Leitfaden Ansprechgruppe (für sexualisierte Gewalt)

Diese Seite findest du hier als PDF zum ausdrucken!

Im Folgenden werden wir einige Tipps und Regeln für die Tätigkeiten der Awareness-Ansprechgruppe auf dem Klimacamp aufführen. Allgemein gilt: Bei Unsicherheiten in bestimmten Situationen suchen wir uns auch als Ansprechp ersonen Hilfe und Unterstüt zung bei anderen Ansprechpersonen und besprechen das Vorgehen gemeinsam!

Anonymität

Alle nicht anonymisierten Informationen, die wir durch unsere Tätigkeit in der Ansprechgruppe erhalten, bleiben in der Gruppe. Einzige Ausnahme ist der Fall, dass sich Personen ausdrücklich von uns wünschen, dass wir bestimmte lnformationen an bestimmte Personen weitergeben.

Selbstsorge

Wir sind zu nichts verpflichtet. Alle Ansprechpersonen sollten ihre Grenzen selber kennen und mitteilen. Bei Unsicherheiten sollte sich prinzipiell die Zeit und der Raum genommen werden, mit anderen Ansprechpersonen dar über zu reden. Im Zweifelsfall können wir uns immer aus Situationen herausnehmen.

Damit die Ansprechpersonen (auch außerhalb der Schichten) nicht mit emotionalen Belastungen allein bleiben, kann es sinnvoll sein, wenn sie sich mit Freund*innen oder anderen ausgewählten Personen außerhalb der Ansprechgruppe über ihre Emotionen und Befindlichkeiten austauschen.

Selbstverständlich ist auch dabei die Anonymisierung aller lnformationen zu beachten.

Oft ist es sinnvoll, innerhalb der Ansprechgruppe über Befindlichkeiten und Bedürfnisse zu sprechen. Dies kann z.B. in kurzen "Blitzlichtr unden" geschehen, in denen die Anwesenden nacheinander davon sprechen, wie es ihnen gerade geht und was für sie gerade wichtig ist bzw. was sie gerade brauchen.

Diese Runden können je nach Situation und Bedarf auch eine ganze Weile dauern und die Zeit dafürnehmen wir uns. Es ist wichtig, dass wir uns nicht überfordern. In belastenden Situationen ist es manchmal sinnvoll, andere Personen aus der Ansprechgruppe um Unterstützung zu bitten, die gerade keine Schicht haben.

Scheut euch nicht, das auch zu tun! Telefonnummern von Springern finden sich im Awareness- Zelt.

Was sollte unsere Unterstüt zung beinhalten, was nicht?

Wir bieten keine psychische Beratung und keine therapeutische Arbeit an. Es ist wichtig, dass wir uns stets dieser und anderer Gren zen bewusst sind und diese auch nach außen kommunizieren. Unsere Unterstüt zung ist auf den Zeitraum des Klimacamps begrenzt. Bei Bedürfnissen nach Iängerfristiger oder intensiverer Unterstütz ung weisen wir auf weiterführende externe Strukturen hin. Dafür haben wir (ohne Anspruch auf Umfänglichkeit) ein Kontaktblatt erstellt, das sich im Awareness-Zelt befindet.

Übergabe

In den Übergaben soll Raum dafür sein, wichtige lnformationen zu Fällen weiterzugeben, vor allem zu solchen, die als nicht abgeschlossen eingschätzt werden. Außerdem können hier Befindlichkeiten und Unsicherheiten miteinander besprochen wer den.

Erstkontakt mit Betroffenen

Dieser Leitfaden dient primär als Orientierung. Die Punkte müssen nicht der Reihe nach befolgt werden, sondern Ansprechpersonen sollten Gespräche so führen, wie sie es für sinnvoll und angemessen halten. Dies kann je nach Person/en, Situation und Kontext stark variieren.

\/orher abklären: Gespräch zu zweit oder alleine? (Wenn zu zweit, Person vor dem Gesprächsbeginn fragen, ob es für sie”ihn okay ist.)

Vor dem Gesprächsbeginn (Reihenfolge je nach Situation):

wir andere Personen auf dem Camp akut vor einer gewaltausübenden Person schüt zen wollen.

Während des Gesprächs:

Abreise/Verlassen des Ortes unterstüt zt werden kann?

Atemtechniken etc.), außerdem betonen, dass die Gew altsituation vorbei ist

ihren Wunsch Polizei oder Kr ankenw agen rufen. Nach dem Gespräch:

Konfrontation mit gewaltausübenden/diskriminierenden

Personen

Konfrontation heißt hier nicht Härte, sondern der g./d. Person durch Nitteilungen die Nöglichkeit geben, ihr Handeln und die Auswirkungen zu zu realisieren und zu reflektieren. Folgende Punkte können dabei wichtig sein.

Wer soll dabei sein? Security mit hinzunehmen?

Wie damit umgehen? Wer nimmt welche Rolle ein?

wird, können wir die AG Sicherheit nach Unterstüt zung fragen.

Es kann sinnvoll sein, vor der Konfrontation Teile davon in einem Rollenspiel durch zuspielen.

Def initionsmacht

Jede von Gew alt, Diskriminierung oder einem Übergriff betroffene Person kann für sich selbst sagen, als was sie das Erlebte wahrnimmt. Wir arbeiten mit Definitionsmacht, übernehmen also grundsät zlich die Definition der betroffenen Person.

