einstellung sparen sich Gericht und Staatsanwaltschaft Arbeit. Es kann aber auch dir Arbeit sparen, deshalb kann es Sinn ergeben, diese Einstellung im Vorhinein anzuregen. Hier ist allerdings deine Zustimmung nicht nötig, sodass du Gerichte nicht davon abhalten kannst so einzustellen, wenn du eher Arbeit verursachen willst. Von daher ist deine Möglichkeit der Einflussnahme hier begrenzt.
Du kannst auch selbst eine Einstellung nach § 154 StPO anregen. Hier findest du eine beispielhafte Vorlage, wie das aussehen könnte.
Anregung einer Einstellung des Bußgeldverfahrens nach § 154 StPO mit Blick auf laufende Strafverfahren.
Einstellung nach § 154a StPO
Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/154a.html
- Dieselbe Tat oder mehrere abtrennbare Teile derselben Tat verwirklichen mehrere Tatbestände.
- Einzelne Taten/Teile der Tat fallen neben der „Haupttat“ oder einem rechtskräftigen oder zu erwartenden Urteil gegen die beschuldigte Person nicht ins Gewicht. Dies ist teilweise der Fall, wenn in einem Verfahren Nötigung und Widerstand verfolgt werden. Dann kann es zum Beispiel zu einer Einstellung des einen Vorwurfs kommen, da der andere klarer/einfacher zu verhandeln ist. Dann wird der andere Vorwurf eingestellt und die Verfolgung auf die „Haupttat“ beschränkt.
Folgen:
- Kein Schuldnachweis, kein Eintrag ins Bundeszentralregister.
- Aktenvermerk über Beschränkung in Gerichtsakte der Haupttat.
- Die eingestellte(n) Tat(en) können nicht mehr verfolgt werden.
Strategiehinweis: Das entscheiden Richter*innen normalerweise einfach während der Verhandlung, wenn irgendetwas schwierig nachzuweisen ist, oder es schon längst Zeit für das Mittagessen ist… Wenn es etwas anderes gibt, für das sie euch verurteilen können, sind sie oft damit zufrieden und lassen den Rest dann einfach bleiben.
Einstellung nach § 170 II StPO
Wortlaut des Gesetzestextes nachzulesen unter: https://dejure.org/gesetze/StPO/170.html
- Liegen zu wenige Beweise oder Zeugenaussagen vor, um den Verdacht gegen eine Person zu erhärten (hinreichender Tatverdacht), stellt die StA das Verfahren von Amts wegen ein.
- Hier hast du keine negativen Folgen, sondern das gesamte Verfahren ist eigentlich einfach abgehakt.
- Dies passiert relativ selten bei Verfahren von Klimaaktivist*innen, aber tatsächlich immer häufiger in München und in Tübingen.
Strategiehinweis: Nice, weil es uns Arbeit und Repressionen spart. Wir haben hier außerdem keinen Einfluss drauf…
Tagessätze
Übersicht zu rechtskräftigen Verurteilungen
Hier findest du einen ausführlichen Artikel zum Umgang mit rechtskräftigen Verurteilungen aus Strafverfahren.
Kann das Einkommen der Ehepartner*in sich auf die Höhe der eigenen Tagessätze auswirken?
Das Einkommen der Ehepartner*in kann berücksichtigt werden, "wenn dem Täter hierdurch tatsächlich Vorteile zufließen. die als tatsächliche Vorteile zufließen, die als dauerhaftes "Einkommen" anzusehen sind (Celle NZW 11, 560)" aus StGB Kommentar von Fischer §10 Rn 7a.
In meiner Erfahrung ist das Sprichwort "über Geld spricht man nicht" im Gericht sehr angebracht, wenn man nicht äußerst wenig Geld hat. Man muss keine Angaben zum Einkommen oder Beruf der Partner*in machen. Ich denke es ist höchst selten klug, freiwillig irgendwelche Zahlen oder so zu nennen, auch wenn die Richter*in noch so nett nachfragt. Dann gibt es eine gute Chance, dass man auf Sozialhilfe Niveau geschätzt wird (10-20€ TS je nach Richter*in).
Ist es möglich Tagessätze in Raten abzubezahlen?
Ja, das kann beantragt werden
Umwelt-Treuhandfonds
Wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt (z.B. weil du Widerspruch gegen einen Bescheid oder einen Strafbefehl eingelegt hast) fallen Gerichtskosten an. Außerdem ist es in einigen Fällen sinnvoll, wenn du dich anwaltlich vertreten lässt (RAZ kann Kontakte vermitteln). Die Prozesskosten, die hierbei entstehen (Gerichtskosten und Anwält*innenkosten) können bei Klimaprotesten in manchen Fällen vom Umwelt-Treuhandfonds (UTF) getragen werden.
Für weitere Möglichkeiten, wie du Repressionskosten finanzieren kannst, schau mal unter: https://wiki.raz-ev.org/e/de/oeffentlich/Legal-Wiki/Repression/Strafen-Kosten/kosten
Antragskriterien des UTF
Antragskriterien sind auf der Website des UTF genauer beschrieben.
Es gibt kein Auszahlungsformular. Ihr schickt einfach eine Mail hin.
Welche Kosten können erstattet werden?
Über den UTF können keine Strafen gezahlt werden. Zu ‚Strafen‘ zählen hier ausnahmsweise ganz unjuristisch auch Dinge wie Gebührenbescheide von Polizeieinsätzen, Lösekosten etc.
Folgende Dinge können vom UTF übernommen werden:
- Kosten für Anwält:innen
- Gerichtskosten
- Evtl. Reisekosten
Kosten von Anwältis?
Wenn Aktivist:innen von Anwält:innen vertreten werden (hier entstehen ja auch die meisten erstattungsfähigen Kosten), läuft der Antrag beim UTF im Normalfall über die Anwält:innen. Der Antrag kann gestellt werden, bevor das Verfahren abgeschlossen ist. Hier kann der UTF eine Kostenübernahmeerklärung abgeben.
Dazu ist wichtig:
- Kostenschätzung:
- Hier ist wichtig, ob nach RVG abgerechnet wird, oder ob ein höherer Stundensatz anfällt.
- Die Anzahl an Verhandlungstagen etc. kann ja nicht immer vorhergesagt werden.
- Bei Prozessen mit Letzte Generation gibt es mittlerweile Erfahrungswerte wie diese normalerweise verlaufen.
- Erklärung der Betroffenen: Was ist passiert?
- Kurz (ein paar Sätze)
- Brauchen Anwält:innen ja normalerweise auch
- Sonstige Kriterien des Antrags - wie z.B. Aktionskonsens beilegen - erübrigen sich, zumindest bei Protesten der Letzten Generation da dieser auf der Website der Letzten Generation einsehbar ist.
- Verfahrensstand
Rechnungen von Anwaltskanzleien können direkt an den UTF geschickt werden, sollten aber an die Mandant*innen adressiert sein. Es ist auch möglich, dass die Aktivist:innen selbst den Antrag stellen.
Vorteile wenn die Anwält:innen das übernehmen:
- Einheitlichere, professionellere, kürzere Anträge
- Bürokratische Hürde für Aktivist:innen geringer
- Kommunikation direkter (die Anwält:innen brauchen ja das Geld)
- Unsere solidarischen Anwält:innen werden viele Aktivist:innen vertreten und können Vorlagen für den Antrag immer wieder verwenden (Routine - weniger Arbeit)
- Aktivist:innen müssen nicht in Vorauszahlung gehen
Kosten von Selbstverteidigung?
In diesem Fall fallen keine Anwält:innenkosten an. Allerdings können natürlich Gerichtskosten auferlegt werden bei Einstellung des Verfahrens (nicht auf Staatskosten) oder Verurteilung. Hier stellen die betroffenen Aktivist:innen selbst den Antrag beim UTF, nachdem das Gericht entschieden hat, dass sie die Gerichtskosten tragen müssen. Pro Hauptverhandlung sind es am Amtsgericht mindestens 75 €, dazu kommen noch Fahrtkosten von Zeug:innen.
Bildung einer Gesamtstrafe
Im Folgenden erklären wir, was eine Gesamtstrafe ist und wie du diese während eines Gerichtsprozesses, aber auch im Nachhinein – also nach mehrfacher rechtskräftiger Verurteilung – bilden kannst! Ganz unten findest du drei Szenarien, die auf dich zutreffen könnten bezüglich Bildung einer Gesamtstrafe mit praktischen Schritten, die du dementsprechend ergreifen kannst. Falls du Fragen hast, wende dich wie immer gerne an legal@raz-ev.org!
Am Ende dieser Seite findest du eine Übersicht, was genau wichtig ist, für dich praktisch mitzunehmen (;
Worum geht es bei der Gesamtstrafe?
Das “Tool” der Gesamtstrafe ist in erster Linie dann wichtig, wenn Aktivist:innen an mehreren Aktionen beteiligt gewesen sind und für mehr als eine Aktion nun ein Strafverfahren droht, also ein Strafverfahren, in dem mehrere Proteste verhandelt werden.
Hat eine Person mehrere Straftaten begangen, so besteht also gemäß §§ 53, 54 StGB die Möglichkeit, aus den Einzelstrafen eine Gesamtstrafe zu bilden. Der Vorteil bei gemeinsamer Aburteilung liegt für den/die Täter:in darin, dass eine Gesamtstrafe zu bilden ist (§ 54 StGB) und diese die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen darf - das wirkt sich bis auf einige seltene Sonderkonstellationen eigentlich immer positiv aus.
Während § 53 StGB die Voraussetzungen der Gesamtstrafenbildung beinhaltet, ist die Vorgehensweise zur Festlegung der Gesamtstrafe in § 54 StGB geregelt.
Voraussetzungen nach § 53 StGB
Werden mehrere selbstständige Straftaten einer Person in einem einzigen Verfahren abgeurteilt, so ist bei Vorliegen einer Tatmehrheit eine Gesamtstrafe zu bilden.
Was bedeutet nun aber Tatmehrheit? Tatmehrheit liegt vor, wenn mehrere, voneinander unabhängige Handlungen dasselbe oder unterschiedliche Strafgesetze verletzen.
