Rechtsinfos

Relevante Paragraphen übersetzt

Paragraphen zur Begründung unserer ‘Rechte’ bei/vor Gericht

§147 StPO - Akteneinsicht

(4) Auf Antrag sollen dem Verteidiger, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten mit Ausnahme der Beweisstücke zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung mitgegeben werden. 

(7) Dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, sind auf seinen Antrag Auskünfte und Abschriften aus den Akten zu erteilen, soweit dies zu einer angemessenen Verteidigung erfoderlich ist, der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Strafverfahren, nicht gefährdet werden kann und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen. 

Rechtfertigungsgründe

Um ein abschließendes Urteil über eine Tat/Handlung vor Gericht zu fällen, muss die Rechtswidrigkeit festgestellt werden. Das heißt, dass es keine Rechtfertigung für die Tat gäbe. 

Gründe für eine solche Rechtfertigung der Tat lassen sich nicht an einem bestimmten ‘Ort’ oder einer Stelle im Gesetz finden. Sie können also aus der Ganzheit der Rechtsordnung stammen. 

In diesem Abschnitt haben wir ein paar mögliche Gründe zur Rechtfertigung von Taten Zivilem Ungehorsams zusammengetragen. 

§34 StGB (rechtfertigender Notstand)

Paragraph:

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr (z. B. Klimakrise) für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat (z. B. Baumbesetzung) begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen (z. B. Klimaschutz durch Erhalt der Bäume vs. Freiheit eine neue Straße zu bauen) , namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse (z. B: Klima) das beeinträchtigte (z. B. Freiheit Straßen zu bauen) wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat (z. B. Baumbesetzung) ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

§32 I StGB (Notwehr/Nothilfe)

§35 StGB Abs. 2 (entschuldigender Notstand)

§16 OWiG (rechtfertigender Notstand)

Relevante Rechtsbereiche

Polizeirecht

Strafrecht 

Strafprozessordnung (StPO)

Strafgesetzbuch (StGB)

Ordnungswidrigkeitsgesetz (OwiG)

Gerichtsverfassungsgesetz 

Versammlungsrecht

Vorteile von Nutzung des Versammlungsrechtes 

Systematik des Strafprozessrechts (Paragrafenreiterei 1 + 3)

„Systematik des Strafprozessrechts, Teil 1“ 

An mich wurde aus dem Team die Frage gerichtet: Wie finde ich schnell die richtige Vorschrift in der StPO?

Und in der Tat: Um in der Vorbereitung, aber auch in der Verhandlung eine bestimmte Vorschrift zu finden, ist es hilfreich, die Systematik des Gesetzes zu kennen. So müsst ihr nicht alle relevanten §§ auswendig lernen und findet trotzdem schnell die richtige Vorschrift. 

Zentral ist hier natürlich die StPO. Die verweist aber gleich in § 1 auf das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Dieses ist in guten Gesetzessammlungen und Kommentaren ebenfalls abgedruckt. Das GVG befasst sich im Wesentlichen mit dem Aufbau der Strafgerichte, enthält aber auch einige für die Praxis vor Ort wichtige Vorschriften:

Titel 1: Gerichtsbarkeit (§§ 1 bis 21)

Er enthält Vorschriften zur Unabhängigkeit des Richters (§ 1) und definiert Zugehörigkeit und Zuständigkeiten der „ordentlichen Gerichtsbarkeit“ (§§ 12-14). Das wird für uns erst dann wirklich relevant, wenn Sondergerichte für die Letzte Generation eingerichtet werden sollten. Auch deshalb ist für uns das Verbot von Ausnahmegerichten in § 16 GVG wichtig. Es stellt sich in der Tat ie Frage, ob die Einrichtung neuer Kammern speziell für beschleunigte Verfahren gegen die Letzte Generation gegen diese Vorschrift verstoßen. Das dürfte rein juristisch umstritten sein, kann aber in der öffentlichen Diskussion ein gutes Framing sein.

In § 17 werden Regelungen über die Behandlung unklarer Zuständigkeiten getroffen. Die §§ 18 bis 21 setzen das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen um, befreien Diplomaten von der ordentlichen Gerichtsbarkeit und regeln Grenzfälle.

