1-Davor

Prozesstraining

Was ist ein Prozesstraining? 

Das Prozesstraining bereitet euch mit theoretischem Input, Rollenspielen und praktischen Übungen darauf vor euch im Prozess selbst zu verteidigen oder andere Menschen als Verteidiger*innen zu unterstützen. Ihr lernt wie ein Gerichtsprozess abläuft und welche Werkzeuge zur Verteidigung zur Verfügung stehen. Ihr baut Selbstvertrauen auf und ermächtigt euch, euch Richter*innen gegenüberzustellen und für euch einzustehen. Außerdem werden Ideen und Strategien vermittelt, wie aus dem juristischen Verfahren ein Politisches wird und die Aktion im Gericht fortgeführt werden kann.

Auch wenn ihr euch am Ende gegen die Selbstverteidigung entscheidet und doch eine professionelle Verteidigung oder Laienverteidigung zur Hilfe nehmt, ist dieses Wissen unglaublich wertvoll, um die Verfahren aktiv zu führen und zu wissen was auf euch zukommt. Das Training ermächtigt euch Repression nicht nur passiv über euch ergehen zu lassen, sondern den Prozess zu euerm Prozess zu machen.

Videoreihe

Die wesentlichen theoretischen Inhalte des Prozesstrainings wurden auch in mehreren YouTube-Videos zusammengefasst. Sie können keinen Ersatz für ein reguläres Prozesstraining darstellen, weil die praktische Erfahrung aus den Rollenspielen fehlt und keine Fragen gestellt werden können. Trotzdem sind sie eine gute Möglichkeit sich einen Überblick zu verschaffen. Hier findet ihr einen Link zu der Videoreihe.

Prozesstraining für Fortgeschrittene

Neben dem Einstiegs-Prozesstraining bieten wir auch einen Aufbaukurs an. Dieser vertieft bestimmte Aspekte der Gerichtsverhandlung wie z.B. die Durchführung der Zeugenbefragung oder das Plädoyer. Das Training ist modular aufgebaut und orientiert sich an den inhaltlichen Wünschen der Teilnehmenden, die im Vorfeld abgefragt werden. Das Ziel ist es sich gemeinsam mit Details von Strafverfahren zu beschäftigen und für die Teilnehmenden einen Raum zum Austausch und zu bieten. Termine, Zeitrahmen und Anmeldung laufen genau so, wie beim Einstiegs-Prozesstraining.

Termine 

Die nächsten Termine kündigen wir immer in unserem Infokanal auf telegram an. Komm gerne dazu & informier dich: https://t.me/+AtEDKpIct51mOGEy. Außerdem findest du die Termine in unserem Kalender.

Anmeldung

Jedes Prozesstraining braucht zwischen 10 und 20 Teilnehmer:innen. Meldet euch daher bitte unbedingt an - per E-Mail bei legal@raz-ev.org!  Und fragt hier auch immer gerne nach den nächsten Terminen nach:)

Beschleunigte Verfahren am Amtsgericht Tiergarten (Berlin)

Hier findest du einen kleinen Überblick zu der Bedeutung von beschleunigten Verfahren, deren Problematik, und unseren Umgang damit. Mittlerweile hat das AG Tiergarten ihre neue Kammer für beschleunigte Verfahren wieder geschlossen (s.u.). Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es in Einzelfällen oder vor anderen Gerichten zu beschleunigten Verfahren kommt.

Worum geht es?

Das Amtsgericht Berlin hat eine neue Kammer eingerichtet nur für Klimaaktivist*innen, die beschleunigte Verfahren durchführen soll. Es wurden 5 Richterstellen geschaffen (bisher sind erst zwei davon besetzt), die dann nur für beschleunigte Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft zuständig sind. Das wird de facto nur in unseren Fällen passieren. Aktuelle Info ist, dass bereits 16 Verfahren beantragt wurden – 14 davon für Letzte Generation Menschen und 2 für Extinction Rebellion Verfahren (Stand 22.06.2023).  

Es ist der Versuch der Berliner Justiz mit der Überforderung aufgrund der riesigen Menge von Verfahren der Letzten Generation Umgang zu finden.

Wieso ist das problematisch?

1. Das beschleunigte Verfahren ist für Fälle gedacht, in denen alles klar ist und sehr einfach zu beurteilen, in denen kaum Beweiserhebungen nötig sind, etc. (Das ist ein schrecklicher Weg ganz viel Armutskriminalität schnell abzuurteilen). Das passt aber nicht auf unsere Fälle, wo ja besonders höhere Gerichte, so auch unsere bisher einzige Entscheidung vom Kammergericht in Berlin, betont haben, dass die Rechtsfragen schwierig sind und genau Beweis geführt und abgewogen werden muss und ein Geständnis nicht zur Verurteilung ausreicht.

2. Ein Grundpfeiler des Rechtsstaats ist das Recht auf eine:n unabhängige:n Richter:in. Dies wird besonders dadurch geschützt, dass jede:r das Recht auf den:die gesetzliche:n Richter:in hat. Das heißt die Zuständigkeiten sind vorher im Geschäftsverteilungsplan festgelegt und die Gerichtsverwaltung kann nicht für einzelne Fälle oder Fallgruppen spezifische Richter*innen zuteilen, die dann ggf. eine bestimmte Auffassung vertreten. Da sie nun eine Abteilung de facto nur für unsere Fälle schaffen, wählen sie spezifisch Richter*innen aus, die nur unsere Fälle machen. Die Gerichtsverwaltung wählt diese aus und die ist direkt an das Justizministerium/die Justizministerin weisungsgebunden. (wir erinnern uns an dieser Stelle an die furchtbare rechte neue Justizsenatorin Badenberg)...