Beispiel: Aktivist:in macht montags eine Straßenblockade und dienstags nochmal eine Straßenblockade - zwei komplett voneinander unterschiedliche Handlungen, die beide jeweils in sich abgeschlossen sind. Da sie das gleiche Strafgesetz verletzen, liegt eine gleichartige Tatmehrheit vor. Wenn mensch nun aber montags eine Straßenblockade macht und dienstags Farbe auf ein Ministerium wirft, so liegt eine ungleichartige Tatmehrheit vor. In beiden Fällen liegt aber die für § 53 StGB nötige Tatmehrheit vor - es kommt also nur darauf an, dass zwei Taten begangen wurden.
Wie wird die Gesamtstrafe gebildet (§ 54 StGB)?
Nun gibt es einige Grundsätze, nach denen sich die Gesamtstrafe bildet. Das Wort Gesamtstrafe ist vielleicht irreführend, weil es nicht darum geht, die Strafen, die durch die Taten für sich genommen drohen, stumpf zu addieren.
Es wird nur die höchste Einzelstrafe erhöht. Im Beispiel oben (Aktivist:in macht eine Blockade und einen Protest mit Tomatensuppe) droht bei der Blockade eine höhere Strafe wegen Nötigung als bei der Tomatenprotest wegen Sachbeschädigung. Das Gericht nimmt nun die höhere Strafe der Nötigung und erhöht diese wegen der Sachbeschädigung geringfügig.
Nachträgliche Bildung von einer Gesamtstrafe
a) Im folgenden Prozess
Aber was tun, wenn keine Gesamtstrafe in deinem Verfahren gebildet wird? In § 55 StGB schauen!
Dort ist die nachträgliche Gesamtstrafenbildung geregelt. Die Norm schafft einen Ausgleich dafür, dass mehrere Taten nicht zusammen abgeurteilt wurden, obwohl sie theoretisch gemeinsam hätten abgeurteilt werden können. Nochmal zu Erinnerung: Der „Vorteil“ bei gemeinsamer Aburteilung liegt für die Angeklagten darin, dass eine Gesamtstrafe zu bilden ist (§ 54 StGB) und diese die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen darf.
Voraussetzung für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist gemäß § 54 Abs. 1 StGB eine frühere Verurteilung.
Beispiel: A bestiehlt den B und schlägt einen Monat später den C. Wegen des Schlags wird A wegen Körperverletzung zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Danach findet der Prozess wegen des Diebstahls statt. A wird wegen dieser Tat zu 6 Monaten auf Bewährung verurteilt. Wären beide Taten gemeinsam verhandelt worden, so wäre eine Gesamtstrafe zu bilden gewesen. Diese hätte also geringer sein müssen als die beiden einzelnen Strafen! A steht also nur schlechter, weil die Verfahren nicht verbunden wurden.
§ 55 StGB soll dieses Ergebnis verhindern. Seine Voraussetzungen sind, dass die frühere Verurteilung (die aus März 2009) weder vollstreckt noch verjährt oder erlassen ist und der Angeklagte jetzt wegen einer Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat (Diebstahl geschah im Januar und damit vor der Verurteilung der Körperverletzung im April). Beide Voraussetzungen liegen im Beispielsfall vor.
b) Nach der zweiten Verurteilung
Es kommt vor, dass bei Ergehen eines Urteils das Gericht keine Kenntnis von der Existenz einer anderen, rechtskräftig verhängten Strafe hatte, sodass die Gesamtstrafenbildung unterbleibt, obwohl die Voraussetzungen des § 55 StGB vorgelegen hätten.
Für diesen Fall sieht § 460 StPO vor, dass die verhängten Strafen nachträglich auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen sind. Zuständig für diese Entscheidung ist üblicherweise dasjenige Gericht, das die höchste Einzelstrafe verhängt hat. Wären für diesen Fall mehrere Gerichte zuständig, so fällt die Zuständigkeit dem Gericht zu, dessen Urteil zuletzt ergangen ist (§ 462a Abs. 3 StPO).
Die Anwendung des § 55 StGB ist für die Tatrichter:innen zwingend! Die Bildung der Gesamtstrafe darf nicht dem Beschlussverfahren nach § 460 StPO überlassen werden, sondern ist von den neuen Tatrichter:innen nachzuholen. Es ist deshalb wichtig, dass die Verteidigung in Eurem Verfahren darauf hinweist, wenn das Gericht die Möglichkeit des § 55 StGB nicht sieht - oder sehen will.
Was sollte ich mitnehmen?
Ist die Gesamtstrafe für mich relevant?
Die Gesamtstrafe ist für dich wichtig, wenn du wegen mehrerer Straftaten angeklagt wirst, die du unabhängig voneinander begangen hast, also z.B. verschiedene Blockaden an verschiedenen Tagen. Dabei ist egal, ob die Straftaten denselben oder unterschiedliche Straftatbestände erfüllen!
Die Gesamtstrafe bringt dir in aller Regel ausschließlich einen Vorteil: Du erhältst eine geringere Strafe, als die einzelnen Strafen summiert ergeben würden!
Szenario 1: Du wirst wegen aller Taten zusammen angeklagt
Wenn du wegen aller Straftaten zusammen angeklagt wirst, wird das Gericht selbständig eine Gesamtstrafe bilden. Für dich hat das den Vorteil, dass so die Strafe geringer ist, als wenn jede Tat unabhängig abgeurteilt wird. Bei einer Gesamtstrafe wird nur die Strafe für die “schwerste” Tat verhängt und abhängig von den anderen Taten erhöht.
Szenario 2: Dir werden verschiedene Verfahren gemacht
Zunächst: Das sollte nicht passieren! Wenn die Taten zusammen abgeurteilt werden können, sollen sie das auch. Es kann aber zum Beispiel sein, dass die Staatsanwaltschaft erst später von einer Tat erfährt und diese auch anklagen will.
Hier kommt die Gesamtstrafe ins Spiel, wenn du
- Bereits für eine Tat rechtskräftig verurteilt wurdest, die du
- Nach der jetzt angeklagten begangen hast und
- deren Strafe noch nicht vollstreckt wurde (oder verjährt ist oder dir erlassen wurde)
(Nur) dann muss das Gericht deine bereits erhaltene Strafe erhöhen und darf nicht eine zusätzliche verhängen. Sag dem Gericht auf jeden Fall Bescheid, wenn die Gesamtstrafe relevant werden könnte!
Szenario 3: Das Gericht bildet keine Gesamtstrafe, obwohl es das eigentlich gemusst hätte
Wenn dir verschiedene Verfahren gemacht wurden, muss das Gericht unter den genannten Voraussetzungen eine Gesamtstrafe bilden. Wenn das nicht gemacht wird, kannst und solltest du das nachträglich beantragen. Das Gericht wird dann im Nachhinein die Gesamtstrafe bilden. In der Regel wird dafür das Gericht zuständig sein, dass die höhere Strafe verhängt hat.
Wenn die nachträgliche Gesamtstrafenbildung daran scheitert, dass einzelne Urteile bereits vollstreckt sind (d.h. die Geldstrafe, auf die Verfahrenskosten kommt es nicht an, bereits in Gänze bezahlt ist), ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein sog. Härteausgleich durchzuführen. Hiernach darf der Täter nicht deshalb schlechter stehen, weil ein Urteil bereits vollstreckt ist. Folglich ist er so zu stellen, als wenn §§ 53, 54 StGB unmittelbar angewendet worden wären. Wie der Tatrichter zu diesem Ergebnis kommt (Berücksichtigung des Nachteils oder sog. Fiktive Gesamtstrafenbildung) ist diesen überlassen. Letztendlich wird das gleiche Ergebnis erreicht, unabhängig davon ob eine Einzelstrafe bereits vollstreckt wurde oder nicht.
Finanzielle Unterstützung bei Repressionskosten
Hier findest du eine kleine Übersicht, die dir Möglichkeiten aufzeigt, wie wir dich finanziell unterstützen können aus rechtlicher Sicht. Konkret findest du Infos zu den Unterstützungsstrukturen und eine Liste mit ersten Schritten, um mit Repressionskosten umzugehen.
Einmal kurz vorweg: Wir gehen in den Widerstand, um uns für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und gegen diese unfassbare Ungerechtigkeit aufzulehnen. Dabei fordern wir die Mächtigen und ihr System heraus.
Wir entscheiden uns aus moralischen und strategischen Gründen für friedlichen zivilen Widerstand und tragen die Konsequenzen, die uns auferlegt werden.
Dabei lassen wir keine Person einzeln zurück, sondern achten darauf, stabile Unterstützungsstrukturen zu haben, die die Kosten so gut wie möglich solidarisch tragen können. Die Konsequenzen deines Handelns können nicht für dich getragen werden. Wir können nur versuchen, sie gemeinsam zu tragen.
Die Konsequenzen unseres Nicht-Handelns wären untragbar.
Repressionskostenhilfe von RAZ
- Wir unterstützen Menschen in ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema Repressionskosten und helfen, wo wir können, beim Umgang mit Strafgeldern, Gelder für Gebührenbescheide u.ä. Hierfür bieten wir jeder Einzelperson ein direktes Gespräch an. Dort können wir dann in Ruhe deine spezifische Situation durchsprechen und die einzelnen Optionen durchgehen. Eine Übersicht zu ersten Schritten, die du selbst gehen kannst, findest du auch weiter unten.
- Die Repressionskostenhilfe ist über legal@raz-ev.org zu erreichen.
Wie kann ich selbst versuchen Kosten zu stemmen?
Stell dir als erstes folgende Fragen:
- Kann die Strafe, die du zahlen sollst, noch vermieden oder gemindert werden?
- Hast du schon eine Email/Nachricht an deine Verwandten / Freund:innen / Bekannten geschrieben mit Bitte um Unterstützung?
Spendenkampagne aufsetzen
Das Erstellen einer persönlichen Spendenkampagne kann vor allem beim Umgang mit Strafbefehlen und der Bewahrung vor einem Gefängnisaufenthalt Sinn ergeben, aber auch in Akutfällen bei zivilrechtlichen Forderungen o.Ä.
