Awareness & Kinderbetreuung

Viele weitere nützliche Infos findest du auf dieser Website: https://awarenetz.org/

Workshops werden unter anderem immer mal wieder vom "Ananas-Kollektiv" angeboten :)

Es gibt von Infra-United Awareness-Kisten (und Material für Kinderbetreuung) für verschiedene Anlässe, die ausgeliehen werden können oder als Inspiration für eine eigene Kiste dienen können.

Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

In diesem Text versucht eine Person die Geschichte der Awareness-Strukturen in Lü zu rekonstruieren und zwar vor allem anhand gesammelter Informationen aus Gesprächen mit Menschen, die in Lü früher oder später im Awareness-Team oder später Teil des Check-In-Gruppen Deli-Plenums oder der Prozessbegleitung waren oder im UAC Awareness-Arbeit geleistet haben. Der Text zeichnet den Aufbau der Awareness-Arbeit nach, aber auch, wie diese in die Krise geriet und wie daraufhin neue Strukturen etabliert wurden. Diese Geschichte soll Erkenntnisse aus Lü für andere Kontexte zugänglich machen.

Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

Awareness in Lützi 2020/21 (die Anfänge)

Awareness zu Beginn von Lützerath

Zu Beginn, als es in Lü nur die Mahnwache und eine Zeltwiese gab und zwischen 20 und 50 Menschen den Ort belebten, geschah Awareness meist spontan. Menschen fühlten sich tendenziell verantwortlich für das, was sie mitbekamen und kümmerten sich, wann und wo es nötig war. Nach ein paar Wochen/Monaten wurden Awarenessschichten auf dem tägliche Reproboard hinzugefügt und wurden so jeden morgen zwischen allen Menschen verteilt, zum Teil blieb die Schicht aber auch unbesetzt.
 

Kuloko und Beginn des Awareness-Teams im Sommer 2021

Im Vorfeld der Kuloko (Festival Kultur ohne Kohle, Sommer 2021) fanden sich dann Menschen zusammen, die für das Festival ein Awareness-Konzept erarbeiteten. Für das Festival bildete sich ein Awareness-Team mit aufgeteilten Schichten und es wurden Hütten gebaut: Eine BIPOC Hütte, ein Neurodivergenz Safer Space und ein Flinta* Bauwagen. Vieles der Awareness-Arbeit des Festivals wurde nach Ende des Festivals beibehalten: Das Awareness-Team blieb bestehen und auch die Hütten gab es weiterhin. 
Wann genau sich das BIPoC Awareness-Team gründete und wie dessen Verhältnis zum überwiegend bis ganz weißen Awareness-Team war, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. Ich versuche es weiter. Was Lü betrifft, kann ich daher an dieser Stelle bisher nur schreiben, dass das BIPoC Awareness-Team aus der Perspektive weißer Awareness-Menschen ein kleines Team sehr engagierter und sehr kontinuierlich arbeitender Menschen war, die teils zugleich auch im anderen Awareness-Team mitarbeiteten.
Ab der Kuloko gab es also mindestens ein Awareness-Team. Im Gefühl einiger Menschen hat das allerdings auch eine Hürde gesetzt: Als gäbe es eine Art geheimes Awareness-Wissen, was Menschen brauchen, um im Awareness-Team aktiv werden zu können. Es gab Onboarding-Versuche, aber auch immer wieder Hierarchie-Kritik. Menschen hatten den Wunsch, einzusteigen und Menschen, die bereits im Awareness-Team waren wussten nicht, wie sie neben all ihren anderen Aufgaben die Zeit aufbringen sollten, ihr Wissen gut weiterzugeben, gerade auch, da vieles davon Erfahrungswissen war. Menschen, die wenig Einsicht in die tägliche Arbeit des Awareness-Teams hatten, kritisierten die Struktur, auch wegen der Macht, die das Awareness-Team über die Ausschlussverfahren ausübe. Das Awareness-Team fand es nicht leicht, sich zu der Kritik zu positionieren. Es versuchte ständig, für Transparenz und Hierarchieabbau zu sorgen, war damit jedoch nicht immer erfolgreich.
Längerfristige Fallarbeit gab es schon, bevor sich Menschen intensiver mit Transformative Justice Ansätzen auseinandersetzten. Das Problem dabei war jedoch immer der eher häufige Wechsel der Menschen in der Besetzung und es kann schwerer sein, an einem bedrohten Ort in diese längerfristige Arbeit einzusteigen. Aus dieser Situation kam es immer wieder zu Rausschmissen, da Menschen keine Kapazitäten hatten, Fälle längerfristig zu begleiten und es selbst mit Kapazitäten auch immer wieder Menschen gab, deren Begleitung das Wissen der Awareness-Menschen überstieg und die Sicherheit von Betroffenen gefährdet hätte. Es gab aber auch Fälle, die sogar über mehrere Jahre und auch über die Besetzung hinaus bearbeitet wurden. Fallarbeit verschiedener Art wurde ein Kernaufgabenbereich des Awareness-Teams.
Immer mehr Aufgaben landeten beim Awareness-Team, neben der Fallarbeit auch Diskriminierungssensibilisierung durch Bildungsarbeit und Prävention. All das bedeutete, sich mit sehr vielen Themen beschäftigen zu müssen – ein hoher Anspruch, dem Menschen so nie völlig gerecht werden konnten. Bedingt durch die Themen, mit denen sich Menschen beschäftigten, standen manche Themen stärker im Fokus als andere. Feministische Themen und Rassismus waren stärker Thema, während Klassismus, Ableismus und Neurodivergenz immer wieder hinten runter fielen. Gerade bei Fällen, in denen unterschiedliche Betroffenheiten involviert waren, wurde dies zum Problem und führte teils auch dazu, dass es zu polarisierten Täter-Opfer Zuschreibungen kam, wo ein Blick für die Komplexität des Falls gefragt gewesen wäre. Verstärkt wurde diese Tendenz, je mehr Menschen sich zu dem Fall positionierten, ohne vom Geschehen direkt mitbekommen zu haben oder ausreichend informiert zu sein. Menschen fragten sich, wie Prozesse fair gestaltet werden können, wenn manche Menschen sich besser ausdrücken können als andere, manche einen akademischen Hintergrund haben, andere nicht und auch die Szene-Codes nicht kennen. Auch wurden neurodivergente Personen, die z.B. Autismus oder ADHS haben und sich mitunter weniger gut selbst regulieren können, teils einfach wegmoderiert. Menschen hatten zudem teils den Eindruck, dass Beschwerden generell im Dorf beliebter Menschen teils ernster genommen werden als Beschwerden von Menschen, die häufiger aneckten. 
Manchmal hinterließen Menschen, die Lü verließen, Briefe, in denen sie Missstände anprangerten, beispielsweise in Bezug auf Ableismus bezüglich Neurodivergenz. Die Dorfgemeinschaft beschäftigte sich mit dem Brief dann auf einer eigenen Vollversammlung, in der dieser gemeinsam gelesen wurde und besprochen wurde, wie es dazu hatte kommen können. Menschen richteten als Struktur für Feedback an das Awareness-Team einen Briefkasten ein und die Nachrichten und Briefe daraus wurden im Awareness-Plenum oder mit Einverständnis im Dorfplenum besprochen. So setzte sich das Awareness-Team z.B. auf Kritik hin intern mit Antisemitismus auseinander. 
Das Awareness-Team bemühte sich weiter und blieb in unterschiedlicher Ausprägung mit unterschiedlichen Menschen viele Monate bestehen. Die Hütten, die für die Kuloko gebaut worden waren, wurden allerdings primär dann verstärkt verwendet, wenn Betroffene selbst die Initiative ergriffen. Besonders die BIPOC Hütte wurde zeitweise rege genutzt, auch für Community Arbeit. Der Flinta* Bauwagen diente häufig eher als Rückzugsort. Unklarheiten und Intransparenz bezüglich der Nutzung der Orte führte dazu, dass sie teilweise wenig oder kaum verwendet wurden und zum Teil verfielen oder nicht mehr einladend und bedürfnisgerecht gestaltet waren. So hat der Neurodivergenz-Safer Space geschimmelt, anderswo gab es laute Umgebungsgeräusche.
Bildungsarbeit geschah häufig durch besonders engagierte Einzelpersonen, die Treffen einberiefen, Ressourcen teilten oder sich um die antirassistischen Leseecken kümmerten.
Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

Awareness-Bemühungen allgemein im Dorf

Nicht nur die Awareness-Teams kämpften im Dorfalltag gegen Formen von Diskriminierung. Manche Gedenkstätten in Lü sowie manche Demos, Workshops und Ausstellungen waren insbesondere dazu da, antikolonialistische und antirassistische Kämpfe zu zentrieren. Immer wieder wurden dazu auch Communities und Bewegungen eingeladen (internationalistische, kurdische, zapatistische etc.), die entscheidende Impulse setzten. 

Schriftzüge auf Wänden, Türen, Bannern und auf Patches wie „Heute schon Repro gemacht?“ oder anti-Macker Sprüche, sowie der Awareness-Input, den es eine Zeit lang zu Beginn jedes Plenums gab, erinnerten im Alltag an feministische und antirassistische Kämpfe und eigene Ansprüche der Besetzung.

An der Mawa gab es mal die Initiative zu einem Klassismus-Austausch – ein Thema, das in Lü vielfach unsichtbar und unbesprochen blieb. Es gab eine Soli-Socke, aus der auch immer wieder Menschen kurzfristig Geld bekamen, doch waren die Lü-Finanzen sonst für den Großteil verborgen und insgesamt Geld und Zugang zu Ressourcen außerhalb von Lü sehr intransparent und auch ungleich verteilt. Manche Menschen hatten ein Gehalt, Vermögen und/oder einen Ausweichort außerhalb von Lü, andere nicht, manche hatten Zugang zu einer Waschmaschine an einem nahe gelegenen Ort, andere nicht. Manchmal trat dies zu Tage, manchmal nicht.

Im Sommer 2022 richteten einige Menschen auf Signal eine Gruppe ein, die dabei half, Strukturen physisch barrierearm, beispielsweise Rolli-zugänglich zu machen. Es gab ein barrierearmes Klo, zeitweise eine Rolli-Rampe und im Erdgeschoss der Villa waren Rolli-zugängliche Schlaf- und Aufenthaltsorte. Sonst waren viele Strukturen nicht zugänglich oder mussten mit mehr Aufwand zugänglich gemacht werden, wozu sich eben diese Gruppe gründete.

Sprachliche Barrieren wurden zumindest in Plena allgemein durch Flüsterübersetzungen ins und aus dem Deutschen oder Englischen abgebaut – je nachdem, was gerade Plenumssprache war.

Zu Drogen-Awareness gab es hin und wieder Diskussionen und eine Gruppe wollte dazu etwas erarbeiten. Weil es diese Gruppe bereits gab, die etwas erarbeiten wollte, endete die Diskussion mit dem Verweis auf diese Gruppe in der Regel wieder, die Gruppe schaffte es aber nie, tatsächlich ein Konzept zu erarbeiten. Was es gab, waren drogenfreie Zonen, sowohl im Dorf als auch auf Veranstaltungen. Jedoch war der Umgang mit dem Thema nicht immer leicht, denn es lebten in Lü zeitweise sowohl Menschen, die alkoholabhängig waren als auch trockene Alkoholiker*innen.

Für einige Zeit gab es regelmäßige Bezugi-Findungstreffen und viele Bezugis waren in vielen Belangen füreinander da. Darüber hinaus gab es immer wieder mal für eine Zeit lang mal hier einen antipatriarchalen Lesekreis, dort eine kritische Männlichkeitsrunde und hier ein Reflexionstreffen zu kritischem Weißsein. Diese Strukturen wurden oft von Einzelpersonen initiiert und gehalten, wodurch ihr Fortbestand oft von dieser einen oder wenigen Personen abhängig war. Einen Zettel auf das Programmboard zu kleben, reichte nicht, wenn keine Menschen die für das Treffen erforderlichen Vorbereitungsarbeiten übernahmen.

Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

Awareness in Lützi 2022 (Neues Jahr, neues Glück?)

Flaute und Wechsel im Awareness-Team
Nun zunächst einmal zurück zum Awareness-Team. Als Ausgleich für die oft anstrengende Awareness-Arbeit gab es im Frühling 2022 zwischendurch einen „Awareness-Fun-Day“, der sich aber nicht bis zum Sommer hielt.
Vom Winter 2021/22 zum Sommer 2022 gab es im Awareness-Team allgemein einen größeren Wechsel an Menschen. Es gab nur wenige Menschen, die über die bisherigen Fälle bescheid wussten und es gab quasi keine Wissensvermittlung. Langfristige Fallarbeit hing teils in der Luft und es gab auch keine Übersicht über bestehende Fälle oder wer gerade woran arbeitete. Die verbliebenen Menschen im Awareness-Team suchten nach neuen Menschen, die mit in die Awareness-Arbeit einsteigen würden. 
Alltag des Awareness-Teams im Sommer 2022

Im Sommer 2022 war das Awareness-Team sehr klein. Das On-Boarding bestand mitunter aus der Lektüre eines Texts zum Thema Definitionsmacht – und dann learning by doing. In der Regel sah die Tätigkeit der Awareness-Menschen folgendermaßen aus: Menschen in Lü teilten Awareness-Menschen Probleme mit, woraufhin diese die entsprechenden Menschen aufsuchten und versuchten, ins Gespräch zu kommen. Außerdem war rund um die Uhr immer ein Mensch über die Awareness-Funke auf dem Awareness-Kanal und über das Awareness-Handy erreichbar. Hierfür wurden Schichten eingeteilt. Darüber hinaus gab es das zwei bis dreistündige Awareness-Plenum, das prinzipiell für alle offen war. In diesem Plenum checkten Menschen ausführlich ein, besprachen länger Organisatorisches, beispielsweise zu Party-Awareness und tauschten sich gegen Ende über den Fortgang einzelner Fallarbeit aus. Letzteres wurde nach einiger Zeit zum Teil weggelassen, da die Plena zu lang wurden und die Energie dafür am Ende fehlte. 

Die vom Awareness-Team bearbeiteten Fälle umfassten unter anderem Fälle von sexualisierter Gewalt, Rassismus, persönlichen Konflikten und problematischem Verhalten unter Einfluss konsumierter Substanzen. Bei besonders schwierigen Awareness-Fällen erhielt das Awareness-Team teils Unterstützung durch Langzeit-Lü-Menschen, die viel Erfahrung mitbrachten. Sie waren häufig nicht Teil des Awareness-Teams, das die alltäglichen Aufgaben bewältigte und diesem teils auch gar nicht bekannt, sprangen aber an einzelnen Stellen ein oder waren in von den alltäglichen Awareness-Aufgaben losgelösten transformative justice Prozessen, also längerfristige Arbeit mit einzelnen Fällen involviert. 

Fallarbeit und vor allem die längerfristigen transformative justice Prozesse fanden oft eher im Verborgenen statt, in der Regel auf Wunsch beteiligter Personen. Dadurch blieb jedoch auch eher verborgen, wo sich Fälle häuften und einmal war es die Initiative einer betroffenen Person, die ermöglichte, dass sich mehrere Menschen trafen, die von den Handlungen ein und derselben Gewalt ausübenden Person betroffen waren, und sich so auch gemeinsam austauschen und mit Awareness-Menschen über das Weitere beraten konnten. In einigen Fällen wurden allerdings mehr Kapazitäten darauf verwandt, mit der Gewalt ausübenden Person zu arbeiten, als die betroffene Person aufzufangen. 

Einmal gab es eine Vollversammlung zum Thema sexualisierter Gewalt mit einer anschließenden Runde zum persönlichen Austausch. Das war für manche ein sehr wichtiger Moment, dieses Zusammenkommen und einander Zuhören, um erlebte Dinge auf eine Art auch gemeinsam zu verarbeiten.