Titel 2: Präsidien der Gerichte und der Geschäftsverteilung (§§ 21a bis i)

Bis auf § 21 g sind diese Regelungen für uns nicht von Bedeutung. § 21g regelt die Geschäftsverteilung innerhalb eines Spruchkörpers, also eines Referates, einer Kammer oder eines Senats. Das ist bei Spruchkammern mit einem/einer Richter*in ohne Bedeutung, wird Relevanz bekommen können bei Schöffenkammern oder bei höheren Gerichten.

Titel 3: Amtsgerichte (§§ 22 bis 27).

Hier geht es um Zuständigkeiten, Zusammensetzung und andere organisatorische Fragen. Im Normalfall für uns also ohne Relevanz. Wenn allerdings (z.B. wegen der zu erwartenden Strafe) die Zuständigkeit des Amtsgerichts geprüft werden muss, sind hier die §§ 24-26 heranzuziehen.

Titel 4: Schöffengerichte (§§ 28 bis 58)

Wenn ihr also mal am Amtsgericht mit der Schöffenkammer zu tun habt, kann es sinnvoll sein, sich diesen Teil mal anzuschauen. Ansonsten auch, wenn ihr wissen wollt, wie mensch Schöff*in werden kann und was das konkret bedeutet.

Titel 5: Landgerichte (§§ 59 bis 78)

Dieser Teil befasst sich mit der Besetzung und den Zuständigkeiten der Landgerichte.

§ 73 bestimmt, die Zuständigkeit für Entscheidungen über Verfügungen des Amtsgerichts. Das betrifft insbesondere Sofortige Beschwerden gegen z.B. Ablehnungen von Terminsverschiebungen oder von Laienverteidigern. Die Sofortige Beschwerde muss allerdings vor der Mündlichen Verhandlung erfolgen.

In § 76 ist die Besetzung der Strafkammern geregelt.

Titel 5a: Strafvollstreckungskammern (§78a und b)

ist für Strafverfahren nicht relevant. Er  befasst sich mit der Strafvollstreckungskammer, die über die Rechte der Strafgefangenen entscheidet. Er ist also für die Gefängnis-Support-AG relevant.

Titel 8: Oberlandesgerichte (§§ 115 bis 122)

Das Gesetz scheint im Laufe der Jahre ganz erhebliche Veränderung mitgemacht zu haben, so dass die Nummerierung nicht mehr ganz konsistent ist.

Auch hier: Zuständigkeiten, Zusammensetzung etc. Für uns in der Regel nicht relevant.

Titel 9: Bundesgerichtshof (§§ 123 bis 140)

Dieser ist für unsere Praxis erst mal nicht relevanten

Titel 9a: Wiederaufnahmeverfahren (§140a)

wird uns wohl erst beschäftigen, wenn wir das Klima gerettet haben. § 140a regelt die Zuständigkeit bei Wiederaufnahmeverfahren.

Titel 10: Staatsanwaltschaft (§§ 141 bis 152)

Auch hier wieder vor allem um Fragen der  Zuständigkeiten und Organisation. 

Titel 11: Geschäftsstelle (§ 153)

ist für uns in der alltäglichen Prozessbegleitung nicht relevant. Wenn ihr Prozesstrainings macht, kann es aber (für die Einstimmung der Teilnehmenden auf die entsprechende Rolle) durchaus lohnend sein, die Titel 10 und 11 mal gelesen zu haben.

Titel 13: Rechtshilfe (§§ 158 bis 167)

ist mit „Rechtshilfe“ überschrieben. Die Gerichte sind danach verpflichtet, den Bürger*innen Rechtshilfe zu gewähren, also sie bei der Vornahme rechtlicher Schritte zu beraten oder ihnen durch Beratungsschein Beratung durch eineN Rechtsanwält*in der Wahl zu ermöglichen. Dieser Abschnitt regelt hierfür die Zuständigkeiten. Mal lesen schadet nicht, aber seid Euch bewusst, dass die Praxis meist hinter der Theorie zurück bleibt..