Insgesamt wird dadurch also das Recht der Klimaaktivist:innen auf unabhängige und faire Richter*innen eingeschränkt.

 

Was genau bedeutet das? 

Aktueller Umgang der Justiz mit den beschleunigten Verfahren 

Stand 19.09.2023

Mittlerweile wurden alle beschleunigten Verfahren mit dem Tatvorwurf Nötigung in Regelverfahren verwandelt, da das Gericht anerkannt hat, dass es sich nicht um geeignete Verfahren handelt, um diese im beschleunigten Verfahren zu entscheiden. 

Es gab einen Freispruch innerhalb eines beschleunigten Verfahrens mit dem Vorwurf der Sachbeschädigung. 

Allerdings werden weiterhin Verfahren von der Staatsanwaltschaft beantragt - also Augen auf. 

Stand 06.01.2024

Das Amtsgericht Tiergarten hat seine Kammer für beschleunigte Verfahren wieder geschlossen, da diese sich in vielen Fällen nicht als zielführend erwiesen hätten.
Die noch offenen Verfahren sollen nun von anderen Abteilungen am AG Tiergarten übernommen werden.

Stand 30.01.2024

Es werden sowohl noch Ladungen zu beschleunigten Verfahren vom Ende letzten Jahres als auch aus diesem Januar nach Bekanntgabe der Schließung der Kammern verschickt. Bisher war es in jedem Fall möglich durch Anruf beim Gericht die Überführung in ein Strafbefehlsverfahren zu erreichen.

Stand 19.02.2024

Eine ausführliche Darstellung der Entwicklungen findet ihr hier: https://raz-ev.org/vorgehen-der-staatsanwaltschaft-verfassungswidrig-ag-tiergarten-lehnt-beschleunigte-verfahren-ab-februar-2024/

 

Wahlverteidigung nach § 138 Abs. 2 StPO ("Laienverteidigung")

Möglichkeiten der Wahlverteidigung nach § 138 Abs. 2 StPO - "Laienverteidigung"

Tatsächlich dürfen angeklagte Personen auch Menschen als Rechtshilfe mit in den Prozess nehmen, die keine ausgebildeten Anwält:innen sind. Diese Menschen sollten/müssen sich mit Recht, hauptsächlich mit Straf- und Strafprozessrecht, auskennen. Das ist laut Gesetz ein Fall der Wahlverteidigung und in § 138 Abs. 2 StPO geregelt. Es wird manchmal auch von Lai:innenverteidigung gesprochen, da auch Menschen es beantragen können, die juristische Lai:innen sind. Wir sprechen meistens von Wahlverteidiger:innen, da eigentlich alle Menschen, die vor Gericht verteidigen, eine gewisse Sachkenntnis mitbringen.

Allerdings kennen viele Gerichte diese Möglichkeit nicht oder sind manchmal kein großer Fan dieser Regelung. Deswegen werden Wahlverteidiger:innen immer wieder abgelehnt oder während des Verfahrens ausgeschlossen. Dies passiert oft willkürlich und es kommt regelmäßig vor, dass die selben Menschen bei einem Gericht zugelassen und bei einem anderen Gericht abgelehnt werden. Als RAZ e.V. haben wir viele gute Erfahrungen gemacht mit der Beantragung der Wahlverteidigung. Selten werden Menschen abgelehnt, die nachweislich Kenntnisse in dem Bereich mitbringen, beispielsweise weil sie sich aktuell im Jurastudium befinden. Aber mehr dazu weiter unten im Artikel. 

Idee hinter der Wahlverteidigung nach § 138 Abs. 2 StPO ist, dass ein Prozess kollektiv geführt werden kann. Dadurch sitzt die angeklagte Person nicht allein vor Gericht und es macht vielleicht sogar Spaß sich, gemeinsam mit dem Gericht über die Legitimität und Legalität von Protesten zu streiten. Außerdem entstehen keine zusätzlichen anwaltlichen Kosten und die Verteidigung hat trotzdem Rechte, wie auf Akteneinsicht, das Schöffenregistereinsichtsrecht, auf das Einreichen von Revisionsbegründung und Rechtsbeschwerdebegründungen etc. 

Es kann sehr empowernd sein, sich gemeinsam mit einer Wahlverteidigung auf die Anklagebank zu setzen. Auf diese Art und Weise können auch Dinge ausprobiert werden, die im typischen Strafprozess vielleicht nicht Gang und Gebe sind. Dadurch kann zum Beispiel auch ein viel persönlicheres Gespräch zwischen Gericht und Verteidigung entstehen, da das Setting als etwas weniger offiziell wahrgenommen wird von allen Beteiligten. 

Supportstrukturen des RAZ e.V.

Natürlich wirst du nicht alleine gelassen mit den Vorbereitungen deines Gerichtsprozesses. RAZ e.V. betreut alle Gerichtsverfahren und hilft dir auch bei allen inhaltlichen, sowie auch organisatorischen und logistischen Vorbereitungen. Dafür ist es wichtig, dass du deinen Termin der RAZ mitteilst (am besten per Mail an legal@raz-ev.org). Dann melden wir uns rechtzeitig, um gemeinsam in die Absprache zur Selbst- und/oder Wahlverteidigung, bzw. die Notwendigkeit von Anwält:innen zu gehen.

Wir haben einen Pool an Menschen, die gerne Aktivist:innen als Wahlverteidigung supporten. Wenn du Teil davon sein willst, schreib uns gerne.