Danach lebte der Flinta* Brunch auch noch einmal deutlich auf, bei dem sich Menschen über ihre Erfahrungen in Lü austauschen konnten – zumindest war das die Idee, und die Hoffnung einiger war auch eine bessere Flinta*-Vernetzung und dass sich Menschen besser gegenseitig auf dem Schirm haben. Das klappte bedingt, da die Bedürfnisse an den Flinta*-Brunch unterschiedlich waren und es für manche primär ein Ort tiefer gehenden Austauschs, für mache primär ein Ort spaßigen Zusammenseins war. Zu einer verbindlichen Flinta*-Organisierung kam es jedenfalls nicht. Bezüglich des TIN-Cafés waren die Erfahrungen teils ähnlich. Dennoch fanden Menschen es gut, dass es diese Orte gab.

Die Hauptverantwortung für Awareness blieb neben den Bezugsgruppen primär beim Awareness-Team. Nur bei besonderen Veranstaltungen wie Camps haben die Orgas, die diese organisiert haben teils selbst ein Awareness-Team für den Rahmen der Veranstaltung gestellt. Das war z.B. beim Mastamo der BUND Jugend NRW im August 2022 der Fall. 

Zur internen Weiterbildung stand dem Awareness-Team langfristig ein Awareness-Laptop mit einer ganzen Reihe von Texten zur Verfügung, jedoch kamen Awareness-Menschen kaum dazu, diese gemeinsam zu lesen. 

Eine besondere Wissenslücke bestand dabei beim Thema psychische Erkrankungen. Meist wurde sich damit nur im Rahmen konkreter Vorfälle befasst. Doch hatte das Awareness-Team immer wieder mit Menschen zu tun, die bipolar, depressiv, selbstverletzend, substanzkonsumabhängig oder suizidal waren. Manche Menschen haben regelmäßige Unterstützung durch das Awareness-Team bekommen. Manche Menschen im Awareness-Team boten manchen Menschen sogar ein wöchentliches Gesprächstreffen an, um Menschen emotional aufzufangen. 

Der Umgang mit verhaltensauffälligen Menschen war immer wieder schwierig und überfordernd. Beispielsweise können manche Menschen ihre Bipolarität gut navigieren, andere werden in bestimmten Phasen immer wieder ausschreitend und übergriffig. Eine Person wurde vor diesem Hintergrund auch ausgeschlossen. Besetzungen sind generell Orte, an die neben politischen Gründen Menschen auch aus Perspektivlosigkeit kommen oder weil sie durchs Raster des Staates und der Gesellschaft fallen. Eine Diskussion über einen generellen Umgang und damit, was die Besetzung hier leisten kann und was nicht, gab es jedoch nicht. 

Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

Dynamiken und Wege in die Krise

Lange Zeit war nicht klar abgesteckt, was zur Verantwortung des Awareness-Teams gehörte, was dazu führte, dass der Kreis der an das Awareness-Team delegierten Aufgaben immer größer wurde: Von Fallarbeit über Party-Awareness, rund um die Uhr Erreichbarkeit für emotional first-Aid, über emotionale Arbeit im weiteren Sinne, Präventionsarbeit, Bildungsarbeit, Hilfe bei der Klärung von Konflikten bis hin zu genereller Ansprechbarkeit bei offenen Fragen dehnte sich der Aufgabenbereich des Awareness-Teams aus, ohne dass die Anzahl der verantwortlichen Menschen zunahm. 

Der Anspruch an Awareness-Arbeit war hoch, die kollektive Verantwortung teils eher gering. Zwar geschah viel emotionale Arbeit auch innerhalb von Bezugsgruppen, doch insbesondere Flinta* Personen im Awareness-Team wurden sehr häufig von Personen aus Lü aufgesucht, die über ihre Gefühle sprechen wollten. Auch begann Fallarbeit teils so, dass ein Mensch auf eine Awareness-Person zukam, etwas schilderte und darum bat, dass da „etwas gemacht“ würde, der Mensch wollte das aber nur delegieren und sich selbst nicht weiter damit beschäftigen. 

In der Folge verbrachten Awareness-Menschen viel Zeit damit, die betreffenden Menschen zu suchen, um Fallarbeit überhaupt aufnehmen zu können. Nicht immer waren die Menschen auffindbar, nicht immer waren die Menschen bereit zu sprechen, nicht immer gab es einen ruhigen Rahmen, um zu sprechen, und nicht immer blieben die Menschen lange oder durchgängig in Lü, weshalb das Awareness-Team immer wieder darüber diskutierte, wann überhaupt Fallarbeit aufgenommen werden sollte und wann eine Gewalt ausübende Person schlicht gebeten werden sollte zu gehen, wenn die Person sowieso nur noch wenige weitere Tage geblieben wäre. 

Der Gedanke war, dass zwei oder mehr Menschen aus dem Awareness-Team gemeinsam einen Fall übernehmen, in der Praxis übernahmen aufgrund der geringen Größe des Awareness-Teams häufig einzelne Personen einen Fall. Das führte mit dazu, dass es kein oder kaum Team-Gefühl im Awareness-Team gab. Auch konnte es so schneller zu Überforderung kommen – auch, weil nicht immer von vornherein absehbar war, als wie groß oder tiefgehend sich das Problem herausstellen würde. Darüber hinaus waren teilweise nur wenige oder nur ein Mensch mit Erfahrung im Awareness-Team, während alle anderen neu waren. In aller Regel gab es weder Supervision noch systematische Koordination der Fallarbeit, was es schwer machte, Überblick zu behalten oder zu gewinnen oder im Fall von Überforderung Unterstützung zu bekommen. 

Auch war sich das Awareness-Team intern nicht immer einig. Gerade wenn neue Menschen kurzzeitig ins Awareness-Team kamen, die ihr Verhalten, beispielsweise als cis-männliche Person, noch wenig selbst reflektiert hatten, entwickelten sich dabei mitunter auch patriarchale Dynamiken innerhalb des Awareness-Teams. 

Die dauernde Erreichbarkeit stellte eine enorme Anstrengung dar, da sich nicht ausreichend Menschen die Schichten aufteilen konnten und sich zudem manchmal Menschen bei der Nacht-Awareness im Funkkanal verwählten. Doch auch jenseits der Schichten war es für die Menschen im Awareness-Team mitunter schwierig, die Awareness-Brille überhaupt abzulegen. Durch die vielen ihnen anvertrauten Geschichten wussten sie vieles, was in Lü schief lief und sahen auch vieles, was anderen vielleicht nicht unbedingt auffiel. Auch wurden sie öfter beim Pause machen oder beim Essen zu einer schwierigen Situation hinzugerufen, sodass manche Lü tatsächlich verlassen mussten, um wirklich Pause machen zu können. Besonders schwierig war es auch, wenn größere Awareness-Fälle in der unmittelbaren Wohnumgebung von Awareness-Menschen in Lü geschahen.

Auch wurden sie von anderen Bewohner*innen zunehmend mit ihrer Rolle als Teil des Awareness-Teams identifiziert und teils gar direkt als „Awareness-XY“ angesprochen. Der unklare und zunehmend größere Aufgabenrahmen entwickelte sich bis dahin, dass Menschen das Awareness-Team fragten, ob sie an diesem oder jenem Ort zelten „dürfen“ oder ob die Musik so „zu laut“ sei - als wäre das Awareness-Team eine Art externe Instanz und Autorität. Durch diese Prozesse der Externalisierung und Delegation von Verantwortung entstand eine gewisse, von beiden Seiten als unangenehm empfundene Distanz zwischen Awareness-Menschen und allen anderen. Das ging bis zu einer Projektion von Autorität und Gefahr auf das Awareness-Team, das die (notwendigerweise oft) unangenehmen Gespräche anstieß. Bis dahin, dass Begriffe wie „Awareness-Polizei“ fielen, parallel zu Aussagen von „Awareness regelt das (für uns)“.

Menschen im Awareness-Team brannten aus und fielen aus, sodass die verbliebenen Menschen noch mehr Arbeit zu bewältigen hatten und noch schneller ausbrannten. Wer eigentlich keine Kapazitäten mehr hatte, konnte dem eigenen Ruhebedürfnis nicht unbedingt nachgehen, denn viele Dinge konnten nicht warten: Bei sexualisierter Gewalt in einer offenen Besetzung lässt sich die Awareness-Arbeit nicht auf den nächsten Tag vertagen. Auch stellten Menschen immer wieder die gemeinsamen Ideale (z.B. bezüglich Transformative Justice) über die eigenen Kapazitätsgrenzen. Zu Überforderung kam es unabhängig von der Gesamtverantwortungslast auch im Zuge von einzelnen besonders schweren Fällen, auf die hin manche Menschen ebenfalls das Awareness-Team verließen. 

Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

Kritik, Reflexion & Planung in der Krise

Als immer deutlicher wurde, dass das Awareness-Team sich selbst als Struktur kaum mehr erhalten kann, gaben mehrere Menschen aus dem Awareness-Team den Impuls, in die Selbstreflexion zu gehen. Es brauchte mehrere Anläufe, bis ein Treffen dazu zustande kam, doch dann setzten sich Menschen zusammen und überlegten, was Awareness-Arbeit eigentlich ist und umfasst, wie sie es sich eigentlich vorstellen und was das in der Praxis erschwert. Sie wollten diese Arbeit fortsetzen, doch es kamen keine Menschen mehr zu den Reflexionstreffen – selbst Treffen, die dazu da waren, den Menschen im Awareness-Team selbst gut zu tun, klappten nicht mehr. 

Neben dieser internen Reflexion gab es im September 2022 ein Dorfplenum mit recht vielen Anwesenden, bei dem eine Person, die nicht selbst mit dem Awareness-Team zu tun hatte, von außen die Rückmeldung gab, dass es mit der Awareness-Struktur Probleme gibt und dringend eine Vollversammlung zum Thema Awareness nötig sei. Diese Kritik von außen traf auf bereits in Gang gesetzte interne Kritik und gab den entscheidenden Anstoß dazu, den Veränderungsprozess wirklich anzugehen. Ein dem Awareness-Team externes Team fand sich zusammen, um die Awareness-Vollversammlung zu organisieren. Währenddessen und unter Einsatz der letzten Kräfte trotz teils bereits massivem Ausgebranntsein wollten die verbliebenen Menschen des Awareness-Teams einen Input für den Beginn der Awareness-Vollversammlung vorbereiten und taten dies auch, noch weit in die Nacht vor der Vollversammlung hinein. Dabei beschlossen sie auch die Selbstauflösung des bisherigen Awareness-Teams. 

Mitte Oktober 2022, am Tag der Awareness-Vollversammlung, wurde das gesamte Dorf stillgelegt, es gab ein komplettes Time-Out. Die Vollversammlung dauerte den ganzen Tag. Morgens um 10 Uhr kamen die etwa 50 Menschen des Dorfes zusammen und saßen, hörten, dachten, sprachen, diskutierten, planten und koordinierten bis nach Sonnenuntergang. Das bisherige Awareness-Team präsentierte die von ihnen erarbeitete Analyse der Situation und gaben auch eine persönliche Ansprache, in der sie ihre psychische Belastung sichtbar machten und aufzeigten, wie es dazu gekommen war. Der restliche Tag bestand aus vom Awareness Vollversammlungs-Vorbereitungsteam gut durchgeplanten und streng zeitlich eingehaltenen Slots, in denen – teils in Kleingruppen, dann auch wieder gemeinsam – Ideen für eine neue Awareness-Struktur gesammelt, diskutiert, konkrete Vorschläge erarbeitet, auf wenige reduziert, noch konkreter ausgearbeitet, abgestimmt und schließlich die neue Struktur bereits in Umsetzung gebracht wurde. Letzteres geschah, indem noch in der Vollversammlung Verantwortliche für die einzelnen Aufgaben und Untergruppen gesucht, die Untergruppen gebildet und bereits ins Laufen gebracht wurden. Zum Ende hin wurden es weniger Menschen und weniger Pausen, doch das Vorhaben wurde durchgezogen.

Für Menschen des bisherigen Awareness-Teams war dieser Tag eine riesige Erleichterung. Manche hatten bereits mit sich selbst ausgemacht, dass sie nicht länger in Lü würden bleiben können, wenn es nicht gelingen sollte, die Awareness-Struktur grundlegend zu ändern. Doch nach Rückkehr aus einem Aktivisti-Retreat war mindestens ein Mensch sehr begeistert davon, wie die neue Awareness-Struktur sich etabliert hatte.

Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

Weiterentwicklung: Aufgabenteilung & Check-In Gruppen (ab Okt. 22)

Das Konzept der Check-In Gruppen war an das Tekmîl der kurdischen Bewegung angelehnt. Der Idee nach sollte jeder Mensch in Lützi Teil einer Check-In Gruppe sein, die sich an für alle festgelegten Tagen zwei Mal pro Woche zur gleichen Zeit trifft und in welcher Menschen füreinander sorgen und füreinander einstehen. Die Aufteilung auf die Check-In Gruppen wurde gelost, sodass die Menschen darin unterschiedlichen Bezugsgruppen und Barrios angehörten sowie unterschiedlich lang in Lü gewesen waren. Damit sollte vor allem die Verantwortung verteilt werden. Aus der vorherigen Delegation von Verantwortung an das Awareness-Team sollte kollektive Selbstverantwortung werden. Denn so konnten viele Konflikte zwischen zwei Menschen zwischen derer beider Check-In Gruppen gelöst werden, ohne extra einen Awareness-Menschen zu rufen. Oder auch überschaubare transformative justice Prozesse sollten so laufen können, dass die jeweiligen Check-In Gruppen die eine für die betroffene Person da ist und die andere mit der Gewalt ausübenden Person reflektiert. 

Neben den Check-In Gruppen gab es außerdem ein Check-In Gruppen Deli-Plenum, in welchem Delegierte der einzelnen Check-In Gruppen zusammenkamen, um herauszufinden, welche Themen gerade vielleicht in vielen Check-In Gruppen Thema waren und daher im Plenum adressiert werden sollten. Oder wenn beispielsweise kaum noch Menschen zum Plenum kamen, konnten über die Delis im Check-In Gruppen Deli Plenum alle mit der Info erreicht werden, dass das Plenum wieder mehr Beteiligung braucht.

Ansonsten sollte es statt dem einen Awareness-Team die folgenden voneinander unterschiedenen Gruppen geben: Eine Emotional First Aid Gruppe (EFA) mit eigener Weiterbildung und eine Fallarbeitsgruppe, die transformative justice Prozesse koordiniert. Die beiden sollten in dem Sinne zusammenwirken, dass bei der Emotional First Aid Gruppe ein Fall reinkommt, der an die Fallarbeitsgruppe weitergegeben wird, welche wiederum die konkrete Fallgruppe ins Leben ruft und selbst als Koordinations- und Supervisionsstruktur funktioniert. Zudem sollte es eine Prozessbeobachtung geben, die immer wieder danach schaut, ob die Einführung des neuen Awareness-Konzepts funktioniert. Also ob die einzelnen Gruppen im Großen und Ganzen mit ihrer Aufgabe zurechtkommen, oder ob es Unterstützungs- oder Änderungsbedarf gibt. Zudem sollte es eine Check-In-Gruppen-Koordinationsgruppe geben, die den Prozess der Check-In Gruppen begleitet und neue Menschen in Check-In Gruppen einteilt. Und eine Gruppe, die ein Awareness-Konzept mit Definitionen wichtiger Begriffe etc. verfasst. Und eine Bildungs-AG. 

Auf diese Weise sollten die Probleme der vorherigen Awareness-Struktur durch kollektive Selbstverantwortung und spezifische zusätzliche Gruppen mit konkret beschränkten Aufgabenbereichen überwunden werden. Nicht alles davon konnte vollends umgesetzt werden und ins Arbeiten kommen, bevor die Räumung kam. Doch haben beispielsweise die Check-In Gruppen ziemlich gut funktioniert, auch da alle Check-In Gruppen sich zur selben Zeit trafen. Es hatte einen anti-hierarchischen Effekt, da Menschen nun auch jenseits ihrer üblichen Kreise über Emotionen redeten. Das lockerte auch die Cliquen-Bildung etwas auf.

Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

Schwierigkeiten/Grenzen und Vorbedingungen von Check-In Gruppen

Teils gab es Unklarheiten, was in den Check-In Gruppen genau besprochen werden sollte. Und im Check-In Gruppen Deli-Plenum wurden auch viele kleine praktische Fragen besprochen, wodurch manche sich die Frage stellten, ob hier nicht eine Doppelstruktur entstanden war, insbesondere, da viele Dinge zwar ins Check-In Gruppen Deli-Plenum getragen wurden, aber dann unklar blieb, wie und von wem sie weiter bearbeitet werden sollten. 

Manchmal wurde das Check-In Gruppen Deli-Plenum zu einem Ort, an dem viel Kritik und Feedback zu den allgemeinen Strukturen des Dorfs zusammenkam, jedoch gab es nicht immer genug Raum dafür und auch kam nicht alle Kritik dort an, wenn die Delis fehlten, deren Aufgabe gewesen wäre, die Kritik dorthin weiterzutragen. Auch gab es im Dorf-Plenum nicht immer Raum, um die Dinge zu besprechen, die vom Check-In Gruppen Deli-Plenum dorthin eingebracht werden sollten.

Nicht alle Menschen wollten Teil einer Check-In Gruppe sein. Das war insofern problematisch als diese Menschen somit nicht in die gegenseitige care-Struktur eingebunden waren, also keine emotionale Arbeit leisteten und möglicherweise auch keinen Zugang dazu hatten, wenn sie sie brauchten. Auch wurden Konfliktklärungen dadurch erschwert. Doch gab es keinen Zwang und so konnten die Menschen lediglich immer wieder darauf hingewiesen werden. 

Intern bauten die Check-In Gruppen eine gewisse Nähe auf, in der es leichter fiel, Dinge anzusprechen. Auch durch die regelmäßige Aufforderung, etwas zu teilen, fiel es vielen leichter damit nicht allzu lange zu warten. Während das Awareness-Team zuvor jedes Mal einen neuen Fall hatte aufmachen müssen, konnten Dinge so oft einfach direkt geklärt werden. Unter anderem auch dadurch, dass sich Streitigkeiten gar nicht erst verfestigten, da sie eben früher angesprochen wurden.

Die dafür notwendige Nähe benötigt eine gewisse Kontinuität der an der Check-In Gruppe beteiligten Menschen. Insbesondere längerfristig in Lü lebende Menschen hatten häufig ein Bedürfnis danach, nicht permanent mit immer neuen Menschen zu tun zu haben. Neue Menschen wiederum wünschten sich häufig auch Kontakt und Austausch mit erfahreneren Menschen. Hier galt es, ein Gleichgewicht zu finden. Ebenso galt es ein Gleichgewicht zu finden zwischen den unterschiedlichen Bedürfnissen an die Check-In Gruppe und die Tiefe und Ernsthaftigkeit des darin stattfindenden Austauschs. Insgesamt schien das Konzept gut zu funktionieren – so lange es eben ausprobiert werden konnte. 

Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

Fortgang der anderen neuen Strukturen und Räumungs-Awareness


Die Emotional First Aid (EFA) Gruppe hat sich viel Mühe gegeben, hatte aber Schwierigkeiten, ihre Struktur zu erhalten und daher machte sie deutlich, dass sie sich nicht um Räumungs-Awareness würde kümmern können. Die Bildungs-AG hat nicht so gut funktioniert, auch die Gruppe, die das Konzept schreiben wollte, kam nicht dazu. Die Fallgruppenkoordination koordinierte im Wesentlichen bereits existierende Fälle. Der Prozessbegleitung wiederum fiel insbesondere auf, dass dringend Überlegungen zu Räumungs-Awareness angestellt werden müssen. Wie sollte das gehen, ohne EFA?

Die Prozessbegleitung überlegte sich eine doppelte Strategie: Zum einen sollte viel Backup und Support von außen kommen, koordiniert über das UAC (Unser Aller Camp, Ausweichcamp). Dort sollte eine Nummer erreichbar sein, die von Lü aus angerufen werden konnte. Für Lü selbst sollte Awareness primär über die Bezugsgruppen geschehen. Um diese darin und auch bei der Vorbereitung zu unterstützen, wurde ein Zine geschrieben und an alle Bezugis verteilt. Darin ging es unter anderem um grundlegende Kenntnisse in EFA, Möglichkeiten, in der Räumung und in der Gesa Elemente der Selbstbestimmung und Kontrolle zu behalten und sowohl Anregungen zur gemeinsamen Vorbereitung als auch zu Out of Action. Auch sollten sich alle Barrios im Vorfeld der Räumung intern treffen und darüber Gedanken machen. Manche Barrios und manche Bezugis haben beispielsweise noch eigene Out of Action Orte und Treffen für sich für nach der Räumung organisiert. 

Etwa eine Woche vor der Räumung fanden an verschiedenen Orten, darunter auch Lü und UAC, Workshops dazu statt, was nach einer Räumung gut ist und wie Menschen unterstützt werden können. Auch gab es in Lü noch einen EFA-Workshop von Psychologists for Future.

Unabhängig von all dem entstand kurz vor der Räumung eine Gruppe, die sich selbst zur Aufgabe machen wollte, Räumungs-Awareness zu machen. Die Gruppe war jedoch unerfahren und hatte keine Verbindung zu Leuten, die die bisherigen Awareness-Strukturen und Prozesse kannten. 

Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

Awareness im Unser Aller Camp (Jan. 23)

Als die Planungen für das Ausweichcamp konkreter wurden, schrieben Menschen dafür auch ein Awareness-Konzept. Dabei wurde nach den Erfahrungen in Lü ebenfalls entsprechend besonders versucht auf Kapazitätsgrenzen zu achten. Check-In Gruppen wurden in Betracht gezogen, aber schnell verworfen, da sie aufgrund der hohen Fluktuation illusorisch waren. Das Kernkonzept sollte ein sogenanntes Ärreichbarkeits-Team sein. Dieses sollte direkt ansprechbar sein und die jeweiligen Anliegen direkt an jeweils weitere Gruppen delegieren, sei es die Psychologists for Future, die Schlafplatzorga, Out of Action usw. Bereits im Vorfeld haben sich Menschen darum bemüht, einen möglichst großen Pool an Psycholog*innen zu finden, die möglichst schon einmal Berührung mit dem Thema Räumung hatten und während der Zeit in Anrufbereitschaft stehen könnten. Auch für das Arreichbarkeits-Team gab es bereits online Onboardings, zu denen sich allerdings teils auch Menschen zuschalteten, die sich selbst noch sehr wenig reflektiert hatten. Zudem sollte das Awareness-Konzept aushängen und viele grundlegende, für Awareness wichtige Prinzipien erläutern, um Menschen dazu zu befähigen, selbst Verantwortung zu übernehmen. 

Ein wichtiger Baustein waren außerdem eine Reihe von safer spaces in eigens dafür eingerichteten Zelten: Ein Ankommenszelt für Menschen, die aus der Räumung kamen und dort etwas trinken, essen und ausruhen konnten. Ein Zelt von Psychologists for Future, eines von Out of Action und ein weiteres Awareness-Zelt. Dazu ein BIPOC Zelt, ein TINA Zelt, ein Flinta* Zelt und eines für neurodivergente Menschen. Ein Mensch hatte für all diese schon frühzeitig Couches organisiert und Tücher aus Lü hinübergerettet, sodass die Zelte gemütlich eingerichtet waren. Allerdings wurde der TINA Space vom Sturm verwüstet.

Die vom UAC Awareness-Planungsteam erdachten Strukturen haben an sich betrachtet gut funktioniert. Es gab sehr viele Menschen, die Awareness-Aufgaben übernahmen, sodass die Schichten immer gut besetzt waren. Für Menschen, die aus der Räumung kamen, gab es das Ankommenszelt, ein Lützi-Longterm Zelt sowie Austauschrunden und Körperübungen im Zirkuszelt. 

Doch das UAC war kein Ort, um Leute nach einer Räumung gut aufzufangen. Viele Tausend Menschen kamen zur Demo oder für Aktionen und teils herrschte eine Flut an Reizen und eine Art Festivalstimmung, mit der diejenigen Menschen konfrontiert wurden, die gerade ihren Lebensort verloren hatten. Manche hatten einen Ausweichort in der Gegend, doch viele hatten einen solchen nicht. Einige Menschen aus Lü haben sich sofern irgendwie möglich in den UAW (Unser aller Wald, Strukturen einer schon länger bestehenden Waldbesetzung neben dem UAC) zurückgezogen, jedoch reichte der Platz dort bei Weitem nicht für alle, die ihn gebraucht hätten. Allgemeine Rücksicht auf die Situation der Menschen, die aus der Räumung kamen oder eine deutliche räumliche Trennung zwischen Ankommenden aus der Räumung und Demo- und Aktionsteilnehmenden wären nötig gewesen.

Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

Awareness im Nachgang der Räumung

Nicht alle Dorfbewohnis hatten jenseits von Lü einen anderen Ort. Einige Menschen wollten es sich zur Aufgabe machen, gemeinsam mit den Menschen, die das betraf, nach Möglichkeiten zu schauen. Das hat wenn, dann nicht für alle funktioniert.

Zur Unterstützung der psychischen Verarbeitung von Erlebtem gab es drei Nachtreffen, bei denen die Psychologists/Psychotherapists for Future Gesprächsangebote machten und Austauschrunden in Kleingruppen sowie Körperübungen stattfanden. Außerdem gab es als Hilfe bei der Trauma-Bearbeitung ein viertägiges Lü-Integrations-Treffen mit Bezug zur Räumung und dem Verlust von Bezugsorten. 

Viele Menschen fanden individuell und kollektiv, mit und ohne Therapie kreative Wege, mit dem Verlust und Geschehnissen in der Räumung umzugehen, für viele war und ist dies jedoch ein langer und schwieriger Prozess. Nach wie vor ist es wichtig, dass Menschen vor dem Zeigen von Lü-Bildern oder dem Sprechen über Räumungsszenarien Triggerwarnungen

Awareness in Lützerath (besetzt 2020-2023)

Ergänzungen & Learnings

Zum Abschluss habe ich die Menschen, die ich gesprochen habe, auch nach ihren Learnings in Bezug auf Awareness-Strukturen gefragt. Zu den generellen Learnings, die noch nicht angesprochen wurden, gehört, dass es bei Awareness-Arbeit immer gut ist, mit weiteren Awareness-Strukturen vernetzt zu sein und rechtzeitig Hilfe von außen dazuzuholen.

In Lü gab es Verbindungen zu Awareness-Kollektiven, Leuten, die Mediation machen, den Psychologists for Future und auch einer Beratungsstelle für sexualisierte Gewalt. Das Ausmaß nötiger Fallarbeit wird oft unterschätzt. Wichtig ist auch, sich frühzeitig mit Räumungs-Awareness und Out of Action auseinanderzusetzen. Bedürfniskonflikte können immer wieder neu aufbrechen, wenn sie nicht grundlegend bearbeitet und für alle tragbare Lösungen gefunden werden. Allgemein hilft es, Konflikte und Belastungen frühzeitig zu besprechen und viel Bildungs- und Präventionsarbeit zu machen, sowie immer wieder neu zu fragen, wie es um die kollektive Verantwortung steht und wie diese gestärkt werden kann. Denn für eine Veranstaltung lässt sich Awareness vielleicht weitreichender auf ein spezifisches Team auslagern. Für eine Gemeinschaft, ein Zusammenleben kann jedoch die Verantwortung nicht so stark externalisiert werden, ohne ungute Dynamiken zu schaffen. 

Sowohl Selbstreflexion als auch ein Spiegeln von außen, beispielsweise in einer Supervision, sind sehr wichtig, auch um Veränderung anstoßen zu können, bevor eine Struktur völlig in die Krise gerät. Denn dysfunktionale Strukturen erhalten sich unter Umständen dadurch, dass Veränderung als Zusatzarbeit betrachtet wird und innerhalb der vorhandenen Kapazitäten nicht mehr leistbar ist.

Wer andere unterstützt, muss auch selbst Unterstützung bekommen. Noch dazu, da es oft so ist, dass Menschen, die tendenziell häufiger Awareness-Aufgaben übernehmen, selbst von Diskriminierungsformen betroffen sind und/oder nicht unbedingt gelernt haben, Grenzen zu setzen und/oder sich schwer damit tun, ihre eigene Arbeit und Können wertzuschätzen – umso mehr, als sich die mangelnde Anerkennung von Care-Arbeit in der Gesellschaft allzu oft auch in Besetzungen wiederspiegelt.

Menschen, die Awareness-Aufgaben übernehmen, befinden sich gleichzeitig selbst noch auf dem Weg, Elemente problematischer eigener Sozialisierung zu reflektieren und sie reproduzieren daher auch immer noch Elemente problematischer Verhaltensweisen weiter. Es ist eine Balance-Aufgabe, die eigene Weiterbildung und die alltäglich notwendige Awareness-Arbeit zeitlich zu vereinbaren. Und auch, Awareness-Arbeit für neue Menschen offen zu halten, die diesen Weg vielleicht noch nicht so weit gegangen sind, und gleichzeitig einen möglichst diskriminierungsfreien  (*-sensiblen) Raum halten zu können für Gespräche mit Betroffenen und für die Fallarbeit insgesamt.

In Check-In Gruppen und ähnlichen Strukturen gilt es, insbesondere die richtige Mischung und Balance zwischen neuen und langfristigen Menschen immer wieder neu bewusst zu finden. Das gilt auch für eine Besetzung als Ganze: Die Herausforderung für langzeit Bewohnis ist es, sich auch immer wieder auch für Gespräche und Begegnungen mit neuen Menschen zu öffnen, sowie Wissen und Ressourcen zu teilen. Die Herausforderung für neue oder kurzfristige Bewohnis ist es, sich auch selbstständig zusammenzutun und den langzeit-Bewohnis, die tendenziell mit der Zeit immer mehr Verantwortung übernehmen, konkrete Verantwortungsbereiche abzunehmen.

Awareness ist Teil unserer Utopie eines anderen Zusammenlebens. Gleichzeitig klaffen Anspruch und Wirklichkeit trotz aller Mühe weiterhin auseinander. Gute Strukturen für Awareness müssen in jedem Kontext wieder neu gefunden werden. Hierfür gibt dieser Text Erfahrungen aus dem Lü-Kontext weiter. Danke an alle, die mir von ihren Erfahrungen erzählt und diesen Text möglich gemacht haben!

Es gibt mit Sicherheit noch viele weitere wichtige Aspekte und Perspektiven, die in dieser Geschichte der Awareness-Strukturen von Lü noch nicht vorkommen. Wenn dir/euch da etwas einfällt, schreibe(t) gerne an diese Mailadresse, damit das Teil der überarbeiteten und ergänzten Version dieses Textes werden kann: awarenessgeschichte@systemli.org

Awareness & Kinderbetreuung auf Camps & Festivals

Hier findest du einige Awareness-Konzepte, die auf Camps oder Festivals entstanden sind.

Die Dokumente sind größtenteils von hier übernommen:
Infra-Cloud - Awareness & Kinderbetreuung

Awareness & Kinderbetreuung auf Camps & Festivals

Basic - Awarenesskonzept

Awareness Konzept:

wichtige Begriffe:

Awareness: WAS IST DAS?