Nutz gerne dieses How-To-Spendenkampagne.
Anschließend kannst du deine Spendenkampagne über deine persönlichen Social Media Kanäle oder auch an Verwandte und Freund:innen teilen. Wenn die Aktion im Zusammenhang mit einer Organisation wie z.B. der Letzten Generation stand, frag deren Legal Team an, ob sie den Aufruf teilen können und markier den Account. Wenn es sich um einen besonders hohen Betrag handelt, melde dich bitte bei der Repressionskostenhilfe. Dann können wir schauen, ob es noch weitere Möglichkeiten gibt, um der Kampagne Öffentlichkeit zu bringen.
Als letzten kleinen Gedanken hierzu: Wir haben schon oft erlebt und wissen dies auch aus unserer Theorie der Veränderung, dass solidarische Unterstützung steigt je mehr Repression wir ausgeliefert sind. Und damit auch unser Zugang zu Spenden. Dennoch kann es sein, dass wir aus unterschiedlichsten Gründen mal nicht an unsere Geldmittel kommen. Dieses Szenario ist allerdings unwahrscheinlich.
Ratenzahlung beantragen
Bei einem rechtskräftigen Strafbefehl oder einer Verurteilung hast du immer die Möglichkeit Ratenzahlung zu beantragen. Dies ist normalerweise auch in der Rechtsmittelerklärung nachzulesen.
Hier ist eine Vorlage zur Beantragung von Ratenzahlungen.
Umwandlung in Sozialstunden beantragen
Wenn du nicht über die finanziellen Mittel verfügst und dies auch durch Belege dem Gericht nachweisen kannst, lohnt sich auf jeden Fall ein Antrag auf Umwandlung in Sozialstunden. Hiermit beantragst du, Sozialstunden abzuleisten anstatt die Geldstrafe zu bezahlen.
Am besten kannst du dich bereits vorher dazu informieren, in welchem gemeinnützigen Verein du diese ableisten möchtest. Wenn du dafür Tipps benötigst, kannst du dich gerne bei der Repressionskostenhilfe melden. Besprich dich dazu auch in einem Erfahrungsaustausch innerhalb deiner Widerstandsgruppe (:
Schick den Antrag auf Umwandlung in Sozialstunden am besten per Einschreiben oder Online-Fax an das zuständige Amtsgericht.
Strafgelder in Ersatzfreiheitsstrafen umwandeln
Eine weitere Option ist es, Strafgelder in eine Ersatzfreiheitsstrafe umzuwandeln.
Wenn ihr hierüber nachdenkt, meldet euch bitte bei RAZ und wir vernetzen euch mit unserem Gefängnissupport für ein erstes Gespräch und eventuelle Trainings hierfür.
Gebührenbescheide
Alle Möglichkeiten der Kostenerstattung bei Gebührenbescheiden finden sich unter:
/de/oeffentlich/Legal-Wiki/Gebührenbescheide/Kostenerstattung
Umwelttreuhand-Fonds
Prozesskosten, wie für Gerichtsverfahren und Anwält:innen, können wir über den Umwelttreuhandfonds tragen. Dort könnt ihr auch selbst Anträge stellen, bzw. eure Anwält:innen direkt.
Hier findest du eine ausführliche Einführung in die Finanzierung über den Umwelt-Treuhandfonds. 🤗
Dieser kann Kostenübernahmeerklärungen zum Beispiel auch schon ausstellen, bevor ihr bestimmte Gerichtskosten selbst übernehmen müsst. Dadurch müsstet ihr nicht in Vorleistung gehen und könnt sicher sein, dass die Kosten übernommen werden.
Rote Hilfe
Wir haben uns mit dem Bundesverband der Roten Hilfe verständigt, dass es grundsätzlich möglich ist, über deren Ortsverbände Erstattungen von Kosten zu beantragen, die in Verwaltungssachen angefallen sind.
Schreibt dafür eine Mail an die Ortsgruppe eures Wohnorts und schildert euren Fall:
https://www.rote-hilfe.de/ueber-uns/adressen
Prozesskostenhilfe
Dies ist eine Möglichkeit, mit der ihr sofern ihr die im Formular aufgeführten Voraussetzungen erfüllt und euer Antrag genehmigt wird, nur die Kosten für euer Rechtsmittelverfahren erstatten lassen könnt.
Antrag auf Entschädigung
Antrag auf Entschädigung für im Zuge eines Prozesses entstandene Kosten, die ihr nicht selbst tragen müsst.
Kosten aus Protesten von LG: Wer kleben will, muss auch haften
Menschen beteiligen sich selbstverantwortlich an Aktionen der LG und begehen damit (dem Großteil der aktuellen Rechtsprechung folgend) Straftaten. Für deine Handlung kannst nur du zur Verantwortung gezogen werden. LG versucht Repressionskosten solidarisch zu tragen, aber kann keine Versprechen aussprechen, dass Strafen bezahlt werden. Allgemein gilt: LG versucht Geldstrafen oder Bußgelder solidarisch über Spendenkampagnen zu tragen, zentral und/oder persönlich oder du bezahlst gar nichts und fährst die Strategie ‘dem Staat nichts zu zahlen’ und aktiv Ersatzfreiheitsstrafe und Insolvenz herauszufordern. Hier sollten enger Austausch und gute Vorbereitung stattfinden.
Wir erinnern uns: LG stellt sich der weiteren Befeuerung der Klimakatastrophe in den Weg. Es ist notwendig, dass Menschen das jetzt tun – in dem vielleicht letzten Moment, in dem es noch möglich ist, das Schlimmste zu verhindern. Wir dürfen uns von den Versuchen des Staates, unseren Widerstand zu unterdrücken, nicht abbringen lassen, denn es geht um so viel mehr! Es ist unsere Entscheidung, was wir mit unserer einzigartig privilegierten Lebenssituation in diesem entscheidenden Moment der Menschheitsgeschichte anfangen. Die unangenehme Realität ist: Wenn wir jetzt weiterhin darauf achten, als Einzelperson keinen Nachteil zu haben, werden wir als Gemeinschaft alles verlieren.
Die Gesellschaft nimmt unseren Protest wahr. Und gerade dadurch, dass wir an unangenehmen Stellen stören, werden wir diesen Protest auch im Angesicht von Repression und Strafgeldern weitertragen. Es gehört zu unseren strategischen Überlegungen, über den Moment der Wahrheit hinauszugehen und weiterzumachen. Das heißt auch, dass wir bewusst Haftstrafen herausfordern und die Gefängnisse dieses Landes füllen werden mit Menschen, die für ihren friedlichen Widerstand übertriebenermaßen hinter Gittern landen - wenn die Regierung sich gegen erste, sinnvolle Schritte entscheidet.
Priorität bei der solidarischen Übernahme von Kosten haben dementsprechend Menschen, die bereits im Gefängnis sitzen und dies nicht weiter stemmen können und auf unsere Hilfe angewiesen sind, um wieder rauszukommen. Oder Menschen, die kurz davor stehen und dies aus unterschiedlichen Gründen nicht tun können. Außerdem ist es Priorität, dass Menschen ohne soziales Auffangnetz finanzielle und emotionale Unterstützung erhalten.
Straßenblockade: Kurzübersicht möglicher Straftatvorwürfe
Straftatsvorwurf Nötigung §240 StGB
- Hierbei handelt es sich um einen sehr wahrscheinlichen Vorwurf, der uns in eigentlich allen Situationen von Straßenblockaden vorgeworfen wird, da wir Menschen daran hindern, einen Ort zu verlassen.
- Ohne Vorstrafen sind folgende Dinge möglich/wahrscheinlich bei einer Verurteilung:
- Geldstrafe
- kein Eintrag ins Führungszeugnis bei bis zu 90 Tagessätzen
- mehr als 90 Tagessätze führen zu einem Eintrag ins Führungszeugnis
- Mit Vorstrafen wird eine Haftstrafe wahrscheinlicher, sowie der Eintrag ins Führungszeugnis, wenn die Vorstrafe nicht länger als fünf Jahre her ist.
Straftatsvorwurf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt*innen §113 StGB
- Solche Dinge sind bei Lock-Ons, oder Glue-Ons wahrscheinlich und kann euch z.B. vorgeworfen werden, wenn ihr euch festklebt. Allerdings ist dann fraglich, ob dieser Vorwurf vor Gericht standhalten wird, da dies keine aktive Handlung des Widerstands darstellen kann.
- Der Tatbestand des “Widerstandes” ist sehr weit gefasst. Dementsprechend sollten alle Handlungen, die als Widerstand gewertet werden können, vermieden werden in der Aktion. Hierzu können ruckartige Bewegungen auch schon zählen, sowie plötzliches Aufstehen. Tendenziell wird eher den Polizisti vor Gericht geglaubt, falls es zu einer Aussage kommen sollte. Also hier eher aufpassen :)
- Ohne Vorstrafen kann nach §113 StGB mit einer Geldstrafe verurteilt werden.
Aufruf zu Straftaten?
- Gerade in öffentlichen Vorträgen und Reden müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu Straftaten auffordern, da dies eine Straftat ist.
Was nicht erlaubt ist: „Kommt alle und klebt euch mit mir auf die Straße!“. - Aber es gibt Wege die selbe Message unkritisch zu formulieren:
1. Gibt es neben der Blockade eine angemeldete Versammlung, kann zu dieser aufgerufen werden
2. Du darfst erzählen, was du gehört hast ("Einige planen im Anschluss dieser Demonstration eine Blockade")
3. Du darfst erzählen, was Du selber vor hast ("Ich werde im Anschluss die Straße blockieren"). In diesem Fall darfst Du sogar einladen, zu kommen, aber nicht mit zu blockieren. So bleibt offen, ob die Angesprochenen mitblockieren oder nur das Geschehen sich anschauen (was nicht strafbar ist)
Generell gilt leider wie immer, dass die Polizei trotzdem versuchen kann, uns eine Aufforderung zu Straftaten anzuhängen, auch wenn gar keine vorliegt.