Titel 14: Öffentlichkeit und Sitzungspolizei (§§ 169 bis 183)

Hier findet ihr Vorschriften zur Gewährleistung und zur Einschränkung der Öffentlichkeit (§§ 169 bis 175) und zu Sitzungspolizeilichen Mitteln, also Ausschluss, Ordnungsgeld etc. (§§ 177 bis 183). Also auf jeden Fall mal reinschauen!

Titel 15 Gerichtssprache (§§ 184 bis 191a)

Ist dann relevant, wenn d. Angekl. der deutschen Sprache nicht mächtig ist. § 186 GVG regelt die Verständigung mit Hör- und Sprachbehinderten Menschen. Das kann also auch mal für uns als Laienverteidiger*innen relevant werden. Bei Gelegenheit mal lesen, dann erinnert ihr vielleicht leichter dran, wenn es für Euch konkret relevant wird.

Titel 16: Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197)

Hier findet ihr die Bestimmungen über den gesetzlichen Richter und die Beratung von Beschlüssen und Urteilen bei Gerichten mit Schöff*innen oder mehreren Richter*innen.

Titel 17: Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren ... (§§ 198 bis 201)

Dieser Teil ist später angehängt worden und befasst sich mit überlangen Verfahren. Für uns ist das im Augenblick nicht relevant, kann aber mit zunehmender Überlastung der Gerichte mit unseren Verfahren relevant werden. Es könnte sich also lohnen, diesen Teil mal in einer ruhigen Stunde zu lesen.

„Systematik des Strafprozessrechts, Teil 2“ 

Nachdem ich beim letzten Mal das GVG erörtert habe, kommen wir dieses Mal zur Strafprozessordnung. Sicherlich wird es aber noch mindestens einen Teil 3 geben müssen, um alles soweit zu durchdringen, dass ihr im Alltag schnell die passende Vorschrift finden könnt.

Eine Möglichkeit, schnell die Vorschrift zu finden, die mensch sucht, ist das Auswendiglernen. Bei der Masse an Vorschriften ist das zeitaufwändig und nicht Allen ist ein gutes Gedächtnis mit auf den Weg gegeben, zumal Inhalt und Formulierung der Vorschriften sich nicht gerade zum Auswendiglernen eignen. Außerdem braucht mensch im juristischen Alltag meist nur einen kleinen Teil der Vorschriften.

Wenn ihr mal, wie ich, 30 Jahre „im Geschäft“ seid, werdet ihr wahrscheinlich mehr Vorschriften auswendig kennen als ich mit meinem Gedächtnis. Was in § 138 Abs. 2 oder im § 163 steht, kann ich noch immer nicht auswendig vorsagen. Aber wenn ich nach der entscheidenden Vorschrift für die Zulassung von Laienverteidigung gefragt werde, kann ich in jedem Fall „§ 138 II“ aussprechen.

Es ist aber auch gar nicht notwendig, alle Vorschriften zu kennen. Viel wichtiger ist, zu wissen, wie ich schnell die richtige Vorschrift finde. Dabei hilft in jedem Fall die Systematik des Gesetzes zu kennen, denn dann müsst ihr nicht alle §§ durchlesen, sondern könnt es auf einige wenige begrenzen.

Die StPO besteht aus 8 Büchern, und die sind, mit gewissen Einschränkungen, durchaus logisch aufgebaut. Ich werde mich heute beschäftigen mit dem

1. Buch: Allgemeine Vorschriften

Hier finden wir in 11 Abschnitten 150 Paragraphen, die in allen Verfahren und Rechtszügen gelten, vergleichbar mit dem Allgemeinen Teil des StGB (§§ 1-79).

 Im ersten Abschnitt geht es um die „Sachliche Zuständigkeit der Gerichte“.

Den Verweis in § 1 auf das GVG habe ich im „Kleinen Paragraphenreiter Nr. 1“ ausführlich abgehandelt. § 6 schreibt vor, dass das Gericht die (im GVG festgelegte) sachliche Zuständigkeit „in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen“ prüfen muss. Das gilt logischerweise erst recht dann, wenn Zweifel an der Zuständigkeit des Gericht geäußert wird. Wenn wir also im Prozess darauf hinweisen würden, dass es sich hier um politische Verfahren handelt und daher die Kammern für die Verkehrssachen sachlich gar nicht zuständig wären, müsste das Gericht die eigene Zuständigkeit erneut prüfen.