Rechtsgrundlage

Allgemein ist die Verteidigung im Strafrecht in § 137 Abs. 1 S. 1 StPO geregelt. Dort heißt es: “Der Beschuldigte kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen.” Ein:e Verteidiger:in ist also erstmal der Beistand der beschuldigten Person - verankert ist das Recht auf ein faires Verfahren weiter im Grundgesetz und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Hiernach sind bis zu drei Wahlverteidiger:innen zulässig. Dies bedeutet, dass eine angeklagte Person bis zu drei Menschen als Verteidigung mitbringen darf. Andersherum darf ein:e Wahlverteidiger:in nicht mehrere Angeklagte vertreten, da es das Verbot der Mehrfachverteidigung (§ 146 StPO) gibt. 

Die Möglichkeit der Wahlverteidigung ist dann in § 138 StPO weiter geregelt. Dort heißt es:

§ 138 StPO
(1) Zu Verteidigern können Rechtsanwälte sowie die Rechtslehrer an deutschen Hochschulen im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt gewählt werden. 
(2) Andere Personen können nur mit Genehmigung des Gerichts gewählt werden. Gehört die gewählte Person im Fall der notwendigen Verteidigung nicht zu den Personen, die zu Verteidigern bestellt werden dürfen, kann sie zudem nur in Gemeinschaft mit einer solchen als Wahlverteidiger zugelassen werden. 
(3) Können sich Zeugen, Privatkläger, Nebenkläger, Nebenklagebefugte und Verletzte eines Rechtsanwalts als Beistand bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen, können sie nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 Satz 1 auch die übrigen dort genannten Personen wählen.

Abs. 1 hält erstmal fest, wer ohne Genehmigung des Gerichtes als Verteidigung auftreten kann. Spannend für die Wahlverteidigung ist dementsprechend der Abs. 2. Hier wird geregelt, dass andere Personen, also alle anderen mit egal welchem Hintergrund, nach Genehmigung des Gerichts auch verteidigen dürfen. 

Abs. 2 dient dem Interesse der beschuldigten Person, damit diese sich von einer Person ihres Vertrauens verteidigen lassen kann. Das Gericht entscheidet nach der Beantragung (Voraussetzung) über die Genehmigung der Wahlverteidigung. Bevor das Gericht entscheidet muss die Staatsanwaltschaft angehört werden (entweder schriftlich im Vorhinein einer Hauptverhandlung oder dann alternativ mündlich in der Hauptverhandlung). Die Genehmigung ergeht durch einen Beschluss, der nach § 34 StPO zu begründen ist. Gegen den Beschluss, z.B. bei Ablehnung der Verteidigung, kann das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt werden. Tipp: Es kann manchmal helfen zugelassen zu werden, wenn du bei der Hauptverhandlung die Beschwerde direkt ausgedruckt dabei hast und sozusagen damit “drohst” diese einzulegen im Falle der Ablehnung. Das hat schon öfter bewirkt, dass Verteidiger:innen doch zugelassen wurden. Bei einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung, z.B. durch Fehler des Gerichtes im Ablauf, kann dies zudem ein Revisionsgrund sein. 

Erst durch die Genehmigung kommt dann ein wirksames Verteidigungsverhältnis zustande. Dadurch hat dann die beantragte Wahlverteidigung dieselbe rechtliche Stellung wie ein:e Rechtsanwält:in. Es gibt natürlich einige Besonderheiten, die weiter unten aufgelistet sind und auf die ihr auf jeden Fall achten solltet!

Vorsicht: Wenn der Antrag auf Wahlverteidigung abgelehnt wird und auch eine Beschwerde daran nichts ändert, muss sich die angeklagte Person doch selbst verteidigen. Dieses Risiko sollte dir bewusst sein, wenn du dich für eine nicht-professionelle Verteidigung entscheidest und du solltest dir bestenfalls zutrauen dich in diesem Fall auch selbst zu verteidigen. Wenn du die Verteidigung mit ca. 2-3 Wochen Vorlauf zu deinem Gerichtstermin beantragst, sollte in der Regel vor der Verhandlung über den Antrag entschieden werden und du hast dann zumindest vorab schon die Sicherheit, ob deine Verteidigung zugelassen wurde oder nicht. 

Plan B: Falls deine Verteidigung abgelehnt wird, hast du noch die Möglichkeit regelmäßig Pausen zu beantragen und in diesem Rahmen Fragen zu klären und das weitere Vorgehen zu besprechen. Die Notwendigkeit bei Ablehnung der Verteidigung regelmäßig Pausen zu machen kann auch im Rahmen des Antrages angeführt werden mit dem Hinweis, dass eine Genehmigung der Verteidigung aus prozessökonomischen Gründen naheliegend wäre.

Genehmigungskriterien

Das Gericht trifft die Entscheidung über die Genehmigung nach pflichtgemäßen Ermessen. Allerdings darf die Genehmigung nicht auf besondere Ausnahmefälle beschränkt werden. Das bedeutet, dass du nicht nur in Ausnahmen zugelassen werden darfst, sondern eben nur in Ausnahmen abgelehnt werden solltest. 

Die Genehmigung muss erteilt werden, wenn die gewählte Person (die Wahlverteidigung) das Vertrauen der beschuldigten Person hat, genügend sachkundig und vertrauenswürdig erscheint und sonst keine Bedenken gegen ihr Auftreten als Verteidiger:in bestehen (Meyer-Goßner/Schmitt, Kommentar zur StPO, §138 Rn. 13)

Sachkunde?

Vertrauenswürdigkeit? 