Mehrere Strafverfahren?
- Wenn ihr in der selben Stadt erneut auf die Straße geht, werden euch zunächst erneut die gleichen Straftaten vorgeworfen (hier gilt §54 StGB). Ihr sammelt dann erstmal Strafanzeigen wegen Nötigung.
- Aber: Am Ende werdet ihr nicht für jede Straftat verurteilt, sondern für alle gemeinsam ein Mal. So sollte es zumindest sein, weil die Verfahren dann verbunden werden. Dabei wird sich angeguckt, welcher Straftatsvorwurf die höchste Strafe hatte und dieser wird dann nochmal angemessen erhöht. Die Summe der Einzelstrafen darf aber nicht erreicht werden.
- Bsp: Ihr blockiert drei Mal. Für jede Tat hält das Gericht 30 Tagessätze à 20 € für angemessen (Geldstrafe erfolgt in Tagessätzen; Tagessatzhöhe vom Einkommen abhängig). Das Gericht darf keine 90 Tagessätze ausurteilen, sondern muss darunter bleiben.
Urteilsübersicht
Einstellungen weiterführend (Paragrafenreiterei 4)
A. Die guten Einstellungen
Es gibt gute Einstellungen und schlechte.
§ 170 Abs. 2 StPO: mangelnder Tatverdacht
Die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO gehört zu den Guten.
In § 170 StPO geht es laut Überschrift um die Entscheidung über die Anklageerhebung. Absatz 1 bestimmt daher, wann eine Anklage erhoben werden soll bzw. kann, nämlich, wenn „die Ermittlungen genügend Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage“ bieten. Die StA prüft also, ob eine Verurteilung wahrscheinlich ist.
„Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein.“, so Absatz 2, 1. Satz. Die Einstellung nach § 170 II StPO bedeutet also, dass die Ermittlungsergebnisse nicht zu einer Verurteilung ausreichen. Oder anders gesagt: Die StA geht davon aus, dass ein Gericht in diesem Fall freisprechen würde. Deshalb eine gute Einstellung.
Im Prinzip ist es möglich, die Ermittlungen jederzeit wieder aufzunehmen, insbesondere wenn neue Tatsachen bekannt werden oder neue Beweismittel vorliegen. Das wird nach meiner Erfahrung aber bei Bagatellsachen nicht gemacht, weil es viel zu aufwändig wäre, die regelmäßig danach durch zu sehen, ob es was Neues gibt. In Blockade-Verfahren ist eine solche Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens noch nicht vorgekommen. Was soll in diesen Verfahren ein Jahr später noch als neue Tatsache oder neues Beweismittel auftauchen.
Die Einstellung nach § 170 II StPO wird dem Betroffenen nicht in jedem Fall mitgeteilt, sondern nur (Abs. 2 Satz 2) wenn der Beschuldigte „vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war“, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist. Die Mitteilung über die Einstellung erfolgt meist mit einem Formschreiben, in dem nur steht, „Das Verfahren gegen Sie wurde gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt“. Das ist oft ärgerlich, weil an keiner Stelle des Schreibens ersichtlich ist, um welche Tat es sich handelt und Nachfragen oft keine Klärung bringen.
2. §§ 206 a f.: Verfahrenshindernis
Der Vollständigkeit halber soll hier auch die Einstellung wegen Verfahrenshindernis, §§ 206 a f. erwähnt werden. Liegt ein Verfahrenshindernis vor muss eingestellt werden. Wird das Verfahrenshindernis außerhalb der Hauptverhandlung festgestellt, so ist per Beschluss einzustellen. Während der Hauptverhandlung erfolgt die Einstellung gem. § 260 Abs. 3 StPO durch Urteil. Wird ein Verfahrenshindernis festgestellt, erübrigt sich die (weitere) Beweisaufnahme und sie wird in der Regel übersprungen.
Verfahrenshindernisse sind:
- Fehlen deutscher Gerichtsbarkeit
- Strafklageverbrauch (D. Angekl. wurde für die gleiche schon einmal verurteilt)
- Fehlen des Strafantrags, wenn dieser wegen Ablauf der Frist nicht nachgeholt werden kann
- dauerhafte Verhandlungsunfähigkeit
- Verjährung
Der 3. Spiegelstrich ist immer wieder relevant bei Hausfriedensbruchs-Verfahren. Es lohnt sich hier also, den Strafantrag genau zu beleuchten, denn der Strafantrag fehlt auch, wenn er von einer nicht zuständigen Person unterschrieben wurde.
B. Die schlechten oder problematischen Einstellungen
Bei der Verfolgung von Straftaten gilt der Legalitätsgrundsatz. Die StA muss zwingend tätig werden, wenn sie von einer Straftat erfährt. Die Einstellung von Verfahren ist eine Durchbrechung dieses Grundsatzes und insofern als Ausnahme zu verstehen. Gleichzeitig ist es eine pragmatische Lösung, um den Aufwand einer Strafverfolgung auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren. So können Verfahren beendet werden, bevor der Aufwand für ein korrektes Urteil gegenüber der Bedeutung der Tat nicht mehr gerechtfertigt werden kann. Oft führt das aber auch dazu, dass Gerichte und StA eine Einstellung vorschlagen, um einen Freispruch zu verhindern.
1. Einstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153 StPO)
Gem. Abs. 1 kann die StA vor Erhebung der Anklage das Verfahren wegen Geringfügigkeit einstellen. Sie muss dazu die Zustimmung des Gerichts einholen, ferner die Zustimmung einer Beteiligten Behörde oder von Privatpersonen, wenn diese Strafantrag gestellt haben.
Die Einstellung ist nur zulässig, wenn kein anderes Verfahrenshindernis besteht und wenn eine Verurteilung möglich wäre. Es darf sich bei der Tat nur um ein Vergehen handeln; Verbrechen können also nicht wegen Geringfügigkeit eingestellt werden.
Einer Stellungnahme oder Zustimmung d. Angekl. bedarf es nicht.
Abs. 2 gilt, wenn die Anklage bereits erhoben, also bei Gericht eingegangen ist. Ab dann ist das Gericht für die Einstellung zuständig und kann „in jeder Lage des Verfahrens“ eine Einstellung vornehmen, wenn sowohl die StA als auch die Angeklagten zustimmen. Ohne die Zustimmung der Angeklagten kann die Einstellung nur dann erfolgen, wenn gem. § 205 StPO die Hauptverhandlung für längere Zeit nicht stattfinden kann, z.B. wegen längerer Abwesenheit oder aufgrund einer längeren Krankheit d. Angekl. Ferner, wenn die Verhandlung in Abwesenheit d. Angekl. durchgeführt wird.
Ein Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO erfolgt ohne Auflage.
Wenn das Gericht in der Hauptverhandlung eine Einstellung vorschlägt, kann das entgegen des Gesetzes auch der Versuch sein, einen Freispruch zu umgehen. Dann solltet ihr prüfen, wie nah ihr tatsächlich an einem Freispruch dran seid und ob es nicht sinnvoller wäre, den Prozess fortzuführen und mit einem Freispruch enden zu lassen. Das kann allerdings auch dazu führen, dass das Gericht dann doch verurteilt. Wenn ihr in einem solchen Fall der Einstellung zustimmt, würde ich empfehlen, vor der Zustimmung darum zu kämpfen, dass die Kostenentscheidung vollständig zu Euren Gunsten erfolgt, also auch die notwendigen Auslagen der Angeklagten und der Verteidigung beinhaltet. Ansonsten bleibt ihr auf Euren Fahrtkosten sitzen.
2. Einstellung unter Auflagen und Weisungen (§ 153 a StPO)
Dies ist die bekannteste Einstellungsvariante. Auch hier gibt es wieder die Variante Abs. 1, nach der die StA einstellen kann, wenn das Gericht und d. Angekl. zustimmen. Die Zustimmung muss auch die Auflagen und Weisungen enthalten. Es geht also nicht, dass die StA nach der Abfrage Auflagen oder Weisungen erteilt. Die Variante des Abs. 2 kommt erst in Frage, wenn die Anklage bereits erhoben ist. In diesem Fall stellt das Gericht das Verfahren ein, nach Zustimmung von StA und Angeklagten.
Als Auflagen oder Weisungen kommen nach Abs. 1 Satz 2 in Frage:
- Wiedergutmachung des Schadens
- Geldbetrag an eine gemeinnützige Organisation (das berühmte Bußgeld, mit dem wir am Meisten zu tun haben)
- gemeinnützige Leistungen (also Arbeit)
- Unterhaltspflichten nachkommen (für uns nicht relevant)
- Täter-Opfer-Ausgleich (wäre bei uns meist ziemlich aufwändig oder scheitert daran, dass die Opfer gar polizeilich erfasst wurden, wäre aber u.U. eine großartige Überzeugungsarbeit)
- Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs (z.B. Anti-Aggressions-Kurs, betrifft uns nicht)
- Aufbauseminar oder Fahrtauglichkeitsseminar (betrifft vor Allem „Verkehrs-Sünder“)
Wie wir oben schon festgestellt haben, ist die Einstellung des Verfahren eine Durchbrechung des Legalitätsprinzips. Diese Durchbrechung darf eigentlich auch nicht den Grundsatz „in dubio pro reo“ (Im Zweifel für den Angeklagten) verletzen, denn dieser Grundsatz hat Verfassungsrang. Dennoch werden Einstellung häufig in Fällen vorgenommen, in denen eigentlich freigesprochen werden müsste. Allerdings muss in diesen Fällen auch befürchtet werden, dass das Gericht bei Fortsetzung der Verhandlung verurteilt, selbst dann, wenn die Beweislage äußerst fragwürdig ist. Insofern ist die Zustimmung zur Einstellung oft für alle Beteiligten ein pragmatischer Weg, das Verfahren schnell zu beenden. Dennoch muss strategisch bedacht werden, ob derartige Einstellungen der Verfolgung unseres politischen Zieles nutzt oder diesem gar schaden kann. Daher wäre es sinnvoll, einer Einstellung nicht vorschnell zuzustimmen, sondern sich das genau zu überlegen.