Wir sind immer wieder mit Fragen zur Verbindung und Trennung von Verfahren konfrontiert. Hier sind die §§ 2 bis 5 StPO relevant. Hier ist auch § 3 wichtig. Er definiert den Begriff „Zusammenhang“, der bei der Verbindung von Verfahren eine Rolle spielt und somit in die Argumentation eingebaut werden kann bzw. sollte.

Besteht eine „besondere Zuständigkeit“, z.B. für Beschleunigte Verfahren, kommt meines Erachtens § 6a in Betracht. Hier hat das Gericht die Zuständigkeit bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens zu prüfen. Danach nur, wenn Angekl. und/oder Verteidigung Einwände gegen die Zuständigkeit erheben.

Auch der § 5 ist hier zu beachten: Praktisch bedeutet der: Sollte ein beim AG anhängiges Verfahren mit einem beim LG anhängigen Verfahren zusammen gelegt werden, wäre das LG für das weitere Verfahren zuständig. Dadurch würde dann in einem Fall die 1. Instanz verloren gehen. Ich habe das auch noch nicht erlebt, dass ein Landgericht so etwas macht. Aber wir sollten unsererseits auch nicht dahingehend tätig werden.

Gewalt in der Nötigungsdiskussion (Paragrafenreiterei 3)

Einleitung

Mit dieser 2. Ausgabe der „Kleinen Paragraphenreiterei“ will ich einen Absatz aus dem Freispruch in Leipzig besprechen. Bei aller Freude über den Freispruch, ist mir hier doch auch die Schlampigkeit bei Subsumtion der Gewalt aufgestoßen. Ich halte es für wichtig, dass wir uns bei aller Freude über Freisprüche immer auch eine kritische Distanz gegenüber Urteilen und juristischen Begründung bewahren. Nur so können wir beständig lernen und unsere Argumentation immer besser ausbauen.

Der Freispruch des AG Leipzig: AG Leipzig vom 4.7.23, Az. 217 Cs 617 Js 57304/22

Gewalt in der Nötigungsdiskussion“

„Die durch die Angeklagten verursachte unter Ziff. II geschilderte Straßenblockade erfüllt den Straftatbestand der Nötigung, § 240 Abs. 1 StGB. Diese stellt nach der sog. „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des BGH (Urteil vom 20.07.1995 1 StR 126/95) Gewalt im Sinne der Vorschrift dar. Die erforderliche physische Zwangswirkung lag zwar nicht im Verhältnis der Demonstranten zu den Fahrzeugführern in den jeweils ersten Reihen vor, wohl aber in dem der ersten Reihe zu den nachfolgenden Fahrzeugführern. Sofern von Seiten der Verteidigung der Angeklagten (…) vorgebracht wurde, dass ein Umfahren über den Geh- bzw. Fahrradweg möglich gewesen sei, so kann dieser Argumentation nicht gefolgt werden. Selbst wenn man diese Umfahrungsmöglichkeit annehmen würde, wären die Verkehrsteilnehmer trotzdem erstmal zum Anhalten gezwungen gezwungen gewesen. Gerade die auf der linken Spur stehenden Pkws hatten nicht die Möglichkeit, sich auf den Radweg zu begeben. Letztlich würde die Argumentation jedoch dazu führen, dass die blockierten Autofahrer dazu angehalten wären, sich selbst rechtswidrig zu verhalten und dabei auch unbeteiligte Dritte zu gefährden. Das Umfahren der Blockade über Rad- und Gehweg, das im vorliegenden Fall wohl auch unkoordiniert und unübersichtlich geworden wäre, so dass auch hier mit weiteren Behinderungen zu rechnen gewesen wäre, ist vor allem aus dem Grund, Radfahrer und Fußgänger nicht zu gefährden, nicht erlaubt, so dass man die Verkehrsteilnehmer hierauf nicht verweisen kann.“