Dauer der Genehmigung

Grundsätzlich besteht die Genehmigung und das daraus entstehende Verhältnis zwischen Verteidigung und angeklagter Person bis zum rechtskräftigen Ausschluss aus dem Verfahren. Es gibt aber auch die Möglichkeit für das Gericht, die Genehmigung zurückzunehmen. Das kann z.B. passieren, wenn sich herausstellt, dass die Genehmigungsvoraussetzungen nicht vorlagen oder nachträglich entfallen sind. Eine Zurücknahme der Genehmigung wirkt sich dann aber nicht auf die Handlungen der Verteidigung in der Vergangenheit aus, sondern nur für die Zukunft. 

Die Möglichkeiten des Ausschlusses sind in § 138a und § 138b StPO aufgeführt. Es gelten im Prinzip dieselben Ausschlusskriterien wie bei Anwält:innen.

Die, durch das Verhältnis geschaffenen, Berechtigungen der Verteidigung gelten auch noch im Strafvollzug fort. Dies bedeutet, dass Wahlverteidiger:innen dieselben Besuchsrechte im Gefängnis haben wie Anwält:innen. Dadurch werden Mauern von Gefängnissen durchlässiger!

Unterschied Anwält:innen und genehmigte Wahlverteidiger:innen?

Im Prinzip haben Anwält:innen nicht mehr Rechte als die genehmigte Wahlverteidiger:innen. Ein paar Unterschiede gibt es jedoch. Z.B. dürfen genehmigte Verteidiger:innen keine Roben tragen. 

Ein weiterer Unterschied fällt bei dem Prozess der Akteneinsicht auf. Eigentlich haben Wahlverteidiger:innen auch hier die gleichen Rechte. In der Praxis ist es leider oft Anwält:innen leichter möglich die Akte z.B. auch mitzunehmen. Als genehmigte Wahlverteidiger:in ist das manchmal schwieriger.

Tipp: Es vereinfacht oft vieles, wenn angeklagte Personen sich durch Anwält:innen vertreten lassen, um die eigene Akte einsehen können. Dadurch wird oft eine digitale Kopie ziemlich kostengünstig möglich. Danach ist es immer noch möglich, sich selbst zu verteidigen oder durch eine Wahlverteidigung nach § 138 Abs. 2 StPO.

Selbstverständlich ist es auch möglich, dass du sowohl auf Unterstützung von Anwält:innen als auch Wahlverteidiger:innen zurückgreifst. Wichtig ist hier einfach, dass die gewollte Strategie, bzw. Ziel und Vision des Prozesses, nicht durch einen Teil der Verteidigung zerschossen wird. 

Weitere Unterschiede beinhalten, dass Wahlverteidigungen nach § 138 Abs. 2 StPO nicht als Pflichtverteidigungen in Betracht kommen. 

Außerdem taucht bei der Einlegung von Rechtsmittel eine Herausforderung für Wahlverteidiger:innen im Vergleich zu Anwält:innen auf: Es gibt keinen einfachen Zugang zum “beA” (= besonderes elektronisches Anwaltspostfach). Nach § 32d S. 2 StPO müssen Rechtsmittel elektronisch eingereicht werden - dies gilt auch für Nicht-Anwält:innen. Elektronisch schließt nicht Fax oder Mail ein. Alternativ kann einfach die angeklagte Person selbst Rechtsmittel einlegen - diese darf dies auch per Fax, Brief oder mündlich vor Ort an der Geschäftsstelle. 

Antrag auf Wahlverteidigung nach § 138 Abs. 2 StPO

Eine Wahlverteidger:in nach § 138 Abs. 2 StPO kann entweder schriftlich vor Gericht beantragt und dann durch die Richter:in genehmigt (oder auch abgelehnt…) werden oder die Richter:in lässt den Antrag stillschweigend einfach zu. Eine stillschweigende (konkludente) Genehmigung könnte so aussehen, dass die noch nicht genehmigte Wahlverteidigung sich neben die angeklagte Person setzt und wie eine Verteidigung agiert, also z.B. Anträge stellt. Falls das vom Gericht nicht beanstandet wird, bedeutet dies eine stillschweigende Genehmigung der Wahlverteidigung und die Person kann nur noch durch einen Ausschluss aus dem Verfahren entfernt werden. 

Die Wahlverteidigung kann zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens beantragt werden - also im Vorhinein der Hauptverhandlung, ganz zu Beginn oder während des Prozesses, oder auch im Nachhinein, um z.B. Rechtsmittel einzulegen. 

Die Handhabung der Anträge bei der Gerichte ist sehr unterschiedlich. Es ist auch möglich, genehmigt zu werden, ohne schriftliche Nachweise über juristische Fähigkeiten zu erbringen. Allerdings muss die Person oft erklären können, wieso sie sich als Verteidigung eignet und nötige juristische Fähigkeiten besitzt. 

Vorlagen zur Beantragung findest du hier 

Wahlverteidigung in höheren Instanzen

Wurde eine Verteidigung vor dem Amtsgericht einmal zugelassen ist sie für das komplette Verfahren zugelassen, also auch vor höheren Gerichten bei einer Berufung oder Revision. Im Idealfall wird die Wahlverteidigung hier gleich mitgeladen. Passiert dies nicht, fragt beim Gericht gerne per Anruf nach. Sollte es zu Schwierigkeiten kommen, meldet euch gerne unter legal@raz-ev.org. 