Vor der Zustimmung sollte außerdem über die Höhe und den Empfänger des Bußgeldes gerungen werden. Wenn das Gericht eine Einstellung gegen Zahlung eines bestimmten Geldbetrages vorschlägt, sollte dies als Verhandlungsangebot verstanden werden. Versucht also das Bußgeld runter zu handeln und den Empfänger der Zuwendung selber zu bestimmen. Das bewahrt davor, im Nachhinein die Einstellung des Verfahren als „klein beigeben“ und als Niederlage wahrzunehmen. Das gilt auf jeden Fall dann, wenn das Gericht ein Bußgeld in Höhe der Geldstrafe vorschlägt. Damit bringt das Gericht vor allem zum Ausdruck, dass es ihm nicht um Milde geht. Das Gericht erspart sich damit die Begründung eines schriftlichen Urteils.
Deshalb mein wichtigster Tipp: Vor der Zustimmung zur Einstellung eine Verhandlungspause beantragen und nochmal genau nachzudenken.
Sollte das Gericht eine Pause ablehnen, könnt ihr getrost androhen, ohne vorherige Pause einer Einstellung nicht zustimmen zu können.
Nach Abs. 3 ruht die Verjährung während der Erfüllung der Auflagen, beginnend mit der Einstellungsverfügung. Das Ruhen endet mit dem Ablauf der gesetzten (und ggfls. verlängerten) Frist. Wird die Auflage vollständig und fristgerecht erfüllt, entsteht ein endgültiges Verfahrenshindernis.
3. § 153 b
Das Verfahren kann eingestellt werden, wenn das Absehen von einer Strafe insbes. Gem. § 46a, 46b und 60 StGB möglich ist. § 46a StGB besagt, dass von einer Strafe abgesehen werden kann, wenn die Täter*innen den Schaden beseitigt oder wiedergutgemacht haben. § 46b StGB ermöglicht das Absehen von einer Strafe für den Fall, dass d. Angekl. wesentlich zur Aufklärung einer schweren Straftat beigetragen hat. Wenn die Folgen der Tat für den Täter so schwer sind, dass eine Verfolgung und Bestrafung offensichtlich verfehlt wären, kann nach § 60 StGB ebenfalls von der Strafe abgesehen werden. In all diesen Fällen wird prozessual das Verfahren gem. § 153 b StPO eingestellt.
4. § 153 c bis f
Der § 153 c betrifft Auslandsstraftaten, könnte also theoretisch interessant sein, bei Menschen, die an Aktionen außerhalb Deutschlands teilnehmen. Praktisch wird dies aber eher nicht relevant werden, weil deutsche Staatsanwaltschaften bisher bei politischen Aktionen keine Verfahren gegen in Deutschland lebende Menschen eingeleitet hat, jedenfalls nicht, wenn es sich um „kleinere“ Vergehen handelte. Eine Verurteilung in Deutschland wäre ohnehin nur dann möglich, wenn die Tat im Ausland nicht oder zu geringfügig bestraft worden ist.
Eingestellt werden kann ein Verfahren auch dann, wenn die Verfolgung von Staatsschutzdelikten nicht im überwiegenden staatlichen Interesse liegt (§ 153 d). Das ist für uns uninteressant. Das gleiche gem. § 153 e bei tätiger Reue in Staatsschutzdelikten. Auch § 153 f kommt für uns nicht in Betracht. Hier geht es um die Verfolgung bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch.
5. Absehen von der Verfolgung bei mehreren Taten (§ 154 StPO)
Die Einstellung kann nach § 154 StPO erfolgen, wenn
1. die Strafe, zu der die Verfolgung führen kann, neben der Strafe, die wegen einer anderen Tat rechtskräftig verurteilt wurde oder zu erwarten ist, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt.
2. ein Urteil nicht in angemessener Frist erfolgen kann oder wenn die schon ausgesprochene Strafe zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
Wann eine Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fällt, ist – klar – eine Einzelfall-Entscheidung. Der Kommentar Satzger/Schluckebier/Widmaier zitiert hierzu (Randnummer 4 zu § 154) nur 5 andere Kommentare, aber keine Gerichtsentscheidung. Nach Satzger et.al. Gegenüber einer Geldstrafe wird eine unbedingte Freiheitsstrafe i.d.R. ins Gewicht fallen. Letztlich wird aber auch das von der Höhe der jeweiligen Geld- oder Freiheitsstrafen abhängen.
Die StA stellt das Verfahren in eigener Zuständigkeit ein, solange noch keine Anklage erhoben wurde, Abs. 1. Eine Zustimmung des Gericht oder der Angeklagten ist nicht erforderlich.
Sobald Klage erhoben ist, entscheidet das Gericht auf Antrag der StA. Die Einstellung kann in jeder Lage des Verfahrens erfolgen, Abs. 2. Eine Zustimmung der Angeklagten ist auch hier nicht erforderlich.
Fällt die rechtskräftig erkannte Strafe nachträglich weg, kann das eingestellte Verfahren wieder aufgenommen werden, solange die Verjährung nicht eingetreten ist, Abs. 3. Wurde im Hinblick auf eine zu erwartende Strafe in einem anderen Verfahren eingestellt, kann das eingestellte Verfahren binnen 3 Monaten nach Rechtskraft wieder aufgenommen werden, Abs. 4. Dies geht nur, wenn noch keine Verjährung eingetreten ist. Für die Wiederaufnahme des eingestellten Verfahren bedarf es eines förmlichen, also auch schriftlichen Beschlusses.
Manchmal bekommen die Angeklagten Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine solche kann abgegeben werden, wird aber erfahrungsgemäß keine Auswirkungen auf die Entscheidung haben. Wer die Einstellung verhindern will, wird im Fall eines Strafbefehlsverfahrens den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück ziehen müssen. Dann wird allerdings der Strafbefehl rechtskräftig.
6. Beschränkung der Verfolgung (§ 154a)
„Fallen einzelne oder abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind“ nicht beträchtlich ins Gewicht, „so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden.“
Fall 1: Teile einer Tat
Eine Gruppe besetzt ein Bahnhofsgebäude, das abgerissen werden soll. Dabei suchen sie einen Raum auf, dessen Fenster von außen gut sichtbar ist. Beim Öffnen der Tür fällt ein Teil der Türklinke herunter, den anderen hält der Betreffende in der Hand.
Die fahrlässige Sachbeschädigung fällt gegenüber dem Hausfriedensbruch nicht beträchtlich ins Gewicht.
Fall 2: Einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen
Im für uns völlig unrealistischen Fall von Aktivisti, die sich 50 mal auf die Straße kleben, können einzelne der Blockaden gem. § 154a StPO eingestellt werden. Dabei kann im Einzelfall strittig sein, was nicht mehr beträchtlich ins Gewicht fällt.
Beim § 154a gibt es Fälle, bei denen die Einstellung durchaus Sinn macht. Mir sind aber auch Fälle bekannt, in denen der § 154a dazu missbraucht wurde, den Schreibtisch des Richters von nervigen Akten zu erlösen.
Auch hier gilt:
Manchmal bekommen die Angeklagten Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine solche kann abgegeben werden, wird aber erfahrungsgemäß keine Auswirkungen auf die Entscheidung haben. Wer die Einstellung verhindern will, wird im Fall eines Strafbefehlsverfahrens den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück ziehen müssen. Dann wird allerdings der Strafbefehl rechtskräftig.
7. §§ 154 b bis f
Die weiteren Paragraphen sind für uns eher irrelevant.
§ 154b könnte von Interesse sein, wenn es um Aktivist*innen aus dem Ausland ohne gesicherten Aufenthaltsstatus geben. Ihre Verfahren können bei einer Auslieferung oder Landesverweisung eingestellt werden.
§ 154 c betrifft Menschen, die Straftaten begangen haben, weil sie zu der Straftat genötigt oder erpresst wurden.
§ 154 d ist für uns irrelevant. Das betrifft bei Anzeigendelikte den Fall, dass vor der strafrechtlichen Entscheidung zivil- oder verwaltungsrechtliche Vorfragen geklärt werden müssen. Hier kann die StA dem Anzeigenerstatter eine Frist für die Klärung setzen und nach Fristablauf das Verfahren einstellen.
§ 154 e ist für uns auch eher weniger relevant. Danach können Verfahren wegen falscher Verdächtigung oder Beleidigung eingestellt werden, wenn und solange wegen der angezeigten oder behaupteten Handlung ein Straf- oder Disziplinarverfahren anhängig ist.
§ 154 f ist eine rein vorläufige Einstellung. Sie kann erfolgen, wenn die Durchführung einer Hauptverhandlung aufgrund einer längeren Abwesenheit oder eines anderen, in der Person d. Angekl. liegenden Hindernisses nicht möglich ist. Denkbar ist hier eine längere schwere Krankheit. Die Vorschrift bestimmt auch, dass die StA zuvor den Sachverhalt soweit wie möglich aufgeklärt und die Beweise gesichert haben muss. Nach Wegfall des Hindernisses kann das Verfahren also wieder aufgenommen werden. Für uns ist, glaube ich, diese Vorschrift eher nicht von Interesse.
Bußgeldbescheide/ Ordnungswidrigkeiten
Bußgeldbescheid vs. Gebührenbescheid
- Ein Bußgeldbescheid ist eine Strafe, die für eine begangene Ordnungswidrigkeit bezahlt werden soll
- Bei einem Gebührenbescheid sollen (tatsächliche oder imaginär) angefallene Kosten oder Leistungen von Polizei/Feuerwehr bezahlt werden. Hierunter fällt zum Beispiel Wegtragen oder Lösen der Hand
- Alls zu Gebührenbescheiden findest du hier
Bußgeldbescheid
Ordnungswidrigkeiten
Ordnungswidrigkeiten sind geringe Verstöße gegen das Gesetz, wie z.B. Falsch Parken. im Regelfall gibt es keinen Prozess, sondern es wird ein Bußgeldbescheid ausgestellt, der von Bürgis im Regelfall einfach bezahlt wird. Ordnungswidrigkeiten werden weder im Führungszeugnis, noch im erweiterten Führungszeugnis vermerkt.