Das Gericht beruft sich hier im Wesentlichen auf die „Zweite-Reihe-Rechtsprechung“ des BGH, hat diese aber ganz offensichtlich nicht wirklich verstanden. Richtig zitiert das AG Leipzig, dass die „erforderliche physische Zwangswirkung (...) zwar nicht im Verhältnis der Demonstranten zu den Fahrzeugführern in den jeweils ersten Reihen vor(lag), wohl aber in dem der ersten Reihe zu den nachfolgenden Fahrzeugführern“. Warum dies so ist, erörtert das Gericht dabei nicht. Der BGH hatte sich hier nämlich auf die „Mutlangen-Entscheidung“ (BVerfGE 92,1) des BVerfG bezogen, in der festgestellt wurde, dass für das Vorliegen von Gewalt ein Minimum an körperlicher Kraftentfaltung erforderlich sei. Diese sei durch das bloße sich auf der Fahrbahn niederlassen aber nicht gegeben, da der Fahrzeugführer hier nicht deshalb anhalte, weil das Hindernis körperlich unüberwindbar wäre, sondern weil seine Tötungshemmung ihn am Überfahren der Blockierer*innen hindere.

Erst der nach ihm Kommende hat ein physisches Hindernis vor sich, jedenfalls dann, wenn er das erste Fahrzeug nicht umfahren kann. Dann nämlich würde er das erste Fahrzeug rammen und wäre spätestens dann am Weiterfahren gehindert.

Wenn er aber das erste Fahrzeug umfahren kann, fehlt es genau an dieser körperlichen Zwangswirkung, die für die Tatbestandserfüllung der Gewalt in § 240 StGB notwendig ist.

„Selbst wenn man diese Umfahrungsmöglichkeit annehmen würde, wären die Verkehrsteilnehmer trotzdem erst mal zum Anhalten gezwungen gezwungen gewesen.“

Über diesen Punkt habe ich schon bei unserem letzten Strategietreffen philosophiert. Strafbar ist eine Nötigung mit Gewalt zu einer „Handlung, Duldung oder Unterlassung“. StA und Gerichte lassen es grundsätzlich offen, welche dieser Tatbestandsalternativen erfüllt ist. Hier zeigt sich aber, wie relevant diese Frage sein kann. Die Richterin in Leipzig ging hier ganz offensichtlich von der Tatbestandsalternative einer Handlung aus, denn der Fahrer musste bremsen. Genau diese Tatbestandsalternative fand aber innerhalb einer noch geschützten Versammlung statt. Selbst wenn wir diesen Umstand außer Acht lassen, kann die Tatbestandsalternative der Handlung nicht zu Recht angenommen werden, denn auch bei anderen, nicht rechtswidrigen Tatbestandsverwirklichungen müssen die Fahrzeugführer*innen bremsen. Wenn sie bis zu Auflösung oder Verlegung einer Versammlung warten müssen, kommen sie um das Bremsen ebenso wenig herum, wie in dem Fall, dass sie umdrehen oder eine Umfahrung nutzen, die sie in aller Regel nicht sicher befahren, wenn sie nicht zuvor das Tempo verringert haben. Das heißt, alle denkbaren Tatbestandsalternativen, in denen nur das Handeln durch Bremsen vorliegt, sind ohnehin straffrei.

„Letztlich würde die Argumentation jedoch dazu führen, dass die blockierten Autofahrer dazu angehalten wären, sich selbst rechtswidrig zu verhalten und dabei auch unbeteiligte Dritte zu gefährden.“

Hier zeigt sich für mich, dass die Richterin die o.g. Entscheidung des BVerfG nicht gelesen oder nicht verstanden hat. Durch das Hinsetzen auf die Straße wird eine psychische Barriere errichtet, die nicht strafbar ist. Das gilt, obwohl das mit dem Weiterfahren verbundene Überfahren der blockierenden Personen die Autofahrer*innen sich rechtswidrig verhalten würden. Wenn es nicht strafbar ist, allein durch die Anwesenheit des eigenen Körpers auf der Fahrbahn die betroffenen Autofahrer*innen zu der Entscheidung zu zwingen, ob sie das Leben der Sitzenden achten oder sich mindestens wegen Totschlags strafbar zu machen, dann kann dies nicht plötzlich dadurch strafbar werden, weil der/die Autofahrer*in sich gezwungen sieht eine Verkehrsordnungswidrigkeit zu begehen.