Revisionen dürfen Wahlverteidiger:innen, die nach § 138 Abs. 2 StPO zugelassen wurden, nicht alleine führen. Hierzu benötigt es Anwält:innen. Es gibt allerdings die Möglichkeit, dass die angeklagte Person eine Revisionsbegründung zu Protokoll bei der Geschäftsstelle einreicht. Diese könnte dann gemeinsam mit der Wahlverteidigung beantragt werden, obwohl diese nicht mehr offiziell ein Teil des Verfahrens ist.

Ablehnung des Antrags auf Wahlverteidigung wegen eigener Verurteilungen

Präzedenzfälle, in denen die Laienverteidigung angenommen wurde, obwohl die Verteidigung bereits mehrmals verurteilt wurde:

Außerdem ist es möglich, Rechtsprechung zu verurteilen Anwält*innen heranziehen und vergleichen. Die gelten ja auch noch als vertrauenswürdig und dürfen verteidigen, nachdem sie verurteilt worden sind (kommt drauf an, wegen was und wie hoch). Warum sollten für Wahlverteidiger nach § 138 II StPO höhere Anforderungen gelten als für Rechtsanwält*innen? Der einzige Unterschied ist, dass Anwälte sich auf ihre Berufsfreiheit berufen können, Laien nicht. Zur Orientierung kann man es aber dennoch nutzen.

Kostenabrechnung für Wahlverteidigung

Wenn es in einem Prozess zu einem Freispruch oder einer Einstellung kommt, dann sollten auch die ausgelegten Kosten der Verteidigung übernommen werden. Hierzu zählen Fahrtkosten, und insgesamt Verteidigungskosten. 

Grundlage für die Höhe der Kosten ist die Anlage I des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG): https://dejure.org/gesetze/RVG/Anlage_1.html

Für Menschen ohne juristisches Studium, die eine Wahlverteidigung gemacht haben, ist allerdings nur der Teil 7 “Auslagen” relevant. Dieser umfasst Fahrtkosten, Druckkosten, Portogebühren und eine Entschädigung für die Abwesenheit von zu Hause. Reguläre Verfahrensgebühren für Strafverfahren nach Teil 4 dürfen leider nicht abgerechnet werden.

Verhandlung ohne Anwensenheit der angeklagten Person

Wenn ihr als Wahlverteidiger:in die angeklagte Person vor Gericht verteidigen wollt, ohne dass diese anwesend sein muss, braucht ihr eine entsprechende Vollmacht. Hier sind 2 identische Vorlagen:

 

Die Vorphase eines Prozesses

Support von RAZ

Direkt einmal zu Beginn, möchten wir dir noch einmal in Erinnerung rufen, dass du dich mit allen Gedanken, Fragen, und Terminen, die anstehen im Zusammenhang mit klimaaktivistischen Aktionen, die unseren Werten entsprechen, jederzeit an legal@raz-ev.org wenden kannst. Wir möchten dich so gut wir können unterstützen und achten darauf, dass wir alles regelmäßig anschauen und bei dringlichen Anliegen möglichst direkt, aber auf jeden Fall rechtzeitig, antworten.

Natürlich freuen wir uns, wenn du selbst die Orga zu deinem Prozess übernehmen magst, aber auch dann unterstützen wir dich nach Bedarf und stellen dir gerne erfahrene Menschen an die Seite. Auch bei einer möglichen Selbstverteidigung, freuen wir uns, wenn unsere internen Strukturen über den Prozess und die Art, wie du diesen führen möchtest, informiert sind. Denk daran, dass auch eine mediale Begleitung deines Prozesses sinnvoll und empowernd sein kann. Wenn du dich nicht selbst darum kümmern kannst/willst, haben wir auch Kontakte zu den Presse & Social Media Teams verschiedener Initiativen.

Einladung zur Anhörung 

Anhörung bei der Polizei

Diese kann entweder aus einem schriftlichen Anhörungsbogen bestehen oder aus der Vorladung zum Gespräch als Beschuldigte oder Zeugin. Hier muss mensch NICHT hingehen.

Anhörung bei der Staatsanwaltschaft

Es ist auch möglich, dass eine Einladung von der Staatsanwaltschaft kommt – allerdings ist dies eher unüblich. Hier muss mensch aber HINGEHEN, da sonst eine Zwangsvorführung möglich ist. Als Beschuldigte kann aber auch hier niemensch zum Reden gezwungen werden, du kannst dich also auf dein Aussageverweigerungsrecht berufen und schweigen. Eventuell schaffst du es auch wieder abgeladen zu werden, wenn du im Vorfeld des Termins darauf hinweist, dass du zwar erscheinen aber keine Aussage zur Sache machen wirst. Anders ist dies als Zeugin, in dieser Rolle darfst du nicht einfach so die Aussage verweigern. – Achtung hier, da manchmal auch Beschuldigte mit Vorwand als Zeug:innen geladen werden! Gegenfragen können hier aus der Patsche helfen.

Anklageschrift oder Strafbefehl im Briefkasten 

Einspruch einlegen 

Akteneinsicht fordern

Tipp: Akteneinsicht sollte möglichst früh beantragt werden, da diese öfter mal vom Gerichtspersonal verweigert wird.

Wichtig beim Lesen

Verbinden von Gerichtsverfahren

Wenn du mehrere Anklageschriften aus der selben Stadt erhältst, kannst du beantragen, dass diese zusammen verhandelt werden und eine Gesamtstrafe gebildet wird. Das hat den Vorteil, dass diese geringer ausfällt, als alle Einzelstrafen addiert ergäben. Zudem bedeutet es für dich weniger Stress, weniger Gerichtskosten und weniger Belastung für unsere Anwält*innen, da es nur einen Termin gibt. 