Einspruch einlegen
Bei einem Bußgeldbescheid empfehlen wir, innerhalb der kurzen Frist von zwei Wochen nach Zustellung (Zustellungsdatum steht auf dem gelben Briefumschlag) Einspruch einzulegen! Pass voll gerne diese Vorlage auf deinen Fall an. Das ergibt Sinn, weil der Einspruch jederzeit wieder zurückgezogen werden kann und so alle Möglichkeiten offen bleiben. Wenn du keinen Einspruch einlegst innerhalb dieser zwei Wochen, wird das Bußgeld rechtskräftig. Du „akzeptierst“ die Strafe sozusagen und kannst dich danach auch nicht nochmal umentscheiden. Es ist also wichtig, dass das schnell passiert! Relevant für die Frist ist nämlich der Zugang deines Briefes bei Gericht und nicht wann du ihn losschickst.
Schick auf jeden Fall einen Scan an legal@raz-ev.org.
Ablauf bei Bußgeldbescheiden
Anhörungsbogen
Bevor du einen Gebührenbescheid erhälst, kommt im Regelfall ein Anhörungsbogen.
Mit einem Anhörungsbogen will dir die Polizei die Möglichkeit geben, dich (schriftlich oder mündlich) zu dem Vorwurf zu äußern/neue Dinge herausfinden, bevor sie das Verfahren zur Entscheidung über die Eröffnung an die Staatsanwaltschaft abgibt.
Wir empfehlen einen Anhörungsbogen von der Polizei komplett zu ignorieren. Die Polizei ist dazu da, um gegen uns zu ermitteln, jegliche Aussage kann zu unserem Nachteil genutzt werden. Alles, was gut für dich ist, können wir auch immer noch in einem eventuellen Gerichtsprozess, bzw. in dessen Vorfeld einbringen :) Wenn du dir aber unsicher bist, schick ein PDF sehr gerne ans RAZ über legal@raz-ev.org.
Wenn du zu einer mündlichen Anhörung geladen wurdest und die Polizei nicht nerven willst, spricht aber auch nichts dagegen, der Polizei kurz mitzuteilen, dass du nicht erscheinen wirst. Du kannst das einfach formlos per Mail machen und sagen, dass du dich ohne Akteneinsicht nicht zu den Vorwürfen äußern wirst.
Sollte der Anhörungsbogen grobe Fehler enthalten, kannst du das auch mitteilen. Das kann zum Beispiel sinnvoll sein, wenn du einen Anhörungsbogen für etwas erhälst, was du nicht getan hast und ein Verfahren verhindern willst. Es gibt keine Garantie, dass das klappt, aber wenn du die Polizei auf ihren Fehler hinweist, kann es sein, dass das nochmal überprüft wird, bevor ein Verfahren eröffnet wird. Du kannst den Fehler aber auch erst im Verfahren vorbringen. Wenn du etwas angibst, sei dir bewusst, dass du damit möglicherweise andere Menschen belastet und spricht das im Zweifelfall besser mit uns ab. Wenn du zum Beispiel beschuldigt wirst, Graffiti gesprüht zu haben, du aber nur daneben standest und gefilmt hast und das so angibst, wird die Polizei wahrscheinlich nochmal ermitteln, wer denn dann gesprüht hat.
Oft steht in Anhörungsbögen, mensch müsste gewisse Angaben machen und das sei sonst eine Ordnungswidrigkeit. Der Fakt, dass die Polizei den Anhörungsbogen zustellen konnte zeigt allerdings schon, dass sie die wichtigen Daten haben. Uns ist kein Fall bekannt, in dem das Ignorieren eines Anhörungsbogen ein Problem dargestellt hat.
Solche Bögen können auch mit folgenden Betreffzeilen betitelt sein: „Belehrung / schriftliche Äußerung im Strafverfahren“, „Vorladung“, oder „Anhörung“.
Bußgeldbescheid
Wenn du den Bußgeldbescheid erhalten hast und Einspruch einlegen willst (wann das Sinn machst s. unten) dann achte darauf, die zwei Wochen Frist einzuhalten. Diese gilt ab der Zustellung des Bescheides bei dir, bis zum Eingang des Einspruch bei Gericht.
Pass voll gerne diese Vorlage auf deinen Fall an. Du musst den Einspruch nicht begründen.
Bitte um Begründung
Im Regelfall erhälst du nach einem Einspruch die Bitte den Bußgeldbescheid zu begründen. Diese kann von der Polizei, von der Staatsanwaltschaft oder vom Gericht kommen. Wenn der Bescheid nicht grob fehlerhaft ist, solltest du das Schreiben ignorieren. Oftmals steht in den Schreiben, dass Kosten entstehen, wenn der Bescheid nicht begründet wird. Dies liegt einfach daran, dass bei Nichtbegründung automatisch ein Gerichtsprozess angestoßen wird, der Gerichtskosten verursacht. Solltest du einen offensichtlichen Grund haben, warum du Einspruch einlegst ("Ich war an der Aktion gar nicht beteiligt") und diesen mitteilst könnte die jeweilige Stelle einfach entscheiden, das Verfahren einzustellen/den Bescheid zurücknehmen und die Gerichtskosten würden nicht anfallen. Da der Einspruch aber im Regelfall eine aufwändigere Prüfung der Gesetzeslage benötigt macht es in den meisten Fällen keinen Sinn, diesen zu begründen, da diese Prüfung nur ein Gericht vornehmen kann.
Einstellung
Während des gesamten Prozesses kann es zur Einstellung des Prozesses kommen. Die Strafe ist dann aufgehoben
Gerichtsprozess
Wenn das Verfahren nicht eingestellt wird, wird das zuständige Gericht irgendwann einen Prozesstermin terminieren. Wenn du auf eine Einstellung gehofft hattest, kannst du den Einspruch bis kurz vor dem Verfahren noch zurücknehmen und so die Gerichtskosten verhindern.
Für die Vorbereitung auf den Prozess beantrage am Besten direkt Akteneinsicht und wende dich für Unterstützung an legal@raz-ev.org
Strategisches
Wir empfehlen Grundsätzlich bei Bußgeldbescheiden ersteinmal Einspruch einzulegen. Gerade wenn viele Menschen auf einmal Einspruch einlegen, können wir eine Überforderung der Justiz erreichen, die dazu führt, dass Verfahren eingestellt werden. Wenn du schon viele andere Strafverfahren laufen hast, steigert dass die Wahrscheinlichkeit einer Einstellung zusätzlich. Wenn du nur wegen einer möglichen Einstellung Einspruch eingelegt hast, kannst du diesen bis kurz vor einem Verfahren zurücknehmen und die so die Kosten und den Stress eines Verfahren sparen.
Auch wenn es nicht zu einer Einstellung kommt, kann es sich lohnen den Einspruch aufrechtzuerhalten. Der Widerstand kann so in die Gerichte weitergetragen werden und auch hier gibt es gewisse Chancen auf eine Einstellung oder einen Freispruch.
Bei Fragen melde dich gerne unter legal@raz-ev.org
Kosten
Wenn du keinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegst musst du 5 % der Strafe noch zusätzlich als Bearbeitungsgebühr zahlen. Mindestens jedoch 25 Euro.
Wenn du Einspruch einlegst und es zum Verfahren kommt, kommen nochmal 5 % mindestens jedoch 25 Euro dazu.
Bei einem Bußgeld über 250 Euro musst du also bei einem Gerichtsverfahren mit 50 Euro zusätzlichen Kosten rechnen ohne Gerichtsverfahren mit 25 Euro zusätzlichen Kosten.
Für Tipps, wie du Gerichtskosten und Strafen tragen kannst, schau mal hier
Hausdurchsuchungen
Hier geht es um den juristischen & praktischen Aspekt von Hausdurchsuchungen. Für den technischen Teil verweisen wir an dieser Stelle auf das IT-Wiki der Letzten Generation.
Hier findest du die Aufnahme von einem Skillshare zu Hausdurchsuchungen mit einem Anwalt: https://youtu.be/ZDY4e8rTfr8
Wichtige Kontakte
Ermittlungsausschuss (EA):
- Der EA ist rund um die Uhr erreichbar und kann dich an RAZ und Anwält*innen weiterleiten, die dich nach der Hausdurchsuchung unterstützen können.
RAZ: info@raz-ev.org
- RAZ kann dir helfen einzuschätzen was die nächsten Schritte sind und die Hilfe von Anwält*innen besorgen, die dich nach der Hausdurchsuchung unterstützen können und dir emotionalen Support bieten. Außerdem kann sie dir auch schon im Vorfeld Fragen zu Hausdurchsuchungen beantworten und Statements für Presse/Media an die richtigen Stellen weiterleiten.
Vorbereitung
- Bring ein Namensschild an deinem Zimmer an, damit klar ist, wer in welchem Zimmer wohnt.
- Sprich in deiner Wohngemeinschaft oder deiner Familie darüber, welche Ängste ihr im Zusammenhang mit Hausdurchsuchungen habt und wie ihr diesen am besten begegnen könnt.
- Informiert dich über oben genannte Supportstrukturen und überlege, wie du mit deinen Daten und Geräten gut umgehen kannst.
Während der Hausdurchsuchung
- Bewahre Ruhe.
- Rufe sofort eine gut erreichbare Person an, der du das unter Punkt 3 Aufgelistete sagst.
Sie soll Anwält*in, EA und Beobachterinnen benachrichtigen und ggf. zu dir schicken. - Die Polizei steht vor der Tür:
Frage sie, gegen wen sich die Hausdurchsuchung richtet.
Frage sie, was der Grund des Durchsuchungsbeschlusses ist.
Verlange einen Durchsuchungsbeschluss und lies ihn.
Lass dir eine Kopie geben.
Beim Grund „Gefahr in Verzug“ gibt es keinen Beschluss.
Erfrage Name und Dienstnummer der oder des Einsatzleiter*in. (und notiere diese) - Lege Widerspruch gegen die Durchsuchung ein und lass diesen protokollieren (unterschreiben).