Der Begriff “Awareness” kommt aus dem Englischen „to be aware“ und bedeutet (im weiteren Sinne) „sich seiner selbst bewusst zu sein, sich selbst und eigenständig zu informieren und für gewisse Probleme sensibilisiert zu sein“. Wir leben in einer Gesellschaft, die von ungleichen Machtverhältnissen geprägt ist. Menschen werden aufgrund bestimmter Merkmale bevorteilt (Privilegierung) und benachteiligt (Diskriminierung) – ob absichtsvoll oder unbewusst ausgeübt. Awareness stellt sich als Konzept gegen jede Form von Ausgrenzung, Diskriminierung, Gewalt und Grenzverletzung. Verletzendes bzw. grenzüberschreitendes Verhalten, wie z.B. sexistische, rassistische, antisemitische, queerfeindliche, trans*feindliche, ableistische, klassistische oder vergleichbare Übergriffe, werden auf dem Camp gegen Rassismus nicht toleriert.

WARUM BRAUCHEN WIR DAS?

Das Camp bietet Teilnehmer*innen den Raum, miteinander zu lernen, sich zu vernetzen und unsere widerständige Bewegung weiter auszubauen. Jedem anwesenden Menschen sollte ein barrierearmer Zugang zur inhaltlichen Weiterbildung und zu den strategischen Diskussionen ermöglicht werden. Jedoch ist kein Mensch vorurteilsfrei und diskriminierungsfrei im Umgang mit Anderen. Deshalb muss eine bewusste Reflexion darüber bei jeder einzelnen Person stattfinden (Kritische Selbstreflexion). Wir können euch als Awareness-Team diese Arbeit nicht abnehmen. Wir bieten aber an, euch dabei zu begleiten.

WIE FUNKTIONIERT DAS?

Awareness-Teams oder -Strukturen auf Veranstaltungen sind ansprechbar für Menschen, die Grenzüberschreitungen, Gewalt oder Konflikte mit anderen erlebt haben oder ein persönliches Thema haben und sich im Umgang damit Unterstützung wünschen. Hierbei kann es sich um jegliche Wahrnehmung von Machtgefällen (e.g. cis männliches Dominanzverhalten), Benachteiligung, Ausgrenzung und die Überwindung akuter Trigger (aus dem englischen „Auslöser“ persönlichen Unwohlseins) gehen. Wir arbeiten parteilich und in Solidarität mit betroffenen Personen. Hierbei liegt die Definitionsmacht über die erfahrene Gewalt und/oder Grenzüberschreitungen vollständig bei der betroffenen Person. Es gibt Personengruppen, die systemisch stärker von Diskriminierung betroffen sind als andere. Wir stellen Awareness Teams, welche sich im Awareness Zelt aufhalten und/ oder sich auf dem Camp bewegen. Diese sind an lila Westen zu erkennen. Du kannst uns immer ansprechen.

WIE KANNST DU UNTERSTÜTZEN?

Wir als Awareness-Team bieten von Diskriminierung betroffenen Personen konkrete Unterstützung an. Was wir NICHT leisten (können) ist z.B. Konfliktmanagement, Streitschlichtung oder therapeutische Arbeit. Einen sicheren Raum schaffen wir nur gemeinsam und jeder einzelne von uns ist verantwortlich dafür, dass das gelingt. Sei also achtsam im Umgang mit anderen Camp-Teilnehmerinnen und informiere dich bestenfalls auch schon im Vorfeld über mögliche Formen von Diskriminierung.

Awareness & Kinderbetreuung auf Camps & Festivals

Leitfaden Ansprechgruppe (für sexualisierte Gewalt)

Diese Seite findest du hier als PDF zum ausdrucken!

Im Folgenden werden wir einige Tipps und Regeln für die Tätigkeiten der Awareness-Ansprechgruppe auf dem Klimacamp aufführen. Allgemein gilt: Bei Unsicherheiten in bestimmten Situationen suchen wir uns auch als Ansprechp ersonen Hilfe und Unterstüt zung bei anderen Ansprechpersonen und besprechen das Vorgehen gemeinsam!

Anonymität

Alle nicht anonymisierten Informationen, die wir durch unsere Tätigkeit in der Ansprechgruppe erhalten, bleiben in der Gruppe. Einzige Ausnahme ist der Fall, dass sich Personen ausdrücklich von uns wünschen, dass wir bestimmte lnformationen an bestimmte Personen weitergeben.

Selbstsorge

Wir sind zu nichts verpflichtet. Alle Ansprechpersonen sollten ihre Grenzen selber kennen und mitteilen. Bei Unsicherheiten sollte sich prinzipiell die Zeit und der Raum genommen werden, mit anderen Ansprechpersonen dar über zu reden. Im Zweifelsfall können wir uns immer aus Situationen herausnehmen.

Damit die Ansprechpersonen (auch außerhalb der Schichten) nicht mit emotionalen Belastungen allein bleiben, kann es sinnvoll sein, wenn sie sich mit Freund*innen oder anderen ausgewählten Personen außerhalb der Ansprechgruppe über ihre Emotionen und Befindlichkeiten austauschen.

Selbstverständlich ist auch dabei die Anonymisierung aller lnformationen zu beachten.

Oft ist es sinnvoll, innerhalb der Ansprechgruppe über Befindlichkeiten und Bedürfnisse zu sprechen. Dies kann z.B. in kurzen "Blitzlichtr unden" geschehen, in denen die Anwesenden nacheinander davon sprechen, wie es ihnen gerade geht und was für sie gerade wichtig ist bzw. was sie gerade brauchen.

Diese Runden können je nach Situation und Bedarf auch eine ganze Weile dauern und die Zeit dafürnehmen wir uns. Es ist wichtig, dass wir uns nicht überfordern. In belastenden Situationen ist es manchmal sinnvoll, andere Personen aus der Ansprechgruppe um Unterstützung zu bitten, die gerade keine Schicht haben.

Scheut euch nicht, das auch zu tun! Telefonnummern von Springern finden sich im Awareness- Zelt.

Was sollte unsere Unterstüt zung beinhalten, was nicht?

Wir bieten keine psychische Beratung und keine therapeutische Arbeit an. Es ist wichtig, dass wir uns stets dieser und anderer Gren zen bewusst sind und diese auch nach außen kommunizieren. Unsere Unterstüt zung ist auf den Zeitraum des Klimacamps begrenzt. Bei Bedürfnissen nach Iängerfristiger oder intensiverer Unterstütz ung weisen wir auf weiterführende externe Strukturen hin. Dafür haben wir (ohne Anspruch auf Umfänglichkeit) ein Kontaktblatt erstellt, das sich im Awareness-Zelt befindet.

Übergabe

In den Übergaben soll Raum dafür sein, wichtige lnformationen zu Fällen weiterzugeben, vor allem zu solchen, die als nicht abgeschlossen eingschätzt werden. Außerdem können hier Befindlichkeiten und Unsicherheiten miteinander besprochen wer den.

Erstkontakt mit Betroffenen

Dieser Leitfaden dient primär als Orientierung. Die Punkte müssen nicht der Reihe nach befolgt werden, sondern Ansprechpersonen sollten Gespräche so führen, wie sie es für sinnvoll und angemessen halten. Dies kann je nach Person/en, Situation und Kontext stark variieren.

\/orher abklären: Gespräch zu zweit oder alleine? (Wenn zu zweit, Person vor dem Gesprächsbeginn fragen, ob es für sie”ihn okay ist.)

Vor dem Gesprächsbeginn (Reihenfolge je nach Situation):

wir andere Personen auf dem Camp akut vor einer gewaltausübenden Person schüt zen wollen.

Während des Gesprächs:

Abreise/Verlassen des Ortes unterstüt zt werden kann?

Atemtechniken etc.), außerdem betonen, dass die Gew altsituation vorbei ist

ihren Wunsch Polizei oder Kr ankenw agen rufen. Nach dem Gespräch:

Konfrontation mit gewaltausübenden/diskriminierenden

Personen

Konfrontation heißt hier nicht Härte, sondern der g./d. Person durch Nitteilungen die Nöglichkeit geben, ihr Handeln und die Auswirkungen zu zu realisieren und zu reflektieren. Folgende Punkte können dabei wichtig sein.

Wer soll dabei sein? Security mit hinzunehmen?

Wie damit umgehen? Wer nimmt welche Rolle ein?

wird, können wir die AG Sicherheit nach Unterstüt zung fragen.

Es kann sinnvoll sein, vor der Konfrontation Teile davon in einem Rollenspiel durch zuspielen.

Def initionsmacht

Jede von Gew alt, Diskriminierung oder einem Übergriff betroffene Person kann für sich selbst sagen, als was sie das Erlebte wahrnimmt. Wir arbeiten mit Definitionsmacht, übernehmen also grundsät zlich die Definition der betroffenen Person.

Gewalt wird aufgrund der persönlichen Geschichte, Gegenw art und Erfahr ung von Betroffenen unterschiedlich erlebt, eingeordnet und eingeschätzt. So können z.B. unge wollt es Anfassen, Ant an zen oder aber auch konsequentes verbales Anbaggern von Personen als gren züberschreitendes bzw. übergriffiges Verhalten wahrgenommen werden. Auch nicht-verbal es, bestimmte Personen ausschlieflendes

\/erhalten kann diskriminierend sein. Grundsät zlich sollten wir ernstnehmen, was uns Betroffene schildern, und nicht davon ausgehen, dass etwas weniger schlimm ist, nur weil wir es möglicherweise nicht so gut nachvollziehen können oder es nicht unseren Erfahrungswelten entspricht.

Sanktionsmacht

Wir fragen die betroffene Person, ob sie Wünsche hat, wie wir uns der gewaltausübenden/diskriminierenden Person gegenüber verhalten oder was wir ihr gegenüber durch set zen sollen. Dazu können auch Sanktionen gehören, z.B. der Ausschluss der g./d. Person von bestimmten Bereichen oder vom Klimacamp insgesamt.

Grundsät zlich versuchen wir, den Wünschen Betroffener zu entsprechen und mit ihnen gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten. und üben keine Sanktion gegenüber der g./d. Person aus, ohne das mit der betroffenen Person abzusprechen.

Es gibt aber zwei Fälle, in denen wir uns unabhängig von Betroffenen für eine Sanktion entscheiden können:

g./d. Person zu formulieren

Außerdem kann es Situationen geben, in denen wir den Sanktionswünschen der betroffenen Person nicht nachkommen können oder wollen.

Zusammengefasst heißt das: Die Sanktionsmacht liegt bei uns, wir orientieren uns aber beim Besprechen und Beschließen von Sanktionen soweit wir wollen und können an den Wünschen Betroffener. Für sanktionsfreie Umgangsformen mit g./d. Personen ent scheiden sich Ansprechpersonen in der Schicht allein, soweit sie möchten.

Sanktionen werden nach Nöglichkeit nur in Absprache mit mindestens zwei weiteren Personen aus der Ansprechgruppe beschlossen. Dabei sollte nach Nöglichkeit Diversität

in der Ansprechgruppe existieren, die sich nach der jeweiligen Diskriminierungsform richtet. In akuten Fällen kann es aber vorkommen, dass für beides keine Zeit ist, dann können Sanktionen auch zu zweit beschlossen werden. Sanktionen werden im Verfahren des Systemischen Konsensierens beschlossen.

Nehr Infos dazu auf einem Extrablatt.

Wir machen in Plena regelmäßig in anonymisierter Form Sanktionen, die wir ausgesprochen haben, transparent. Dabei nennen wir auch unsere Gründe für Sanktionen.

Umsetzung von Sanktionen

Wir kommunizier en beschlossene Sanktionen an die AG Sicherheit bzw eine Krisengruppe und besprechen mit ihnen, wie die Umset zung aussehen kann. Die AG Sicherheit/ Krisengruppe setzt Sanktionen durch, die wir nicht selber durchset zen können oder wollen. z.B. weil wir eine körperliche Auseinandersetzung befürchten. Die AG Sicherheit/ Krisengruppe präferiert, Sanktionen wie Plat zverweise durch FLINT- Personen durchsetzen zu lassen.

Die AG Sicherheit / Krisengruppe bietet an, Personen zum Bahnhof zu fahren. Wir verweisen keine Personen vom Camp, ohne sicherzustellen, dass sie dann auch gefahrlos den Weg nach Hause (oder wo sie hin möchten) antreten können.

Im Fall einer Vergewaltigung

... sollte der betroffenen Person mitgeteilt wer den:

Vergewaltigung ist ein Offizialdelikt. Offizialdelikte müssen durch die Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden und das geschieht automatisch, sobald die Polizei davon erfährt. Wer ins Krankenhaus geht und dort mitteilt, vergewaltigt worden zu sein, oder über die Notrufnummer 112 von einer Vergewaltigung spricht, muss damit rechnen, dass die Polizei unabgesprochen kontaktiert wird. Beides heißt, dass die Betroffene dann nicht mehr selbst entscheiden kann, ob die Vergewaltigung zur Anzeige gebracht wird. Um körperliche Verletzungen und sexuell übertragbare Krankheiten auszuschließen, empfiehlt sich, dass sich die Betroffene gesundheitlich untersuchen lässt. Eine anonyme Spurensicherung kann sinnvoll sein, wenn sich Betroffene die Option offen halten wollen, später Anzeige zu erstatten. Die anonyme Spurensicherung wird von manchen Krankenhäusern durchgeführt, d.h. die Polizei wird nicht informiert. Telefonisch erfragen! Außer dem fragen, ob die anonyme Spurensicherung kosten los ist. Oft werden die Kosten für eine Spurensicherung nur übernommen, wenn eine Anzeige erfolgt. Die anonyme Spurensicherung möglichst zeitnah (innerhalb von 2 Stunden) machen lassen und vorher nicht waschen!

Awareness & Kinderbetreuung auf Camps & Festivals

Antirassistische Awareness (EG)

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Hinweise für einen anti-rassistischen Umgang in der Ende Gelände Aktion 2020 im Rheinland

  1. Einleitung
  2. An weiße Menschen
  3. An BIPoC
  4. Materialien
  5. Begriffe

Liebe Ende Gelände Aktivistis,

kurz vor der Aktion hier noch einige Hinweise von der Anti-Rassismus AG der Berliner Ende Gelände Ortsgruppe.

In den letzten Jahren wird vermehrt über (Anti-) Rassismus in der Klimagerechtigkeitsbewegung diskutiert. Dieses Jahr haben hoffentlich alle von euch von den antirassistischen Kämpfen der BlackLivesMatter Bewegung und neuen Migrantifa-Gruppen in ganz Deutschland mitbekommen. Diese Kämpfe dürfen von der Klimagerechtigkeitsbewegung nicht ignoriert werden. Uns ist dabei aber wichtig zu betonen, dass antirassistische Kämpfe und die Stimmen von betroffenen Menschen auch schon vorher da waren, nur weniger gehört wurden. Wir finden es wichtig sich mit antirassistischen Kämpfen zu solidarisieren und diese zu unterstützen. Allerdings denken wir, dass der Blick in die eigenen Strukturen dabei nicht vergessen werden darf.

Für Gruppen innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung sehen wir die Aufgabe einerseits darin, die inhaltlichen Zusammenhänge von Rassismus und der Klima-Ungerechtigkeit aufzuzeigen.

Moderner Rassismus entstand als Ideologie, um die Versklavung und Ausbeutung von nicht weißen

(1) Menschen und dem Land auf dem sie leben zu legitimieren. Diese Ausbeutung hält bis heute an und das gewaltige Ausmaß dieser Zerstörung ist direkte Ursache der Klimakatastrophe. Eine klimagerechte Welt ist deshalb nicht ohne einen antirassistischen Ansatz erreichbar.

Andererseits sehen wir die Aufgabe der deutschen Klimagerechtigkeitsbewegung darin ihre eigene Verstrickung in dem Machtverhältnis Rassismus zu reflektieren und zu kritisieren und die weiße Dominanz zu hinterfragen.