Leider gibt es kein Anrecht auf die Verbindung von Gerichtsverfahren, da es aber für die Gerichte auch weniger Arbeit bedeutet Verfahren zu verbinden, stehen die Chancen nicht allzu schlecht. Manchmal beantragt die Staatsanwaltschaft die Zusammenlegung von Verfahren auch selbst ("von Amts wegen").

Die Verbindung von Verfahren kannst du entweder beim Gerichtsverfahren beantragen (allerdings nur bei Verfahren deren Anklageschriften du schon erhalten hast) oder generell bei der Staatsanwaltschaft darauf hinwirken, dass alle Verfahren die im Zusammenhang zueinander stehen verbunden werden. Am Besten beantragst du gleich beides. Wenn du die Verbindung von Gerichtsverfahren erfolgreich beim Gericht beantragt hast und später noch neue Anklageschriften erhältst, kannst du auch beantragen, dass das neue Verfahren mit den alten auch noch verbunden wird.

Die Vorlagen zum Beantragen der Verbindung von Gerichtsverfahren, findest du hier.

Sind Verbindungen von Verfahren auch gegen den Willen der angeklagten Person möglich (bzw. kann man das als angeklagte Person auch verhindern?)

Es gibt die Verschmelzungsverbindung nach § 2 StPO und die Verhandlungsverbindung nach § 237 StPO. In meiner Erfahrung ist es in der Regel eine Verschmelzungsverbindung. Bei beiden Formen ist es eine Ermessensentscheidung des Gerichts, also ziemlich frei. Bei der Verschmelzungsverbindung hat der Angeklagte das Recht die Trennung zu beantragen (§ 4StPO). "Die Trennung steht im pflichtgemäßen Ermessen [des Gerichts]; der Angeklagte hat hierauf keinen Anspruch (BGHSt 18, 238)". Bei der Verhandlungsverbindung konnte ich kein Antragsrecht finden. Bei der Verschmelzungsverbindung entstehen nur ein mal Prozesskosten, daher kann es sich sehr lohnen große Prozesse zu führen. 

Förmliche Ladung zum Gerichtstermin 

Verschieben von Gerichtsterminen

Vorbereitung des Gerichtsprozesses

Und dann gehts ans Eingemachte: Nun sollten wir die uns zur Verfügung stehende Zeit und weitere Ressourcen zur Vorbereitung des anstehenden Gerichtsprozesses nutzen. 

Wie zu Beginn dieser Wiki-Seite beschrieben, haben wir Kontakte zu den Presse & Social-Media Teams verschiedener Initiativen. Selbstverständlich kannst du gerne selbst die Orga für deinen Prozess übernehmen, aber gerne unterstützen wir und stellen dir erfahrene Menschen an die Seite. So oder so ist es super wichtig, dass unsere Strukturen über deinen Prozess und auch die Weise, wie du diesen führen magst, Bescheid wissen. Nur dann können wir gemeinsam daran arbeiten, dass dein Prozess am Ende auch wirklich DEIN Prozess ist :) 

Hard Facts sammeln 

Ziel des Prozesses

Thema Verteidigung

Eine Verteidigung nimmt eine wichtige Rolle im Gerichtsverfahren ein und ist neben emotionaler Unterstützung vor allem auch für die juristische Bewertung des Einzelfalls zuständig. Im Vorfeld deines Prozesses solltest du dir überlegen, ob und wenn ja, wie du verteidigt werden möchtest. Wir können dich als RAZ dabei unterstützen die richtige Form der Verteidigung zu finden und Kontakte vermitteln.

Wir können dich bei der Suche nach einer Verteidigung unterstützen. Außerdem haben wir zu manchen Richter*innen Steckbriefe aus bereits stattgefundenen Verhandlungen, die bereits einen Eindruck vom Auftreten geben können. Melde dich bei Bedarf gerne bei legal@raz-ev.org. 

Weitere Infos rund um das Thema Verteidigung findest du hier

Verteilung von Rollen und Aufgaben 

Pressearbeit im Vorfeld

Da ein Ziel von politischer, offensiver Prozessführung sein kann, dass Anliegen der eigenen Kampagne in die Öffentlichkeit zu tragen, ist es natürlich super cool, wenn dies auch über Presse passiert!  Hierdurch kannst du die Dringlichkeit deines Anliegens weiter vermitteln und Druck ausüben, sowie Debatten anzetteln.

Damit die Presse auch wirklich kommt und berichtet, ist es wichtig, dass du genau beschreibst worum es in dem Prozess gehen wird und warum es für die Presse interessant sein wird darüber zu berichten. Dabei solltest du berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit für Gerichtsprozesse abnimmt, wenn schon mehrere vergleichbare Prozesse in der Stadt gelaufen sind. Eventuell braucht es dann noch andere Aufmacher wie zum Beispiel, dass eine (lokal) bekannte Person angeklagt ist.  

Wenn du dich wohl mit der Aufmerksamkeit durch die Presse fühlst, sprich mit uns ab ob und wie du die Presse bei deinem Prozess nutzen könntest und wer sich darum kümmert sie zu kontaktieren.

 

Erstattung von Fahrtkosten

Auf dieser Seite findet ihr einen Überblick zum Antrag auf Fahrtkostenerstattung, wenn ihr zu einem Gerichtstermin geladen seid, aber kein Geld habt, um Fahrtkosten zu zahlen. Weiter findet sich außerdem eine Vorlage für einen solchen Antrag. 

Wie funktioniert ein Antrag auf Fahrtkostenerstattung?