- Verlange, dass nur unter den Augen der oder des Beschuldigten und / oder ihrer Vertreter*innen durchsucht wird (ein Raum nach dem anderen, nicht alle gleichzeitig).
- Du musst keine Aussagen machen. Auch Zeuginnen müssen vor Ort ohne Anwältin keine Aussagen machen.
- Pass auf!
Durchsucht werden dürfen nur die im Durchsuchungsbeschluss genannten Räume.
Verhindere die Durchsuchungen anderer Räume, leg Widerspruch ein.
Verlange die Versiegelung der beschlagnahmten Papiere und Notizen. Nur die Staatsanwält*in darf vor Ort lesen, aber keine normale Beamt*in.
Du hast keine Mitwirkungspflicht bei der Durchsuchung. - Die Polizei muss dir ein Durchsuchungsprotokoll aushändigen, in dem die beschlagnahmten Dinge genauestens aufgelistet sein müssen.
Kontrolliere das Protokoll in Ruhe.
Die Beamt*innen und die von ihnen mitgebrachten Zeug*innen müssen unterschreiben.
Du musst nicht unterschreiben.
Wenn nichts beschlagnahmt wurde, muss auch das schriftlich bestätigt werden.
Nach der Hausdurchsuchung
- Gedächtnisprotokoll schreiben.
- Informiere RAZ und (falls du schon eine*n hast) deine*n Anwält*in.
- Überlege, welcher Schaden entstanden ist. Frage nach Hilfe, wenn du neue Geräte, etc. benötigst.
- Wenn es für dich oder deine Bewegung nützlich sein könnte, nimm ein Statement für Social Media auf, in dem du erklärst, wie es sich angefühlt hat durchsucht zu werden und wie ungerecht du diese Maßnahme findest
- Melde dich beim RAZ für emotionalen Support (empsy-support@raz-ev.org) und vernetze dich mit anderen Betroffenen! Hausdurchsuchungen können sehr belastend sein und Angst machen. Tausch dich aus und nimm dir Zeit, die Erfahrung zu verarbeiten und zu reflektieren.
Verdachtsunabhängige Kontrollen
Rechtlicher Rahmen
Die Gefahrenabwehr ist unter anderem Aufgabe der Polizei und der Bundespolizei.
Davon ausgehend sind verdachtsunabhängige grundsätzlich möglich, um Gefahren abzuwehren. Den Behörden steht hinsichtlich der Kontrollen ein Ermessensspielraum zu. Das Ermessen muss aber so ausgeübt werden, dass dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG Rechnung getragen wird und eine eine Diskriminierung ausgeschlossen ist. Es dürfen also nicht einfach so Menschen nach vermeintlicher Herkunft oder Aussehen kontrolliert werden. Eine solche Kontrolle allein auf Grundlage vermeintlicher Herkunft oder Aussehen verstößt auch gegen das europäische Diskriminierungsverbot. Dies wurde vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit einem Urteil aus dem Jahr 2010 bestätigt (Melki-Urteil).
Außerdem muss die Kontrolle – wie jede staatliche Maßnahme – verhältnismäßig sein. Generell gilt, dass die Kontrolle intensiver durchgeführt werden kann, je eindeutiger der Verdacht einer Straftat vorliegt. Wenn es keinen konkreten Verdacht gibt, sollte man die Polizei auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinweisen.
Kontrollen sind außerdem an Orten und Versammlungen möglich, bei denen erfahrungsgemäß mit Straftaten gerechnet werden kann. In Bezug auf eine Aktionsphase muss dafür erst ein Gefahrenbereich festgelegt werden, in dem dann besonders kontrolliert werden darf. Die Bundespolizei darf außerdem kontrollieren, wenn Gründe für die Annahme vorliegen, dass Straftaten am Bahnhof ausgeübt werden (§23 BpolG).
Landesregelungen
Die Berliner Polizei darf nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 ASOG die ID nur an Orten feststellen, wo Straftaten geplant oder verübt werden. Dies trifft nicht auf den Bahnhof zu, sondern höchstens auf gemeinsame Unterkünfte, Gemeinschaftsorte etc.
Für Bayern ist die Identitätsfeststellung in Art. 13 PAG geregelt. Es darf unter anderem zur Abwehr einer (drohenden) Gefahr, in Gebieten, in denen anzunehmen ist, dass dort Straftaten verabredet, vorbereitet oder verübt werden und an Orten, wo sich vermutlich Straftäter verbergen, die Identität festgestellt werden.
Verhaltenstipps für eine Kontrolle
- kooperativ sein, weil die Maßnahme in der Situation oft ohnehin nicht verhindert werden kann (wird im Zweifel mit Gewalt von der Polizei durchgesetzt)
- Sofern die Polizei die Situation eskaliert oder sie offensichtlich rechtswidrig handelt, freundlich aber bestimmt und ggf. wiederholt hinweisen, dass die Polizei gerade rechtswidrig handelt und kein Grund dafür besteht, Schärfe in die Situation zu bringen
- den Grund und die gesetzliche Grundlage für die Kontrolle erfragen (muss euch mitgeteilt werden)
- nur die Fragen zur ID (Infos vom Perso) beantworten und zu weiteren Fragen nichts sagen, weil ihr es nicht müsst und es die Polizei nichts angeht
- Auch wenn einzelne Beamt*innen „nett“ auftreten keine weiteren Informationen rausgeben
- Durchsuchung der eigenen Taschen etc. widersprechen, da die ID bereits angegeben wurde und dafür keine Grundlage mehr besteht
- auf Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) hinweisen und die Polizei dazu auffordern, sich daran zu halten
- bei Bedarf Namen und Dienstnummern der Polizist*innen erfragen und / oder sich Dienstausweis zeigen lassen und eine Dienstaufsichtsbeschwerde in den Raum stellen (kann Vorgehen der Polizei evt. abschwächen)
- Öffentlichkeit herstellen und z.B. Passanti auf die unverhältnismäßige und verdachtsunabhängige Durchsuchung hinweisen
- Vorsicht beim Filmen solcher Einsätze: Im Raum steht schnell eine Strafbarkeit wegen Verletzlichkeit der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB, was die Polizei dazu veranlassen kann, das Aufnahmegerät zu beschlagnahmen.
Meldeauflage
Was ist eine Meldeauflage?
Manchmal zwingt dich die Polizei, täglich für eine Unterschrift in die Polizeistation deiner Heimatstadt zu kommen. Das soll in der Regel verhindern, dass du in einer anderen Stadt an Protesten teilnimmst.
Kommst du nicht zum Unterschreiben, dann bekommst du eine Rechnung.
Was kannst du tun, wenn du eine Meldeauflage bekommst
Meist sind Meldeauflagen illegal. Melde dich bei RAZ unter legal@raz-ev.org. Eine Verfahrenseinstellung nach Beschwerde gegen eine Meldeauflage findest du hier.
Pfändung
Auf dieser Seite findest du erste Infos zum Thema Pfändung, wie das Ganze abläuft, und worauf es zu achten gilt.
Weitere wichtige Infos erfährst du in diesem Reader und beim Besuch eines Pfändungsworkshops vom Legal Team.
Schau dir am besten die Aufnahmen von einem Pfändungsworkshop an: https://youtu.be/XddGaWzv0m8
Die Notizen auf dieser Wikiseite beziehen sich darauf und sind nicht komplett vollständig (:
Ablauf einer Pfändung

- Mahnung(en): Die Landesoberkasse (LOK) entscheidet, ob es hier nur eine oder mehrere Mahnung gibt.
- Gerichtsvollzieher:in (GV) kommt unangekündigt bei dir Zuhause vorbei. Wenn du da bist, darf GV sich in der Wohnung umsehen, diese aber nicht durchsuchen. Wenn du nicht da bist, wird ein Zettel in deinen Briefkasten geworfen. Daraufhin solltest du möglichst direkt anrufen und einen Termin ausmachen, der in der Regel innerhalb von zwei Wochen stattfindet.
- Die Akte wird vom GV an die LOK zurückgeschickt mit einem Vermerk zur (Nicht-)Pfändung von Gegenständen o.ä.
Wann genau darf gepfändet werden?
Strafrechtliche Forderungen
- LOK und/oder die Staatsanwaltschaft (StA) hat die Möglichkeit eine Vermögensauskunft zu erfragen. Diese muss allerdings nicht beantwortet werden. Auch der Arbeitgeber muss nicht genannt werden - bei Beantwortung gibt es die Gefahr der Gehaltspfändung, da dann ermittelt werden kann, wieviel genau du wo verdienst.
- Die Staatsanwaltschaft darf eigentlich keine Konten filzen - dies passiert aber zum Teil trotzdem. Dies wird aber selten genutzt, wenn einfache Geldstrafen im Raum stehen und Erfolgsaussichten eines solchen Filzens unklar sind.
- Die Vollstreckung ist beendet, wenn statt der Geldforderung, eine Haft verbüßt wird.
Zivilrechtliche Forderungen des Staates
- Hier ist die LOK die zuständige Behörde.
- Zu zivilrechtlichen Forderungen des Staates gehören z.B. Ordnungsgelder und Gebührenbescheide.
- Wenn du diese Forderungen nicht zahlst, drohen dir entweder Ordnungshaft oder das Gericht verlangt eine Vermögensauskunft.
- Dies kann bei hohen Forderungen teuer werden.
- Der Ablauf einer solchen Vermögensauskunft hängt davon ab, wie modern die Justiz im jeweiligen Bundesland, aber grob ist dieser wie folgt:
- Unterschriften in Anwesenheit des GV
- Eid unter Zeug:innen (eine Falschangabe führt zu einem strafbaren Mein-eid)
- Hier ist es wichtig, sich vorher einen guten Überblick zu schaffen, um keine Falschangaben zu machen.
- Wenn du keine Vermögensauskunft gibst, ist eine Erzwingungshaft bis zu sechs Monaten zur Abgabe der Vermögensauskunft möglich. Danach besteht deine Schuld allerdings weiter, aber der Staat hat keine Vollstreckungsmöglichkeit mehr. Diese Schuld wird wenn dann nach langer Zeit weiterverfolgt.