  1. An wei/3e Menschen

Der folgende Abschnitt richtet sich vor allem an wei£e Menschen (an BIPoC (2) gibt es unten noch einen Abschnitt):

Du denkst dir: das Ziel Klimagerechtigkeit ist schon alleine solidarisch? Wir denken: Machtverhältnisse, Ungerechtigkeit und Diskriminierung wirken auch in unseren Aktionen. Menschen sind in der Gesellschaft unterschiedlich privilegiert. In den letzten Jahren wurde bei Ende Gelände vor allem Geschlechterungerechtigkeit angesprochen. Wir finden es ist längst überfällig auch vermehrt über Rassismus zu sprechen, denn dieser existiert in allen Bereichen unserer Gesellschaft, also auch in linksradikalen Strukturen (z.B. bei Ende Gelände).

Die meisten Ende Gelände Aktivistis besitzen weiße Privilegien. Dazu gehört auch sich nicht über diese Privilegien bewusst zu sein und dann erst von anderen darauf hingewiesen werden zu müssen. Zudem können sich weiße Menschen aussuchen, ob sie sich mit ihren Privilegien beschäftigen möchten oder nicht. Außerdem gehört dazu (unbewusst) von sich auf andere zu schließen, also nicht mitzudenken, dass nicht alle Menschen diese weißen Privilegie haben. In Aktionen wird das z.B. sichtbar, wenn weiße Menschen rassistische Situationen nicht erkennen, oder nicht mitbekommen, dass für BIPoC eine größere Gefahr besteht,Repressionen zu erfahren.

Nachfolgend haben wir ein paar Hinweise zusammen geschrieben (nicht vollständig), damit sich alle in der Aktion und in der Klimabewegung wohler fühlen können:

Selbstreflexion

Ein Teil der Kritik von BIPoC an Ende Gelände ist, dass viele Menschen ihre weißen Privilegien bis jetzt nicht reflektieren. Also: Beschäftigt euch mit (Anti)-Rassismus und eurem weil-Sein. Denn kritisch weil-Sein ist auch ein Teil von antirassistischer Praxis. Dazu gibt es Bücher und Podcasts (siehe Links unten) und Workshops etc. Hinterfragt auch wen ihr meint, wenn ihr von "Wir" sprecht. Reflektiert auch Zuschreibungen die ihr im Kopf habt.

Kulturelle Aneignung

Ein Thema auf das ihr stoßen werdet ist kulturelle Aneignung. Eine längere Erklärung von uns dazu findet ihr hier: https://www.ende-eelaende.ore/news/antirassistische-infomail-3/

Ein Beispiel für die Bedeutung von kultureller Aneignung in der deutschen Klimabewegung ist, dass sich viele BIPoC nicht in einem Plenum oder einer Aktion wohlfühlen können, in der weiße Menschen sind, die Locks tragen (Locks, weil das Wort Dreads eine negative Assoziation hervorrufen kann). Oft haben diese Menschen sich nicht damit beschäftigt, dass Locks ein Schwarzes Widerstandssymbol sind und es viele Schwarze Menschen verletzt, wenn weiße Menschen sich dieses Symbol aneignen. Oder sie haben sich damit beschäftigt, aber ignorieren es. Während Schwarze, die Locks tragen mit Rassismus konfrontiert werden, behalten weiße Menschen auch mit verfilzten Haarsträhnen ihre Privilegien. Kulturelle Aneignung ist ein komplexes Feld und eng mit kolonialer Gewalt, Kapitalismus und Privilegien verbunden. Daher beschränkt sie sich nicht nur auf das Tragen von Locks. Wir wünschen uns, dass ihr euch mit kultureller Aneignung und ihrer Kritik auseinandersetzt, um koloniale Gewaltstrukturen nicht fortzuführen. Unten findet ihr Textempfehlungen, um euch weiter mit dem Thema zu beschäftigen.

Repression & Rassistische Polizeigewalt

BIPoC sind viel häufiger von Repression (3) und rassistischer Polizeigewalt betroffen. Bei Ende Gelände Aktionen fühlen sich viele weiße Menschen von der Masse vor Repression geschützt.

Rassistische Zuschreibungen machen das Risiko für BIPoC größer auch in einer Masse aufzufallen

und im Fokus der Polizei zu landen. Die Polizei ist eine rassistische Institution. Gemeinsam müssen wir Wege finden, sodass auch BIPoC sich in einer Masse geschützter fühlen können. Der erste Schritt kann als weiße Person sein, sich bewusst darüber zu werden, auch in einer großen Gruppe weiße Privilegien zu haben. Das ist nicht selbstverständlich.

Wer Aktivismus betreibt weis, dass die Folge Repression sein kann. Wer Privilegien, wie gut- verdienende Eltern und/oder einen gut bezahlten Job genießen kann, kann sich zum Beispiel auch sicher sein, dass die Kosten am Ende kein Problem sein werden. Solche Privilegien hängen oft mit weißen Privilegien zusammen, denn Rassismus ist häufig mit Klassismus verschränkt. Das heist strukturell führt Rassismus oft dazu, dass Menschen der Zugang zu materiellen Ressourcen erschwert wird. Es gibt Gruppen, die solidarisch Menschen mit ihren Repressionskosten unterstützen. Damit sich sich nicht nur privilegierte Menschen Aktivismus "leisten" können, müssen wir alle gemeinsam diese Strukturen stärken.

Auch wenn wir alle als Aktivist*innen Repression befürchten müssen ist es wichtig im Blick zu behalten, dass Menschen unterschiedlich stark von ihr betroffen sind und gegen diese Vorgehen können (z.B. Menschen mit einem Unsicheren Aufenthaltsstatus). Auch hier werden also gesellschaftliche Machtverhältnisse und Ungerechtigkeiten verstärkt.

Nazis

Bei der Ende Gelände Aktion 2016 in der Lausitz kam es bereits zu Einschüchterungsversuchen und Übergriffen von Nazis, die sich gegen die Aktion, die Menschen und das Camp richteten. Auch wenn die politische Situation im Rheinland eine andere ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch rechte Strukturen im Rheinland Ende Gelände auf dem Schirm haben.

BIPoC-Aktivist*innen sind viel mehr von Nazis gefährdet als weiße Aktivist*innen. Das sollten sich auch weiße Menschen bewusst machen und Strategien überlegen wie sie sich in solchen Situationen verhalten können. Die dezentrale Unterbringung und Anreise, stellen Risiken dar, über die alle nachdenken sollten, um in Gefahrensituationen solidarisch handeln zu können.

Solidarität

Auch als weiße, bzw. nicht-betroffene Person geht euch rassistische Gewalt etwas an. Dazu gehören nicht nur rassistische Polizeigewalt und andere körperliche Übergriffe, sondern z.B. auch verbal rassistische situationen.

Solltet ihr sehen oder mitbekommen, dass BIPoC von rassistischer (Polizei-)gewalt betroffen sind, bleibt nicht untätig. Es ist es wichtig, wenn es irgendwie möglich ist immer die betroffene Person zuerst zu fragen, wie es ihr geht und was sie braucht. Denn es gibt nicht die eine Lösung.

Möglichkeiten sind z.B. in der Nähe zu bleiben, die Situation zu beobachten, sich einzumischen, Aufmerksamkeit schaffen, den EA anzurufen, oder Unterstützung zu holen - falls die Person das möchte. Aber: alle Handlungen können bei Betroffenen eine unterschiedliche Wirkung haben und die Situation möglicherweise sogar schlimmer machen. Deshalb solltet ihr untereinander schon vorher über solche Situationen reden. :)

Auch wenn ihr eine verbal rassistische Situation, wie z.B. einen rassistischen Kommentar mitbekommt, verhaltet euch dazu. Auch weiße Menschen können Rassismus erkennen lernen und tragen die Verantwortung ihn zu benennen und zu kritisieren. Hier geht es nicht darum BIPoC, bzw. Betroffene zu bevormunden oder darum, dass sie sich nicht ohne deine Hilfe wehren können.

Menschen können und wollen sich selbst verteidigen. Als weiße Person kannst du dich solidarisieren, sie also darin unterstützen und ihnen somit vielleicht den Rücken stärken. Auch hierfür gibt es nicht den einen Weg. Das hängt von der Situation und der betroffenen Person ab,

aber auch von dir. Strategien kannst du aber nur entwickeln, wenn du damit anfängst und es ausprobierst.

Vorbereitung in Bezugsgruppen

Sprecht in euren Bezugsgruppen vorher über eure Ängste und die Risiken in der Aktion. Haltet das nicht nur allgemein, sondern sprecht darüber auch bezogen auf Rassismus. Es ist nicht die alleinige Verantwortung der Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind das ansprechen zu müssen, sondern eure gemeinsame Verantwortung. Privilegien könnt ihr einander nicht immer ansehen - also redet darüber :) Es gibt auch andere Diskriminierungen, wie Klassismus, Sexismus oder Ableismus, die die Situation von Menschen in Aktionen und damit auch ihre Ängste und Sorgen beeinflussen können.

Antirassistische und antikoloniale Botschaften in der Aktion

  1. An BIPoC

Der folgende Abschnitt richtet sich besonders an BIPoC:

Es gibt bereits viele Menschen, die sich mit den Themen, die wir in der Mail schildern beschäftigen und sowohl nach widerständigen Strategien suchen, als auch welche aufbauen: wie z.B. Empowerment. Wir wissen, dass so eine Form von Arbeit, und besonders die, die von BIPoCs getragen wird, oft unsichtbar ist und gemacht wird. Unser Anliegen liegt darin genau diese Arbeit sichtbar(er) zu machen, um eben Solidarität praktisch umzusetzen und allen Verbündeten & Betroffenen die Möglichkeit zu geben sich untereinander zu vernetzen - zumindesten ist das unser Wunsch. Wir denken nämlich, dass das eine Voraussetzung für BIPoC und marginalisierte Gruppen sein kann, an einer Aktion teilzunehmen.

Wir haben als AG ein paar Sachen geplant und Infos eingeholt. Nachfolgend ein paar Infos für euch:

BIPoC Vernetzung

Wenn du dich mit anderen BIPoC vor der Aktion vernetzen willst melde dich bei uns unter: eg-anti- ra@riseup.net BIPoC Aktivist*innen aus unserer AG haben eine Signal Gruppe dafür erstellt.

Neben der Vernetzung können hier auch Wünsche und Bedürfnisse gesammelt und Infos ausgetauscht werden.

  1. BIPoC safer space Zelt (Stand 11.9. -> aktualisierte Infos folgen)
    • Wir als Antira AG Berlin werden einen BIPoC safer space betreuen, der wahrscheinlich beim Anlaufpunkt des roten Fingers sein wird. Wir freuen uns auch noch über Unterstützung bei der Betreuung und Gestaltung des safer spaces.
    • Wir haben auch von mindestens einem anderen Anlaufpunkt/ Finger gehört, bei dem es einen safer space geben wird.
    • Wenn ihr bei einem anderen Finger/ Anlaufpunkt sein werdet und euch ein safer space Zelt wünscht, könnt ihr auch der Orgagruppe des Anlaufpunktes schreiben, damit ein Zelt und Materialien organisiert werden.
    • Wenn ihr selbst einen safer space plant, der hier noch nicht steht meldet euch bei uns, damit wir die Infos aktualisieren können.
  2. mobile Unterstützung und Telefonnummer (Stand 11.9. -> aktualisierte Infos folgen)
    • Wir haben als AG eine Telefonnummer, bei der ihr anrufen könnt, wenn ihr von einem Bahnhof oder aus der Aktion abgeholt werden wollt, oder wenn ihr einen rassistischen Vorfall erlebt und euch Unterstützung oder jemandem zum reden wünscht. Wir haben ein Auto und können zu euch kommen. Die Person am Telefon ist BIPoC, aber kein*e professionelle Berater*in. Die Nummer wird noch hier veröffentlicht
    • Bisher gibt es nur weiße Menschen, die das Auto fahren würden. Das finden wir nicht optimal, aber denken, dass es besser ist, als kein Angebot zum Abholen zu haben.
    • Falls du Lust hast uns beim Autofahren zu unterstützen melde dich gerne bei eg-anti- ra@riseup.net oder in der Signal Gruppe
  3. Awareness (Stand 11.9. -> aktualisierte Infos folgen)

Es wird an verschiedenen Stellen an Awareness Konzepten gearbeitet. Es kann aber gut sein, dass Menschen nicht viel Zeit haben sich auf die Aufgabe vorzubereiten, bzw. es Lücken geben wird. Daher würden wir auch eher nicht davon ausgehen, dass die Menschen, die Awareness machen sensibilisiert für Rassismus sind. Wie in allen Ende Gelände Arbeitsgruppen würden wir auch davon ausgehen, dass hauptsächlich weiße Menschen, als Awareness Ansprechpersonen da sein werden.

Möglicherweise sind safer spaces und unsere Telefonnummer eher hilfreich für dich, falls du Redebedarf hast.

Falls es nochmal mehr Infos zu Awareness Konzepten oder so gibt werden wir das nochmal veröffentlichen.

  1. Aktionstrainings

In manchen Städten wird es BIPoC only Akionstrainings geben. Informier dich dazu in deiner Stadt.

  1. Antikolonialen Finger (Stand 11.9. -> aktualisierte Infos folgen)

Es wird wahrscheinlich einen Finger mit antikolonialem Fokus (nicht BIPoC only!) geben, der von migrantischen/ BIPoC Gruppen mitorganisiert werden soll. Es wird einen extra Aufruf geben, der hier verlinkt wird.

  1. Dokumentation

Wir möchten als Arbeitsgruppe rassistische Vorfälle dokumentieren. Wenn ihr Vorfällen mit der Polizei, Nazis oder anderen Aktivisti erlebt könnt ihr uns euren Bericht an unsere E-Mail Adresse [(eg-anti-ra@riseup.net)](mailto:(eg-anti-ra@riseup.net) schicken. Wir versuchen euch dann zu unterstützen, wenn ihr das wollt. Wir veröffentlichen natürlich nichts ohne Absprache mit euch.

  1. Unterstützung

Wenn ihr an der Aktion teilnehmt und rassistische Übergriffe erfahrt kann es hilfreich sein sich an eine Beratungsstellen und an Solidarische Strukturen zu wenden. Wir können diese Stellen empfehlen:

(Die meisten sind aus dem Buch Alltäglicher Ausnahmezustand von der KOP-Berlin -> DANKE!)

Bundesweite Strukturen ohne Antira Schwerpunkt:

Antirassistische Beratungsstellen:

Baden-Württemberg

Bayern:

Berlin:

Brandenburg:

Bremen:

Hamburg:

Hessen:

Niedersachsen:

Nordrhein- Westfalen:

Sachsen:

Sachsen- Anhalt:

Schleswig-Holstein:

Thüringen:

  1. Materialien

Klimabewegung + Rassismus

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Allgemein:

Kritisches weiß-Sein

Kulturelle Aneignung

Empowerment

! es fehlen uns noch mehr coole Empfehlungen für Texte, Videos, Podcasts usw. zum Empowerment. Wir freuen uns wenn ihr uns Tips schickt, die wir hier aufnehmen können !

  1. Begriffe
  2. wei£

lVeil bzw. weils ein bezeichnen ebenso wie der Begriff PoC keine biologische Eigenschaft, sondern eine politische und soziale Konstruktion. Mit weil sein ist die dominante und privilegierte Position in dem Machtverhältnis Rassismus gemeint. Sie bleibt häufig unausgesprochen und unbenannt, obwohl zu jeder Diskriminierung sowohl eine diskriminierte, als auch eine privilegierte Position gehören. Im Gegensatz zu dem Begriff BIPoC ist weil keine Selbstbezeichnung.

Um deutlich zu machen, dass weil-Sein keine ermächtigende Selbstbezeichnung, schreiben wir das weil klein und kursiv, im Gegensatz zu der empowernden Selbstbezeichnung Schwarz, welche wir groß und nicht-kursiv schreiben.