Damit auch mittellose Menschen zum Gerichtsprozess fahren können, ist es möglich, sich die Kosten erstatten zu lassen. Das steht auch i. d. R. im Strafbefehl oder in der Anklageschrift. Darüber entscheidet ein:e Richter:in. Der Antrag kann lange vor dem Gerichtstermin - oder auch Akteneinsichtstermin - gestellt werden.

ACHTUNG: das Gericht braucht natürlich ein paar Tage Bearbeitungszeit.

Wahrscheinlich will das Gericht Nachweise sehen. Einfacher für alle ist es, gleich welche mitzuschicken, z. B.:

Beispiel: die Gehaltsabrechnungen (600 € brutto) mitgeschickt, Antrag abgelehnt, das Einkommen würde reichen. Widersprochen und Mietbescheinigung nachgereicht – Antrag genehmigt!

Das Gericht lässt Euch im Erfolgsfall ein, bzw. zwei Zugtickets (ICE 2. Klasse) ausstellen, die Ihr per Post oder E-Mail bekommt oder in Form einer Nummer, mit der Ihr die Fahrkarte(n) am Automaten ausdrucken könnt. 

Ihr könnt den Antrag auch nachträglich stellen, wenn ihr vor Gericht seid. Dann ist es wichtig, die Tickets dabeizuhaben (stornierbare Flex-Plus-Tickets gehen auch…). Je nach Gericht bekommt ihr dann das Geld überwiesen oder in bar ausgehändigt (bar nur, wenn die Zahlstelle noch geöffnet hat). Ihr könnt auch behaupten, ihr wärt mit dem Auto gefahren; dann gibt es 0,25 €/km. Ob ihr wirklich gefahren seid, getrampt oder flixbus gefahren, ist euch überlassen.

Falls ihr verurteilt werdet, kommt die Rechnung auf die Prozesskosten drauf. Falls ihr zahlungsunfähig seid, ist es allerdings relativ egal, wie hoch diese am Ende sind.

Praxistipp

Anstatt das umständlich per Fax oder Brief zu machen, kannst du auch das Sekretariat der Richter:in anrufen (siehe Begleitschreiben zur Vorladung) (Rufnummer unterdrücken!) und fragen, ob das auch per E-Mail geht, es ist ja kein Einspruch oder ähnlich Wichtiges. Die Leute dort sind meist freundlich und hilfsbereit.
Achtung: Mailen an die Poststelle klappt meistens nicht. Und nehmt zum Beispiel eine E-Mailadresse, die Ihr nur für solche Zwecke benutzt.

Antragsvorlage

Hier eine Beispielvorlage

Ziele von Gerichtsprozessen

Alle Verfahren die RAZ führt, haben das Ziel, Demokratie und Menschenrechte in Zeiten der Klimakrise zu schützen und die Entwicklung hin zu einer sozial gerechten und nachhaltigen Gesellschaft zu unterstützen.

Bei einem Gerichtsprozess kann es trotzdem ganz unterschiedliche Ziele geben - alle davon sind legitim und umsetzbar. Je nachdem, was genau du dir als bestmöglichen Ausgang vorstellen kannst, solltest du auch deinen Gerichtsprozess planen. Hier nennen wir in einer kleinen Übersicht mögliche Ziele - es gibt aber immer Abstufungen und wenn dir etwas ganz anderes sinnvoll erscheint, probier es gerne aus!

Selbstermächtigung 

Ein Ziel kann und sollte sein, dass du dich vor Gericht gut fühlst. Die gesamte Situation ist darauf ausgerichtet, die angeklagte Person einzuschüchtern und ihr zu erzählen, dass sie etwas falsch gemacht hat. Wenn du aber überzeugt bist (und auch die Gründe hierfür kennst), kann es sehr empowernd sein, dem Gericht gegenüber standzuhalten. Der gesamte Prozess findet einzig und allein für dich und wegen dir statt. Also kannst du dir z.B. auch die Zeit nehmen, um ausführlich deine Beweggründe darzulegen und aktiv auf den Verlauf einzuwirken. Denn ohne dich würde das Ganze gar nicht erst stattfinden. 

Ziel der RAZ insgesamt ist, dass kein Mensch eingeschüchtert aus dem eigenem Verfahren herausgehen sollte. Wir sind davon überzeugt, dass ziviler Widerstand das effektivste und aktuell geeignetste Mittel ist, gesellschaftlichen Wandel in der Klimakrise anzustoßen. Deshalb machen wir es uns zur Aufgabe, Protesträume zu verteidigen und nach Möglichkeit zu erweitern, sowie teilnehmende (Klima-)Aktivist*innen zu schützen und die Gegenwehr des Staates zu nutzen, um Ungerechtigkeiten aufzuzeigen und Druck auf Entscheider*innen auszuüben. Und das können wir auch selbstbewusst vor Gericht erzählen und umsetzen.

Drama zwischen Justiz und Politik verstärken - Überlastung der Gerichte

Ein Weiteres Ziel kann sein, eine Hauptverhandlung von Tausenden zu sein und die Gerichte dementsprechend an die Grenze ihres typischen Umgangs mit eventuellen Straftäter:innen zu bringen. Durch eine solche Überlastung kann das System z.B. vor die Frage gestellt werden, wie relevant eine strafrechtliche Verfolgung von Klimaaktivist:innen wirklich ist und ob es sich nicht eigentlich auf tatsächlich relevante Straftaten fokussieren sollte. 