Zivilrechtliche Forderungen von Privaten
- Grober Ablauf: Antrag auf Vermögensauskunft, Vollstreckung durch GV - wenn dies verweigert wird, ist Erzwingungshaft möglich. Der Gläubiger zahlt in diesem Fall dann die Gerichts- und Haftkosten.
- Dem privatem Gläubiger ist es erlaubt, Gegenstände zu verkaufen, deren Wert über der Forderung liegt und die Differenz herauszugeben. Dies ist z.B. dem staatlichem Gläubiger nicht erlaubt.
Formen der Pfändung
Sachpfändung
- Hier gibt es eine Pflicht zur Lagerung von einem Monat. In dieser Frist bleibt die Zahlungsmöglichkeit bestehen.
- Eine öffentliche Versteigerung erzielt in der Regel ein Drittel des Neupreises. Da durch eine solche Versteigerung folgende Kosten gedeckt werden müssen: Gerichtskosten, Gebühren (Mahnungen, sowie das Gehalt des GV), die Lagerung, sowie das Gehalt des Auktionärs. Wenn diese Kosten nicht gedeckt werden können durch den Werte des zu möglicherweise pfändbaren Gegenstandes, wird dieser in der Regel nicht gepfändet.
Vermögenspfändung
- siehe nicht pfändbaren Dingen für Einschätzung der Grenzen.
- Hier kann alles über den Grenzen gepfändet werden.
Grundstückspfändung
- Um eine Pfändung von Grundstücken rentabel für den Staat zu gestalten, muss eine wirklich hohe Schuld bestehen: Zwischen Schuld und Grundstückswert sollte es einen verhältnismäßigen Vergleich geben.
- Es muss Zeit eingeräumt werden, damit die Person eine andere Wohnung finden kann.
- Genossenschaftsanteile sind nicht pfändbar.
Kontopfändung
- Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos ist wichtig, damit nicht plötzlich alles (auch die letzten 5.000 €) gepfändet werden.
- Es ist zu empfehlen auch mit einem Pfändungsschutzkonto alle 2-3 Monate einmal komplett auf Null zu kommen.
Nicht pfändbar:
- Alles, was zum normalen Leben notwendig ist. (z. B. Laptop, Fernseher, Handy)
- Alles, was für Beruf & Ausbildung notwendig ist. (z. B. Fahrrad, PC, etc.)
- Ein besonderes Erbstück.
- Vermögen bis 5.000 €. Vermögen von Firmen sind auch nicht pfändbar - auch wenn es sich um Personengesellschaften oder Unternehmensgesellschaften handelt von der nur eine Person selbst lebt.
- Einkommen bis circa 1339,99 € brutto für ledige Menschen, die keine Unterhaltsverpflichtung haben. Dies ändert sich jedes Jahr. Dies kannst du dir relativ schnell im Internet raussuchen.
- Tabelle vom 1. Juli 2022: /oeffentlich/Legal-Wiki/pfaendungsfreigrenzen_arbeitseinkommen_juli2022.pdf
- Im Internet gibt es auch Tipps dazu, wie diese gelesen werden kann, z.B.: https://www.finanztip.de/pfaendungstabelle/
- Schenkungen.
- Eine Schenkungskette, die verhindert, dass Gegenstände bei der Schuldnerin gepfändet werden können, muss aus mindestens 3 Gliedern bestehen: Schenker - Zwischenstation - Endstation.
Was sind Repressionen?
Was ist Repression überhaupt?
Damit die aktuellen Machtstrukturen weiterexistieren können, brauchen diese Handlungsmonopole - Mittel, über die andere nicht verfügen. Um Privilegien weiter zu schützen und aufrechtzuerhalten, müssen Handlungen, die dieses System kritisieren oder gar gefährden könnten, verfolgt und sanktioniert werden. Das Ziel von Repression ist letztlich der angepasste Mensch.
Repression kann in vielen Formen kommen - ob als Geldstrafe, Bußgeld, Freiheitsentzug oder Verboten.
Wie wirkt Repression?
- Repression ist vielfältig und wird von uns natürlich nicht nur in Form von Strafbefehlen und Gerichtsprozessen gespürt.
- Direkte Repression: Manifestiert in Form von Polizei, Gerichten, Ämtern, Gefängnissen, Meldeauflagen, Geldbußverfahren, (Eintragungen ins) polizeiliche Führungszeugnis oder anderen Zeugnissen etc.
- Symbolische, diskursive, normierende Repression: Manifestiert in Methoden Ängste zu schüren, Normen zu setzen, Drohungen zu erhalten, Unsicherheiten zu verstärken etc.
- Aktivisti können diese Repressionen auf sich wirken lassen und dadurch nach und nach in eine lähmende Schockstarre versinken. Aber es ist verblüffend einfach, Institutionen der Repression aus dem Konzept zu bringen und kreativ ins Wanken zu bringen! Hierfür möchten wir drohende Repression als integralen Bestandteil der politischen Auseinandersetzung begreifen. Straftaten können bewusst auch mit dem Ziel begangen werden, eine weitere Politisierung vor Gericht zu ermöglichen.
- Aktivisti können also die kriminellen Machenschaften der Regierung und des Justizsystems aufdecken und demaskieren, indem sie kreativ frech agieren. Um dabei erfolgreich zu sein, ist eines besonders wichtig: Viel Übung, erste Praxiserfahrungen und Reflektion über diese. Außerdem: Wer weiß, was passieren kann und welche Möglichkeiten des Schutzes bestehen, kann erfolgreicher agieren.
Smart Repression = Intelligente Repression
“Set of coercive tactics that governments use to suppress dissent without activating backfire. To avoid backfire, governments have developed techniques of repression that delegitimize movements in the eye of the public, thereby diminishing the movement´s capacity to mobilize and create defections.” (Chenoweth, Erica. Civil Resistance: What everybody needs to know. Oxford University Press, 2021)
Das sind Repressionen, die sich nur schwer für uns nutzen lassen, die uns subtil bremsen können, ohne dass wir sie öffentlich wirksam als übertrieben sichtbar machen können.
Ziviler Ungehorsam und Jugendarbeit
Für Menschen, die in der Jugendarbeit/Jugendhilfe beim Staat oder bei freien Trägern tätig sind ist ein erweitertes Führungszeugnis nötig. Das betrifft zum Beispiel Lehrer:innen. Für sie gilt:
Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) § 72a Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen (1) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe dürfen für die Wahrnehmung der Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe keine Person beschäftigen oder vermitteln, die rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i, 184j, 184k, 184l, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden ist. Zu diesem Zweck sollen sie sich bei der Einstellung oder Vermittlung und in regelmäßigen Abständen von den betroffenen Personen ein Führungszeugnis nach § 30 Absatz 5 und § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen.
Die Strafbestände, die euch beispielsweise als Folge von Straßenblockaden höchstwahrscheinlich angelastet werden, fallen da nicht drunter. Das bedeutet, dass Eintragungen im Führungszeugnis unkritisch sind und ihr trotzdem z.B. als Lehrer:innen arbeiten könnt.
Beschlagnahme von Handys
Grundsätzliches
Das Wichtigste ist: Um die Beschlagnahme von Handys von vornherein zu verhindern, ist die wichtigste Maßnahme, bei geplanten Aktionen keine privaten Handys dabei zu haben. Dieser Rat gilt unabhängig davon, ob du die Aktion als strafbar einschätzt, da es immer passieren kann, dass die Polizei die Situation anders sieht. Ein beschlagnahmtes Handy zurückzubekommen ist anstrengend und dauert oft lange.
Die Polizei beschlagnahmt Handys in der Regel auf der Grundlage von § 94 StPO und braucht dafür gemäß § 98 StPO keine gerichtliche Anordnung. Die Pflicht, den beshlagnahmten Gegenstand herauszugeben, ergibt ich aus § 95 StPO.
Wie kann ich reagieren, wenn die Polizei mein Handy beschlagnahmen will?
Gegen die Beschlagnahme selbst lässt sich erfahrungsgemäß nicht viel ausrichten. Im Zweifel kann die Polizei diese durch unmittelbaren Zwang durchsetzen. Solltest du dein Handy also nicht freiwillig herausgeben wollen, wird die Polizei es dir im Zweifelsfall unter Anwendung von körperlicher Gewalt wegnehmen.
Den Entsperrcode oder die PIN musst du nicht sagen (und solltest das auch auf keinen Fall tun). Wenn keine belastenden Daten und Nachrichtenverkehr auf dem Handy sind, kannst du anbieten, dass sie mit dir gemeinsam reingucken, statt das Handy mitzunehmen.
Wie reagiere ich am besten auf die Beschlagnahme?
Du solltest der Beschlagnahme sofort widersprechen. In diesem Fall muss die Polizei die Beschlagnahme innerhalb von drei Tagen gerichtlich bestätigen lassen. Da das aber oft nicht passiert, sollte auch direkt beim Gericht ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. Zuständig ist das Amtsgericht des Bezirks, in dem die Beschlagnahme passiert ist. Die Entscheidung dauert leider oft lange.
Sollte das Amtsgericht die Beschlagnahme als rechtmäßig bestätigen, kann hiergegen sofortige Beschwerde beim Landgericht erhoben werden.
Die Ermittler*innen müssten sich theoretisch sofort um die Auswertung der Daten kümmern und das Handy so schnell wie möglich zurückgeben. In der Praxis sieht das leider meistens anders aus. Allein den Code zu knacken dauert schon mehrere Monate. Dabei werden die Handys die ganze Zeit am Strom gelassen, worunter der Akku leidet. Dazu kommt, dass die Fälle meistens nicht priorisiert behandelt werden. Es empfiehlt sich daher, immer wieder nachzufragen.
Sollte dein Handy bei einer Aktion beschlagnahmt worden sein, kannst du dich für Unterstützung auch beim RAZ e.V. unter der Mailadresse melden. Am besten wäre es aber, wenn wir alle Handys bei Aktionen zu Hause lassen, um euch und dem Team des RAZ e.V. unnötige Arbeit zu ersparen.