Gewalt wird aufgrund der persönlichen Geschichte, Gegenw art und Erfahr ung von Betroffenen unterschiedlich erlebt, eingeordnet und eingeschätzt. So können z.B. unge wollt es Anfassen, Ant an zen oder aber auch konsequentes verbales Anbaggern von Personen als gren züberschreitendes bzw. übergriffiges Verhalten wahrgenommen werden. Auch nicht-verbal es, bestimmte Personen ausschlieflendes

\/erhalten kann diskriminierend sein. Grundsät zlich sollten wir ernstnehmen, was uns Betroffene schildern, und nicht davon ausgehen, dass etwas weniger schlimm ist, nur weil wir es möglicherweise nicht so gut nachvollziehen können oder es nicht unseren Erfahrungswelten entspricht.

Sanktionsmacht

Wir fragen die betroffene Person, ob sie Wünsche hat, wie wir uns der gewaltausübenden/diskriminierenden Person gegenüber verhalten oder was wir ihr gegenüber durch set zen sollen. Dazu können auch Sanktionen gehören, z.B. der Ausschluss der g./d. Person von bestimmten Bereichen oder vom Klimacamp insgesamt.

Grundsät zlich versuchen wir, den Wünschen Betroffener zu entsprechen und mit ihnen gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten. und üben keine Sanktion gegenüber der g./d. Person aus, ohne das mit der betroffenen Person abzusprechen.

Es gibt aber zwei Fälle, in denen wir uns unabhängig von Betroffenen für eine Sanktion entscheiden können:

g./d. Person zu formulieren

Außerdem kann es Situationen geben, in denen wir den Sanktionswünschen der betroffenen Person nicht nachkommen können oder wollen.

Zusammengefasst heißt das: Die Sanktionsmacht liegt bei uns, wir orientieren uns aber beim Besprechen und Beschließen von Sanktionen soweit wir wollen und können an den Wünschen Betroffener. Für sanktionsfreie Umgangsformen mit g./d. Personen ent scheiden sich Ansprechpersonen in der Schicht allein, soweit sie möchten.

Sanktionen werden nach Nöglichkeit nur in Absprache mit mindestens zwei weiteren Personen aus der Ansprechgruppe beschlossen. Dabei sollte nach Nöglichkeit Diversität

in der Ansprechgruppe existieren, die sich nach der jeweiligen Diskriminierungsform richtet. In akuten Fällen kann es aber vorkommen, dass für beides keine Zeit ist, dann können Sanktionen auch zu zweit beschlossen werden. Sanktionen werden im Verfahren des Systemischen Konsensierens beschlossen.

Nehr Infos dazu auf einem Extrablatt.

Wir machen in Plena regelmäßig in anonymisierter Form Sanktionen, die wir ausgesprochen haben, transparent. Dabei nennen wir auch unsere Gründe für Sanktionen.

Umsetzung von Sanktionen

Wir kommunizier en beschlossene Sanktionen an die AG Sicherheit bzw eine Krisengruppe und besprechen mit ihnen, wie die Umset zung aussehen kann. Die AG Sicherheit/ Krisengruppe setzt Sanktionen durch, die wir nicht selber durchset zen können oder wollen. z.B. weil wir eine körperliche Auseinandersetzung befürchten. Die AG Sicherheit/ Krisengruppe präferiert, Sanktionen wie Plat zverweise durch FLINT- Personen durchsetzen zu lassen.

Die AG Sicherheit / Krisengruppe bietet an, Personen zum Bahnhof zu fahren. Wir verweisen keine Personen vom Camp, ohne sicherzustellen, dass sie dann auch gefahrlos den Weg nach Hause (oder wo sie hin möchten) antreten können.

Im Fall einer Vergewaltigung

... sollte der betroffenen Person mitgeteilt wer den:

Vergewaltigung ist ein Offizialdelikt. Offizialdelikte müssen durch die Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden und das geschieht automatisch, sobald die Polizei davon erfährt. Wer ins Krankenhaus geht und dort mitteilt, vergewaltigt worden zu sein, oder über die Notrufnummer 112 von einer Vergewaltigung spricht, muss damit rechnen, dass die Polizei unabgesprochen kontaktiert wird. Beides heißt, dass die Betroffene dann nicht mehr selbst entscheiden kann, ob die Vergewaltigung zur Anzeige gebracht wird. Um körperliche Verletzungen und sexuell übertragbare Krankheiten auszuschließen, empfiehlt sich, dass sich die Betroffene gesundheitlich untersuchen lässt. Eine anonyme Spurensicherung kann sinnvoll sein, wenn sich Betroffene die Option offen halten wollen, später Anzeige zu erstatten. Die anonyme Spurensicherung wird von manchen Krankenhäusern durchgeführt, d.h. die Polizei wird nicht informiert. Telefonisch erfragen! Außer dem fragen, ob die anonyme Spurensicherung kosten los ist. Oft werden die Kosten für eine Spurensicherung nur übernommen, wenn eine Anzeige erfolgt. Die anonyme Spurensicherung möglichst zeitnah (innerhalb von 2 Stunden) machen lassen und vorher nicht waschen!


Version #5
Erstellt: 10 Juli 2024 21:05:58 von Infra United
Zuletzt aktualisiert: 27 Januar 2025 10:36:44 von Infra United