Momentan wälzt die Politik ihre Verantwortung oftmals auf die Justiz ab, indem auf legitime Forderungen nicht mit Dialog sondern mit Strafverfahren reagiert wird. Eine Überlastung kann zunehmend zu der Erkenntnis innerhalb der Justiz führen, dass sie nicht in der Lage sind, die Ursache des Protestes zu bekämpfen, sondern nur den Protest selbst. Wenn dieser allerdings anhand der aktuellen physikalischen Erkenntnisse und unzureichenden politischen Maßnahmen vernünftig und “gerechtfertigt” erscheint, richtet sich der Frust der Justiz verstärkt gegen politische Entscheider*innen, die das eigentliche Problem nicht angemessen adressieren, was wiederum Druck aufbaut und Potential für Veränderung schafft.

Damit dieses Ziel für dich relevant werden kann, braucht es eine Menge ähnlich gelagerter Strafverfahren, die in der Regel auf eine große Protestwelle wie z.B. bei der Letzten Generation zurückgeht. Aber gerade bei kleineren Amtsgerichten können auch deutlich weniger Verfahren zu einer Überlastung der Justiz und den Auswirkungen auf die Politik führen.

Öffentlichkeits- & Aufklärungsarbeit 

Der Gerichtsprozess kann eine Plattform mit größerer Reichweite, sowie in einem ganz anderem Setting, für die Thematik deines Protestes geben. Stichpunkte sind hier außerdem die Mobilisierung der anwesenden Menschen, Berichterstattung über lokale Medien oder auch die Aufmerksamkeit über verbundene Proteste. 

Hier möchten wir betonen, dass es sinnvoll ist, den Gerichtsprozess als eine Weiterführung deines Protestes zu sehen!

Wir können die Gerichte während der Prozesse über die Klimakrise und den Hintergrund unserer Proteste aufklären. Dies kann über Beweisanträge zur Thematik, aber auch über die persönliche Motivation, berührende und nachvollziehbare Worte geschehen. Je mehr ähnlich gelagerte Prozesse in deiner Stadt schon stattgefunden haben, desto geringer wird normalerweise das mediale Interesse, weil der Neuigkeitsfaktor fehlt. Es kann sich trotzdem lohnen die Presse immer wieder mit einzuladen, um zumindest immer wieder die Frage aufzuwerfen, ob darüber berichtet werden soll oder nicht.

Vernetzung

Menschen der Letzten Generation waren und sind momentan manchmal 5-10 Mal am Tag in den unterschiedlichen Gerichten, um über die Ziele unserer Proteste, sowie die Motivations- und Beweggründe zu sprechen. Dies sind jedes Mal Berührungspunkte mit Richter:innen, Staatsanwält:innen, Anwält:innen, und Protokollant:innen. Hier können Gesprächsmöglichkeiten entstehen, die sich für Vernetzung und den Austausch von Kontakten, bzw. ein wachsendes Verständnis für die Dringlichkeit unser aller Handelns im Angesicht der Klimakrise, eignen. 

Dabei ist auch wichtig sich klar zu machen, dass Menschen in der Regel nicht sofort ihre Meinung ändern und sich auch vor anderen Menschen eingestehen falsch gelegen zu haben. Ihr werdet deswegen kaum Richter*innen erleben, die im Prozess ihre Meinung grundlegend ändern, aber es kann trotzdem sein, dass du einen Denkprozess angestoßen hast, der mittelfristig zu einer Veränderung im Handeln und auch in der Rechtsprechung führt. 

Klare Positionierung provozieren

Ein Ziel kann außerdem sein, dass du eine Überreaktion der Gerichte erzeugen möchtest oder im Kontrast einen Freispruch - also eine eindeutige Positionierung des Gerichtes deinem Protest gegenüber. Hierdurch bringen wir die einzelnen Personen des Systems, sowie die Rechtssprechung insgesamt, in eine Position, in der sie sich nicht mit kleinen Geldstrafen vor der großen Frage verstecken kann: Ist in den Zeiten der Klimakrise friedlicher, gewaltfreier Protest, der vom Grundgesetz (Art. 8 GG) geschützt ist, gerechtfertigt? 
Durch eine offensive Prozessführung kann das Gericht dazu bewegt werden, sich entweder grundsätzlich gegen eine Verwerflichkeit von Straßenblockaden (oder anderen Protesten) zu entscheiden oder alternativ zu hohen Strafen (Freiheitsentzug) zu greifen, um den Protesten einen Riegel vorzuschieben. 

Vernetzung in der Bewegung

Wenn im Zuge Gerichtsverfahren Mahnwachen organisiert und beworben werden, gibt es die Möglichkeit mit Menschen aus anderen Gruppen ins Gespräch zu kommen und sich zu vernetzen. Diese Mahnwachen können so nicht nur Solidarität und Empowernment ausdrücken, sondern auch zu besserer Vernetzung innerhalb der Stadt führen. Diese Kontakte können dir in Zukunft helfen, noch wirksameren Aktivismus zu machen.

Geringe Repression

Ein mögliches Ziel eines Gerichtsprozesses kann es sein, dass die Strafe aus dem Strafbefehl oder der Anklageschrift reduziert werden soll. Es gibt unterschiedlichste Möglichkeiten hierzu während des Prozesses und auch schon im Vorhinein. Wenn z.B. dein Tagessatz zu hoch angesetzt ist, kannst du dein Einkommen genauer offenlegen. Außerdem sind Umwandlungen in Sozialstunden, sowie das Hinwirken auf Einstellungen möglich. Hier sollte sich aber gut im Vorhinein überlegt werden, wie du auf bestimmte Nachfragen des Gerichtes reagieren möchtest.  

Informationsbeschaffung