BIPoC

BIPoC steht für Black, Indigenous and People of Color, also Schwarz, Indigen und Personen of Color. Der aus US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung stammende Begriff ist eine Selbstbezeichnung und beschreibt nicht die biologischen Merkmale von Menschen, sondern eine soziale Konstruktion, die Menschen eine bestimmte soziale Position zumeist. Was BIPoC miteinander verbindet, sind geteilte Rassismuserfahrungen, Ausgrenzung von der weil dominierten Mehrheitsgesellschaft und kollektive Zuschreibungen des „Andersseins“. Der Begriff versteht sich als emanzipatorisch und solidarisch. Er positioniert sich gegen Spaltungsversuche durch Rassismus und Kulturalisierung sowie gegen diskriminierende Fremdbezeichnungen durch weiße Mehrheitsgesellschaften.

Repression

Repression geht von staatlichen Behörden, wie der Polizei oder von Gerichten aus und kann z.B. körperliche Gewalt sein, aber auch die rechtliche Verfolgung und Bestrafung von politischem Aktivismus. Repression ist ein Mittel zur Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse. Auch und insbesondere in der Reproduktion von Diskriminierung, wie z.B. Rassismus.

Awareness & Kinderbetreuung auf Camps & Festivals

How to Kinderbetreuung

How to Kinderbetreuung

Gerne ergänzen!!

Material im Infra Lager:

Im Zelt (am besten großes SG-Zelt):

Erfahrungen System Change Camp 2023

Zum Ausdrucken und Aufhängen:

Awareness & Kinderbetreuung auf Camps & Festivals

Willkommenstext Kinderbetreuung

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Deutsch

Liebe Eltern und Bezugspersonen,

herzlich Willkommen auf dem Kids Space des System Change Camps! Wir freuen uns, eure Kinder bespaßen zu dürfen, während ihr am Programm teilnehmt. Damit es für alle Beteiligten am besten läuft, nehmt euch bitte kurz Zeit, die folgenden Punkte durchzulesen:

  1. Wir bieten eine Betreuung tagsüber während der Workshops und Events an. Damit sich die Kids noch kurz mit euch im Kidsspace einleben können, öffnen wir den Space eine viertel Stunde früher. Die Betreuungszeiträume sind also:
  1. Damit wir euch jederzeit erreichen können, brauchen wir eine Telefonnummer und auch Angaben zu den Events, die ihr besuchen wollt. Gebt bitte auch an, wann ihr vorhabt, eure Kids wieder abzuholen.

  2. Unser Ziel ist, dass alle Kinder sich bei uns wohlfühlen: das heißt wir passen nur auf Kinder auf, die Lust darauf haben. Bitte informiert uns über wichtige Anforderungen und Bedürfnisse eurer Kinder. Kids können auf den Kinderspace auch ohne Bezugspersonen kommen, wenn sie bereits angemeldet waren. Eine Übergabe/Vorstellung durch die Bezugspersonen ist uns aber lieber. Ihr könnt euch natürlich auch mit euren Kindern auf dem Kidsspace aufhalten.

  3. Wir haben Obst und Wasser für den kleinen Hunger zwischendurch und benötigen Infos über mögliche Allergien oder Unverträglichkeiten.

  4. Wir sind zum größten Teil keine professionellen Pädagog*innen, haben aber alle großen Spaß und/oder Erfahrung am Umgang mit Kindern und einen gewissen Anspruch an Erziehung. Eure Kinder sollen das tun, worauf sie Lust haben und wir werden nur im Fall von Gewalt (verbal oder körperlich, gegen Sachen, gegen andere oder sich selbst) eingreifen.

  5. Sprache: Leider können wir die Kinderbetreuung nicht in allen Sprachen anbieten. Informiert uns bitte über die Sprache, die eure Kinder sprechen. Es gibt aber viele Aktivitäten, die ohne Sprache funktionieren (Jonglage, Fußball, Malen, usw.). Für die wichtigsten Bedürnisse und Gefühle (Klo, Hunger, Durst, Eltern, Angst, Müde, Ruhe etc.) sowie die Regeln im Kinderspace haben wir eine Tafel mit Bildern aufgestellt.

  6. Toilettensituation: noch nicht geklärt. Teilt uns bitte, ob eure Kinder trocken sind oder nicht, und, ob es in Ordnung ist, diese auf Toilette zu begleiten. Sollten Eure Kids noch nicht trocken sein, übergebt sie uns bitte in einer frischen Windel und kommt ggf. Zum Wickeln vorbei.

Regeln:

  1. Wir sind lieb zueinander und behandeln uns respektvoll. Wir beleidigen uns nicht und tun niemandem weh.
  2. Wir können jederzeit den Betreuer*innen Fragen stellen, oder zu den Erwachsenen im Kinderzelt gehen, wenn wir ein Problem haben. 
  3. Wir spielen alle zusammen und schließen niemanden aus. Wir helfen uns gegenseitig.
  4. Wenn wir ein Spiel fertiggespielt haben, räumen wir es gemeinsam auf.
  5. Wenn wir ein Bedürfnis oder ein starkes Gefühl, wie Hunger, Klo, Durst, Ruhe, Müde, Traurig, Angst, oder Eltern haben, können wir den einerm Betreuerin sagen, oder auf der Tafel zeigen. 

English

Dear parents and caregivers, 

Welcome to the Kids Space of the System Change Camp! We are happy to entertain your children while you participate in the programme. To make it work best for everyone, please take a moment to read through the following points:       

  1. we offer daytime childcare during the workshops and events. To give the kids a chance to settle in with you in the Kidsspace, we will open the space 15min earlier.  

2.  In order to be able to reach you at any time, we need a  telephone number and details of the events you would like to attend.  Please also let us know when you plan to pick up your children.  

  1. Our aim is that all children feel comfortable with us: this means that we will only look after children who want to. Please inform us about important requirements and needs of your children. Kids can come to the Kinderspace without a caregiver if they have already registered. However, we prefer a handover/introduction by the caregivers.  Of course you can also come to the Kidsspace with your children.

  2. We have fruits and water for the small appetite in between and need information about possible allergies or intolerances.

  3. Most of us are not professional educators, but all of us have a lot of fun and/or experience in working with children and a certain standard of education. We want your children to do what they want to doand we will only intervene in the case of violence (verbal or physical, against  physical, against things, against others or against themselves).

  4. language: Unfortunately, we cannot offer childcare in all languages. Please inform us about the language your children speak. There are activities that work without language (juggling, football, painting, etc.). For the most important needs and feelings (loo,  hunger, thirst, parents, scared, tired, quiet, etc.) as well as the rules in the children's space, we have put up a board with pictures.

  5. toilet situation: not yet clarified. Please let us know if your children are dry or not and if it is ok to accompany them to the toilet. If your children are not yet dry, please hand them over to us in a fresh nappy and come to change them if necessary.

Rules:     

  1. We are kind to each other and treat each other with respect. We do not insult each other and do not hurt anyone.
  2. We can always ask the tutors questions, or go to the adults in the children's tent if we have a problem. 
  3. We all play together and do not exclude anyone. We help each other.
  4. When we finish a game, we clean it up together.
  5. When we have a need or a strong feeling, like hungry, loo, thirsty,  tired, sad, scared, or parents, we can tell it to a tutor, or we can  or show it on the board. 

Français

Chers parents et personnes de référence,

Bienvenue sur l'espace enfant du System Change Camp ! Nous sommes heureux de pouvoir nous occuper de vos enfants pendant que vous participez au programme. Pour que tout se passe au mieux pour toustes, prenez le temps de lire les points suivants :

  1. nous proposons un encadrement pendant la journée lors des ateliers et des événements. Afin que les enfants puissent s'aclimater avec vous à l'espace enfant, nous ouvrons 15min plus tôt que le début des activités:
  1. Pour que nous puissions vous joindre à tout moment, nous avons besoin d'un  numéro de téléphone ainsi que des informations sur les événements auxquels vous souhaitez assister.  Veuillez également indiquer quand vous prévoyez de récupérer vos enfants.

  2. Notre objectif est que tous les enfants se sentent bien chez nous : cela veut dire que nous ne gardons que les enfants qui en ont envie. Veuillez nous informer  des exigences et des besoins importants de vos enfants. Les enfants peuvent  venir à l'espace enfants même sans personne de référence s'ils sont déjà inscrits. Nous préférons toutefois que les personnes de référence nous remettent leurs enfants. Vous pouvez bien sûr aussi rester sur l'espace avec vos enfants.

4.Nous avons des fruits et de l'eau pour les petites faims et  avons besoin d'informations sur d'éventuelles allergies ou intolérances.

  1. Nous ne sommes pas, pour la plupart, des pédagogues professionnel.les, mais nous avons toustes de l'expérience dans le contact avec les enfants et avons une certaine exigence en matière d'éducation. Vos enfants jouent  et font ce qu'ils ont envie de faire et nous n'interviendrons qu'en cas de violence (verbale ou physique contre des objets, contre les autres ou contre eux-mêmes).

  2. Langue : nous ne pouvons malheureusement pas proposer la garde d'enfants dans toutes les langues. Veuillez nous informer de la langue que vos enfants parlent. Il existe de nombreuses activités qui fonctionnent sans langue (jonglage, football, peinture, etc.) Pour les besoins et les sentiments les plus importants (toilettes, faim, soif, parents, peur, fatigue, repos, etc.) ainsi que les règles dans l'espace enfants, nous avons mis en place un tableau avec des images.

  3. situation des toilettes : pas encore résolue. Veuillez nous dire si vos enfants sont propres ou non et s'il est possible de les accompagner aux toilettes. Si vos enfants ne sont pas encore propres, merci de nous les confier dans une couche propre et de venir les changer si nécessaire.

Règles:     

  1. Nous sommes gentils les uns envers les autres et nous nous traitons avec respect. Nous ne nous insultons pas et ne blessons personne.
  2. Nous pouvons toujours poser des questions aux tuteurs ou aller voir les adultes dans la tente des enfants si nous avons un problème. 
  3. Nous jouons tous ensemble et nous n'excluons personne. Nous nous aidons les uns les autres.
  4. Quand nous avons fini un jeu, nous le nettoyons ensemble.
  5. Quand nous avons un besoin ou un sentiment fort, comme avoir faim, aimer, avoir soif,  fatigués, tristes, effrayés ou parents, nous pouvons le dire à un tuteur, ou le montrer au tableau. 

Spanish

Estimados padres y cuidadores,

¡Bienvenidos al Espacio Infantil del Campamento System Change! Estaremos encantados de entretener a sus hijos mientras ustedes participan en el programa. Para que todo funcione lo mejor posible para todos los implicados, le rogamos que dedique un momento a leer los siguientes puntos:

  1. ofrecemos supervisión diurna durante los talleres y eventos. Para que los niños puedan instalarse con usted en el Kidsspace, abriremos el espacio 15min antes.

2. Para poder ponernos en contacto con usted en cualquier momento, necesitamos un  número de teléfono y detalles de los eventos a los que desea asistir.  Por favor, indíquenos también cuándo tiene previsto recoger a sus hijos.

  1. nuestro objetivo es que todos los niños se sientan a gusto con nosotros: esto significa que sólo niños que lo deseen. Por favor, infórmenos  sobre los requisitos y necesidades importantes de sus hijos. Los niños pueden  venir a Kinderspace sin cuidador si ya se han inscrito.  Sin embargo, preferimos una entrega/presentación por parte de los cuidadores.  Por supuesto, también puede venir al Kidsspace con sus hijos.  con sus hijos.

 Tenemos fruta y agua para el pequeño apetito en medio y información sobre posibles alergias o intolerancias.

  1. la mayoría de nosotros no somos educadores profesionales, pero todos tenemos mucha diversión y/o experiencia en el trabajo con niños y un cierto nivel de educación.  y tenemos un cierto nivel de educación. Queremos que sus hijos hagan lo que quieran hacer, lo que quieran hacer y sólo intervendremos en caso de violencia (verbal o física, contra física, contra las cosas, contra los demás o contra sí mismos).

  2. Idioma: Lamentablemente, no podemos ofrecer servicios de guardería en todos los idiomas. Por favor, infórmenos sobre el idioma que hablan sus hijos. En  actividades que funcionan sin idioma (malabares, fútbol, pintura, etc.),  fútbol, pintura, etc.). Para las necesidades y sentimientos más importantes (loo,  hambre, sed, padres, miedo, cansancio, tranquilidad, etc.), así como las normas del espacio infantil, hemos colocado una pizarra con dibujos. 8. Situación del baño: aún no está clara.

  3. Situación de los aseos: aún no se ha aclarado. Por favor, infórmenos si sus hijos están secos o no y si está bien acompañarlos al baño. Si sus hijos aún no están secos, por favor entréguenoslos con un pañal nuevo y venga a cambiarlos si es necesario.

Reglas:

  1. Somos amables entre nosotros y nos tratamos con respeto. No nos insultamos ni hacemos daño a los demás. 2. siempre podemos preguntar a los supervisores
  2. siempre podemos hacer preguntas a los supervisores o acudir a los adultos de la tienda de los niños si tenemos algún problema.
  3. jugamos todos juntos y no excluimos a nadie. Nos ayudamos unos a otros.
  4. cuando terminamos un juego, lo limpiamos juntos.
  5. si tenemos una necesidad o un sentimiento fuerte, como hambre, aseo, sed, descanso, cansancio, tristeza, miedo o padres, podemos decírselo a un supervisor o mostrarlo en la pizarra.
Awareness & Kinderbetreuung auf Camps & Festivals

Auswertung Kinderbetreuung System Change Camp 2024

Wie liefs 2024?

Feedback von Eltern:

Nächstes Mal anders:

Aktions-Awareness-Vorschläge

Ein Entwurf mit Feedback aus dem Awareness-Vernetzungs-Raum. Entwickle es gerne weiter oder ergänze Deine Anmerkungen

Grundsatz: Awareness ist Gruppenaufgabe

Awareness-Person

Gerade wenn es unübersichtlich, stressig oder sogar bedrohlich wird (und wir im Notfallmodus auf alte Muster zurückgreifen) können Einzelne schonmal verloren gehen. Deshalb wollen wir überall, wo mehrere Menschen oder Bezugsgruppen zusammenarbeiten (Backoffice, Aktion A, Aktion B, MaWa, Gesa-Support-Crew) mindestens eine Person benennen, die besonders darauf achtet, dass alle aufeinander achten, es genügend Check-Ins gibt und die anprechbar ist, wenn die Gruppe der Awarenessaufgabe gerade nicht gut nachkommen kann. Dazu gehört auch, gerade wenn es unübersichtlich wird, im Blick zu behalten, ob alle Menschen noch Bezugsgruppen um sich haben oder anderwo gut angedockt sind.

Awareness-Koordination

☎️ +49 0000, ☎️ FLINTA:

Grenzen der Awareness-Arbeit

Anti-Autoritäre Awareness (Zine)

* Gegen jede (Awareness-) Autorität und gleichzeitig für einen awaren Umgang und eine Anerkennung von struktureller Gewalt *

Geschichte des Texts: Die Awarenessgruppe Basel hat sich 2018/2019 vertieft mit der Frage auseinandergesetzt, wer darüber entscheiden soll und darf, ob etwas als Diskriminierung/Grenzüberschreitung bezeichnet werden muss und kann. Wenn also in diesem Text von wir gesprochen wird, dann ist damit die Gruppenkonstellation zu dem Zeitpunkt gemeint als der Text das erste mal publiziert worden ist.

Link zum Zine auch archive.org: https://archive.org/details/antiautoritare-awareness-zine/Antiautorit%C3%A4re%20Awareness_Zine_imposed/page/n5/mode/2up

Downloads:

Anti-Autoritäre Awareness (Zine)

Warum gibt es diesen Text?

Als Awarenesszusammenhang und im Hinblick auf die Schaffung einer 
herrschaftsfreien Gesellschaft und Welt finden wir die Auseinandersetzung mit 
verschiedenen Diskriminierungsebenen richtig und wichtig, um diese nicht in unseren 
eigenen Kontexten ständig zu reproduzieren. In der Auseinandersetzung mit einer 
intersektionalen und multidimensionalen Perspektive gibt es auch gewisse 
Widersprüche und Ambivalenzen - die stetige Reflexion darüber erachten wir als 
grundlegend. Insofern ist dieser Text aus einer gruppeninternen Reflexion über die 
genannten Themen entstanden. Er ist bewusst fragmentarisch gehalten und soll nicht 
eine abschliessende Auseinandersetzung mit dem Thema beinhalten, auch damit er 
einfacher zugänglich für verschiedene Menschen ist und nicht einfach ein "Gesetz" 
abbildet. Vielmehr ist es uns wichtig, mit diesem Text zugänglich zu bleiben, 
Diskussionen zu ermöglichen und die (Selbst)reflexion zu fördern. 

Auch wir sind gegen verinnerlichte Machtverhältnisse, Dominanzgehabe, innere 
Widerstände und Konflikte nicht gefeit, sondern müssen tagtäglich daran arbeiten, 
diese offen zu legen und zu verlernen. Umso mehr möchten wir darauf achten, dass 
wir nicht als «höhere Instanz» wahrgenommen werden, und nicht bestimmend, 
befehlshaberisch, eindimensional und eigenmächtig, sondern unterstützend und 
kontextsensitiv zu wirken. Wir stellen uns klar gegen autoritäre Tendenzen in unserer 
Szene wie auch in der Welt im Allgemeinen! 

Gegen jede Diskriminierung! Gegen jede Art von Autorität! 

Anti-Autoritäre Awareness (Zine)

Das Konzept der Definitionsmacht

Von wem geht die Definition aus, eine Handlung als rassistisch_antisemitisch, 
ableistisch, sexistisch oder sonst diskriminierend zu bestimmen? 

Unter Definitions”macht” verstehen wir, dass die Definition, ob eine sexualisierte 
und/oder anderweitig diskriminierende Grenzverletzung vorgefallen ist, einzig und 
allein bei der betroffenen Person liegt. Jede betroffene Person von solch 
diskriminierender Gewalt kann nur von sich selbst sagen, was mensch wann als 
Gewalt empfindet und wie mensch diese individuell erlebte Gewalt wahrnimmt. 
Gewalt wird aufgrund der persönlichen Geschichte, Gegenwart und Erfahrung von 
Betroffenen unterschiedlich erlebt, eingeordnet und eingeschätzt. So kann es zum 
Beispiel sein, dass ein Übergriff erst nach längerer Zeit von Betroffenen als solcher 
definiert wird — Definitionsmacht verjährt nicht. Das heisst, unabhängig davon, wie 
z.B. der sexualisierte Übergriff aussah: wenn eine betroffene Person eine 
Vergewaltigung oder einen sexualisierten Übergriff so bezeichnet, dann entspricht das 
genau ihrer Wahrnehmung und ist somit als diese Bezeichnung zu akzeptieren.

Dabei geht es um eine individuelle Wahrnehmung und nicht um die Wahrheit. 

Dieser Unterschied scheint uns massgeblich dafür zu sein, wenn wir das ganze in einen nicht 
autoritären Prozess und eine Veränderung der Gesellschaft eindenken. 

Anti-Autoritäre Awareness (Zine)

Intersektionale Perspektive im Konzept Definitionsmacht

Die Anerkennung der subjektiven Wahrnehmung im Sinn der Definitionsmacht heisst 
aber nicht, dass die Bestimmung von Konsequenzen oder Sanktionen auch Teil von 
Definitionsmacht ist oder sein muss.

Hierbei zu unterscheiden zwischen strukturell  bedingter Gewalt und Diskriminierung und zwischenmenschlichen Konflikten kann hilfreich sein, um die Parteilichkeit bezogen auf Konsequenzen abzuwägen. Definitionsmacht ist also nicht unbedingt Handlungsmacht. Nur schon deswegen nicht, weil auch wir als Unterstützer_innen sowohl persönlich als auch politisch 
Positionen haben. 

Es ist wichtig sich immer zuerst klar zu machen ob es sich um einen Konflikt oder um einen Übergriff (oder beides) handelt. Auch in zwischenmenschlichen Konflikten spielen historisch und strukturell bedingte Unterdrückungsformen immer mit. Aus einer multidimensionalen Perspektive wird möglicherweise deutlich, welche Sozialisationsbedingungen und allfälligen Unterdrückungsformen bei der anderen Person eine Rolle spielen. Natürlich gibt es absolut "unentschuldbares" Verhalten - eine "vorschnelle" Parteilichkeit erachten wir jedoch als hinderlich, weil es Ziel sein sollte, den Konflikt (und nicht: Gewaltvorfall) zu lösen, Verständnis füreinander zu schaffen, etc.

Ob eine Situation als Konflikt oder als Übergriff verstanden werden soll, ist sicherlich nicht immer einfach zu beantworten. So oder so spielt die Reflexion der Machtebenen eine zentrale Rolle bei der Aufarbeitung der Situation. Wie der Name schon sagt, geht es bei der Definitionsmacht darum, wer wie Einfluss ausüben kann über die Art und Weise, wie eine soziale Interaktion verlaufen ist. Da 
wir davon ausgehen, dass alle sozialen Interaktionen von Herrschaftsmustern, Machtgefällen sowie auch unter anderem dadurch bedingte Dynamiken beeinflusst sind, erachten wir es erstmals als richtig, dass die_der Betroffene die Definitionsmacht hat. Es geht dabei nicht zwingend darum, eine objektive Wahrheit des Geschehenen zu etablieren, sondern eben darum, GegenMACHT aufzubauen.

Dass das natürlich eine komplexe Angelegenheit ist in Anbetracht davon, dass wir alle dazu fähig sind zu diskriminieren, als auch fast alle von irgendwelchen strukturellen Benachteiligungen betroffen sind, ist klar. Auch deshalb erachten wir die Langfristigkeit von transformativen Prozessen (wie Transformative Gerechtigkeit - was auch immer Gerechtigkeit heissen mag...) als geeigneter um gemeinschaftliche Verantwortungsübernahme herzustellen, als kurzfristige Sanktionierung - eben auch, weil solche Prozesse es zulassen, verschiedene Betroffenheiten anzugehen und zu verstehen. Dabei soll die soziale Positionierung einer Person nie ein übergriffiges Verhalten entschuldigen. Positionierungen können aber für das Verstehen der Situation in einem transformativen Prozess enorm wichtig sein. 

Dass das Konzept der Definitionsmacht historisch betrachtet von Schwarzen TINF (TransInterNichtBinärFrauen)-Personen in den USA erarbeitet wurde, macht sichtbar, warum es so wichtig war, eine Gegenmacht aufzubauen. Nur schon als TINF-Person auf juristischem Weg Anerkennung für erlebte Übergriffe zu erreichen ist aufgrund der patriarchal geprägten Institutionen wie Polizei und Gerichten oftmals ein mühseliger und gefährlicher Spiessrutenlauf. Als BIPOC (Black Indigenous Person Of Color) wird dir dann nicht nur nicht geglaubt, sondern durch das Zurückgreifen auf diese Institutionen droht den Personen selber und/oder ihren Communities erneute Gefahr von Gewalt, Erniedrigungen, etc. Also musste damals in den USA ein neuer Umgang mit Übergriffen gefunden werden, jenseits von Polizei und Justiz.

Wir sind überzeugt, dass dieses Konzept auch in anderen Kämpfen gegen Diskriminierung und auf dem Weg in eine herrschaftsfreie Gesellschaft ein nützliches Instrument sein kann - jedoch verlaufen die Differenz- und Herrschaftslinien teilweise nicht ganz so klar wie im historischen Beispiel. 

Anti-Autoritäre Awareness (Zine)

Persönliches Unwohlsein heisst nicht automatisch Diskriminierung

"Eine weitere beunruhigende Manifestation der Politik von Safer Spaces ist die Betonung des persönlichen Komforts, die polizei-ähnliches Verhalten in konsensorientierten Gruppen oder Räumen unterstützt. [...] Die Betonung des persönlichen Komforts ist unproduktiv, reformistisch und kann die Energie und den Schwung von in Bewegung befindlichen Körpern zum Stillstand bringen. Die Politik der Unschuld und die Politik der Sicherheit und Bequemlichkeit sind insofern miteinander verbunden, als beide Strategien Passivität verstärken. Bequemlichkeit und Unschuld produzieren sich gegenseitig, wenn Menschen ihre Forderung nach Bequemlichkeit auf die Unschuld ihres Ortes oder ihrer Subjektposition gründen. 

Die Ethik unserer Positionen und Identitäten (als Menschen innerhalb der USA, die unter dem globalen Kapitalismus leben) ist ein schlechter Witz, wenn man bedenkt, dass wir auf gestohlenem Land in einer Nation leben, die auf Sklaverei und Völkermord aufgebaut ist, und obwohl ich eine queere Woman of Colour bin, ist meine Existenz als Mensch, der in den USA lebt, auf Gewalt aufgebaut. Als nicht inhaftierte Person wird meine "Freiheit" nur durch die Gefangenschaft von Menschen wie meinem Bruder verstanden, der im Alter von 17 Jahren zu lebenslanger Haft hinter Gittern verurteilt wurde. Wenn wir über Sicherheit nachdenken, versäumen wir es, kritische Fragen über das co-konstitutive [also sich gegenseitig herstellende] Verhältnis zwischen Sicherheit und Gewalt zu stellen". (Wang, S. 20). 


Natürlich ist der Kontext in der Schweiz (und in Deutschland) ein anderer, aber auch hier gründet unser Leben auf der Ausbeutung der Mehrheitswelt (auch: globaler Süden), auf der Arbeit von Personen ohne die richtigen Papiere und von Gefangenen, auf der CareArbeit von TINF-Personen, etc. Eine ehrliche, stetige, konstruktive und ja, unbequeme Auseinandersetzung ist also in jedem Fall einem falschen Komfort vorzuziehen, der sowieso nicht für alle erreichbar ist und grundsätzlich auf der Diskriminierung anderer beruht. 

Anti-Autoritäre Awareness (Zine)

Ist das Private immer Politisch?

Für uns hat sich die Frage gestellt, ob es Situationen gibt, in denen persönliche Konflikte politisch aufgeladen werden bzw. auch das Konzept der Definitionsmacht instrumentalisiert wird/werden könnte für persönliche Zwecke oder um damit Macht auszuüben. Ein gängiges Argument hierbei lautet, dass Kritik an Personen mit weniger Privilegien so unmöglich gemacht würde, weil die Angst, "etwas falsches" zu sagen, zu gross ist. Aber wenn wir uns anschauen, was hinter dieser Angst steckt, wird oft klar, dass dahinter die Widerstände stecken, sich kritisch mit Machtverhältnissen und Diskrimierungsformen auseinanderzusetzen. 

Sicher ist jeder persönliche Konflikt in Machtverhältnisse eingebettet, und es ist nicht nur gut möglich, sondern Fakt, dass diese Politik in unsere persönlichen Beziehungen und Konflikte mitspielt. Ja, wir können auch in einem WG-Konflikt rassistisch handeln, Ja, auch unsere Sitzungsverhalten, unser Demo-Auftreten und unsere sexuellen Affären sind davon nicht frei, im Gegenteil. Dennoch gilt es, solche Situationen klar zu analysieren und sowohl strukturelle Machtverhältnisse wie auch individuelles Verhalten mitzudenken - und für beide und auf beiden Ebenen Verantwortung zu übernehmen. 

Eine Möglichkeit der individuellen und kollektiven Verantwortungsübernahme könnte sein, zu erkennen, dass auch unsere persönlichen Beziehungen von verschiedenen Unterdrückungsformen durchdrungen sind - das gilt es anzuerkennen sowie auch die Gefühle die es bei davon betroffenen Personen auslöst. In einem weiteren Schritt auch die Gefühle der nicht direkt betroffenen oder gewaltausübenden Personen anzuerkennen und die hinter möglichen Widerständen gegenüber einer Auseinandersetzung mit Sexismus, Rassismus, Transfeindlichkeit, etc. stecken. 

Wir denken, dass es wichtig ist, über die dazugehörigen Gefühle (mögliche Schuldgefühle, Ohnmachten, etc.) zu sprechen. Dabei ist es wichtig zu bedenken, dass z.b. rassismusbetroffene Menschen sich die ganze Zeit mit Rassismus auseinandersetzen müssen, und es nicht ihre Aufgabe ist, die Gefühlsarbeit für weisse Menschen zu übernehmen. Darüber könnte z.B. in einer Critical Whiteness Gruppe (bzw. Kritische Männlichkeiten*) gesprochen werden. 

Dies kann heissen, die eigene Betroffenheit anzuerkennen, aber auch zu abstrahieren, ob und wie anders agiert oder reagiert werden kann. Das heisst für eine angeschuldigte Person, (ja,) die eigenen Privilegien und z.B. der definitiv vorhandene Rassismus anzuerkennen, aber deswegen auch nicht handlungsunfähig zu sein oder gemacht zu werden. Wichtig ist, diese z.B. rassistischen Komponenten zu erkennen, die eigenen Denkmuster zu reflektieren und gleichzeitig dennoch eine persönliche, solidarische Kritik üben zu können. 

Anti-Autoritäre Awareness (Zine)

Relevanz von Analysen & Schwächung von Begrifflichkeiten

In persönlichen Streits Begriffe wie "Grenzüberschreitungen", "Übergriffe", "Missbrauch" zu verwenden, Wörter wie "Trauma" oder "Trigger" inflationär (= mega oft) zu verwenden, lässt die kennzeichnende Qualität von gewaltvollen Situationen verschwimmen und schwächt Betroffene. Das heisst konkret, dass das Konzept von "Definitionsmacht", das wir als grundlegend für Awareness-Strukturen erachten, vorschnell verwendet und für die persönliche Agenda eingesetzt werden kann. Dazu Jackie Wang:

"Conversation often ends when people politicize their feelings of discomfort by using safe space language." (deutsch: Gespräche enden oft dort, wo Menschen ihre unangenehmen Gefühle politisieren, indem sie die "safer space"-Sprache verwenden) (Wang, S. 16, Quelle siehe unten). 


Mit der "safer space"-Sprache sind Schlagwörter gemeint, die uns verstummen lassen, weil wir Angst haben, etwas gegen diese zu sagen - da wir ja grundsätzlich hinter diesen «safer space»-Konzepten stehen. Wenn diese Schlagwörter für persönliche Zwecke verwendet werden, um das Gegenüber zum Schweigen zu bringen, führt dies zu einer Schwächung dieser Konzepte. Dies ist insofern kritisch oder schwierig, als das keine wirkliche Auseinandersetzung mehr möglich ist. 


Bsp: "Der Typ hat mich unterbrochen, das ist sexistisch" --> Hier ist eine genaue Analyse wichtig: was genau ist sexistisch daran? 


Persönliche Erlebnisse sind wichtig, um die gesellschaftlichen Unterdrückungsverhältnisse - die sehr subtil sein können - fassbarer zu machen. Wir sollten aber nicht auf dieser persönlichen Ebene verharren, sondern in die Tiefe gehen und schauen, weshalb es diese Verhältnisse gibt. Denn so können wir sehen, wie Ausschluss und Diskriminierung - und auch Mikroaggressionen - nicht nur auf der 
psychischen Ebene wirken, sondern sich auch in „Materiellem“ einschreiben: es kommt zu konkreten Benachteiligungen in der Schule, auf der Wohnungssuche und am Arbeitsplatz. Und am deutlichsten sehen wir diese Einschreibungen in Regeln und Gesetzen. 


Wichtig und lösungsorientert vorgehen, heisst in Momenten von Konflikten, nicht in Stille zu verharren, sondern auf die Aussage einzugehen: Ja, es stimmt, dass vor allem cis-Männer ein dominantes Verhalten an den Tag legen, zum Beispiel nicht bis 
zum Schluss zuhören, sondern ins Wort fallen / Das ist strukturell bedingt (patriarchale Verhältnisse, etc.) / Sich entschuldigen, die Person ausreden lassen und dann auf das Thema der Sitzung zurückkommen, also von der persönlichen Empfindung zur strukturellen Ebene kommen.

Anti-Autoritäre Awareness (Zine)

Klasse, Bildungsnähe und Szenecodes

Wir haben uns gefragt, ob in unseren Kreisen bei der Aufarbeitung von Übergriffen und Konflikten aus einer multidimensionalen Perspektive die Achse von Bildungskapitalien (= Bildungsvorteile) und Klassenzugehörigkeit in Bezug auf vorhandene Diskriminierungsebenen manchmal vergessen geht. Sicher ist es wichtig anzuerkennen, dass der Gebrauch von diskriminierungsfreier Sprache teilweise auch mit der Bildung von Personen zusammenhängt und dass insbesondere in 
linken_anarchistischen Zusammenhängen vielerlei (Sprach-)codes verwendet werden, die neue Ausschlüsse schaffen. Folgendes Zitat von E*Space, einer feministischen Gruppe aus Dresden, fasst diese Problematik treffend zusammen: 


"Leute werden rausgeschmissen, weil sie andere Wissensstände haben, weil sie Begriffe benutzen, die als schlecht oder verboten angesehen werden oder weil sie Szenecodes nicht kennen. Wenn man auf eine Veranstaltung geht, weil man die 
spannend findet, aber sich eigentlich noch nicht mit den Regeln der linken Szene auseinandergesetzt hat und man sich da "falsch" verhält, dann kann es auch sein, als Extrembeispiel, dass man da für immer nicht mehr dort auftauchen darf. (...) Wir halten es für wichtig, dass Menschen sich erklären können, dass wir erfahren, was passiert ist, wenigstens grob, damit sie auch eine Orientierung haben, was sie ändern können." (evibes, S. 2) 

Anti-Autoritäre Awareness (Zine)

Autoritäre Awareness

Etwas, was wir als Awareness-Gruppe bei Veranstaltungen in christlich-weissen, feministischen Räumen manchmal erleben, ist eine gewisse Unmut, wenn wir über Rassismus, Transfeindlichkeit, Intersektionalität und Multidimensionalität sprechen. 
Diese Unmut wird explizit oder implizit von anwesenden weissen cis-Feministinnen geäussert. Überspitzt gesagt, wollen sie stark machen, dass die Konzepte Awareness und Definitionsmacht "ihnen" gehören, dass sexualisierte Gewalt gegen Frauen "die 
schlimmste" Gewaltform sei, und dass wir primär solche Vorfälle an Parties oder in Beziehungen betrachten sollen. 

Diese cis-Frauen haben hiermit eine "Unterdrückungs-Olympiade" eröffnet: also eine Hierarchisierung von Gewaltformen. Und sie stehen an der Spitze. In dieser Abwehrhaltung verneinen oder ignorieren diese Frauen eigene Gewaltanteile, z.B. Rassismus oder Transfeindlichkeit. Sie beanspruchen das Konzept der Definitionsmacht für sich. Das Ganze erscheint wie ein Machtspiel: Welche 
(christlich-weisse, cis) Frau zuerst "Definitionsmacht" gerufen hat, hat gewonnen; diese Person thront dann auf ihrem hohen Sockel und stellt sich als unantastbar und unfehlbar dar. Die Definitionsmacht wird wie ein Zepter geschwungen und Leute für ihre Fehlbarkeit bestraft. 

Diese eingeforderte Form von Awareness ist eindimensional und denkt einen transformativen Prozess nicht mit. Es mag verständlich sein, dass diese Frauen jahrelang für die Anerkennung von sexualisierter Gewalt auch in der Szene gekämpft haben, und unsere Betonung von Selbstreflexion und Multidimensionalität wie ein Angriff auf ihre Deutungshoheit, und somit als Absprache ihrer Gewalterfahrung erscheint. Nicht im Geringsten wollen wir absprechen, dass sexualisierte Gewalt real und schlimm ist. Wir wehren uns aber dagegen, dass die Konzepte einseitig beansprucht und damit eigene Gewaltanteile versteckt oder ausgeblendet werden. 

In realen Gegebenheiten sind nämlich, wie oben besprochen, oft verschiedene Unterdrückungsformen vorhanden. Was tun zum Beispiel in einer Situation, wo Sexismus und Rassismus gleichzeitig vorhanden sind? Hat da etwa die Person gewonnen, die zuerst Definitionsmacht ausgerufen hat? Wie können wir also eine multidimensionale Perspektive einnehmen? 

Ein weiterer Aspekt von eindimensionaler, nicht selbst-reflektierter und wenig machtkritischer Awareness-Arbeit im allgemeinen ist, dass solche Gruppen sehr viel Macht von der Szene erhalten sowie diese Macht auch wahrnehmen bzw. benutzen. Dies vorzubeugen, anzusprechen und dieses Machtgefälle abzubauen ist enorm wichtig. 

Schliesslich kann - selbstkritisch - auch angemerkt werden, dass Personen mit weissen Privilegien, also auch weisse Awareness-Personen, das Gefühl haben, sie hätten sowieso alle Unterdrückungsformen verstanden und könnten Menschen unterstützen, egal von welcher Gewalt sie gerade betroffen sind. Als Beispiel: christlich-weisse Feministinnen glauben, sie hätten Rassismus voll und ganz verstanden, weil sie Unterdrückung in Form von Sexismus kennen und eine einfache Analogie ziehen - Unterdrückungsformen sind jedoch komplex und nicht 1:1 übertragbar und vergleichbar! Dieser genannte Expert_innenstatus kommt weissen Menschen in unserer rassistischen Gesellschaft, die von weisser Vorherrschaft geprägt ist, zugute. Gleichzeitig werden rassifizierte Personen als voreingenommen, emotional, aggressiv etc. wahrgenommen, wenn sie über Rassismus sprechen. 

Anti-Autoritäre Awareness (Zine)

Angst vor Awareness

Es scheint, als ob mit der Erfahrung einer autoritären Awarenss auch eine allgemeine Angst vor Awareness entsteht, im Sinne von "Meine Meinung wird zensiert". Zensur ist ein äusserst problematischer Begriff, da diese der zensierenden Seite eine Macht zuschreibt, die über restriktive Strukturen verfügt (meistens sind das staatliche Stellen). Zudem wird dieser Begriff der "Zensur" oder der "Beschneidung der Meinungsfreiheit" seit einigen Jahren gerne von rechtspopulistischen Kreisen verwendet und dadurch wird versucht, die reaktionären und menschenunwürdigen Tendenzen in diesen Politiken zu verschleiern. Dasselbe können wir auch in unseren Kreisen beobachten, wenn "Zensur!" oder "political correctness!" gerufen wird und somit eine kritischen Auseinandersetzung verunmöglicht wird (es mag sein, dass insbesondere privilegiertere Personen (z.B. christlich, weiss, cis) den Begriff Zensur verwenden, weil sie es sich im Alltag nicht gewohnt sind, dass sie ihre Bedürfnisse zurückstecken sollen und ihre Äusserungen kritisiert werden können; d.h. sie stellen sich nicht die Frage: "Muss ich immer meine Meinung sagen, oder kann ich nicht einmal innehalten und über das Gesagte nachdenken?"). 


Ähnlich problematisch ist es von "polizei-ähnlichen" Strukturen zu sprechen. Polizei ist eine Form staatlich kontrollierter Gewalt und Kontrolle. Es ist ein struktureller Mechanismus, der der Machterhaltung dient. Menschen, die sich aus freien Stücken und ohne besondere Machtmittel zusammen tun, um sich gegen Machtverhältnisse zu wehren, sind nicht mit Polizei zu vergleichen. Der Vergleich ist nicht nur falsch, sondern auch politisch fragwürdig, da er staatliche Gewalt und Unterdruckung nicht adäquat darstellt und klein macht. 


Wir können aber gerne über einen gewissen sozialen Druck sprechen, also was es bedeutet, sich in gewissen Räumen nicht mehr alles sagen zu trauen. Hier kommt es natürlich darauf an, von welchen Räumen wir sprechen, denn es gibt auch Räume, die gar nichts von political correctness halten und das auch ausleben. Also sprechen wir von öffentlich zugänglichen Räumen. Und hier gibt es vielleicht wirklich Momente, wo ich nicht all meinen Gedanken freien Lauf lassen sollte*, sondern dafür lieber spezifisch für solche Diskussionen erschaffene Momenten nutzen sollte (z.B. in Awareness-Workshops, wo explizit darauf aufmerksam gemacht wird, dass Fehlerfreundlichkeit besteht, und Menschen, die sich dem nicht aussetzen wollen, nicht kommen sollen. 

Angst loswerden und Dinge riskieren 


"Wenn eine Analyse von Privilegien in ein politisches Programm umgewandelt werden, das behauptet, dass die Schwächsten keine Risiken eingehen sollten, wird die einzige politisch korrekte Politik zu einer Politik des Reformismus und Rückzugs, 
einer Politik, die notwendigerweise vor dem Status quo kapituliert und gleichzeitig das Erbe von Black Power-Gruppen wie den Black Panthers und der Black Liberation Army auslöscht. Für Fanon ist es gerade das Element des Risikos, das ein militantes Handeln dringlicher macht - die Befreiung kann nur unter Einsatz des Lebens gewonnen werden. Militanz ist nicht nur taktisch notwendig - ihr zweifaches Ziel besteht darin, Menschen zu verwandeln und ihr Wesen "grundlegend zu verändern", indem sie sie ermutigen, ihre Passivität beseitigen und sie von "dem Kern der Verzweiflung" reinigen, der sich in ihren Körpern herauskristallisiert hat". (Wang, S. 19) 


Es gehört wohl zum menschlichen Eigensinn, dass neue und ungewohnte Dinge mit Skepsis betrachtet werden oder gar Angst machen. Wir müssen unser Komfortzone verlassen und uns auf unbekanntes Gelände wagen. So oder ähnlich ist es auch mit 
den Awareness-Konzepten. Wenn wir davon ausgehen, dass sich die Aufnahme und Anwendung von Awareness-Konzepten in verschiedene Phasen einteilt, sind wir womöglich im Moment in einer "Vorsichtsphase". Wir tasten uns an sie heran, lernen 
sie kennen. Langsam gewöhnen wir uns an sie, verstehen sie, wenden sie an. Hier können auch Fehler passieren, und die Konzepte können willentlich und unwillentlicht missbraucht werden. Wir müssen also kritikfähig und -willig bleiben! 

Was wir uns wünschen, wie wir als Awareness-Gruppe mit Widersprüchen 
umzugehen gedenken und wie wir kritisierbar bleiben wollen 


Wir wünschen uns langfristiges Denken, Anerkennung von persönlichen Lernprozessen, Geduld und Fehlerfreundlichkeit. Nur weil jemensch nicht weiss, was Pronomen sind, hat mensch deine Grenzen nicht überschritten und auch keinen Highkick verdient. Übernehmt Verantwortung für die eigenen Gefühle! Und an alle, die es vermessen halten, Geduld einzufordern: Gebt Acht auf euch, ihr seid natürlich nicht verpflichtet, die Aufklärungsarbeit zu leisten. Es gab unterdrückte Personen vor uns und es wird sie nach uns geben. Auch wir unterdrücken, haben unterdrückt, werden unterdrücken. 

Wir wollen gemeinsam gewaltvolles Verhalten verlernen und gewaltvolle Strukturen angreifen! Und: An alle autoritären Awareness-Strukturen: Löst euch einfach auf, ihr seid eh nicht aware! 

Für unser Wirken ist es zentral, dass wir als Awareness-Gruppe - und das trifft wohl auf alle Awareness-Strukturen zu - kritisierbar bleiben. Auch wir müssen uns reflektieren und in konkreten Fällen allenfalls nachfragen, um die Instrumentalisierung von Awareness-Konzepten für persönliche Agendas "aufzudecken". Das heisst nicht, dass wir eine Erfahrung absprechen, aber allenfalls 
die Konzepte genauer erklären können. Und darauf aufmerskam machen, dass eine inflationäre (= sehr oft) Verwendung von bestimmten Begriffe sich längerfristig nachteilig auf Betroffene sexualisierter und diskriminierender Gewalt auswirken kann. 

Positionierung und Selbstverständnis 


Awareness Basel setzt sich momentan mehrheitlich aus cis-Personen zusammen, wir profitieren fast alle von weisser christlicher Vorherrschaft und den Privilegien eines schweizer Passes, wir sind mehrheitlich heterosexuell, wir werden fast alle nicht von der Gesellschaft behindert, haben in der Gruppe überdurchschnittlich viel Zeit an Hochschulen verbracht, und überwiegend keine dringlichen finanziellen Probleme. Selbskritisch zu sein ist uns wichtig und das heisst auch, unsere Privilegien und Gruppenzusammensetzung zu reflektieren. 


Es sind viele offene Fragen und innere Widerstände und Konflikte da. auch wir sind davor nicht gefeit. Das alles ist Abbild unserer verinnerlichten Machtverhältnisse. Wir möchten den Text als Diskussionsanstoss verstehen, wir können keine abschliessenden Antworten liefern und diese wird es auch nie geben. 

Wir als Awareness sind keine höhere Instanz! Wir versuchen, unterstützend und kontextabhängig bei Prozessen zu wirken, und nicht bestimmend, befehlerisch, eindimensional und eigenmächtig. 

Ressourcen 


Saba-Nur Cheema. 2020. "Die Kultur des Aufschreis. Diskussionen über 
Migroaggressionen, Triggerwarnungen und Safe Spaces haben politische 
Auseinandersetzungen ersetzt." An.schläge 2/2020, S. 22-23. 


e*space, e*vibes. 2014 und 2017. "Definitionsmacht - eine feministische Kritik" 
- Vortrag und Diskussion in Köln, PDF: 
https://www.evibes.org/wp-content/uploads/sites/24/2017/07/wir-arbeiten-nicht-mit- 
definitionsmacht-zum-Zusammenfu%CC%88hren.pdf 

- Text von 2014: http://evibes.blogsport.de/2014/11/18/wir-arbeiten-nicht-mit- 
definitionsmacht/ 

- Mitschnitt der Veranstaltung am 6. Juni 2015 im Autonomen Zentrum Köln - es 
referierte die Interessiertengruppe ( e*space: http://evibes.org/ueberuns/ )im 
Rahmen einer mehrteiligen Diskussionsreihe. 
https://www.mixcloud.com/evibes/definitionsmacht-eine-feministische-kritik- 
vortrag-und-diskussion-in-k%C3%B6ln/ 


Massimo Perinelli. 2015. Triggerwarnung! Critical Whiteness und das Ende der 
antirassistischen Bewegung. Phase Zwei, Weissabgleich, Nr 51. https://phase- 
zwei.org/hefte/artikel/triggerwarnung-566/ 


Jacky Wang. 2012. "Against Innocence. Race, Gender, and the Politics of Safety." 
Zuerst erschienen in LIES: A Journal of Materialist Feminism, Vol 1 (2012). 
Insbesondere Kapitel "Safe Space", S. 16 - 21. Link zum PDF: 
https://archive.org/details/AgainstInnocenceRaceGenderAndThePoliticsOfSafety/ 
mode/2up 


Conflict ist not Abuse, Sarah Schulmann https://archive.org/details/conflict-is-not- 
abuse 


Transformative Gerechtigkeit, awarenetz.org und ignite kollektiv 
https://archive.org/details/tg-diskussionsbeitrag